Marquis de Sade: Justine oder Vom Mißbrauch der Tugend

  • So...nun wage ich es mal.
    Ich habe vor kurzem mal einen Film über diesen kontroversen Kerl gesehen und denke, das es ganz interessant sein kann, so ein Buch zusammen zu lesen. Ich würde es wahrscheinlich niemals alleine lesen, weil es eine schwere Lektüre ist. Nicht aufgrund des Anspruchs, sondern weil das Buch auch heute noch zutiefst schockierend ist und sicherlich nichts für schwache Nerven.


    Aber wie gesagt, es könnte interessant sein darüber zu diskutieren. Ist es einfach nur perverser Schund?


    Ich konnte keine vernünfte Inhaltsangabe finden, deswegen übernehme ich mal eben einen Teil einer amazon-Bewertung:


    "Justine, ein junges Mädchen, fromm und tugendhaft, wird zusammen mit ihrer Schwester Juliette zu einer Waisen. Während Juliette sich entscheidet, den "Wonnen des Lasters" zu folgen, entscheidet Justine sich für den Weg der Tugend.


    Auf der Suche nach Arbeit und Menschen, die ebenfalls den Pfad der Tugend beschritten haben, trifft Justine auf viele Menschen.


    Justine, immer auf der Suche nach Tugend, Zuneigung ist ein sehr leichtgläubiges Wesen, die sehr schnell Vertrauen fasst. Auf ihrer Reise durch ganz Frankreich trifft sie auf viele Menschen, mit etwas eigenartigen Vorlieben: Sodomie, Sadismus, Inzest, pedophilen Neigungen, Vergewaltigungen, Morde und ewige Qualen.


    Justine, die zu tugendhaft ist, um selbst ein Verbrechen zu begehen und sich selbst damit aus ihren misslichen Lagen zu befreien, findet jedoch erstaunlicherweise immer wieder einen Ausweg und lernt die nächste Person, die sie ausnützt und einsperrt, sie vergewaltigt, markiert, verletzt.


    Im Buch werden die Szenen sehr deutlich beschrieben, wie die Männer die Frauen und Männer vergewaltigen, junge Männer oder Kinder langsam gequält und misshandelt werden, während ihre Peiniger dabei höchsten Genuss empfinden und sich ergießen.


    Frauen, als verachtenswertes Geschlecht angesehen, werden allen nur erdenklichen und sicherlich perversen Qualen ausgesetzt."


    WUA....hoffentlich hält mich jetzt keiner für krank...... :-) Wie gesagt, ich würde es niemals zur "Erbauung" lesen, aber irgendwie ist de Sade ja auch ein Teil der Literaturgeschichte.


    Es gibt übrigens auch reichlich Material, was man dazu lesen könnte. Unter anderem eine sehr gute Biographie von Maurice Lever.


    Zudem gibt es einen angeblich sehr guten Film über den Marquis, der "Quills" heißt (mit Geoffrey Rush und Kate Winslet). Er ist relativ neu und lässt sich sicher in einer Videothek ausleihen.

  • Hi Steffi,


    ich finde es sehr interessant, dass Du den de Sade vorschlägst. Ich selbst habe das Buch schon gelesen und werde es definitiv nicht mitlesen. Rein von der Literaturgeschichte her denke ich auch, dass man etwas von de Sade kennen sollte, zumal er ja mit seinen Werken den Begriff des Sadismus erschaffen hat.


    Die Bücher sind allerdings wirklich ekelhaft (es gibt keine sexuelle Perversion, die ausgelassen wird) und wirklich nicht unbedingt für jeden zu empfehlen.


    Es gibt übrigens viele verschiedene Ausgaben, die meistens gekürzt sind.


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo zusammen


    ein kontroverses Thema als Lesevorschlag. Klinke mich aber aus diesem Vorschlag aus und werde Nimues Warnung beherzigen. Es gibt Dinge über die ich nicht lesen möchte.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Steffi,


    ich wäre dabei, wenn es zum gemeinsamen Lesen kommen sollte. Vor Jahren habe ich mich bereits mit de Sade und Gilles de Rais beschäftigt und bin zu einem zwiespältigen Urteil gelangt.


