Marco Polo - Von Venedig nach China

  • Marco Polo erzählt in seinem Buch seine Reise nach China, über die Reiche, die er besucht hat, was er alles erlebt hat und wie sie wieder nach Hause gekommen sind.


    Im Großen und Ganzen hat mir das Buch sehr gut gefallen. Man erfährt sehr viel über die damalige Zeit, die Gegend damals und wie es für einen Europäer war zum ersten Mal in diese Gegenden zu reisen.
    Einiges hat mich dann aber doch gestört: Polo schmeißt mit den Zahlen nur so um sich. Immer redet er von 100.000 Menschen, wenn er viele meint.
    Ich hätte mir dann auch erwartet, dass Polo mehr über seine eigenen Eindrücke schreibt, wie es am Hof des Kublai Khan zuging, und nicht immer nur wie die Sitten und Gebräuche der Menschen dort waren.


    Auch über die Reise hätte ich mir mehr erhofft, über die Schiffahrt selber und eben einfach mehr Erzählerisches. Natürlich ist es ein Reisebericht und keine nette Geschichte, aber ich hatte eben etwas anderes erwartet.


    Enttäuscht wurde ich dennoch nicht.
    Jeder, der etwas über Polo wissen will, sollte dieses Buch lesen.


    Katrin

  • Liebe Jaqui,


    immer möchte dich als (hoffentlich) angehender Historiker darauf hinweisen, dass es mittlerweile verdammt viele Experten gibt, die bezweifeln, ob Marco Polo überhaupt jemals in China war. Es gibt leider einfach zu viele Ungereimtheiten in Polos Bericht. Nachlässigkeiten, die eigentlich nicht passieren dürften.
    Er lässt vieles aus, was eigentlich einem Reisenden sofort auffallen müsste: Die fremde Sprache, Schrift, usw.


    Einige Historiker gehen eher davon aus, dass Polos "Reisebericht" deshalb eher ein Sammelsurium an Erzählungen von Händlern ist, die Polo in Zentralasien aufgeschnappt hat.


    Jedenfalls gibt es viel glaubwürdigere Reiseberichte. Aber komischerweise wird dieser unsichere Bericht besonders gepusht. ;-)


    Mit freundlichen Grüßen
    Historikus

  • Hallo zusammen!


    [...] dass es mittlerweile verdammt viele Experten gibt, die bezweifeln, ob Marco Polo überhaupt jemals in China war. Es gibt leider einfach zu viele Ungereimtheiten in Polos Bericht. Nachlässigkeiten, die eigentlich nicht passieren dürften.


    Man kann nachweisen, dass jene Kanonen, die er und sein Vater den Chinesen geliefert haben wollen, von Franzosen geliefert und bedient worden sind, ja. Die Sage, dass er zu einem Provinzstatthalter "befördert" worden wäre, wird in den chinesischen Unterlagen, die andere, einheimische Namen nennen, auch nicht unterstützt, ja.


    Er lässt vieles aus, was eigentlich einem Reisenden sofort auffallen müsste: Die fremde Sprache, Schrift, usw.


    Da wiederum bin ich skeptisch. Das Fehlen von Hinweisen auf die fremde Schrift oder auf die Grosse Mauer beweist nicht, dass Polo nicht in China gewesen sein kann. Sein Reisebericht ist sehr kaufmännisch ausgerichtet; vielleicht erschien ihm die fremde Schrift unwesentlich in Anbetracht der Tatsache, dass auch in Europa, in nächster Nähe zu seiner Heimat, andere Sprache und andere Schrift üblich und kein Handelshindernis waren? Vielleicht hat er die tatsächliche Bedeutung und Grösse der Mauer ganz einfach nicht erfasst? (Man mag einem Fremden auch nicht immer gleich alles auf die Nase gebunden haben.) Vielleicht - der Reisebericht macht einen sehr unfertigen Eindruck - hat sich Polo diese Beschreibung für den Schluss aufgespart, weil er sich daran auf jeden Fall noch erinnern würde? Und dann kam er nie dazu, den Bericht abzuschliessen?


    Einige Historiker gehen eher davon aus, dass Polos "Reisebericht" deshalb eher ein Sammelsurium an Erzählungen von Händlern ist, die Polo in Zentralasien aufgeschnappt hat.


    Nun, bis man mir nachweisen kann, wo Polo denn wirklich war bzw. wer denn die von ihm geschilderten Eindrücke wirklich gesammelt hätte, sehe ich keinen Grund, ihm nicht zu glauben. :zwinker:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Geschätzter Kollege Sandhofer,


    Zitat

    Man kann nachweisen, dass jene Kanonen, die er und sein Vater den Chinesen geliefert haben wollen, von Franzosen geliefert und bedient worden sind, ja. Die Sage, dass er zu einem Provinzstatthalter "befördert" worden wäre, wird in den chinesischen Unterlagen, die andere, einheimische Namen nennen, auch nicht unterstützt, ja.


    Die chinesischen Geschichtsschreiber gehörten zu Lebzeiten zu den penibelsten der Welt. Sie waren den europäischen weit vorraus. Sie ließen kaum ein Ereignis aus, um über dieses korrekt zu berichten. Selbst jedes große Erdbeben wurden seit 1177 vor Christus verzeichnet. Warum sollen diese Experten ausgerechnet so eine Riesengeschichte in ihren Aufzeichnungen verschweigen? Das wäre in etwa so, als würde man in europäischen Quellen nichts über die ersten Schwarzafrikaner erfahren können.


    Das ist einfach eine zu große Auffälligkeit, die man nicht wegdiskutieren kann. Marco Polo ist für mich nichts anderes als ein zwar interessanter, aber ein sich zu wichtig nehmender Charakter, der halt gerne Geschichten erzählte und dadurch weltberühmt werden wollte - Was er ja auch geschafft hat. :-)


    Zitat

    Da wiederum bin ich skeptisch. Das Fehlen von Hinweisen auf die fremde Schrift oder auf die Grosse Mauer beweist nicht, dass Polo nicht in China gewesen sein kann.


    Ein direkter Beweis ist es nicht, aber ein Indiz in einer langen Kette an Ungereimtheiten.


    Zitat


    Nun, bis man mir nachweisen kann, wo Polo denn wirklich war bzw. wer denn die von ihm geschilderten Eindrücke wirklich gesammelt hätte, sehe ich keinen Grund, ihm nicht zu glauben.


    Das zählt nicht unbedingt zum wissenschaftlichen Denken. Man kann nicht mit Sicherheit an etwas glauben, das nicht erwiesen ist. Die Theorie, das Polo nichts anderes als ein fantasievoller Kaufmann mit Geltungssucht war, ist aufgrund vieler Indizien jedoch weit glaubwürdiger, anstatt es sich wunschgemäß einfach leicht zu machen und Polo zu "glauben".


    Wenn einer einen hohen Staatsposten in China inne hatte, gerade in der Zeit des großen Kubulai Khan, dann wurde er auch in chinesischen Quellen erwähnt. Und wenn ein Europäer soviel in China erlebt hätte, wäre er ebenfalls in chinesischen Quellen erschienen. Für mich ist es Ding der Unmöglichkeit, dass die fleißigen chinesischen Geschichtsschreiber so etwas ignorieren würden.


    Aber darüber lässt sich ewig streiten. :-)


    Gruß

  • Hi!


    Die chinesischen Geschichtsschreiber gehörten zu Lebzeiten zu den penibelsten der Welt. Sie waren den europäischen weit vorraus. Sie ließen kaum ein Ereignis aus, um über dieses korrekt zu berichten. Selbst jedes große Erdbeben wurden seit 1177 vor Christus verzeichnet. Warum sollen diese Experten ausgerechnet so eine Riesengeschichte in ihren Aufzeichnungen verschweigen? Das wäre in etwa so, als würde man in europäischen Quellen nichts über die ersten Schwarzafrikaner erfahren können.


    Polo war m.W. kein Pionier; er war wohl weder der erste Europäer noch der erste europäische Kaufmann, der in China aufgetaucht ist. Ob ein seriöser Chronist das Auftauchen von ein paar europäischen Händlern des Aufzeichnens würdig befunden hätte, ist noch die Frage.


    Marco Polo ist für mich nichts anderes als ein zwar interessanter, aber ein sich zu wichtig nehmender Charakter, der halt gerne Geschichten erzählte und dadurch weltberühmt werden wollte - Was er ja auch geschafft hat. :-)


    Polo erzählt verblüffend wenig von sich selber ... jedenfalls in den ältesten erhaltenen Manuskripten.


    Ein direkter Beweis ist es nicht, aber ein Indiz in einer langen Kette an Ungereimtheiten.


    Die sehe ich immer noch nicht. Angenommen, er kolportiert einfach andere, die wirklich dort waren. Hätten die dann nach diesem Theorem des langen und des breiten über Schrift und Mauer berichten müssen - so, dass Polo gar nicht anders hätte können als darüber berichten? Tut mir leid, ich finde in diesem Theorem nichts, das mich überzeugt.


    Das zählt nicht unbedingt zum wissenschaftlichen Denken. Man kann nicht mit Sicherheit an etwas glauben, das nicht erwiesen ist.


    Da aber auch das Gegenteil davon nicht erwiesen ist ...


    Die Theorie, das Polo nichts anderes als ein fantasievoller Kaufmann mit Geltungssucht war, ist aufgrund vieler Indizien jedoch weit glaubwürdiger, anstatt es sich wunschgemäß einfach leicht zu machen und Polo zu "glauben".


    Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich denselben Text gelesen haben.


    Wenn einer einen hohen Staatsposten in China inne hatte, gerade in der Zeit des großen Kubulai Khan, dann wurde er auch in chinesischen Quellen erwähnt.


    Das gebe ich Dir auch zu, und das ist eine der seltenen Stellen, wo dem Text Falsches nachgewiesen werden kann. Es wäre allerdings auch zu prüfen, wie so etwas in den Text gekommen ist. Und da fehlt uns das Ur-Manuskript. Vielleicht hat Polo hier übertrieben, vielleicht sein Co-Autor, vielleicht ein späterer Abschreiber, der der Meinung war, so etwas gehört zu haben. Letzteres würde sehr wohl erklären, warum Polo anstelle jener anderer Europäer eingeführt wird als derjenige, der den Chinesen die Kanone brachte ...


    Solange ich keine sicheren Quellen beibringen kann, die gegen Polos Aufenthalt in China zeugen, ist es m.M.n. im Sinne von Ockhams Rasiermesser für mich auch wissenschaftlicher, weil weniger Hilfskonstruktionen benötigend, an Polos Reise in China festzuhalten. Jeder Forscher darf dies natürlich in Zweifel ziehen, aber ohne konkrete Beweise fürs Gegenteil brauche ich nicht der ungeheuer komplizierten Sichtweise des fantasievollen Kaufmanns mit Geltungssucht zuzustimmen. :zwinker:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Lieber Sandhofer,


    ich werde dir abends antworten. Nun muss ich mich in geschichtswissenschaftlicher Lektüre vertiefen - und irgendwann will ich auch noch selber heute einen neuen Thriller beginnen.


    Ich bitte gnädigst um Geduld. :breitgrins:


    Gruß

  • Hallo!



    immer möchte dich als (hoffentlich) angehender Historiker darauf hinweisen, dass es mittlerweile verdammt viele Experten gibt, die bezweifeln, ob Marco Polo überhaupt jemals in China war. Es gibt leider einfach zu viele Ungereimtheiten in Polos Bericht. Nachlässigkeiten, die eigentlich nicht passieren dürften.
    Er lässt vieles aus, was eigentlich einem Reisenden sofort auffallen müsste: Die fremde Sprache, Schrift, usw.


    Auf der anderen Seite gibt es viele Dinge, die Marco Polo sehr genau beschrieben hat, etwa den Wert des Papiergeldes und der Verlauf des Kriegs mit Japan, der damals in Europa unbekannt war. Soweit ich weiß ist diese Frage in der Forschung nach wie vor kontrovers.


    CK

  • Lieber Christian,


    Zitat

    Auf der anderen Seite gibt es viele Dinge, die Marco Polo sehr genau beschrieben hat, etwa den Wert des Papiergeldes und der Verlauf des Kriegs mit Japan, der damals in Europa unbekannt war.


    ich werde sicherlich nicht bestreiten, dass Marco Polo tatsächlich gereist ist. Ich denke sogar, dass er außergewöhnlich viel und weit gereist ist für die Zeit. Aber ich glaube nicht an die China-Reise Polos.


    Ich bin Anhänger der Zentralasien-Theorie. Demnach soll Polo zumindest bis nach Zentralasien gekommen sein - Weiter allerdings nicht. Deshalb, um seine Geschichte ordentlich aufzuschmücken, sammelte er Geschichten seiner Verwandten, Freunde und Kaufmannskollegen zusammen und verkaufte die Chinaerfahrungen als sein Werk. Dass es in China Papiergeld gab, muss den Extremisten der Fernhändler bekannt gewesen sein, ansonsten hätte man nicht schon lange vor Polo asiatische Handelsware erstehen, und im Gegensatz dazu Waren verkaufen können.
    Die Sache mit dem japanischen Krieg muss ich mir noch genauer anschauen, ich kann mich leider nicht mehr an eine Erwähnung erinnern.


    Noch einmal: Schon im ersten Semester wurde uns Geschichtsstudenten eingehämmert, dass die chinesischen Chronisten äußerst penibel waren, und jedes politische, kulturelle und gesellschaftliche Ereignis von Welt festhielten. Für mich daher ein Ding der Unmöglichkeit, wie die Chinesen einen Marco Polo hätten vergessen können.


    Solange also keine schriftliche Quelle aus China über Marco Polo auftaucht, werdei und kann ich nicht an Marco Polos Chinareise glauben.


    Mit freundlichen Grüßen
    Historikus

  • Hallo!



    Solange also keine schriftliche Quelle aus China über Marco Polo auftaucht, werdei und kann ich nicht an Marco Polos Chinareise glauben.


    Ich halte mir meine Meinung dazu offen: Ich denke es gibt gute Argumente auf beiden Seiten, und für eine wirklich fundierte Meinung bin ich zu wenig Spezialist. Meine Beschäftigung mit China im letzten Jahr hat aber dazu geführt, dass ich weiß, dass chinesische Historiker (und auch Philologen nebenbei gemerkt) sicher sehr sorgfältig arbeiteten.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Ich glaube, es gibt zwei Seiten in dieser Streitfrage.


    Natürlich kann ich, was Polo berichtet, ohne zustimmende Zweitmeinung nicht als wissenschaftlich gesicherte Tatsache akzeptieren. Diese Zweitmeinung von chinesischer Seite fehlt.


    Allerdings kann ich daraus auch nicht schliessen, dass Polo die Unwahrheit erzählt. Die Annahme, dass er im Grossen und Ganzen die Wahrheit erzählt, verlangt m.M.n. weniger Hilfskonstruktionen als die gegenteilige. Deswegen - und wegen des alten Rechtsgrundsatzes "in dubio pro reo" :zwinker: - glaube ich ihm und verlange von denen, die ihm nicht glauben, den Beweis des Gegenteils (denn auch das ist ein Rechtsgrundsatz hierzulande: dass nicht der Angeklagte seine Unschuld sondern der Staatsanwalt des Angeklagten Schuld zu beweisen hat ... :zwinker: )


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich gestatte mir mal als historischer Laie, den dieses Problem auch sehr interessiert, folgendes anzubringen:


    Marco Polo habe erwähnt (ich habe es leider nicht selber gelesen), dass er auf seiner Reise an "einem" Ort war, von dem aus der Polarstern nicht zu sehen war (natürlich nachts und bei klarem Himmel). Da würde ich meinen, dass dies nur jemandem auffällt, der es selber wirklich gesehen hat und zwar auf eine Weise, die einen nachhaltigen Eindruck hinterliess (z. B. auf einem Schiff bei der Navigation). Einem "Kaufmann" wäre das nur aus Erzählungen allein kaum in Erinnerung geblieben und in Zentralasien wäre dies wohl auch kaum ein Thema gewesen, aber es würde den Schluss erlauben, dass Marco Polo südlich des Aequators gewesen sein muss, was z. B. für seine Heimreise aus China mit dem Schiff sprechen würde.
    :confused:

  • Hallo Cerberus!


    Ja, Polos Reiseroute lässt sich ziemlich genau nachvollziehen. Wer nun was bemerkt (Polarstern!) bzw. nicht bemerkt (Grosse Mauer!) haben könnte, ist natürlich schwer zu sagen. Ich personlich halte es für ein Zeichen der Echtheit, dass Polo eben vieles, aber nicht alles aufgefallen ist. Dass konsequent Informationen zur Kultur fehlen, solche zur Route allerdings vorhanden sind. Das klingt nach Idiosynkratie, nach Echtheit.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus