Ernest Hemingway

  • Hallo zusammen,


    in den letzten Tagen öfter in anderen Threads erwähnt: Ernest Hemingway


    Was ist so das typische in seinen Romanen?

    Ich mag „Paris – ein Fest fürs Leben“, weil darin Hemingway so unbeschwert klingt. Der Schriftsteller am Anfang seiner Ehe und Karriere und diese so typische Kaffeehausatmosphäre.


    Beklemmend und fesselnd fand ich „Der Alte Mann und das Meer“. „Fiesta“ liebe ich wegen den knappen Dialogen und seinem (Anti)Helden Jake :redface: Sehr beherrscht, großzügig, menschlich.


    Vielleicht ist dieser Jake ja der typische Hemingway-Held. Ich könnte es mir vorstellen. Doch um diese Aussage zu untermauern, müsste ich erst noch ein paar andere Romane von ihm lesen.


    Wie findet ihr sein Werk allgemein und welches Buch hat euch gefallen/nicht gefallen?
    Und nochmals meine Eingangsfrage: Was ist so das typische in seinen Romanen?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo JMaria!


    Angeregt durch Deinen Beitrag habe ich mich mit Ernest Hemingway noch einmal beschäftigt. Mein letzter Kontakt mit diesem Autor liegt weit zurück, aber ich habe durch ein wenig Blättern und Querlesen meine Eindrücke erneuert. Zu meinen Lieblingen gehört EH nicht. Trotzdem schätze ich ihn. Meine Meinung stützt sich auf vier Werke, die ich gelesen habe:


    1. Fiesta (blieb ohne Nachklang, für mich ein eher schwaches Buch)
    2. Wem die Stunde schlägt (hat Höhen und Tiefen, nicht sein bestes Werk)
    3. Tod am Nachmittag (eine sehr zwiespältige, aber auch interessante Auseinandersetzung mit dem Stierkampf)
    4. Der alte Mann und das Meer (sein bestes Buch!)


    Hinzu kommen einige Kurzgeschichten, von denen mir nur der "Francis Macomber" positiv in Erinnerung geblieben ist.


    Wenn du fragst, was typisch für diesen Autor ist, dann fällt mir als erstes eine Meinung ein, die nicht von mir, sondern von einem Kenner der Materie stammt. Er behauptet, dass es bei EH fast immer um das Thema "Männlichkeit" geht - vor allem um den Beweis männlicher Stärke und um männliches Scheitern. "Der alte Mann ..." ist sicher ein guter "Beweis" für diese These, aber auch die Kurzgeschichten aus Afrika (vor allem "Francis Macomber") und "Tod am Nachmittag" sprechen diesbezüglich eine klare Sprache. Großwildjagd, Stierkampf, Hochseefischen: Das sind die typischen Aktivitäten der Hemingway-Helden (und Antihelden). Der offene Kampf auf Leben und Tod zwischen Mensch und Tier müssen diesen Mann sehr stark fasziniert haben. Er schreibt immer dann am glaubwürdigsten und spannendsten, wenn er diese existenzielle Auseinandersetzung thematisiert. Nimmt man Einzelheiten seiner Biografie hinzu (z.B. seine Arbeit als Kriegsberichterstatter), dann ist die eingangs formulierte These sicher nicht allzu gewagt. Auch sein Freitod spricht Bände, erfolgte er doch aus der Erkenntnis einer unheilbaren Krankheit heraus. Zynisch formuliert: Er wollte "mit Stiefeln an den Füßen" und aufrecht aus dem Leben scheiden, nicht als wimmernder Wicht auf einem Krankenbett! Irgendwie ein ganz schöner Chauvi, oder? :breitgrins:


    Ich hoffe, diese Anmerkungen mögen für´s Erste genügen, um eine weiterführende Diskussion zu ermöglichen.


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • Hallo Maria, Sir Thomas und alle,


    von Hemingway habe ich schon lange nichts mehr gelesen, weil er, bzw. seine Themen nicht so mein Ding sind. Wie du, Sir Thomas - schon schreibst - es ist eine sehr atavistisch männliche Welt, die von Auseinandersetzungen um die Machterlangung und -erhaltung geprägt ist. Dennoch berührte mich "Der alte Mann und das Meer" sehr: Es ist eine von diesen klassischen Novellen, die so sehr gelungen sind, dass sie Menschheitsthemen meines Erachtens unüberbietbar formulieren.
    Ansonsten habe ich "Wem die Stunde schlägt" und "In einem anderen Land" (= A Farewell to Arms) gelesen. Beide Bücher haben mich eher wegen Schauplatz und Zeitumständen als wegen des Plots und der literarischen Gestaltung gefesselt.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Dennoch berührte mich "Der alte Mann und das Meer" sehr: Es ist eine von diesen klassischen Novellen, die so sehr gelungen sind, dass sie Menschheitsthemen meines Erachtens unüberbietbar formulieren.


    ... und deshalb erschien es mir heute als nette vorweihnachtliche Lektüre.


    Beinahe schon überladen mit christlich-metaphysischen Metaphern, Symbolen und Bildern, schildert "Der alte Mann und das Meer" den dreitägigen Kampf und die Leiden des alten, vom Glück verlassenen kubanischen Fischers Santiago mit einem gewaltigen Schwertfisch, den er seinen „Bruder“ nennt, den er verehrt, aber dennoch töten will – was ihm schließlich unter Aufbietung allerletzter Kräfte gelingt. Auf dem Rückweg verliert er den großen Fang seines Lebens jedoch an eine Meute Haifische, die seine stolze Beute bis auf das Rückgrat, den Kopf und den Schwanz auffrisst. Ohnmächtig muss der alte schmerzgeplagte Mann dies hinnehmen, weil er zum Schluss nicht mehr über die Mittel verfügt, die angreifenden Haie von dem erlegten Schwertfischkadaver fernzuhalten. Zu groß ist ihre Übermacht, zu stumpf seine Waffen, zu dunkel die Nacht, um den gierigen Fressmaschinen auf Dauer standhalten zu können.


    Das Töten und der Tod sind allgegenwärtig auf dem offenen Meer. „Fisch, ich liebe dich und achte dich sehr. Aber ich töte dich bestimmt, ehe dieser Tag zu Ende ist.“ Der Schwertfisch ist ein würdiger Gegner, der – indem man den Kampf mit ihm aufnimmt – die besten Tugenden eines Menschen zum Vorschein bringt: Stärke, Ehre, Mut, Stolz, Respekt und Würde. Santiago und der Fisch sind auf dem weiten Ozean Teile des selben ehernen Gesetzes: Töte oder du wirst getötet.


    Nachdem Santiago den ersten Hai, der sich an seinem Fang vergriffen hatte, mit einer Harpune erlegt hatte, denkt er zunächst:
    "... den Hai hast du gern getötet. Er lebt von den lebenden Fischen wie du. Er ist kein Assgeier oder einfach ein schwimmender Hunger wie mancher Hai. Er ist wunderschön und edel und hat vor nichts Angst. „Ich habe ihn aus Notwehr getötet“, sagte der alte Mann laut. „Und ich habe ihn gut getötet.“ Außerdem, dachte er, tötet alles auf irgendeine Art alles andere. Fischen tötet mich und erhält mich auch am Leben."


    Während vor allem der Schwertfisch, aber auch der erste Hai, als edle und würdige Gegner im Kampf ums Dasein auf dem Meer gesehen werden, sind die später im Rudel auftretenden Haie für Santiago reine Fressmaschinen, Aasgeier und Killer. Sie repräsentieren die destruktiven Elemente und Gesetze der Natur. Anders als der Schwertfisch und der einzelgängerische Makohai haben sie keine Würde und sind deshalb keine Gegner, aus deren Bekämpfung sich Stolz ableiten lässt.


    Das Töten (insbesondere des Schwertfischs) ruft widersprüchliche Gefühle in Santiago hervor. „Du hast den Fisch nicht nur getötet, um dein Leben zu fristen und um ihn zum Essen zu verkaufen, dachte er. Du hast ihn aus Hochmut getötet, und weil du ein Fischer bist. Du hast ihn geliebt, als er am Leben war, und danach hast du ihn auch geliebt. Wenn du ihn liebst, ist es keine Sünde, ihn zu töten. Oder ist es dadurch schlimmer?“. Die Rechtfertigung des Tötens um der Nahrung willen hat Santiago zuvor schon verworfen: „Sind sie es wert, ihn zu essen? Nein, natürlich nicht. Es gibt niemanden, der es wert ist, ihn zu essen, wenn man die Art seines Verhaltens und seine ungeheure Würde bedenkt.“


    Was bleibt? Ein zugleich bitteres, aber auch erleichtertes Resümee: „Es ist einfach, wenn man geschlagen ist, dachte er. Ich wusste niemals, wie einfach es ist. Und was hat dich geschlagen? Nichts. Ich bin einfach zu weit hinausgefahren.“


    Vorweihnachtliche Grüße von


    Sir Thomas

  • Für mich zählt Hemingway zu den allergrößten Irrtümern der Literaturgeschichte. Seine Bücher sind ( Der alte Mann und das Meer, Inseln im Strom etc.) larmoyant, lächerlich pathetisch, blutrünstig, armselig männlich, einfach grauenvoll.
    Wer wahrhaftige Literatur erleben will, soll doch bitte Joseph Conrad, Malcolm Lowry und Herman Melville lesen!


    Die Leserin


  • Für mich zählt Hemingway zu den allergrößten Irrtümern der Literaturgeschichte. Seine Bücher sind ( Der alte Mann und das Meer, Inseln im Strom etc.) larmoyant, lächerlich pathetisch, blutrünstig, armselig männlich, einfach grauenvoll.
    Wer wahrhaftige Literatur erleben will, soll doch bitte Joseph Conrad, Malcolm Lowry und Herman Melville lesen!


    Liebe Leserin,


    diese Tirade gegen Hemingway ist nicht neu. Das habe ich schon des öfteren zu hören (und zu lesen) bekommen. Hemingway scheint zu den Autoren zu zählen, die man entweder mag oder abgrundtief ablehnt und verachtet. Naja, das ist, wie so vieles im Leben, halt Geschmacksache ...


    Zum Schluß ein wenig Zustimmung: Melville ist wirklich großartig, sein "Moby Dick" rangiert in meiner persönlichen Top 10. Lowry kann ich nicht beurteilen, von Conrad kenne ich "Das Herz der Finsternis" (hervorragend, wenn auch sperrig) und "Lord Jim" (selten so gelangweilt :grmpf:).


    So, nun aber nichts wie ran an die selbst gebackenen Zimtsterne meiner Frau und einen leckeren Capuccino!


    Es grüßt



    Sir Thomas

  • Hallo Sir Thomas,


    ob die Beurteilung von Literatur wirklich nur Geschmacksache ist, darüber ließe sich sicher trefflich streiten.


    Doch wie schön, dass "Moby Dick" zu deinen Favoriten zählt, aber Melville ist mehr als nur der Schöpfer dieses wahrhaft homerischen Meisterwerkes.
    Hoffentlich hast du auch alles andere gelesen, was er geschrieben hat. Wenn nicht, dann lies und staune.


    Auch was Joseph Conrad betrifft, kann ich dir nur raten, alles zu lesen, was dieser "tätige Pessimist" (André Maurois) uns hinterlassen hat.
    Die Langeweile, die du beim Lesen von "Lord Jim" empfunden hast, kann ich nicht verstehen. Conrad zeigt uns hier einen Menschen, der durch einen einzigen versäumten Augenblick, den Boden unter den Füßen verliert, und der wie besessen darum kämpft, seinem Leben durch richtiges Handeln einen neuen Sinn zu geben.
    Es heißt in "Lord Jim": "Dem Traum folgen und nochmals dem Traum folgen und so - bis zum Ende -."
    Ein schönes Lebensmotto, wie ich finde.


    Dass du noch nichts von Malcolm Lowry gelesen hast, darum beneide ich dich fast, denn es steht dir ein enormes Leseglück bevor.


    Wenn du diese drei Giganten gründlich studiert hast, garantiere ich dir, dass du den Hemingway da einordnen wirst, wo er hingehört.


    Viele Grüße und ein gesundes auserlesenes neues Jahr



    Die Leserin


  • Melville ist mehr als nur der Schöpfer dieses wahrhaft homerischen Meisterwerkes.
    Hoffentlich hast du auch alles andere gelesen, was er geschrieben hat. Wenn nicht, dann lies und staune.


    Dass du noch nichts von Malcolm Lowry gelesen hast, darum beneide ich dich fast, denn es steht dir ein enormes Leseglück bevor.


    Liebe Leserin,


    welche weiteren Melville-Empfehlungen kannst Du aussprechen? Und womit steige ich idealerweise in die Lowry-Welt ein? Ich bin dankbar für Deine Tipps!


    Meinen "Lord Jim" kann ich nicht mehr auffinden, ist wahrscheinlich ausgeliehen und nicht zurückgebracht. Und was meine Einordnung Hemingways anbelangt, so halte ich ihn mitnichten für den Größten seiner Zunft, aber doch für lesenswert. Ich mag einfach von Zeit zu Zeit die lakonische "hard-boiled"-Sprache und den "tough style" bestimmter US-Autoren (wie Faulkner, Hammett, Chandler oder C. McCarthy).


    Vielen Dank für Deine Neujahrsgrüße, denen ich mich natürlich anschließe und Dir ebenfalls erlesene Zeiten wünsche.


    Bis demnächst, ich freu mich auf Deine Hinweise zu Melville und Lowry!


    Sir Thomas

  • Interessante Diskussion um Hemingway, stimmt in wesentlichen Details, hinzuzufügen wäre jetzt noch die existentialistische Komponente. Hemingway schrieb sich in das 20.Jh hinein mit all der Dialektik, die diese Zeit mit sich brachte. So kann jemand sehr wohl an Weihnachten an Kastration denken, aber auch daran, dass Stier und Torero die gleiche Würde im Tod haben. Um Würde ging es Hemingway immer, ob beim Forellenfischen oder beim Beschreiben einer Todesangst, die Nick Adams im Zelt nachts erfuhr. Und Schmerz? Als die Leine, die Angelschnur die Hand des alten Mannes durchschneidet und er "ayeeehhhh" aufschreit, da kommt dieses Bild vom Schmerz, der ähnlich dem ist, den man erfährt, wenn einem ein Nagel durch das Fleisch getrieben wird. Zeit seines Lebens ging Hemingway an Schmerzgrenzen, das Fell des toten Leoparden am Kilimandscharo markiert auch so eine Grenze, Zeit seines Lebens suchte Hemingway einen Weg durch das Leben und schrieb sich meisterhaft diesen Weg selbst vor in seinen Figuren, sie alle kämpften um eine "good performance en route". Ja, er wollte aufrecht in seinen Stiefeln sterben sozusagen, aber das als machohafte Attitüde zu kennzeichnen nimmt einem Schöpfer großer Literatur des 20. Jh die Würde.
    Übrigens: Brahms hat einmal gesagt, dass man nach Beethoven keine Sinfonien mehr schreiben könnte, danach hat er zu seinen besten angehoben und seine Quartette erst...Melville...ja...kann man nach "Moby Dick" noch... aber ja, sein bestes Stück folgte unmittelbar danach: Bartleby the Scrivener", Bartleby der Schreiber...unbedingt lesen!
    herzlichst uis

  • Hallo Sir Thomas,


    die Amerikaner sind sowieso meine Favoriten. Auch Faulkner kann ich nur als Gegengift zu Hemingway empfehlen. Vor einiger Zeit habe ich mal wieder "Licht im August " gelesen und es hat mich erneut umgehauen. McCarthy gehört zum Besten, was die Gegenwartsliteratur zu bieten hat: beunruhigend, dunkel, tiefgründig und bewegend.
    Doch nun zurück zu Conrad, Melville und Lowry:
    Von Conrad empfehle ich dir zunächst "Der Geheimagent", klingt wie ein Krimi, ist aber viel mehr (oder eben was ein Krimi sein sollte, einfach ein meisterhaftes Buch). Es gibt darin sogar etwas, was man bei Conrad sonst nur sehr selten findet, nämlich eine interessante Frauengestalt.
    Von Melville solltest du dir für den Anfang "Billy Budd" und "Bartleby der Schreiber" vornehmen.
    Und dann nimm dir möglichst lange Urlaub von allem, was dich vom Lesen abhalten könnte, und stürze dich in "Unter dem Vulkan" von Malcolm Lowry.


    Viel Vergnügen bei diesem Abenteuer wünscht dir


    Die Leserin

  • Hallo uis,


    bei diesem Thema kann ich einfach nicht ruhig bleiben. Wie kann man die Würde des Täters während der Tat, mit der würde des Opfers während der Tat vergleichen? Wie kann jemand Würde haben, der sich unter unschuldigen Tieren seine Opfer sucht und beim Töten über den Sinn seiner eigenen kleinen Existenz nachgrübelt? Mir wird übel dabei. Anderen Schmerz zufügen, um an die eigene Schmerzgrenze zu kommen, wie erbärmlich ist das denn?
    Man lese dazu "Das Leben der Tiere" von J.M.Coetzee (und gleich auch alle seine anderen Bücher)


    Die Leserin

  • Liebe Leserin,


    zunächst einmal vielen Dank für Deine Hinweise zu Melville, Conrad und Lowry. "Unter dem Vulkan" hatte ich durch ein wenig Geklicke bereits entdeckt - klingt interessant.


    Noch einmal zu Hemingway. Ich möchte Dich nicht ärgern (vielleicht eher ein wenig unterstützen) durch einen Ausschnitt aus "Tod am Nachmittag". Im Kapitel 19 philosophiert Hemingway über das Töten des Stiers - den „krönenden“ Abschluss seines rituellen Totentanzes mit den Banderilleros, Picadores und Matadores.


    „Ein großer Töter muss gern töten; wenn er nicht spürt, dass dies das Größte ist, was er tun kann, wenn er sich nicht dessen Würde bewusst ist und fühlt, dass es seine eigene Belohnung in sich birgt, wird er der Selbstverleugnung unfähig sein, die beim richtigen Töten erforderlich ist. Der wahrhaft große Töter muss ein Gefühl für Ehre haben und ein Gefühl für Ruhm [...] er muss den Augenblick des Tötens als spirituelles Hochgefühl empfinden. Sauber zu töten und auf eine Art und Weise, die einem ein ästhetisches Vergnügen und ein Gefühl von Stolz gibt, war immer eine der stärksten Genüsse für einen Teil der menschlichen Rasse. [...] Eine der größten Freuden dabei [...] ist das Gefühl der Rebellion gegen den Tod, das man erlebt, wenn man ihn verursacht. Wenn man einmal die Herrschaft des Todes bejaht hat, ist „Du sollst nicht töten“ ein leicht und natürlich zu befolgendes Gebot. Aber wenn ein Mensch sich noch in Rebellion gegen den Tod befindet, macht es ihm Vergnügen, sich eines der gottähnlichen Attribute anzueignen: den Tod zu verursachen. Dies ist eines der aller stärksten Gefühle in jenen Menschen, die Genuss am Töten haben. Solche Dinge werden aus Stolz getan [...] Stolz macht den Stierkampf, und wahrer Genuss am Töten macht den großen Matador.“


    Ich gebe zu: Das ist schon harter Stoff!


    @ uis: Du schreibst, dass Hemingway über Schmerzgrenzen ging. Meine persönliche Grenze ist mit den eben zitierten Betrachtungen über das Töten erreicht ...


    Ich wünsche Euch einen guten Rutsch und weitere spannende Diskussionen im nächsten Jahr!


    Sir Thomas

  • Liebe Hemingway-Fans, -Verächter und -Hasser,


    während einer längeren Zugfahrt habe ich mir "Schnee am Kilimandscharo" aus dem Jahr 1936 (Hemingways sog. "Afrika-Phase") gegönnt - eine Geschichte, von der behauptet wird, sie sei Ernests Liebste und Beste. Der Zynismus, mit der ein gescheiterter Autor (zumindest hält er sich für gescheitert) im Angesicht des Todes mit seinem Leben und Liebschaften abrechnet, hat mich beeindruckt und ein sehr zwiespältiges Gefühl hinterlassen. Weiß jemand, ob Hemingway hier vielleicht eine Zwischenbilanz über sein eigenes Schaffen gezogen hat?


    Es grüßt


    Sir Thomas


  • Hallo Sir Thomas,


    Der Roman "Fiesta" geht auf autobiographische Erlebnisse Hemingsways in den 20iger Jahren in Pamplona zurück.
    "Schnee auf dem Kilimanscharo" habe ich noch nicht gelesen, doch wenn ich mir die Inhaltsangabe anschaue, könnte ich mir schon vorstellen, dass es hier ähnlich gelagert ist. Ob Hemingway sich jedoch als gescheiterter Schriftsteller sah oder unter Selbstzweifel litt, weiß ich nicht. Kennt jemand eine gute Biographie?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Ob Hemingway sich jedoch als gescheiterter Schriftsteller sah oder unter Selbstzweifel litt, weiß ich nicht. Kennt jemand eine gute Biographie?


    Nein. Ehrlich gesagt: Meine Hemingway-Phase ist schon lange, lange her ... :breitgrins: Ich hatte allerdings bei Hemingway nie das Gefühl, dass seine Protagonisten verkappte Alter Egos sind. Allenfalls teilen sie seine Gefühlswelt - nämlich, dass ein Mann nur wirklich ein Mann und frei ist bei wirklich männlichen Tatigkeiten wie der Jagd oder dem Hochseefischfang ... Aber, wie gesagt: lang, lang ist's her ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Lohnt es sich Hemingway zu lesen? Ich kenne den "Alten Mann und das Meer" sowie seine short stories. Muss man mehr von ihm lesen :breitgrins: ?


    Wenn ich jeweils bösartig bin, nenne ich Hemingway "Jungmännerliteratur". Ähnlich wie Hesse nur in der unmittelbaren Postadoleszenz wirklich geniessbar ... :breitgrins:


    Interessant finde ich allerdings das autobiografische, postum 1964 veröffentlichte A Moveable Feast über seine Zeit in Paris und die Leute, mit denen er dort verkehrte: u.a. Aleister Crowley, Ezra Pound, F. Scott Fitzgerald, Ford Madox Ford, Hilaire Belloc, Pascin, John Dos Passos, James Joyce und Gertrude Stein.


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    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich mag „Paris – ein Fest fürs Leben“, weil darin Hemingway so unbeschwert klingt. Der Schriftsteller am Anfang seiner Ehe und Karriere und diese so typische Kaffeehausatmosphäre.


    Hallo Maria,
    hallo zusammen,


    „Paris – ein Fest fürs Leben“ ist mein persönliches Lieblingsbuch von Hemingway. Gerade ist eine neue Fassung, die sogenannte Urfassung auf deutsch erschienen, in einem Geleitwort erläutert ein Enkel des Autors, warum diese Fassung die echte sein soll. Übersetzt wurde diese Urfassung zwei Jahre nach dem Erscheinen in Amerika von Werner Schmitz und ist jetzt im Rowohlt Verlag erschienen:


    http://kurier.at/kultur/3919023.php


    Btw: Genau heute vor 50 Jahren, am 2. Juli 1961 hat sich Ernest Hemingway erschossen!


    LG


    Hubert