    Außerdem bei manchen hochgelobten aktuellen Krimis um Psychopathen könnte sogar der Marquis noch etwas lernen.


    LG Dyke

  • Hallo zusammen!
    Hallo Steffi!


    Irgendwie habe ich Deinen Vorschlag wohl übersehen, sonst hätte ich früher reagiert.


    Der Marquis würde mich schon interessieren zur gemeinsamen Lektüre. Vorausgesetzt Ihr lest SEEEEEEHR langsam. (Weil ich, wie schon mal gesagt, als Mitglied der arbeitenden Bevölkerung und Familenmensch nicht SOOOOOOOOOO viel Zeit habe zum Lesen.)


    Von de Sade habe ich so ungefähr alles gelesen, was es als Taschenbuch gibt, es müsste also nicht unbedingt die "Justine" sein. Welche Verion hattest Du dir denn vorgestellt? Die erste, zweite oder dritte?


    Die Amazon-Werbung finde ich übrigens recht reisserisch, und - wo es heisst: "Frauen, als verachtenswertes Geschlecht angesehen, werden allen nur erdenklichen und sicherlich perversen Qualen ausgesetzt." - schlichtweg falsch. Es geht de Sade nicht in erster Linie um dies. Aber ich möchte jetzt nicht die Spannung aus der Lektüre nehmen.


    Du fragst: "Ist es einfach nur perverser Schund? " Weder pervers, noch Schund, imho. Ich wage zu behaupten, wenn die Generation von 1920/1930 ihren de Sade aufmerksam gelesen hätte und nicht nur perversen Schund darin gesehen hätte, wäre uns der Nationalsozialismus erspart geblieben. "[...] irgendwie ist de Sade ja auch ein Teil der Literaturgeschichte" - der Philosophie-, der Geistesgeschichte; ja der Geschichte überhaupt. Es ist interessant, wie sehr z.B. französische Intellektuelle de Sade rezipieren, während in Deutschland immer noch peinliches Schweigen herrscht bei diesem Thema/Autor.


    Suse
    "es gibt keine sexuelle Perversion, die ausgelassen wird" - na, da wüsste ich schon noch einige *g*. Und Erich Kästners "Fabian" füllt da z.B. ein paar Lücken.


    Zusammengefast: imho ein hochinteressanter und immer aktueller Autor, der sicher Zündstoff für viele interessante Diskussionen gäbe.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hi Sandhofer,


    naja, der Marquis ist ja wirklich Geschmackssache. Ich habe hier seine gesammelten Werke als gebundene relativ seltene Ausgabe stehen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich davon nur Justine kenne und in die anderen nur reingelesen habe.


    Zitat

    Die Amazon-Werbung finde ich übrigens recht reisserisch, und - wo es heisst: "Frauen, als verachtenswertes Geschlecht angesehen, werden allen nur erdenklichen und sicherlich perversen Qualen ausgesetzt." - schlichtweg falsch. Es geht de Sade nicht in erster Linie um dies. Aber ich möchte jetzt nicht die Spannung aus der Lektüre nehmen.


    Das ist nicht schlichtweg falsch. Vielleicht geht es de Sade nicht darum, Frauen so darzustellen, dennoch werden sie als verachtenswertes Geschlecht von allen männlichen Protagonisten angesehen und auch allen erdenklichen perversen Qualen ausgesetzt - egal welchen Alters. Vielleicht hat de Sade mit seinen Büchern ja etwas ganz philosophisches ausdrücken wollen (und ich weiss auch im die Interpretationen um Justine, die sich ständig ihre Tugend bewahren möchte und gegen das Böse im Mann ist etc.), ABER: Er beschreibt die Qualen wirklich akribisch und setzt seine weibliche Hauptpersone nunmal solchen aus. Das kann man nicht wegdiskutieren.


    Zitat

    Du fragst: "Ist es einfach nur perverser Schund? " Weder pervers, noch Schund, imho. Ich wage zu behaupten, wenn die Generation von 1920/1930 ihren de Sade aufmerksam gelesen hätte und nicht nur perversen Schund darin gesehen hätte, wäre uns der Nationalsozialismus erspart geblieben.


    Erklärst Du mir das genauer? Ich glaube nämlich, jeder kann in alles etwas hineininterpretieren. Sonst hätte wohl eine italienische Reporterin nicht im Herr der Ringe ein faschistisches Machwerk gesehen. Doch der Zusammenhang zwischen de Sade und dem dritten Reich entgeht mir gerade völlig?


    Zitat

    "es gibt keine sexuelle Perversion, die ausgelassen wird" - na, da wüsste ich schon noch einige *g*. Und Erich Kästners "Fabian" füllt da z.B. ein paar Lücken.


    Vielleicht kann ich mir auch nichts schlimmeres vorstellen als Sodomie mit kleinen Babies? Oder das Abschlachten und anschließende Vergewaltigen von Frauen und kleinen Kindern? Eigentlich bin ich ganz froh darüber, dass ich mir keine schlimmeren sexuellen Perversionen vorstellen kann.


    Zitat

    Zusammengefast: imho ein hochinteressanter und immer aktueller Autor, der sicher Zündstoff für viele interessante Diskussionen gäbe.


    Was man hier schon sieht. Auch ich wäre sehr an einer Diskussion darüber interessiert. Soll ich das Thema ins Allgemeine Diskussionforum verschieben?


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo zusammen!
    Hallo nimue!


    Sicher ist der Marquis Geschmackssache. Dennoch sollte ihn jedermann/frau gelesen haben...


    Du schreibst: "Vielleicht geht es de Sade nicht darum, Frauen so darzustellen, dennoch werden sie als verachtenswertes Geschlecht von allen männlichen Protagonisten angesehen und auch allen erdenklichen perversen Qualen ausgesetzt - egal welchen Alters." - Statistisch über de Sades Gesamtwerk gesehen, ist es sicher so, dass mehr Männer die Quäler sind, mehr Frauen die Gequälten. Aber es kommen in seinem Werk auch sehr häufig quälende Frauen und gequälte Männer vor. Die "100 [glaube ich, ich habe das Buch im Moment nicht zur Hand, es können auch 1000 sein] Tage von Sodom" sind ein Beispiel dafür. Letztlich geht es bei de Sade um die Ausübung von Macht, und da zu seiner Zeit (wie heute noch) mehr Männer als Frauen in Machtpositionen waren, ist es klar, dass mehr Männer auf der aktiv-quälenden Seite sind. Das hat imho mit einer Verachtung der Frau nicht das Geringste zu tun. Man vergisst über Justine sehr häufig die Juliette...


    Natürlich sind die Bücher ekelhaft - so ekelhaft wie z.B. die KZs in aller Herren Länder zu zu allen Zeiten sind und waren... Und die Mechanismen der Macht(ausübung) sind und waren zu jeder Zeit, wie sie de Sade beschreibt. Um eine solche Beschreibung geht es bei de Sade, imho. Dass er dies an sexuellen Perversionen exemplifiziert, ist ein Zufall, der auf de Sades Persönlichkeit, seinen ökonomischen Umständen u.ä. beruht.


    "Eigentlich bin ich ganz froh darüber, dass ich mir keine schlimmeren sexuellen Perversionen vorstellen kann." - Einfach, damit das klar ist: Ich habe gesagt, ich wüsste schon noch ANDERE Perversionen, ich habe NICHT gesagt SCHLIMMERE! Um eine Praktik wissen, bedeutet nicht, sie auch ausüben. Das gilt übrigens ebenfalls für den Marquis. De Sades sexuelle Phantasie ist im Grunde genommen sehr beschränkt, wie gesagt, schon Kästner in seinem "Fabian" stellt eine bedeutend buntere, wenn auch vielleicht nicht schlimmere Palette vor. De Sade kennt eigentlich nur 2 oder 3 Perversionen, die er auch noch ständig in Personalunion präsentiert, was in der Realität, wie Fachleute versichern, sehr, sehr selten vorkommt.


    "Soll ich das Thema ins Allgemeine Diskussionforum verschieben?" - As you like it.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus