September 2006 - Marcel Proust

  • Hallo,


    leider habe ich bisher nur wenig gelesen. Muss morgen 8 Stunden unterrichten, deshalb nur ein kurzer Eindruck. Also die Beschreibung von Norpois war mir zu langatmig. Vielleicht liegt es aber daran, dass ich mehr über Swann und Odette erfahren wollte und mir dieser Diplomat nicht besonders sympathisch ist.
    Aufffallend ist die Bereitschaft des Erzählers Norpois als eine Autorität zu akzeptieren, selbst als dieser sein Geschriebenes und Bergotte kritisiert. Auch diese Dankbarkeit ihm gegenüber, wenn er mit ihm einer Meinung ist weist auf eine durchlässige Persönlichkeit hin, die sich von Stimmungen leiten lässt und harmoniebedürftigt ist? Selbst wenn dies aus der Sicht des Kindes dargestellt ist.
    Das Bild von Odette bleibt offen, obwohl wir abwertende Urteile über sie erfahren.
    Morgen mehr.


    Zypresse


  • mann mann mann - was für ein Hörtip! Im Dialog gelesen? Ein interessanter Aspekt. Berichte bitte.



    Hallo,


    es handelt sich um eine Aufnahme einer Live-Lesung in einer Kölner Buchhandlung. Im Hintergrund sind ab und zu auch mal Zuschauer zu hören, Lachen oder auch Husten (da weiß man gleich, welche Teile im Winter gelesen wurden). Die Live-Atmosphäre stört im großen und ganzen nicht weiter, die Tonqualität ist dennoch gut. Das Lachen lockert eher auf, Husten stört an wenigen Stellen. Da man live gelesen hat und wohl keine größeren Lesepausen machen wollte, haben sich die beiden Sprecher abgewechselt. Also es gibt Stellen, in denen jeder mal 10 Minuten am Stück liest. Dann gibt es aber die Stellen, in denen wirklich im Dialog gelesen wird. Einschübe Prousts werden vom anderen Sprecher gelesen oder die Worte Albertines werden dann jeweils vom Gegenpart wahrgenommen. Das macht die Lesung sehr lebendig und man kann der Lesung auch während einer Autofahrt über weite Teile gut folgen (ich kenne aber bereits den grundsätzlichen Inhalt). Die Sprecher finde ich qualitativ nicht ganz gleichwertig (Bernt Hahn und Peter Lieck). Der eine Sprecher (welcher?) hat eine dunkle sonore Stimme, der andere eine eher helle etwas piepsige Stimme (natürlich nur von der Tendenz her, Matic klingt ja auch manchmal piepsig). Man muss sich an die unterschiedlichen Stimmbilder erst ein wenig gewöhnen. Die franzöischen Namen und Ausrufe (im 5. Band gibt es davon einige) klingen - wie man es erwarten sollte - wie von einem Franzosen gesprochen.


    Ein weiterer Vorteil dieser Lesung ist die verwendete Übersetzung, es wird die von Luzius Keller revidierte Übersetzung gelesen, die stellenweise doch etwas eleganter ist als die von Eva Rechel-Mertens.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hallo zusammen!


    Die Leserunde läuft ja bereits auf Hochtouren... :klatschen:


    Ich bin noch am Anfang bei den Charakterisieungen von Cottard und Norpois.


    Bis dahin,
    A.Prometheus

    Zum Leben gibt es zwei Wege: Der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg!<br />(Hans Castorp in &quot;Der Zauberberg&quot; v. Thomas Mann)

  • Hallo zusammen !


    Nach dem Besuch Norpois' kommt die Rede endlich auf Gilberte und die Swanns.


    Der Erzähler wendet sich auch mal direkt an den Leser und es ist nicht mehr nur der kindliche Erzähler sondern schon eine reflektierende Sichtweise - also aus der Erinnerung heraus. Das bedeutet, es gibt komplizierte Gedanken, Ängste und Sorgen des jungen Marcel. Hier spüre ich zum ersten Mal eine wirkliche Übereinstimmung des Ich-Erzählers und des Autors.


    Gruß von Steffi


  • Hallo zusammen,


    das fiel mir auch auf. Der Erzähler erwähnt sogar den Tod Swann und dass er es nicht mehr erleben wird, wie die Herzogin von Guermantes mit Odette und Gilberte eine Freundschaft eingeht. Es war ja sein großer Wunsch seine Tochter Gilberte der Herzogin vorzustellen.


    Der Erzähler hat es mit Körperausscheidungen. Als er Francois in dieses Water-Closet begleitet, bereitet die muffige Frische im eine Lust und die Trennung von Gilberte ist plötzlich für ihn nicht mehr so schlimm (obwohl er nur kurz das Spiel unterbrochen hat und gleich wieder treffen wird). Muffige Frische? Fast schon ein Gegensatz in sich, oder? In "Combray" wurde erwähnt, dass er den Geruch seines Urins nochmals an den Genuß von Spargel knüpft. Was ich nicht ganz begriff, dass die Toilettenfrau ihm ein Kabinett anbot.


    Auf S. 93 (Suhrkamp St 3642) wird Gilberte vom Erzähler Undine genannt. Ein Melusinen-Motiv? Ein Naturwesen? Eine Frau nur schwer greifbar und wenn man hinter ihr Geheimnis kommt, verschwindet sie wieder bzw. weicht zurück?


    http://de.wikipedia.org/wiki/Melusine


    Fontane bediente sich sehr gern dem Melusinen-Motivs.


    Ein schöner Absatz über die Zeit findet sich auf S. 81:
    ---------------------------------


    Die zweite Befürchtung, .... , bezog sich darauf, daß ich offenbar nicht außerhalb der Zeit existierte, sondern ihren Gesetzen unterworfen war, ganz wie die Romangestalten, die mich gerade aus deisem Grund mit so viel Trauer erfüllten, wenn ich in Combray, im Schutz meiner Rohrhütte, ihr Leben las. Theoretisch weiß man, daß die Erde sich dreht, tatsächlich aber merkt man es nicht; der Boden, auf dem man schreitet, schein sich nicht zu rühren, und so lebt man ruhig vor sich hin. Genauso ist es im Leben mit der Zeit....
    ----------------------------------


    Ich bin nun auf Seite 99.


    Thomas
    vielen Dank auch für deine ausführliche Erklärung, wie ich mir die Live-Lesung im Dialog vorzustellen habe.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Guten Abend zusammen,


    Hallo zusammen,


    das fiel mir auch auf. Der Erzähler erwähnt sogar den Tod Swann und dass er es nicht mehr erleben wird, wie die Herzogin von Guermantes mit Odette und Gilberte eine Freundschaft eingeht. Es war ja sein großer Wunsch seine Tochter Gilberte der Herzogin vorzustellen.


    [...]


    den Wechsel in der Erzählperspektive fand ich auch auffällig. Die Liebesgeschichte Swann/Odette wird hier weitererzählt, aber aus einer anderen Perspektive. Der Bruch zu "Eine Liebe Swanns" war für mich schon heftig: ich hatte Swann noch als den hoffnungslos, über alle Maßen Liebenden im Gedächtnis, und jetzt erfahre ich, dass er Odette nur widerwillig und mit bereits erkalteter Liebe geheiratet hat. Während Odette, die seine Liebe bisher eigentlich nur entgegengenommen, aber nicht erwidert hatte, wg. seiner anfänglichen Abneigung gegen eine Hochzeit übellaunig und gereizt wurde (wobei das natürlich mit der unehelichen Tochter zusammenhängen kann. Es war damals sicher keine angenehme Situation für eine ledige Mutter. Oder galten für Mätressen reicher Männer andere Regeln?). Jedenfalls eine Liebesgeschichte, in der keine Gefühlsregung ausgelassen wird, ein wahres Wechselbad.


    Den Theaterbesuch fand ich sehr typisch für den Erzähler. Er scheint nicht fähig, etwas zu genießen (oder auch nicht), er muss immer analysieren, mit seinen Vorstellungen vergleichen, die Vorstellungen anpassen... ich stelle mir das sehr anstrengend vor.


    Thomas: schön, dass Du unsere Leserunde begleitest und vielen Dank für die interessanten Ausführungen zum Hörspiel.


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]


  • Den Theaterbesuch fand ich sehr typisch für den Erzähler. Er scheint nicht fähig, etwas zu genießen (oder auch nicht), er muss immer analysieren, mit seinen Vorstellungen vergleichen, die Vorstellungen anpassen... ich stelle mir das sehr anstrengend vor.


    Diese Stelle hat auf mich anders gewirkt. Der Erzähler ist enttäuscht vom realen Erleben im Vergleich zu seiner Phantasie/Vorstellung, die er vor dem Theaterbesuch hatte. Das finde ich eine ganz großartige Szene aus dem 2. Band.


    Vieles stellt man sich in der Phantasie doch viel schöner/intensiver vor als es dann ist. Die Vorfreude ist doch immer die schönste Freude, an diesem Spruch ist viel dran - finde ich. Ich denke da zum Beispiel an Weihnachten oder auch an lang geplante Familienfeiern, wie schnell sind die paar Stunden dann in der Wirklichkeit rum, man hat aber tagelang geplant und vorbereitet und es bleibt ein etwas schales Gefühl nach der Feier zurück. Und genau das wird hier beschrieben und erst im Schreibprozess analysiert. M.E. muss er nicht "immer analysieren", er macht sich halt Gedanken, warum es diesen Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit gibt. Das ist doch eine interessante Fragestellung.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Diese Stelle hat auf mich anders gewirkt. Der Erzähler ist enttäuscht vom realen Erleben im Vergleich zu seiner Phantasie/Vorstellung, die er vor dem Theaterbesuch hatte. Das finde ich eine ganz großartige Szene aus dem 2. Band.


    Vieles stellt man sich in der Phantasie doch viel schöner/intensiver vor als es dann ist. Die Vorfreude ist doch immer die schönste Freude, an diesem Spruch ist viel dran - finde ich. Ich denke da zum Beispiel an Weihnachten oder auch an lang geplante Familienfeiern, wie schnell sind die paar Stunden dann in der Wirklichkeit rum, man hat aber tagelang geplant und vorbereitet und es bleibt ein etwas schales Gefühl nach der Feier zurück. Und genau das wird hier beschrieben und erst im Schreibprozess analysiert. M.E. muss er nicht "immer analysieren", er macht sich halt Gedanken, warum es diesen Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit gibt. Das ist doch eine interessante Fragestellung.


    Schöne Grüße,
    Thomas


    Hallo zusammen,


    Hallo Manjula,
    hallo Thomas


    danke für eure Sichtweisen. Phantasie und Realität gegenüber zustellen, wird von Proust ja gern als Stilmittel benutzt um Gefühle hervor zuheben. Ich habe es ähnlich wie Manjula empfunden. Da der Erzähler kurz vorher schon ein ähnliches Gedankenspiel hatte, noch bevor er das Theater besuchte, kam mir seine Gedankenwelt ebenfalls anstrengend vor. Der Erzähler müßte nun 16 oder 17 Jahre alt sein, oder? Vielleicht wirkte diese Szene deswegen auf mich kindlich. Es wird interessant sein zu sehen, wie der Erzähler älter wird um zu erfahren, wie er Wirklichkeit und Phantasie dann gegenüberstellt und damit verfährt.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Der Erzähler müßte nun 16 oder 17 Jahre alt sein, oder? Vielleicht wirkte diese Szene deswegen auf mich kindlich.


    Das ist eine interessante Beobachtung. Da könnte man in anderen Szenen auch nochmal darauf achten.


    Wenn ich es mir recht überlege, wirken sogar alle sieben Bände hinsichtlich des Erzählers "kindlich" oder zumindest "nicht erwachsen". Könnte vielleicht daran liegen, dass Proust als Autor das harte Leben, in dem er sein eigenes Geld verdienen musste, nie erlebt hat. Bis zum Tod seiner Mutter war er auch sehr mit ihr verbunden. Heute lösen sich Jugendliche wohl eher und in stärkerem Maße von ihren Eltern. Ich denke, man spürt diese enge Mutterbindung in der Lektüre.


    Gruß, Thomas


  • [ Wenn ich es mir recht überlege, wirken sogar alle sieben Bände hinsichtlich des Erzählers "kindlich" oder zumindest "nicht erwachsen". Könnte vielleicht daran liegen, dass Proust als Autor das harte Leben, in dem er sein eigenes Geld verdienen musste, nie erlebt hat. Bis zum Tod seiner Mutter war er auch sehr mit ihr verbunden. Heute lösen sich Jugendliche wohl eher und in stärkerem Maße von ihren Eltern. Ich denke, man spürt diese enge Mutterbindung in der Lektüre.


    Gruß, Thomas


    Hallo zusammen,
    hallo Thomas


    gut, dass du die enge Mutterbindung erwähnst. Das hatte ich außer acht gelassen. Wie konnte ich das nur vergessen, weist doch alles auf diese Mutterbindung hin, in Proust's Leben wie im Roman. Mich dünkt, ich bin noch nicht so richtig ins Proust-Universum eingetaucht. Odette und Swann und nun Norpois haben mich abgelenkt.


    Herzliche Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo zusammen !


    klassikfreund schrieb:

    Zitat

    Diese Stelle hat auf mich anders gewirkt. Der Erzähler ist enttäuscht vom realen Erleben im Vergleich zu seiner Phantasie/Vorstellung, die er vor dem Theaterbesuch hatte. Das finde ich eine ganz großartige Szene aus dem 2. Band.


    Mir ist es wie Thomas gegangen - ich kann dieses Auseinanderklaffen von Wunsch und Realität sehr gut nachvollziehen. Und vielleicht ist es gerade in der Kindheit noch viel schlimmer, weil man dann die Erfahrungen noch nicht so gemacht hat und aus Angst, nicht enttäuscht zu werden, sich eben auf so ein Hineinsteigern nicht mehr einlässt. Ich fand das auch eine der herausragenden Schilderungen bisher in diesem Band.


    Mutterbindung - ja, für den Erzähler sind es die Frauen, die sein Leben bestimmen, die Großmutter, die Mutter, Francoise.
    Trotzdem wirkt Proust für mich eher sensibel und aufmerksam. Gerade die Kleinigkeiten oder eher peiniche Momente wie z.B. sinnliche Gefühle im Toilettenhäuschen oder der erotische Ringkampf arbeitet er wunderbar heraus und lassen einen die Kindheit/Jugend noch einmal nachempfinden.


    Gruß von Steffi

  • Hallo,


    bin auch immer noch dabei. Verfolge die Beiträge mit Interesse. Bin gerade dabei die Besuche bei Odette und Swann zun lesen, die ausführlich dargestellt werden. Melde mich am Wochenende, muss erst wieder reinkommen.
    Berührt hat mich die Beschreibung über die Vergänglichkeit und das wir alle den Gesetzen der Zeit unterworfen sind während die Erde sich dreht und wir es nicht fühlen. Die Sprache von Proust ist wunderschön. Leider reichen meine Französischkenntnisse nicht aus es im Original zu lesen.
    Aber indem wir das Buch lesen wird es wieder lebendig (vielleicht intensiver als das gelebte Leben), wir nehmen teil und damit sind weder der Autor noch die Personen wirklich vergangen.


    Zypresse


  • Leider reichen meine Französischkenntnisse nicht aus es im Original zu lesen.
    Aber indem wir das Buch lesen wird es wieder lebendig (vielleicht intensiver als das gelebte Leben), wir nehmen teil und damit sind weder der Autor noch die Personen wirklich vergangen.


    Sehr schöne Sätze. Auch ich verspüre das Bedürfnis Proust im Original näherzukommen, aber auch mein Französisch ist sehr schlecht. Indem wir das Buch lesen, wird der Autor wieder lebendig! Einen der großartigsten Sätze, die ich hier im Forum je gelesen habe. Ich empfinde das ebenfalls sehr intensiv, und dieses Gefühl ist stärker als bei allen anderen Autoren. Und das liegt m.E. an seiner Sprache, aber auch an den gewählten Themen. Über die Vergänglichkeit wird auf kunstvolle Weise reflektiert.


    Aber zugegeben: Auch bei Proust gibt es einige Stellen, die mich eher langweilen.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hallo Thomas,


    danke für das Feedback. Ich glaube Proust hat sich durch das Schreiben seine ganz eigene Welt geschaffen, die vielleicht viel intensiver war als sein gelebtes Leben. Ja streckenweise ist es schon etwas langatmig, aber dann wieder so klar und genau beobachtet, dass man die Stimmung fühlt und zusammen mit dem Autor und seiner Großmutter ans Meer fährt und Balbeck erlebt, oder im 1. Band bei der Beschreibung der Kirche auf dem Heimweg teilhat an den ersten Versuchen Prousts die Welt schreibend zu erfassen.


    Zypresse


  • Hallo Zypresse,


    sehr schön ausgedrückt. Das ist es wohl, was einen Klassiker ausmacht.


    Mein Französisch ist leider auch schon recht eingestaubt. Ich habe mir aber überlegt, mal einzelne Teile (die ich dann schon kenne) auf französisch nachzulesen, um die Sprache auf mich wirken zu lassen.


    Ich melde mich dann auch mal temporär ab, ich bin für ein verlängertes Wochenende im Schwarzwald.


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Guten Abend,


    so, ich melde mich vom Wochenendurlaub zurück, bei dem Proust natürlich dabei war. Ich bin zwischenzeitlich an der Stelle angelangt, an der der Erzähler seine amourösen Abenteuer aufleben lässt. Dieser Zeitsprung hat mich zuerst ein bisschen verwirrt: gerade war er noch mit Gilberte spielen (naja, so unschuldig waren seine Ringerspielchen ja nicht :breitgrins:), schon erzählt er, ganz Lebemann, von seinen Freudenhausbesuchen. Sehr gut gefallen haben mir die Schilderungen der Einladungen bei Swanns. Sie waren sehr ausführlich, hätten von mir aus aber noch länger sein können, da ich diese Salonwelt faszinierend finde. Die Außenwelt hat hier keinen Platz, mir kommt die Atmosphäre irgendwie treibhaushaft vor.


    Schön waren auch die Gedanken zu der Nachwirkung von Genies. Als er schrieb, dass wahrhaft große Geister erst von der Nachwelt tatsächlich gewürdigt werden: dachte Proust da wohl auch ein bisschen an sich selbst?



    [Muffige Frische? Fast schon ein Gegensatz in sich, oder?


    Maria, bei mir ist das mit "muffige Kühle" übersetzt, was vielleicht treffender ist. Das bringt mich zu der Frage: welche Übersetzung lest Ihr? Meine ist von Eva Rechel-Mertens (Suhrkamp Verlag).


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo zusammen, !


    Marcel besucht nun regelmäßig Gilberte. Auch hier ist wieder zu spüren, dass seine Vorfreude und Erwartung viel größer war als die Realität. Gilberte bewirtet ihn mit Tee, den er eigentlich nicht mag und er scheint gar nicht so glücklich zu sein.


    Manjula schrieb:

    Zitat

    Sehr gut gefallen haben mir die Schilderungen der Einladungen bei Swanns.


    Ja, diese Szenen haben mir auch gut gefallen, irgendwie schweift ja der Erzähler richtig ab zu Swann und Odette.


    Swann liebt Odette nicht mehr und er scheint mehr in seinem Unglück zu schwelgen, trotzdem hört Swann ihr "...mit einem Behagen, einer Heiterkeit, schon fast einer Bewunderung zu, in der noch ein Rest von Erotik mitschwingen mochte;" Swann macht auch "Experimente einer unterhaltsamen Soziologie", indem er nicht zueinander passende Personen einlädt.


    Tja, vielleicht war das in diesen gesellschaftlichen Zirkeln der einzige Weg, sich zu unterhalten, wenn man kein Snob war.


    Zitat

    Das bringt mich zu der Frage: welche Übersetzung lest Ihr?


    Ich lese die von Luzius Keller herausgegebene revidierte Ausgabe. Gegenüber der ursprünglichen Übersetzung von Eva Rechel-Mertens finde ich sie etwas geschmeidiger.


    Gruß von Steffi


  • Schön waren auch die Gedanken zu der Nachwirkung von Genies. Als er schrieb, dass wahrhaft große Geister erst von der Nachwelt tatsächlich gewürdigt werden: dachte Proust da wohl auch ein bisschen an sich selbst?


    Ganz sicher dachte er da auch an sich. In der Lebensbeschreibung seiner Haushälterin gibt es auch einen entsprechenden Beleg, wo er ihr sagt, dass er mal berühmt sein werde.


    Gruß, Thomas