Januar 2007 - Beowulf

  • So, dann möchte ich die Leserunde hiermit eröffnen. Ich wünsche uns allen viel Spaß und hoffentlich ein schönes Leseerlebnis!


    HG, Monolith


    PS: Ich habe auch erst die Einleitung gelesen und werde mich ranhalten müssen, denn ich habe gemerkt, dass sich die Stabreime bestimmt nicht "einfach so runterlesen" lassen werden.

  • Hallo zusammen!


    Erhellende Links? Wichtige Sekundärliteratur, auf die Ihr euch beim Diskutieren immer wieder bezieht? Biografie des Autors? Her damit, in diesen Thread!


    Vielen Dank!


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo miteinander,


    mit Vergnügen habe ich nun die ersten 900 Verse hinter mich gebracht.
    Neben dem Hildebrandslied und der Edda das altertümlichste germanische Versepos, das ich bisher gelesen habe.
    Gerade wegen des Stabreims, den Felix Genzmer, dessen Übersetzung ich lese, sehr schön nachempfunden hat, lässt sich der Text recht gut lesen, wenn man sich einmal daran und an die Kenningar, die fest stehenden sprachlichen Bilder, gewöhnt hat.
    Während meines Germanistikstudiums hatte ich als Schwerpunkt die alt- und mittelhochdeutschen Heldenlieder: also das oben schon genannte Hildebrandlied, Nibelungenlied und Kudrun. Die beiden letzteren sind wesentlich mehr überarbeitet und der höfischen Welt des Hochmittelalters angepasst, schon durch die Nibelungenstrophe, die einen ganz anderen "Sound" hat als die Stabreime des "Beowulf".
    Gerade deshalb sind die Überarbeitungen des englischen Geistlichen sehr gut herauszulesen (Z.B. Vers 85 ff) und fallen gegen das urtümliche Geschehen ab.
    Witzig sind die Übertreibungen, die nach Genzmers Vorwort auf den keltischen Geschmack der Umgestalter und Rezipienten des Liedes zurückgehen: Was Beowulf alles kann: tagelang im Meer schwimmen ohne jeden Halt, dabei sein Schwert mit sich führen und diverse Wale aufschlitzen sowie Necks die Menge besiegen.
    Der Herr ersetzt wahrlich eine ganze Armee.
    Grendel dagegen kann einem geradezu Leid tun. Eigentlich ist er nur lärmempfindlich und wehrt sich deshalb gegen die Zechgelage. Das kann man ihm doch eigentlich nicht verdenken?! Wer einmal über einer gut besuchten Kneipe gewohnt hat, wird das gut verstehen. Und das Ordnungsamt gab es damals noch nicht! :zwinker:
    Euch weiterhin ebenso frohe Lektüre


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Leider bin ich noch nicht sehr weit gekommen... Aber die Metaphern und Wortbildungen machen mir schon jetzt Eindruck!

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Ich lasse mir Zeit (250 Verse bisher), denn ich möchte Heaneys Übersetzung richtig genießen.
    Und solche Stellen wie
    greedy and grim, he grabbed thirty men
    from their resting places and rushed to his lair,
    flushed up and inflamed from the raid,
    blundering back with the butchered corpses.

    lese ich dann auch mehrmals, weil sie laut zu lesen ein schon sinnliches Vergnügen darstellt.


    Finsburys Mitleid mit Grendel teile ich nicht (auch wenn ich seine Lärmempfindlichkeit durchaus nachvollziehen kann :zwinker:), denn er mordet den Schlaf (war Macbeth also nicht der erste) und das provoziert dann meinen eigenen inneren Grendel, denn Schlaf (ungestört) ist mir sehr wichtig. :breitgrins:.


    Die Bilderwelt ist sehr anschaulich und mitunter einfach herrlich.
    There was Shield Sheafson, scourge of many tribes,
    a wrecker of mead-benches, rampaging among foes.


    Der christliche Firnis fällt manchmal unangenehm auf und ich könnte ohne leben, aber naja, nimmt man ihn halt mit.

  • Noch immer bin ich nicht allzuweit gekommen... Inwiefern stört euch der christliche Firnis? - Bisher störte er mich nicht wirklich, ein etwas starker Kontrast vielleicht, ja, aber das hebt ja das Urtümliche der Geschichte fast noch mehr hervor?



