September 2006 - Marcel Proust


  • Hallo Sandhofer


    dann rücke ich mit der Sprache heraus, dass ich eure Leserunde "The Vicar of Wakefield" im Auge behalte. Ich habe mir schon das Buch (deutsche Übersetzung) besorgt. Ich dachte mir, dass das vielleicht ein Buch ist, das ich durchaus auch parallel lesen könnte (?), falls sich eure Leserunde mit der meinigen ("Jahrestage" oder "Proust") überschneidet.


    Den Vorschlag, die 3. Proust-Leserunde zu eröffnen, überlasse ich Steffi. Mal sehen, wann es terminlich bei ihr reinpaßt.


    bis dann
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo,


    ich weiß nicht geanu, welche Ausgaben ihr habt. Mein 2.Band "Im Schatten junger Mädchenblüte" endet mit der Beschreibvung der snobistischen Atmosphäre in Balbeck. Danach beginnt der 3.Band "Im Schatten..." Ich kann mich gar nicht an eine Beschreibung von d :rollen:em Maler Elstair erinnern.
    Habt ihr andere Ausgaben???


    Zypresse, etwas ratlos

  • Hallo zusammen !


    Zitat

    und es geht einprägsam weiter. Wer ist schon an der Stelle, als der Erzähler bei Elstir im Atelier ist? Diese Bildbeschreibung ist gandios.


    JMaria, du machst mich neugierig ! Gut, dass ich dieses Wochenende nichts vorhabe und ich mit meiner Zweitlektüre gerade fertig bin :smile:


    Gruß von Steffi


  • Hallo Steffi,


    auch gerade online unterwegs :winken:


    Der Erzähler beschreibt ein Landschaftsbild, aber so präzise, dass ein Künstler das Motiv nach den Angaben zeichnen könnte. Also, ich wäre in Versuchung, wenn ich nur etwas malerisches Talent hätte. Danach stößt der Erzähler auf eine zweite Zeichnung in Elstirs Atelier. Eine Schauspielerin in Männerkleidung. Die Lösung, wer es ist, erfolgt ein paar Seiten weiter. Erstaunt war ich nicht darüber, man kann darüber spekulieren, wie die Beziehung Elstir zu der Frau war. Auch frage ich mich, wie Elstir mit den Mädchen, insbesondere mit Albertine bekannt geworden ist. Das ist noch nicht geklärt. Natürlich spielt der junge Erzähler wieder seine Gedankenspiele, doch Elstir spielt nicht mit. Das war echt zum Schmunzeln. :-)


    Ich bin nun auf S. 646.


    Zypresse:
    ich wußte auch nicht, dass es eine Edition gibt, die die "Mädchenblüte" teilte.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo,


    danke für die Info. Dann mache ich mich mal gleich an den 3. Band: Im Schatten.... Dann habe ich ja doch noch einen ganzen Band zu lesen.
    Bis bald.
    Zypresse

  • Hallo zusammen,


    interessant finde ich, dass der Erzähler Probleme hat Albertine zu erkennen. Immer wieder ist er überrascht, wie sie aussieht. Ich denke mir, dass auch in Zukunft Albertine gestaltlich nicht greifbar sein wird. Somit sich auch die Beziehung zwischen dem Erzähler und Albertine schwierig gestalten wird.


    Elstir, der Maler:
    Könnt ihr euch noch erinnern, dass in der Gesellschaft der Verdurins ein geschwätziger Maler mit dem Beinamen Biche anwesend war, der sich nun als Elstir herauskristallisierte? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. :rollen:


    S. 629 (Suhrkamp TB ST 3642):
    Wäre es möglich, daß dieser geniale Mensch, dieser Weise, Einsiedler, Philosoph mit der wunderbaren REdegabe, der überlegen über den Dingen Stand, jener lächerliche, widerwärtige Maler war, den die Verdurins seinerzeit protegierten? Ich fragte ihn, ob er sie gekannt habe, ob sie ihn vielleicht damals mit dem Beinamen Biche belegt hätten. Er bejahte beides ohne Verlegenheit....


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Der Begriff "Itzig" ist eine veraltete Bezeichnung für einen Juden. (S. 655 "Das habe ich mir doch gedacht, daß das ein Itzig ist. Ganz typisch: aufdringlich wie eine Wanze" urteilt Albertine).


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo!
    Ich verfolge eure Leserunde schon seit relativ langer Zeit.
    Die Erläuterung, die Elstir Marcel über unser Verhältniss zu unserer eigenen Vergangenheit gibt (in der zehnbändigen Ausgabe S.1135) finde ich großartig. Umso überraschender finde ich, dass Marcel darauf überhaupt nicht eingeht, sondern über die jungen Mädchen nachdenkt.


    Grüße
    Brutus

  • Hallo zusammen !


    Herzlich willkommen, brutus ! Liest du auch gerade "Im Schatten junger Mädchenblüte" oder hast du womöglich schon alle Bände gelesen ?


    brutus schrieb:

    Zitat

    Die Erläuterung, die Elstir Marcel über unser Verhältniss zu unserer eigenen Vergangenheit gibt (in der zehnbändigen Ausgabe S.1135) finde ich großartig. Umso überraschender finde ich, dass Marcel darauf überhaupt nicht eingeht, sondern über die jungen Mädchen nachdenkt.


    Elstir verkörpert meiner Meinung nach ein Idealbild in einer Richtung, in die der Erzähler will. Dass Elstir den Mädchen in seiner Jugendzeit (und auch jetzt noch ?) nicht abgeneigt war/ist, sieht man ja an etlichen Hinweisen. Trotzdem oder gerade durch diesen Gegensatz zwischen Elstir und dem Erzähler finde ich die ganzen Beschrebungen der Mädchenschar absolut umwerfend, so lebendig und frisch. Proust lässt ja dann auch immer mal wieder Gedanken zur Vergänglichkeit anklingen, wenn er sich die Mädchen z.B. vorstellt, wie sie aussehen, wenn sie alt sind. Er ist wohl noch nicht soweit, auf innere Schönheit zu achten, wenn es die überhaupt gibt. Aber Albertine, im Gegensatz zu Gilberte, wird ihn schon noch in diese Richtung bringen.


    Gruß von Steffi

  • Guten Morgen,


    so, jetzt melde ich mich zurück. Vielen Dank für Eure lieben Wünsche, sie haben offensichtlich geholfen, denn meine Nasenscheidewand-OP ist gut gegangen und die Abheilung verläuft bis jetzt auch problemlos.


    Mit "Im Schatten junger Mädchenblüte" bin ich zwischenzeitlich fertig geworden (ich hatte auch den zweigeteilten Band). Der Balbec-Teil war von Inhalt und Stil wieder ganz anders als "Madame Swann und ihre Welt". Wie Euch hat mir die Szene in Elstirs Atelier sehr gut gefallen (an Tiche kann ich mich übrigens auch nicht erinnern - muss ich unbedingt nochmal nachlesen).

    Zitat von "JMAria"

    Danach stößt der Erzähler auf eine zweite Zeichnung in Elstirs Atelier. Eine Schauspielerin in Männerkleidung. Die Lösung, wer es ist, erfolgt ein paar Seiten weiter. Erstaunt war ich nicht darüber, man kann darüber spekulieren, wie die Beziehung Elstir zu der Frau war.

    Über den ganzen Beschreibungen von Balbec hatte ich Madame Swann schon fast vergessen, aber sie wird immer wieder ins Gedächtnis (des Erzählers und des Lesers) gerufen, eine immer wiederkehrende Präsenz. Und wenn es um ihre Vergangenheit geht, wird es immer etwas anrüchig, z.B. auch als Bloch erzählt, er sei im Zug schnell "zum Zug" mit ihr gekommen (ein nettes Wortspiel, wie das wohl im Original lautet?).


    Zitat von "Steffi"

    Proust lässt ja dann auch immer mal wieder Gedanken zur Vergänglichkeit anklingen, wenn er sich die Mädchen z.B. vorstellt, wie sie aussehen, wenn sie alt sind


    Ja, auf der Suche nach der verlorenen Zeit begibt er sich nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. Die Veränderungen, die ein Mensch im Lauf der Zeit mitmacht, finden sich ja auch in den Beschreibungen von Odette und Elstirs Frau. Es kommt mir aber so vor, als ob der Erzähler die Veränderungen im Lauf der Jahre als weniger gravierend ansieht als die Veränderungen im Auge des Betrachters. Anders ausgedrückt: ob jetzt jemand graue Haare bekommt oder zunimmt, verändert ihn vergleichsweise wenig; wenn sein Gegenüber aber seine Einstellung zu ihm ändert (sich z.B. in ihn verliebt oder ihn plötzlich ablehnt), ändert das Aussehen weitaus mehr. War das verständlich? :redface: Ich dachte z.B. daran, dass der Erzähler Madame Elstir zunächst reizlos findet, als er sie aber als "immaterielles Geschöpf, ein Porträt Elstirs" sehen kann, findet er sie schön (ähnlich war das ja mit der Gräfin Guermantes und Swann und Odette). Sehr schön fand ich auch die Stelle ziemlich am Schluss, als der Erzähler sich daran erinnert, dass er die Schar zunächst für "sinnenfrohe Jungfrauen" hielt, was er sich jetzt, da er sie als "anständig" einschätzt, nicht mehr recht vorstellen kann. Wie oft wundert man sich, wenn man nach längerer Bekanntschaft an den ersten Eindruck zurückdenkt, der vollkommen falsch war. Die Kette der vorbeigleitenden Erinnerungen, von der wir mit Macht nur das letzte Glied festhalten, ist ein sehr schönes Bild dafür.


    Eine nette Stelle fand ich auch, als Aimé sich ausführlich und gestenreich zu der Dreyfusaffäre äußert - und der Erzähler sich lediglich für die Fremdenliste in der Badezeitung interessiert. Jaja, die Liebe ist mal wieder wichtiger als alles andere. In diesem Zusammenhang: was meint Ihr denn zu der "Liebesgeschichte" von Saint-Loup? Hier wird ja das Thema der übergroßen, wenig erwiderten und fast wahnhaften Liebe erzählt. Ich habe den Eindruck, dass diese Geschichte noch nicht beendet ist. Mal sehen, ob wir in den folgenden Bänden wieder auf ihn stoßen werden.


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo !


    Manjula schrieb:

    Zitat

    Wie oft wundert man sich, wenn man nach längerer Bekanntschaft an den ersten Eindruck zurückdenkt, der vollkommen falsch war. Die Kette der vorbeigleitenden Erinnerungen, von der wir mit Macht nur das letzte Glied festhalten, ist ein sehr schönes Bild dafür.


    Wunderschön ausgedrückt - genauso habe ich es auch empfunden. Auch wenn die Mädchenschar immer ein bißchen frivol und beschwingt beschrieben wird, hält Proust immer auch an der Gegenwart und der Wirklichkeit (aber was ist das schon ?) fest.


    Aus Albertine wird er ja nicht schlau, die Szene im Hotel fand ich sehr witzig, als ich sie mir vorstellte, danach schreibt er, dass sie immer so gut ankommt, weil sie gleich zweifach oder noch öfter Vorteil aus Situationen schlagen kann. Das kam mir, obwohl auch ein wenig bewundernd, auch ziemlich gehässig vor, oder ? Ich hab mir über solche Menschen noch nie Gedanken gemacht, aber es scheint eine nützliche Gabe zu sein. Der Erzähler bleibt, im Vergleich zu den anderen Protagonisten, immer noch unbeholfen und linkisch. Aber es ist ja wieder nur unsere Phantasie, die aus dem wenigen, das Proust uns gibt, eine reale Person macht. Auf seine weitere Entwicklung bin ich gespannt.


    Und ja, ich glaube(hoffe), dass wir von Saint-Loup noch einiges lesen werden.


    Ich bin übrigens auch heute fertig geworden !


    Gruß von Steffi


  • Hallo zusammen,
    ich bin gestern fertig geworden. :-)


    Marcels ungestüme Art in Albertine's Zimmer fand ich gut beschrieben, obwohl mir nicht klar geworden ist, ob Marcel wirklich kapiert hat, was er falsch gemacht hat. Das Mädchen gab falsche Signale, doch das rechtfertigt nicht, dass er sie gleich so bestürmt. Albertine hat jedoch alles unter Kontrolle *grins*


    ich fand diesen Band sehr erfrischend. Wo findet man in der Literatur schon so eine ausführliche Beschreibung der heranreifenden Jugend!


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • ich fand diesen Band sehr erfrischend. Wo findet man in der Literatur schon so eine ausführliche Beschreibung der heranreifenden Jugend!


    Kann ich nachvollziehen. Bände 3 und 4 sind dann etwas anstrengender. Erst in Band 5 gibt es wieder etwas mehr Abwechslung und mit Albertine geht es so richtig weiter.


    Schöne Grüße,
    Thomas


  • Hallo zusammen,
    Hallo Brutus,


    ich möchte dich nachträglich ebenfalls willkommen heißen.
    Ich glaube, Marcels Verhalten geht einfach darauf zurück, dass er sich dem Alter entsprechend mehr für Mädchen interessiert. Finde ich durchaus normal mit 17 Jahren.


    Zitat von "Manjula"

    so, jetzt melde ich mich zurück. Vielen Dank für Eure lieben Wünsche, sie haben offensichtlich geholfen, denn meine Nasenscheidewand-OP ist gut gegangen und die Abheilung verläuft bis jetzt auch problemlos.


    schön, dass alles so gut gelaufen ist. :winken:


    Zitat von "klassikfreund"


    Bände 3 und 4 sind dann etwas anstrengender. Erst in Band 5 gibt es wieder etwas mehr Abwechslung und mit Albertine geht es so richtig weiter.


    Gut zu wissen. Ich freue mich schon auf "Guermantes".


    Für die S. 678 (St 3642, Suhrkamp Taschenbuch) steht bei mir im Anhang:
    Mit den Jachten und den Pferderennen fügt Proust zwei weitere Motivkreise der modernen Malerei in seinen Roman ein. Bei den Jachtszenen denkt man an Manet, Monet oder Bonnard, bei den Pferderennen an Degas.


    Ich stöbere deswegen ein bißchen im Allposters.com. Hier ein paar Bilder:


    Manet: Races at Longchamp
    Manet: Moonlight on the Boulogne Harbour


    Monet: II Ponte Ad Argenteuil
    Monet: Regatta in Argenteuil


    Bonnard: Signac und Freunde
    Bonnard: The Sea


    Degas: Rennpferde in Landschaft
    Degas: Pferdestudie für Sémiramis
    Degas: Strandlandschaft


    bis dann
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Danke, Maria, für die links ! Ich wollte ebenfalls noch nach Bilder schauen, aber ich habs dann wieder vergessen :redface:


    Zitat

    ich fand diesen Band sehr erfrischend.


    Ja, dieses Adjektiv trifft es genau !!


    Gruß von Steffi

  • Hallo !



    die Bilder, die Proust in seinem Werk beschreibt oder erwähnt, sind auch in einem Buch abgebildet


    Ach, wie schön ! Das wäre ein Grund, mal ein französisches Buch zu bestellen, aber der Preis ... :rollen:


    Gruß von Steffi