Juli 2006 - Kafka: Ein Hungerkünstler

  • Ich kann mit stolz sagen, dass nun meine erste, von mir in die Wege geleitete, Leserunde vonstatten gehen wird. :klatschen:
    Ich denke es sei wahrscheinlich am Besten wenn wir pro Geschichte einen kleinen Zeitraum vorgeben würden, z.B. 4 Tage, und danach kann man dann sich vollkommen der nächsten widmen. Am Ende könnte man ja auch noch ein Resümee machen, in dem man die Einzelnen Geschichten miteinander vergleicht.
    Ich lese, wie schon erwähnt, die kritische Ausgabe...
    Aber nun: "Let the games begin!" :breitgrins:

  • Ich finde den Interpretationsansatz bei Wikipedia ganz gelungen, wir könnten das ja mal als Startpunkt nehmen:

  • Entschuldigt, dass ich jetzt erst zu euch stoße :redface:, aber irgendwie sind die Ferien sehr hektisch :zwinker:


    Meiner Meinung nach wird dem Trapezkünstler unbewusst klar, dass ihm der Kontakt zu anderen Menschen fehlt. Diesen fehlenden Kontakt versucht er nun mit weiterer Arbeit, die ihn aber niemals "ausfüllen" kann, zu kompensieren. Die Folge wird sein, dass der Trapezkünstler immer unglücklicher werden wird, dies könnte zu Unkonzentriertheit und schließlich zum tragischen Ende führen (eine Art Burn-out-Syndrom).


    Den Interpretationsansatz über Kafkas Biographie finde ich auch sehr gut. Es sind für mich wirklich Parallelen zum Leben Kafkas und der Beziehung zu Max Brod zu erkennen.



    mfg Robinson


    P.S.: Das ist meine allererste Leserunde, ich muss also noch viel lernen.


  • Meiner Meinung nach wird dem Trapezkünstler unbewusst klar, dass ihm der Kontakt zu anderen Menschen fehlt. Diesen fehlenden Kontakt versucht er nun mit weiterer Arbeit, die ihn aber niemals "ausfüllen" kann, zu kompensieren. Die Folge wird sein, dass der Trapezkünstler immer unglücklicher werden wird, dies könnte zu Unkonzentriertheit und schließlich zum tragischen Ende führen (eine Art Burn-out-Syndrom).


    Das ist sicherlich ein interressanter Ansatz, ich denke seine Arbeit erlebt der Trapezekünstler als Sucht. Er weiß, dass sie ihn in den Abgrund bzw. seiner völligen Isolation treibt, kann aber dennoch nich aufhören damit.

  • Da keiner mehr was zum Trapezkünstler sagt, mache ich einfach mal mit der nächsten Geschichte weiter:


    Ich habe in den letzten Tagen mehrmals die Geschichte "Eine kleine Frau" gelesen, aber irgendwie verstehe ich rein gar nichts. Auch wikipedia (<-link) konnte mir nicht weiterhelfen.


    Mir scheint es irgendwie als ob der Erzähler alles gesagte nur über längere Zeit immmer wieder geträumt hat und es sich für ihn nun als Realität darstellt. Was meint ihr zu der Geschichte?

  • Hallo Robinson,
    also, dass du sagst, dass dir die Geschichte wie eine Art Traum erscheint, kann ich gut nachvollziehen. Das wird oft über Kafkas Werk gesagt.
    Gleich zu Anfang kommen zwei sehr kafkaeske Motvie vor. Zuerst wird die Kleidung der kleinen Frau beschrieben. (wie auch im Process,Schloß) Dies spiegelt ihren Charakter, vor allem aber ihre Abhängigkeit wider. Allerdings habe ich schon da wirkliche Probleme die Beschreibung der Kleider zu deuten. Ich denke sie soll hiermit als eine, trotz ihrer ärmlichen und einfachen Herkunft, freien, unabhängigen Frau dargestellt werden.
    Das zweite, für Kafka typische, Motiv zu Anfang der Geschichte ist die Hand, welche beschrieben wird. Das Motiv kommt ähnlich, wenn ich mich nicht täusche, im Process vor. Hier muss ich leider passen, die Beschreibung der Hand weiß ich nicht zu deuten.
    Ich muss sagen, ich bin auch kurz vor der Resignation gewesen beim Lesen. Die Geschichte ist sehr schwehr zu interpretieren. Am Ende bin ich auf zwei Interpretationsansätze gekommen.
    Spontan fiel mir Kafkas Vater ein, der, wie die kleine Frau, so viel an Kafka auszusetzen hat.
    Mein zweiter Ansatz wäre Faschismus, bzw. als biografische Deutung Antisemitismus. Wer sagt denn, dass der Erzähler wirklich die Ursache des Leidens ist? Es ist genauso möglich, dass der Erzähler der Sündenbock der Frau darstellt. Es ist immer leichter die Schuld bei Anderen zu suchen, jedoch traut sie es keinem Anderen an, sie will mit hinterlistigen Methoden die Öffentlichkeit auf ihre Seite bekommen, genau wie Faschisten.
    Ich hoffe du bzw. ihr (ich hoffe, dass sich noch ein paar mehr Leute beteiligen) könnt mit meinen Ideen etwas anfangen und noch ein wenig ausbauen.
    Gruß Jonas

  • Kafkas Vater... Ja, vielleicht zum Teil zumindest, die Biographie kann ja überall, (zumindest hinein-)gelesen werden.


    Ansonsten sind es ja relativ klassische Projektionen, Selbstschuldgefühle, welche Kafka keineswegs fremd waren. - Und eine Situation, die doch irgendwie vergleichbar ist mit jener im Prozess, nur dass die Sachlage hier wie "umgekehrt" ist: Der Prozess läuft nicht, aber es bestehen Schuldgefühle und ein Schuldbewusstsein und die Schuld wird ausführlich diskutiert...


    p.S. Habe momentan nur den Beginn der Geschichte und den letzten Abschnitt gelesen, bin zu unruhig, die ganze Geschichte vollständig zu würdigen :cry:



    Es grüsst
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Ich konnte mich nun heute endlich überwinden die Erzählung erneut zu lesen und zwar mit dem Gedanken an Kafkas Vater im Hinterkopf.
    Das fand ich auch an manchen Stellen bestätigt, allerdings ist es mir fraglich, warum der Vater als Frau dargestellt sein sollte.
    Vielleicht ist es ja wirklich so, dass Kafka alle seine Schuldgefühle in die Erzählung hineingeschrieben hat. Allerdings wurde er laut wikipedia von Mitschülern und Kollegen als guter Schüler bzw. juristisches Vorbild gesehen. Vielleicht ist Kafka selbst unbewusst die kleine Frau und er klagt sich selbst für die unbegründeten Schuldgefühle an. (das klingt jetzt alles sehr seltsam, aber so schwirrte mir das gerade durch den Kopf ;) )

  • Zitat

    Vielleicht ist Kafka selbst unbewusst die kleine Frau und er klagt sich selbst für die unbegründeten Schuldgefühle an.


    Womit du zu einem ähnlichen Ansatz kommst, wie die von mir vorgeschlagenen Selbstschuldgefühle...


    Kafka hatte oft das Gefühl, weder der Arbeit noch dem Schriftstellertum vollständig gerecht zu werden und das obwohl er ein sehr geschätzter Mitarbeiter/Jurist war und dafür auch Lob erhielt. - Und sein literarisches Werk lässt sich ja auch durchaus sehen, auch wenn er immer und immerwieder Mängel darin sah, fast nie mit sich zufrieden war und die "Flickarbeit" nicht ausstehen konnte!


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Eben die von dir oben aufgeführten Dinge hab ich auch gelesen und bin so zu den Selbstschuldgefühlen gekommen. Das muss schlimm sein, wenn man mit seiner eigenen Arbeit als einziger nicht zufrieden ist.

  • Schlimm? - Normal, sozusagen...

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • So, ich hab jetzt endlich mal den "Hungerkünstler" und "Josephine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse" gelesen.


    zum Hungerkünstler kann ich nur soviel sagen: Er will die Beachtung und Bewunderung des Publikums, Hungern ist für ihn eine Kunstform, es beleidigt ihn, wenn sich Wachen wegdrehen um ihn essen zu lassen. Das Hungern wird ihm zur Sucht. Erst als er am Ende einsam und verlassen in seinem Käfig liegt ist er frei, denn nun kann er ungestört hungern. Kurz vor seinemTode teilt er dem Aufseher den Grund für das ewige hungern mit: er hat nie die richtige speise gefunden.




    Josephine:
    Ist scheinbar eine gute Sängerin, aber die Mäuse gestehen sich heimlich ein, das ihr Singen höchstens ein Pfeifen ist, das sowieso alle können. Trotzdem gehen sie zu den Versammlungen, da das scheinbar ihr Gemeinschaftsgefühl stärkt.
    Am Ende verschwindet Josephine und es wird die Aussage gemacht, dass sie sehr schnell vergessen sein wird.


    Zur Deutung kann ich nicht viel sagen, also zitiere ich einfach mal wikipedia
    http://de.wikipedia.org/wiki/E…3%BCnstler#Eine_Deutung_4.