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo miteinander,


    sehr eifrig sind wir ja alle nicht beim Lesen dieses Textes... . Dabei ist er wirklich faszinierend.
    Bin nun bis V. 1887 gekommen. In meiner Ausgabe kommt nun der wohl später oder vom Übersetzer ergänzte Abschnitt "Beowulfs Heimkehr".
    Interessant beim letzten letzten Abschnitt /1251 -1887/ "Grendels Mutter" ist, wie hier der Zweikampf mit der weiblichen Riesin herabgestuft wird.
    Klassischer Weise erwartet man ja eher, dass sich die Gegner Beowulfs in ihrer Entsetzlichkeit steigern, aber hier wird direkt gesagt, dass Grendels Mutter nicht so stark ist wie Grendel.
    Und als Beowulf sie besiegt hat, nimmt er nicht einen Beweis für ihren Tod mit , sondern schleppt das Haupt ihres Sohnes von dessen Totenbett in die Königshalle.
    alpha: Die christliche Firnis stört mich nicht in dem Sinne, dass sie mir den ästhetischen Genuss verdirbt, sondern sie ist ganz einfach sehr auffällig, weil sie von ihrer Perspektive her so aufgesetzt wirkt. Aber das ist ja auch ganz typisch und beispielhaft für den Umgang des christlichen Mittelalters mit der heidnischen Überlieferung.
    An einer Stelle gefällt sie mir sogar von der Aussage her, weil sie die Verpflichtung zur "Milte" des christlichen Herrschers an Hrodgars Beispiel sehr schön herausstellt (ab ca. 1710).


    Schönes Wochenende noch


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,


    ich habe Reginas Tipp beherzigt, es aber mittlerweile geschafft, die Verse auch beim leisen Lesen zu verstehen :zwinker:



    Finsburys Mitleid mit Grendel teile ich nicht...


    Ich auch nicht, Grendel wird ja auch als ziemlich blutrünstig beschrieben... Da kommt nicht wirklich Sympathie auf :zwinker:


    Die christliche Firnis stört mich bisher noch nicht, allerdings hab ich ja auch noch ein paar Verse vor mir. Aber diese Sprünge von nordischen Göttern zu dem christlichen Gott und dann zum Teufel finde ich doch etwas gewöhnungsbedürftig.


    HG, Monolith

  • Ich komme leider nur langsam voran, was nicht am Text, sondern an Zeitmangel liegt.
    Eben habe ich mich köstlich über Unferth und Beowulf amüsiert, die sich einen verbalen Pissing Contest (das deutsche Wort dafür fällt mir nicht ein) lieferten:
    Breca war aber schneller!
    Aber ich hab sämtliche Seemonster beseitigt!
    Männer sind doch süß. :breitgrins:


    Die christliche Firnis stört mich allein durch ihr Vorhandensein. Beowulf scheint mir doch ein heidnischer Text zu sein und zu Stimmung und Handlung passen die blutrünstigen nordischen Götter besser.


  • Ich komme leider nur langsam voran, was nicht am Text, sondern an Zeitmangel liegt.


    Leider geht es mir bisher sehr ähnlich: Ich habe zwar mittlerweile den Kampf mit Grendel hinter mir, aber bis zu Grendels Mutter bin ich noch nicht gekommen, hoffe jedoch, dies wird sich im Verlauf dieses Tages noch ändern...


    Weiterhin empfinde ich die christlichen Äusserungen und Kommentare nicht als störend, aber als starken Kontrast.
    Was mich etwas erstaunte: Dass beim Kampf von Beowulf mit Grendel die Halle arg demoliert wurde, was jedoch niemanden zu stören scheint: Unferth hätte darüber immerhin ein paar böse Worte fallen lassen können, finde ich :breitgrins:


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann


  • Was mich etwas erstaunte: Dass beim Kampf von Beowulf mit Grendel die Halle arg demoliert wurde, was jedoch niemanden zu stören scheint:


    Ach, die wird nach den üblichen Gelagen ähnlich ausgesehn haben, das ist bestimmt weiter nicht aufgefallen. :zwinker:


    Beowulfs Kampf mit Grendel habe ich jetzt auch beendet.
    Zwei Stellen sind mir aufgefallen, da stand vorher sicher ein anderer Gott:


    And may the Divine Lord
    in His wisdom grant the glory of victory
    to whichever side He sees fit.


    und


    But the Lord was weaving
    a victory on His war-loom for the Weather-Geats.

  • Hallo,


    ich bin jetzt mitten in "Beowulfs Heimkehr" und konnte auch nur staunen, wie mühelos dieser "Recke" doch scheinbar jegliche Arten von Monstern (ist das diskriminierend?) zur Strecke bringt.
    Was mich fasziniert, sind die vielen Umschreibungen, die für die einzelnen Personen, besonders für Beowulf gefunden werden; Beispiele finden sich ja wirklich auf jeder Seite. Ob der Verfasser so einfallsreich war, oder wohl stundenlang über einzelnen Ausdrücken gebrütet hat?


    HG, Monolith

  • Naja, soo mühelos kam mir der Kampf mit Grendel's Mutter nicht vor! - Grendel schien mir irgendwie leichter zu besiegen, auch wenn steht, dass Grendel's Mutter schwächer sei: Beowulf kam nur mit knapper Not, bzw. dem Glück, dass er ein Titanenschwert (oder wie war der Ausdruck?) bei Grendel's Zuhause vorgefunden hat, davon! - Ohne diese mächtige Schwert wäre er wohl dort geblieben, was schon fast erstaunlich ist, finde ich!



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Habe nun den Kampf mit Grendels Mutter gelesen. Mir fiel dabei auf, wie wichtig die Ausstattung hierbei war und wie detailreich Waffen und Rüstung beschrieben werden.


    Unferth entwickelt sich zu einer interessanten Figur: Erst der einzige, der skeptisch gegenüber Beowulf war und nun überlässt er ihm sein Schwert, obwohl er sicher weiß, welche Konsequenzen das für seinen Ruf haben wird.
    Da frag ich mich, ob sich ein Autor schon einmal seiner angenommen hat.

  • Hallo,


    ich habe mich nun fleißig vorangelesen und denke, dass ich Beowulf dieses Wochenende beenden werde. Er ist gerade verstorben, ein Bote überbringt die Nachricht seines Todes.
    Ich habe angefangen, einige Textstellen zu markieren, zu denen ich gerne ein paar Fragen stellen würde, allerdings möchte ich damit noch so lange warten, bis ich versucht habe, mir einiges selbst (und mit Google :breitgrins:) zu erklären.



    Unferth entwickelt sich zu einer interessanten Figur: Erst der einzige, der skeptisch gegenüber Beowulf war und nun überlässt er ihm sein Schwert, obwohl er sicher weiß, welche Konsequenzen das für seinen Ruf haben wird.
    Da frag ich mich, ob sich ein Autor schon einmal seiner angenommen hat.


    Ja, ich fand es auch interessant, auf welche Weise der Autor des Epos Unferth und sein Verhalten beschrieben hat. Im Anfang wirkten manche Personen, insbesondere der Held, auf mich etwas "unnahbar", eben heldenhaft, wenn man das so sagen kann. Jetzt kommt einer daher, der so ganz anders handelt, der nicht sofort von Beowulf und dessen Ruf begeistert ist und ihm skeptisch gegenübersteht. Ich denke, ich muss diese Stelle noch mal nachlesen, denn im Moment könnte ich gar nicht sagen, was Unferth dazu bewegt hat, dem Helden sein Schwert mitzugeben, bzw. ob der Grund für sein Handeln überhaupt erwähnt wurde... Ich hätte wirklich früher anfangen sollen, Textstellen zu markieren :redface:, aber besser spät, als nie :zwinker:

  • Hallo,


    nun habe ich lange nicht gepostet und kam auch nicht zum Lesen, aber gestern bin ich etwas weitergekommen und nun bei Beowulfs letztem Kampf mit dem Drachen.
    Das erinnert doch sehr an die isländischen Lieder von Sigurds Drachenkampf. Immer sitzt der Drache auf dem lohenden Gold, das ist wohl ein alter germanischer Popos.
    Interessant finde ich, dass laut dem Vorwort von Felix Genzmer in meiner Ausgabe die Textstellen des Beowulf, die genealogische Bezüge haben, zur Klärung historischer Fragen herangezogen worden sind, gleichzeitig aber sicher scheint, dass Beowulf selbst - im Gegensatz zu den anderen Gauten keine historische Figur ist. Auf welche anderen historischen Quellen beruft man sich denn da wohl? Aus der Völkerwanderungszeit dürfte doch wohl nicht viel Schriftliches überliefert worden sein?!
    Schönes Wochenende noch!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Wahrscheinlich beruft man sich auf andere Heldenepen, Inschriften, Kirchenbücher, was weiss ich was alles. Wenn eine Person an vielen Orten auftaucht, hat es sie gegeben, wenn nur einer sie kennt, gabe es sie nicht. Vielleicht sehe ich das als Laie auch zu einfach :breitgrins:


    Ich habe mittlerweile Beowulfs Beerdigung hinter mir und somit das Ende des Epos erreicht.


    Ist ein sehr heldenhaft-erbauendes Epos, auch wenn ziemlich blutrünstig, aber das gehört ja dazu...


    Weshalb Beowulf nicht mit seinem eigenen Schwert Grendel's Mutter zu bekämpfen versucht, ist mir auch nicht klar, aber vielleicht war das ja auch eine versöhnende Geste von Unferth, da dessen Schwert ja eigentlich ein besonders gutes, altes und erprobtes war und Beowulf selbst kein besseres hatte...


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo,


    ich habe die Stelle, an der Beowulf Unferths Schwert erhält gerade nochmal nachgeguckt:


    Zitat

    Sicherlich entsann sich der Sohn Ecglafs,
    Der tatkräftige Unferth nicht mehr als das, was er ehedem gesagt hatte,
    Vom Wein betrunken, als er die Waffe lieh, ...


    Kein Bier diesmal :breitgrins:


    Ich habe auch das Ende des Epos erreicht und muss sagen, dass ich mich, nach anfänglichen Schwierigkeiten so sehr an die Stabreime gewöhnt hatte, dass ich es als ziemlich anstrengend empfand, den Anhang zu lesen :smile:
    Ist es schon erlaubt, ein Fazit zu posten? :winken: