Kant: Wo/Wie anfangen?

  • Hallo,


    als ich mich voranderthalb Jahren mit Schiller beschäftigt habe, behauptete mein Deutschlehrer irgendwann, Schiller sei nur schwer zu verstehen, wenn man seine Grundlage nicht kenne: Kant.
    Nun bin ich schon länger neugierig auf den alten Herrn und will dieses Jahr nutzen, um mich an ihn heranzutasten.


    Habt ihr Vorschläge, womit ich beginnen sollte? Ist es sinnvoll, erst einmal eine Zusammenfassung seiner Philosophie z.B. im Störig zu lesen, oder soll ich einfach vorne anfangen mit der "Kritik der reinen Vernunft"?


    Herzliche Grüße
    Nightfever

  • Hallo!


    Zitat von "Nightfever"


    Habt ihr Vorschläge, womit ich beginnen sollte? Ist es sinnvoll, erst einmal eine Zusammenfassung seiner Philosophie z.B. im Störig zu lesen, oder soll ich einfach vorne anfangen mit der "Kritik der reinen Vernunft"?


    Ich kann als Einstieg das noch relativ neue Buch von Manfred Geier über Kant empfehlen. Danach würde ich mit "Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können" weiter machen, der "populären" Fassung der "Krtitik der reinen Vernunft".


    CK

  • Wenn ich's recht verstanden hab schließt die Kritik vom einzelne auf's allgemeine. Was wohl der wissenschaftliche Weg ist, aber eben schlechter vermittelbar. Die Prologema wiederrum schließt vom allgemeinen auf's einzelne, wie man es eben gewohnt ist, und wurde von Kant geschrieben als seine Kritik in Rezesionen verrissen und allgemein wohl nicht kapiert wurde.


    In der Meinertausgabe sind die Rezesionen dokumentiert, auch wurde die Reihenfolge der Blätter ein einer Stelle nochmal geändert, wo anscheinend ein Fehler beim Herausgeber passierte. War eben "nur" eine Erläuterung des Autors zu seinem Werk (trotzdem noch ein schwerer Brocken) und Kant war zumindest in späteren Jahren auch der Archetyp des schrulligen und zerstreuten Profs.


    Gab auf bayern alpha eine Einführung zur Kritik der reinen Vernunft, nun gibt's das ganze als Transkript und real player video. Zum kategorischen Imperativ gibt's noch eine Folge (von fünfen) im Fernsehen, seh ich aber auch erst grad:
    http://www.br-online.de/wissen-bildung/thema/kant/


    Bei Schopenhauer las ich auch etwas über die Unterschiedlichkeit zwischen erster und zweiter Ausgabe der Kritik. Hab aber bis jetzt weder eine Version gelesen noch die Unterschiede in Erfahrung gebracht.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Nightfever"

    Ist es sinnvoll, erst einmal eine Zusammenfassung seiner Philosophie z.B. im Störig zu lesen, oder soll ich einfach vorne anfangen mit der "Kritik der reinen Vernunft"?


    Den Störig habe ich persönlich nie als Buch für Anfänger empfunden ...


    Vielleicht wäre es zu empfehlen, vor den Kritiken den kurzen und bewusst populär gehaltenen Aufsatz Was ist Aufklärung? zu lesen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich kenn mich nicht so gut mit Kant aus, aber das was ich über ihn weiß reicht mir schon, um mich nicht weiter mit seinem Werk zu befassen. Jemand der jeden Tag um die selbe Zeit rausgeht, sodass man seine Uhr danach stellen kann, ist mir das schon ziemlich zuwider! Kant war wahrscheinlich so ein Rationalist, dem Gefühle gar nichts bedeuteten, ein Biedermann, einer der nur auf die Vernunft hofft. So ein Mensch ist nicht gerade angenehm.
    Kant behauptet doch, der Mensch sei vollkommen für sein Handeln verantwortlich und müsse seinen Verstand bedienen, um gut zu handeln.
    Das ist es doch auch, was Schiller kritisiert, oder?
    Obwohl Schiller genauso idealistisch und lückenhaft in seinen Theorien ist wie Kant.
    Vielleicht hab ich den armen Kant jetz total falsch eingeschätzt..

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Céleste"

    Ich kenn mich nicht so gut mit Kant aus, aber das was ich über ihn weiß reicht mir schon, um mich nicht weiter mit seinem Werk zu befassen. Jemand der jeden Tag um die selbe Zeit rausgeht, sodass man seine Uhr danach stellen kann, ist mir das schon ziemlich zuwider!


    Es will Dich hier auch niemand zwingen, Kant zu lesen. Nur: Du verurteilst hier Kant aufgrund einer uralten Anekdote. Mit seinem Werk hat die gar nichts zu tun.


    Zitat von "Céleste"

    Kant war wahrscheinlich so ein Rationalist, dem Gefühle gar nichts bedeuteten, ein Biedermann, einer der nur auf die Vernunft hofft.


    Nur? Gerade die Vernunft ist es, die uns lehrt, vom Äusseren nicht aufs Innere zu schliessen - von Kants geregelten Spaziergängen nicht auf sein Werk, von der dunklen Hautfarbe eines Menschen nicht auf seine Intelligenz. Will sagen: die Menschenrechte sind z.B. eine Errungenschaft der Vernunft. Und nicht zuletzt Kant hat dazu beigetragen, dass sich noch nie so viele Menschen frei und unabhängig ausdrücken konnten wie heute.


    Zitat von "Céleste"

    So ein Mensch ist nicht gerade angenehm.


    Wenn Du meinst.


    Zitat von "Céleste"

    Vielleicht hab ich den armen Kant jetz total falsch eingeschätzt..


    No comment.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Céleste"

    Vielleicht hab ich den armen Kant jetz total falsch eingeschätzt..


    Oh ja, das hast du in der Tat. Kant hat nie behauptet, Gefühle zählen nichts, wer das behauptet, hat Kant nicht verstanden und sollte ihn vielleich tnochmals genauer lesen...;)


    Schiller hat sich wohl an Kant orientiert, doch nicht alles von Schiller ist nur durch Kant verständlich, das er einiges vor seiner ersten Kantlektüre geschrieben hatte, die erst in den 90ern war, wenn ich mich recht besinne. Schiller hat viele seiner Gedanken, die er auf Kant abstützt nach seiner Lektüre aber auch aus seiner früheren Anthropologie geholt und sie Kant gegenüber gestellt. Schiller und Kant haben fast wie einen Schlagabtausch gehalten, einer antwortete auf das des andern und Kant meinte, eigenltich meinen sie dasselbe, drückten sich nur anders aus, was Schiller mit einem Fragezeichen besetzt, allerdings aber nicht wirklich verneint. Und dem schliesse ich mich an. Wenn man Kant genau liest, dann widerspricht seine Aussage nicht der Schillers, er hat nur eine Prüfung eingelegt, die dann in der Folge von vielen falsch verstanden wurde, nämlich, dass man nur wenn man ohne Gefühl rein aus Verstand handle, man moralisch handle. So war das aber im Wortlaut nicht geschrieben.


    Ich würde dir die Bändechen Kant für Anfänger empfehlen. Da gibt es eines über die reine Vernunft und eines über die praktische, anfangen unbedingt mit dem ersten. :winken:

  • Wobei man selbst Kant nicht mögen muss. Diese abstrakten philosophischen Systeme haben gleichsam mit dem konkreten Leben nur noch wenig gemein. Ist eben einfach keine Lebensphilosophie. (Denke mal sowas war auch mit den fehlenden Gefühlen gemeint.)


    Glaub ich las in Weischedels philosophischer Hintertreppe das Gerücht eine Liebeskummergeplagte hätte Kant mit einem Priester verwechselt, ihm also ihr Leid geklagt, worauf er ihr was von philosophischen Systemen und Notwendigkeiten und so Zeugs erzählt habe. Kurz drauf folgte dann ihre Selbsttötung, so zumindest erzählt das Buch. Wenn's nicht wahr ist, könnte es eben möglich sein.


    Das empfohlene "Kants Welt" von Manfred Geier muss ich demnächst mal lesen.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Stoerte"

    Glaub ich las in Weischedels philosophischer Hintertreppe das Gerücht [...] Wenn's nicht wahr ist, könnte es eben möglich sein.


    Ich mag solche Gerüchte nicht, und wenn Weischedels Hintertreppe darin besteht, solche Dinge zu kolportieren, dann bin ich froh, sie nicht gelesen zu haben :sauer: .


    Mir war diese Geschichte bisher unbekannt. Ich halte sie persönlich weder für wahr noch für möglich, lasse mich aber gern eines Besseren belehren. Dazu möchte ich allerdings gerne wissen, auf welche zeitgenössische Quelle man sich da abstützt. Kant war als Privatperson durchaus nicht (nur) der verknöcherte und gefühllose Pedant, als den ihn solche Gerüchte beschreiben.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hab grad nochmal quer gelesen. Waren wohl weder Weischedel, Störig noch Höffe. Keine Ahnung also, wie ich dadrauf kam, wenn ich wieder drüber stolper schreib ich 's.


    Wobei es nichts gegen Kant war, der Wahrheitsgehalt nun eigentlich auch egal, weil nicht weltbewegend ist, sondern es vielmehr sympthomatisch dafür sein sollte, inwiefern auch Kants Philosophie einem jeweiligen Menschen eben auch mal nichts geben kann. Kant war eben kein trainierter Seelsorger.
    Für seine geistige Beweglichkeit spricht ja schon allein, dass er die Grösse Humes erkannt hat. (Ganz nebenbei bin ich schon von jeher zerstreut, gibt ja wohl wirklich weitaus negativere Eigenschaften.)


    Könnte es sein, dass Heine mit dem Spott über den älteren Kant anfing? Laut Höffe zeichneten die vorhergehenden Biographen diesen "mit Liebe".