Nach welchen Kriterien bewertet man eigentlich Literatur

  • Zitat von "Bartlebooth"

    Hui, das sieht mir von den Schlagworten her nach vielen Redundanzen und Bizarrerien aus (was um alles in der Welt meint er denn mit "Vollkommenheit"?).


    Der Ausdruck "Vollkommenheit" bezieht sich darauf, daß man ein Werk durch Veränderungen, durch Hinzufügen oder Weglassen nicht mehr verbessern könnte. Ein vollkommenes Werk ist in der vorliegenden Gestalt perfekt (sprachlich und formal), man könnte es allenfalls anders schreiben, aber nicht besser. Bei Werken, die einer strengen Form folgen, kann man prüfen, ob sie tatsächlich auch die Erfordernisse der gewählten Form erfüllen. Man kann z.B. den formale Korrektheit eines Sonettenkranzes überprüfen, und man kann auch sehen, ob die Reime und Verse nur mit Hängen und Würgen zusammengezwängt worden sind, oder ob das ganz zwanglos aussieht. Auch wenn es um nicht so strenge Formen geht, kann man überprüfen, ob es beispielsweise überflüssige Passagen in einem Roman gibt, also Passagen, die man ohne weiteres auch hätte streichen oder kürzen können, ohne daß das dem Gesamtwerk geschadet hätte. Allerdings könnte ein formal perfektes Werk trotzdem nichts taugen, weil es nur einem saft- und kraftlosen Epigonentum entsprungen ist, darauf weist Gelfert aber auch hin, und deswegen gibt es ja auch andere Kritierien, die man beachten muß (z.B. Originalität).


    Zitat von "Bartlebooth"

    Oberflächlich betrachtet bin ich da mit meinem Schnellschuss gar nicht unzufrieden :D.


    Ich war mit Deinem Schnellschuß ebenfalls ganz zufrieden. :-) Aber auch mit den von Dir genannten Kriterien "Intertexualiät" und "Intratextualiät" kommt man nicht unbedingt viel weiter, wenn man beispielsweise erklären will, wieso eigentlich das Gedicht "Wanderers Nachtlied" von Goethe besser sein soll, als das Gedicht "An die Grille" von Matthisson. :breitgrins:


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Zitat von "Wolf"

    Der Ausdruck "Vollkommenheit" bezieht sich darauf, daß man ein Werk durch Veränderungen, durch Hinzufügen oder Weglassen nicht mehr verbessern könnte.


    Sehe das nur ich so oder ist das pleonastisch? Der emphatische Werkbegriff (den ich möglichst vermeide) impliziert ja gerade eine Nicht-Veränderbarkeit. Dieser Status wird bei einem Text aber offensichtlich willkürlich hergestellt. Ein sehr sumpfiges Terrain.
    Außerdem: Wer entscheidet denn, was überflüssig ist und gekürzt werden könnte? Da kommt man doch mit meinem Modell der nachzuweisenden Beziehungen viel weiter.

    Zitat von "Wolf"

    Aber auch mit den von Dir genannten Kriterien "Intertexualiät" und "Intratextualiät" kommt man nicht unbedingt viel weiter, wenn man beispielsweise erklären will, wieso eigentlich das Gedicht "Wanderers Nachtlied" von Goethe besser sein soll, als das Gedicht "An die Grille" von Matthisson.


    Nicht? Das musst du erklären; vor allem, weil ich das zweite gedicht nicht kenne.


    Herzlich, B.

  • Allgemeine Richtlinien für Literaturqualität? Unmöglich!
    Schon wenn ich versuche diese Frage für mich persönlich zu beantworten, stolpere ich über ein derartziges Maß verwirrender, teilweise sich widersprechender Halbkriterien mit denen ein Buch sich zur gleichen Zeit in höchstem und niedrigstem Abschnitt des Qualitätsspektrums befinden kann, dass eine absolute Aussage (meinerseits! Vielleicht sind andere ja dazu in der Lage, ich bin es nicht) nur in einer Farce enden würde. ;)
    Da wäre für mich beispielsweise der umstand, dass mich perfektioniertes handwerk nicht so sehr zu reizen vermag wie interessantes Scheitern an neuer Erzähltechnik- und da ist es- für mich!- nicht mehr möglich die Grenze zur bereits zitierten "Vollkommenheit" zu ziehen, gerade weil sie ja in diesem Falle contraproduktiv wäre (Contradictio in adiecto? Ja! ;)).
    Will man dem Gesprächspartner beispielsweise erläutern warum das eine Schriftstück besser sein sollte als das andere, kann jeder mit den eigenen, stringenten und entgegengesetzten Argumenten plausibel vorgehen- dem Ausgangspunkt entsprechend, dessen absolute Richtigkeit zu eruieren (meines Wissens) noch niemand geschafft hat. Also kann Logik zwar Vorgehensweise, nicht aber Intrument zur Standpunktschaffung sein (Denn wie entkräfte ich jemand der auschließlich Schnulziges liest in der Aussage "Der Bergdoktor und die Schönheit" sei besser als "Effi Briest"?), die mehr subjektiv als alles andere ist?
    Ich wage mich natürlich hier bewusst auf Glatteis, weil ich gerade über Dinge schreibe von denen ich nicht die Geringste Ahnung habe. :P

  • Hallo Titania,


    du darfst - ganz wichtig! - nicht "Qualität" mit deiner persönlichen Meinung (oder der eines "Bergdoktor"-Fans) verwechseln. Du selbst kannst gern lesen, was du willst; "Qualität" ist begründungsbedürftig, deine persönlichen Vorlieben (der Name sagt es bereits: sie sind ja persönlich) sind das nicht. Wenn ich beide Begriffe in eins setze, führe ich jede Rede über Kunst ad absurdum und mache sie vollkommen unmöglich.
    Ansonsten, sei mir nicht böse, zeigt dein Eintrag das, was du im letzten Halbsatz schließlich zugibst. Wer sagt denn was von "absoluten Aussagen"? Was sind denn die "verwirrenden und sich widersprechenden Halbkriterien", die dir so zu schaffen machen? Was sind überhaupt "Halbkriterien"? Wer wollte denn "Logik als Instrument zur Standpunktschaffung" einführen? Oder wer wollte die "absolute Richtigkeit eines Ausgangspunkts" eruieren? "Ausgangspunkt" wovon eigentlich? usw. usf.


    Herzlich, B.


  • Fazit: eine unbegründete Feststellung einfachen Gefallens oder Nicht-Gefallens ist kein ernstzunehmendes Urteil, in keinem Fall; eine Aneinanderreihung unbegründeter Gefallens- oder Missfallensäußerungen verschiedener Personen ist kein Gespräch über Literatur.


    Natürlich ist "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht" kein Urteilen. Das stand niemals nicht in Frage.
    Ich zweifele nur an, dass mensch durch Wissen, etwa um nämliche Inter- und Intratextualität dazu befähigt werden kann, gute Literatur zu erkennen - letztendlich würde das einem unsensiblen Menschen, der mit dem ästhetischen Empfinden eines Toastbrotes gesegnet ist, auch nicht helfen. Aber das steht für dich wohl auch ausser Frage. (Ebenso steht ausser Frage, dass man von der und durch die Literaturwissenschaft etwas lernen oder seinen Geschmack verfeinern oder so kann.)


    Gruß!


  • du darfst - ganz wichtig! - nicht "Qualität" mit deiner persönlichen Meinung (oder der eines "Bergdoktor"-Fans) verwechseln. Du selbst kannst gern lesen, was du willst; "Qualität" ist begründungsbedürftig, deine persönlichen Vorlieben


    Ich bin wirklich froh, dass nicht immer ich diese Position vertreten muss. Weiter so :breitgrins:



    CK

  • Buenos dias Bartlebooth! :)


    Die These, man könne persönlichen Geschmack und Urteil trennen, halte ich insofern für nicht haltbar, da jeder, und bemüher er sich noch so sehr um Objektivität, mit gewissen Wertvorstellungen in die Lektüre geht, sprich, Kriterien davon, was überhaupt "gut" und "schlecht" bedeutet. Ein Urteil ist wohl zu begründen, nicht aber das Grundkriterium nach der man sie sich bildet. Es ist beispielsweise so, dass die meisten hier Tiefgang (Komplexität, Durchdachtheit) schätzen werden, und so beispielsweise das eine Buch gegen das andere, seichte und naive verteidigen könnten(=Begründung). Nun, das wäre sicher eine Begründung, nur wer legt fest dass erstere Eigenschaft besser ist als die zweite? Der Lesegrund, das subjektivste überhaupt, denn erwartet sich jemand NICHT Bewusstseinserweiterung wird die vermeintliche Qualität wertlos. Also ist primär für eine Begründung ausschlaggebend, welche Eigenschaften "gut" und "schlecht" überhaupt legitim sind- und hier entscheidet nur die Meinung der allgemeinen Leserschaft was als legitime Begründung gelten kann (Weil ja, siehe oben, der Zweck entscheidet welche Eigenschaft wertvoll, welche Nutzlos ist).
    Jeder Mist lässt sich mit passenden Grundwerten auf die geeignete Weise begründen, was folglich heißt dass Begründung nicht automatisch Objektivität mit sich bringt.


    Verzeih, aber wenn du behauptest, es gäbe gewisser Vorraussetzungen die Literatur "Qualität" abseits des pers. Geschmacks verleihen würden, behauptest du doch anhand dieser Kriterien absolute Aussagen über die Allgemeingültigkeit (Oder welche Silbe des Wortes "objektiv" habe ich da missverstanden?) des Urteils treffen zu können?


    Ja, ich gebe zu, dass das Wort "Halbkriterium" im Duden nicht zu finden ist, aber das hat es ja mit seinem Halbnamensvetter (Oh, pardon! ;)) "Halbsatz" gemein. Ich meinte damit subjektive Werte, die ein Buch für mich gut machen, oder auch nicht, vonnöten sind oder auch nicht, etc., aber sich selbst zu zitieren gehört nicht zur feinen Art, enstchuldige.


    Gruß,
    Titania

  • Hallo Titania,


    Die These, man könne persönlichen Geschmack und Urteil trennen,


    Habe ich doch gar nicht geschrieben. Ich habe geschrieben, man könne pers.G. und Qualität trennen. Ein Urteil, das habe ich oben geschrieben, kann ich natürlich auf gar keiner Grundlage fällen. Aber dann ist es kein valides ästhetisches Urteil.
    Von Objektivität habe ich auch nie gesprochen. Das Gegenteil ist der Fall. Würde ich an die Möglichkeit eines objektiven Urteils glauben, dann hätte ich oben sicher nicht geschrieben, dass die Kriterien nicht in einem binären Schema (gut/schlecht) anzuwenden sind, sondern Kriterien sind, an denen eine Begründung jeweils von den Lesenden zu entwickeln ist.


    Herzlich, B.

  • Hallo Stoerte,


    Natürlich ist "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht" kein Urteilen. Das stand niemals nicht in Frage.


    Ist angekommen, war aber zB aus deiner eigenen, in meinem ersten Posting zitierten Aussage nicht ersichtlich.
    Zu deinem zweiten Punkt: Ästhetik ist konventionalisiert. Insofern glaube ich nicht so sehr an ein natürliches ästhetisches Empfinden, das aus dem Nichts kommt.


    xenophanes, diese Meinung vertrete ich schon eine geraume Weile im Schwesterforum :breitgrins:. Insofern: Keine Bange.


    Herzlich, B.


  • Hallo Titania,


    Habe ich doch gar nicht geschrieben. Ich habe geschrieben, man könne pers.G. und Qualität trennen.


    Ja, aber das Urteil wird ja auf der Basis des pers. Geschmackes getroffen, wie ich denke.


    Also wenn wir und von gerade genanntem binärem Schema entfernen, dann handelt es sich nicht um eine Debatte die auf das Ermitteln der Qualität abzielt, sondern lediglich um (subjektive! Es sei denn, man beschränkt sich auf Seitenzahl und Autor.) Betitelung, da ja jedes angewendete Adjektiv äquivalent im Sinne des Lesespaßes sein müsste. Das ist allerdings, diskutieren zwei Menschen aus Fleisch und Blut, nahezu unmöglich da ja, wie gesagt, gewisse Eigsnschaften unausweichlich als gut oder schlecht interpretiert werden, der eine Th. Mann für langatmig hält, der andere gerade aufgrund dessen Kurzweiligkeit dieses Wort für sich ablehnt. Weil, das ist ja auch ein Problem, auch die Terminologie an sich ist wertend, und sagt aus.


  • Ja, aber das Urteil wird ja auf der Basis des pers. Geschmackes getroffen, wie ich denke.


    Wenn es nur auf dieser Basis gefällt wird, sind wir bei "Es gefällt mir, weil es mir gefällt" und das ist kein valides ästhetisches Urteil.


    Zitat von "Titania"

    gewisse Eigsnschaften unausweichlich als gut oder schlecht interpretiert werden, der eine Th. Mann für langatmig hält, der andere gerade aufgrund dessen Kurzweiligkeit dieses Wort für sich ablehnt.


    Deshalb kommt es ja beim Urteil über Qualität auf Begründung an. Eine Begründung, die ihrerseits aus nichts als der Aussage besteht, dass Thomas Mann lang- oder kurzweilig ist, ist ebenso kein valides ästhetisches Urteil, denn auch das sagt nicht viel mehr als der oben zitierte Satz.
    Die unterschiedlichen Positionen sind nicht das Problem. Das Problem ist, dass Leute über Qualität entscheiden wollen, ohne zu begründen und permanent nur auf die Subjektivität verweisen, die aber in diesem Zusammenhang - wenigstens derart emphatisch und als einzige Begründungsstrategie - nichts zu suchen hat.


    Herzlich, B.

    Einmal editiert, zuletzt von Bartlebooth ()

  • Ja, sicherlich, bei allem in letzten Beitrag gesagten stimme ich dir ja auch absolut zu. Ich meinte ja nur dass auch die Aussage "es hat Tiefgang" beispielsweise nicht unbedingt etwas über Qualität aussagt, da man ja die jeweilige Eigenschaft (In diesem Fall Tiefgang) ja nicht als gut erachten muss, sondern unter Umständen verabscheuen kann. Und dann ist zwar begründet warum derjenige es für gut erachtet, aber nicht dass es tatsächlich gut ist. Und deswegen meinte ich ja nur: Auch subjektive meinung lässt sich begründen, verschieden auffassen, interpretieren,...etc. Begründungen müssen ja auch zwangsläufig in Eigenschaften enden- und wie diese schlussendlich aufgefasst werden ist dann eben pers. Geschmack (Zumindest könnte ich objektiv nicht beschreiben was genau an Sprachvirtuosität o.ä. gut sein sollte).

  • Die Aussage "es hat ja Tiefgang" sagt tatsächlich nichts über Qualität aus - allerdings nicht aus dem von dir angegebenen Grund, sondern weil sie eine dieser Behauptungen (es ist langweilig/gut/schlecht etc.) ist, die an sich keinen Argumentencharakter haben, sondern um plausibel zu werden, erst begründet werden müssten.


    Subjektive Meinungen lassen sich zwar begründen, das habe ich nie bestritten; nur lassen sich Meinungen nicht mit Subjektivität begründen. Die Aufgabe des-/derjenigen, der/die eine ernstzunehmende Aussage über ein künstlerisches Produkt wie einen Text machen will, ist es, die eigene Meinung plausibel zu machen also für andere nachvollziehbar zu begründen. Das heißt wiederum nicht, dass dadurch eine objektive Wahrheit formuliert ist, die alle übernehmen müssen. Es heißt nur, dass jemand ein valides Urteil abgegeben hat. Dieses ist als Beitrag zur Diskussion zu respektieren. Das Geplapper über eigene Meinungen und subjektive Empfindungen point final und dieser ganze Käse sind es eben nicht.


    Mal ganz nebenbei, dieser ganze Schmuh über "das ist doch jedem selbst überlassen" u.ä. ist abgesunkenes Kulturgut aus der postmodernen Ecke. Der Witz ist aber, dass die Postmoderne zwar die absoluten Gewissheiten abgeschafft, sie aber keineswegs durch Anarchie oder Beliebigkeit ersetzt hat. Die Postmoderne ist - im Gegenteil - eine einzige Aufforderung zu Begründung, Plausibilisierung, kurz gesagt: zum Dialog. Das was beim gemeinen Fußolk davon angekommen ist, ist leider mal wieder das Gegenteil, nämlich ein permanentes Abwürgen von Diskussion mit dem Hinweis auf die Nicht-Existenz von Objektivität.
    Ha, ha.


    Herzlich, B.


  • Die Aussage "es hat ja Tiefgang" sagt tatsächlich nichts über Qualität aus - allerdings nicht aus dem von dir angegebenen Grund, sondern weil sie eine dieser Behauptungen (es ist langweilig/gut/schlecht etc.) ist, die an sich keinen Argumentencharakter haben, sondern um plausibel zu werden, erst begründet werden müssten.


    Ja und? Was ist gewonnen wenn eine Eigenschaft dann schlussendlich bewiesen und begründet wäre? Begründungen der Eigenschaft sagen keinen Deut über Qualität, und wenn dann bewiesen wäre dass ein Attribut auf den Text zutrifft sind wir in der Qualitätsdebatte keinen Schrit vorangekommen. Oder wie willst du schlussendlich aus einer Auflistung bestimmter Eigenschaften lesen ob ein Buch nun gut ist, wenn du nicht die Eigenschaften selbst als "gut" oder "schlecht" betrachtest? Angenommen wir hätten nun schlüssig bewiesen, die Adjektive "gehaltvoll, tiefsinnig, gut recherchiert, innovativ" träfen auf einen Text zu, liest trotzdem derjenige daraus Schlechtes, der althergebracht-seichten Abklatsch lesen möchte, da ist die Begründung völlig belanglos, weil der Begriff "gut" an sich rein subjektiv ist.


    Ganz abgesehen von unserer Diskussion an sich weiß ich bis dato nicht unbedingt was ich trauriger finden soll: Den gekonnt-überlegenen Tonfall in dem du irgendjemanden zu "gemeinem Fußvolk" degradierst, unterstellst man wolle die Diskussion abwürgen (Sollten diese Seitenhiebe Zufall und ohne Bezug zu hier Gesagtem sein, entschuldige ich mich herzlichst.) oder der gekonnt-lässige Feldwebelton in dem du darüber lamentierst welches "Geplapper es nicht wäre". Für jemanden der dermaßen vehement auf rationales Begründen und kontroverse Diskussion legt, eine reichlich seltsame Gangart.

  • Hallo Titania,


    es geht nicht darum, einen Katalog von Eigenschaften zu benennen die, wenn vorhanden, einen Text "gut" machen (das ist ein binäres Schema: vorhanden/nicht vorhanden => gut bzw. schlecht), sondern darum einen Katalog von Kriterien anzugeben, anhand dessen man über die Qualität von Literatur diskutieren kann - wenn man es denn möchte und man nicht einfach nur seine Meinung kundtun möchte und mehr nicht. Das ist aber - ich wiederhole es gern - kein Gespräch über Literatur.


    Die Frage dieses Ordners lautet übrigens: "Nach welchen Kriterien bewertet man Literatur?" und nicht "Was ist gute Literatur?"


    Zu deinem zweiten Absatz nur soviel: Ich lege tatsächlich Wert auf eine kontroverse Diskussion (im von mir beschriebenen Sinne). Das magst du glauben oder nicht. Ich lege hingegen tatsächlich keinen Wert auf eine Aneinanderreihung unbegründeter persönlicher Meinungen.


    Vielleicht kann hier jemand anderes übernehmen, denn wir zwei finden offenbar keine gemeinsame Sprache.


    Herzlich, B.


  • Hallo Titania,


    es geht nicht darum, einen Katalog von Eigenschaften zu benennen die, wenn vorhanden, einen Text "gut" machen (das ist ein binäres Schema: vorhanden/nicht vorhanden => gut bzw. schlecht), sondern darum einen Katalog von Kriterien anzugeben, anhand dessen man über die Qualität von Literatur diskutieren kann - wenn man es denn möchte und man nicht einfach nur seine Meinung kundtun möchte und mehr nicht. Das ist aber - ich wiederhole es gern - kein Gespräch über Literatur.


    Das kann ich in der Form zu 100% unterschreiben.


    Aus dem von dir genannten Gründen hatte ich ja auch bewusst in jdem meiner Post erwähnt, dass es unmöglich wäre Qualität festzulegen (dass Diskussion möglich ist ist wohl selbstverständlich, deswegen sagte ich auch: festlegen), siehe: "Allgemeine Richtlinien für Literaturqualität" etc. , und zumindest in meinem Duden steht es da als "Güte, Wert", eindeutig also bewertend konnotiert. Dass man durch Argumente bestimmte Eigenschaften untermauern kann, steht ja auch nicht zur Frage, ist ja auch nicht Teil der Debatte.


    Übernehmen halte ich auch für gut- trotzdem aber danke für die, wenn auch teilweise etwas ruppige- Diskussion.

  • Hallo!


    Zitat von "Wolf"

    Der Ausdruck "Vollkommenheit" bezieht sich darauf, daß man ein Werk durch Veränderungen, durch Hinzufügen oder Weglassen nicht mehr verbessern könnte.


    Zitat von "Bartlebooth"

    Sehe das nur ich so oder ist das pleonastisch? Der emphatische Werkbegriff (den ich möglichst vermeide) impliziert ja gerade eine Nicht-Veränderbarkeit.


    Man kann grundsätzlich jeden vorhandenen Text verändern und dann die veränderte Version mit der Originalversion vergleichen, da kann der emphatische Werkbegriff soviel implizieren wie er will. ;-)


    Robert Gernhardt führt das in seinen "Gedanken zum Gedicht" (Haffmans, 1990) an einigen Beispielen vor (im Kapitel "Darf man Dichter verbessern? Eine Annäherung in drei Schritten").


    Zitat von "Bartlebooth"

    Außerdem: Wer entscheidet denn, was überflüssig ist und gekürzt werden könnte?


    Derjenige, der den Text beurteilt. Das ist ja bei den von Dir genannten Kriterien ("angemessene Sprache", "keine hölzernen Dialoge" usw.) auch nicht anders.


    Zitat von "Wolf"


    Aber auch mit den von Dir genannten Kriterien "Intertexualiät" und "Intratextualiät" kommt man nicht unbedingt viel weiter, wenn man beispielsweise erklären will, wieso eigentlich das Gedicht "Wanderers Nachtlied" von Goethe besser sein soll, als das Gedicht "An die Grille" von Matthisson.


    Zitat von "Bartlebooth"

    Nicht? Das musst du erklären; vor allem, weil ich das zweite gedicht nicht kenne.


    Das muß man auch nicht kennen, es war nur ein Beispiel, das man durch irgendein anderes Gedicht von Matthisson, Hölty, Voss, Platen, Tieck oder sonst wem ersetzen könnte. Aber da ich es erwähnt habe, zitiere ich es hier einmal:



    Friedrich von Matthisson


    AN DIE GRILLE


    Unter des Seethals Ulmen wandl' ich einsam.
    Feiernd schweigt die Natur, kein Lüftchen athmet;
    Nur dein leiser Abendgesang, o Grille,
    Tönt in den Blüthen.


    Als ich ein Knabe war, horcht' ich mit Wonne
    Deinem ländlichen Liede! Jahre schwanden,
    Meine Freunde sanken ins Grab, die Schöpfung
    Wurde mir öde.


    Wann ich gestorben bin, tön' aus der Moosgruft
    Rosen, opfert am hohen Waldgestade
    Salis meinem Schatten bethränte Kränze,
    Wonne der Wehmuth.



    Wenn man nun nachweisen will, daß Goethes berühmtes Gedicht "Wandrers Nachtlied" (="Ein gleiches") tatsächlich besser ist als dieses schon längst vergessene Gedicht von Matthisson, dann ist das gar nicht so leicht. Man muß da einen großen theoretischen Aufwand betreiben, nur um nachzuweisen, was ohnehin niemand bestreitet. ;-) Im Nachhinein tut man sich da natürlich leicht: ein Gedicht, das immer wieder gelesen und gelobt wird, taugt wohl mehr als eines, das rasch in Vergessenheit geraten ist.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Die meisten begeisterten Leser, zumindest die mit denen ich mich unterhalten hab, egal ob nun Klassiker oder auch SciFi, konnten ihre Wertung irgendwie begründen - wenn nicht, dann haben sie wohl eher irgendwann auch mal so ein Buch gelesen...
    Also ist es auch nicht so ganz schwarz/weiß, dass ohne diese (sicher wertvollen) abstrakten Kriterien und Kategorien nun kein Gespräch über Literatur entstehen könnte. Evtl. eben keines auf akademischem Niveau, aber gibt auch genug Schrifsteller, die bei solch einem gespräch nicht mitreden könnten.


    Übrigens hatte, also in unserem so genannten Kulturkreis, eigentlich Hume schon die absoluten Gewissheiten abgeschafft (bzw. im deutschen Sprachraum rechnet man es eben Kant zu).


    Gruß!

  • Hallo Wolf, ich bin ja auf die Stichworte angewiesen, die du mir lieferst


    Der Ausdruck "Vollkommenheit" bezieht sich darauf, daß man ein Werk durch Veränderungen, durch Hinzufügen oder Weglassen nicht mehr verbessern könnte. Ein vollkommenes Werk ist in der vorliegenden Gestalt perfekt (sprachlich und formal), man könnte es allenfalls anders schreiben, aber nicht besser.


    Das klingt für mich nach einem sehr absoulten Maßstab und nicht nach jemandem, der den Lesern anheimstellt, ob ein Text nun besser nicht hätte geschrieben werden können. Aber ich kenne Gelfert nicht, es mag Leute geben, die Begriffe wie "Werk" oder "Vollkommenheit" verwenden, ohne sie zu kritisieren, aber ohne sie zugleich allzu ernst zu meinen. Bisher war mir nur so jemand noch nicht begegnet.


    Herzlich, B.

  • Hallo Stoerte,


    Also ist es auch nicht so ganz schwarz/weiß, dass ohne diese (sicher wertvollen) abstrakten Kriterien und Kategorien nun kein Gespräch über Literatur entstehen könnte.


    Welche abstrakten Kriterien? Es ging mir nur darum, dieses ewige Subjektivitätsargument als eins zu entlarven, das Dialog unmöglich macht, nicht darum, das akademische Reden über Literatur zum einzig möglichen zu machen. :confused:


    Herzlich, B.