Martin Walser 1957

  • Hallo Maria,
    Hallo zusammen,


    ich habe übrigens direkt begonnen, Ehen in Philippsburg zu lesen, das reinschmökern hat mich animiert.
    Ich hatte es schon mal vor zwanzig Jahren bis zur Hälfte gelesen, warum ich damals abgebrochen hatte, ist mir entfallen.
    Und ich muß sagen, das ist schon nach wenigen Seiten erkennbar ein besserer Walser, vielleicht sogar ein richtig Guter.


    Gruß, Lauterbach



  • ich empfand es als ein richtig Guter :-)
    auch wenn mich eine minutiöse beschriebene Abtreibung schockierte, dennoch ein starkes Szenarium. Im Roman findet sich mMn auch ein expressionistischer Stil, wenn man die Beschreibung von Nachkriegszeit, Industrie und Gesellschaft betrachtet. Die Weiblichkeit wird oft mit einem seltsamen Gang erwähnt, roboterhaft (?); das Ehepaar Volkmann wird als Roboter und Hindin verglichen. Das Frauenbild ist sowieso in "Ehen in Philippsburg" nur von der männlichen Sicht zu sehen und müssen sexuell verfügbar sein. Obwohl sie ihre Männer nicht als Einzige befriedigen können, was schon in Richtung Sexbesessenheit geht. Sexuelle Freiheit - dennoch werden über manche Körperteile immer noch nicht gesprochen. Dazu gibt es eine interessante Metapher im Roman, die man auf die Gesellschaft der Nachkriegszeit deuten könnte, die sich neu definieren möchte, aber die Begriffe fehlen noch.


    im Wikipedia fand ich einen treffenden Abschnitt, der zu Ehen in Philippsburg passen würde:


    Expressionistische Autoren lehnen sich auf gegen eine „Enthumanisierung“ durch die Industrialisierung und warnen vor einer Gesellschaft, die keine Rücksicht und Moral besitzt. Sie fühlen sich von der Anonymität der Großstadt und von Maschinen, die durch die sprunghaft wachsende Industrie allgegenwärtig sind sowie durch die diktatorische Autorität der Großunternehmer bedroht und selbst zur Maschine degradiert. http://de.wikipedia.org/wiki/Expressionismus_(Literatur)



    immer noch oder wieder aktuell ?


    viel Vergnügen bei der Lektüre.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Das mit dem Frauenbild sehe ich genauso, hier wird hauptsächlich durch die männliche Brille geschaut, wobei das ja für die 50 iger Jahre typisch war, eine Männergesellschaft, die die Frau hauptsächlich als Sexobjekt oder Putzkraft ansah.
    Interessant ist Johanna, die in derselben Straße wohnt und ihren Geschäften Nachts nachgeht, sie besitzt doch ein gewisses Ansehen in der Nachbarschaft.


    Gruß, Lauterbach

  • Ich lese jetzt "Muttersohn", und dieser Roman ist eine ganz andere Liga als "Angstblüte" und "Ein liebender Mann", die ich bisher von ihm gelesen hatte. Dieses ganze Bohei um Walser konnte ich mir bislang auch nicht erklären. "Muttersohn" ist ganz schön wirr, stilistisch gut geschrieben, irgendwie auch spannend, also mir gefällt´s :smile:

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"


  • Ich lese jetzt "Muttersohn", und dieser Roman ist eine ganz andere Liga als "Angstblüte" und "Ein liebender Mann", die ich bisher von ihm gelesen hatte. Dieses ganze Bohei um Walser konnte ich mir bislang auch nicht erklären. "Muttersohn" ist ganz schön wirr, stilistisch gut geschrieben, irgendwie auch spannend, also mir gefällt´s :smile:



    klingt ja schon mal gut :-)

    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Also ich muß gestehen, das ich bei Walser immer hin und hergerissen war und bin, manche Sachen von ihm sind gut bis sehr gut erzählt, aber es gibt auch so einiges, das unterirdisch ist.
    Wirklich gut gefallen haben mir von ihm bisher eigentlich nur Die Brandung und Ehen in Philippsburg.
    Jenseits der Liebe zum Beispiel fand ich schrecklich.
    Kann man sonst noch was von ihm empfehlen? Eine Frage an die Walserexperten.


    Gruß, Lauterbach


  • Hallo Lauterbach,


    mir gehts eher wie dir, manche Bücher find ich klasse, wie Ehen in Philippsburg, Ein fliehendes Pferd, Ein springender Brunnen (würde ich dir empfehlen), andere dagegen seltsam (Ohne einander). Ich kenne ja selbst noch nicht sehr viele Romane von ihm.


    ein gewichtiger Roman über die Gesellschaft in der noch jungen BRD, so kann man immer wieder lesen, ist "Halbzeit" aus der Anselm Kristlein-Trilogie (Halbzeit // Das Einhorn // Der Sturz). Der erste Band wird gerne empfohlen. Ich habe sie mir erst kürzlich bestellt, ebenso "Muttersohn". "Brandung" hat Denis Scheck empfohlen und diesen Roman füge ich irgendwann meiner Sammlung hinzu.


    Keck fand ich "Ein liebender Mann" - ich mochte den Roman entgegen den vielen kritischen Äußerungen :-)


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo ihr Zwei,


    ich muss meinen Kommentar von oben auch revidieren - der erste Teil von "Muttersohn" hat mir sehr gut gefallen, danach habe ich nicht mehr viel mit dem Buch anfangen können.


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"


  • Hallo ihr Zwei,


    ich muss meinen Kommentar von oben auch revidieren - der erste Teil von "Muttersohn" hat mir sehr gut gefallen, danach habe ich nicht mehr viel mit dem Buch anfangen können.


    LG
    Anita



    Schade, hätte mir eine bessere Aussage gewünscht, nun mal sehen, wann ich mit dem Buch beginne. Bin zur Zeit eine Leseschnecke *seufz*


    LG
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    die Vorschauen sind online. Ein neuer Walser im September 12:


    Das dreizehnte Kapitel
    [kaufen='978-3498073824'][/kaufen]


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Im März wird Martin Walser 90 !


    Eine 90minütige Dokumentation wird voraussichtlich am 18. März im SWR Fernsehen zu sehen sein – wenige Tage vor Martin Walsers Geburtstag.


    Hier kann man sich ein paar Minuten Dreharbeiten anschauen oder auch nur den Audio Stream anhören, durchgeführt von Denis Scheck.


    http://www.swr.de/swr2/kultur-…9597116/a1ek37/index.html

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Aus obigen WDR-Link entnommen:


    Zitat

    Mein Diesseits - Unterwegs mit Martin Walser


    Eine Reisereportage, ein Roadmovie vom Bodensee mit Martin Walser und Denis Scheck.
    Der Anlass ist sein 90. Geburtstag am 24. März 2017. Martin Walser ist im besten Sinne ein Jahrhundertschriftsteller, ein Mann, der die Verwerfungen und die Glückfälle des 20. Jahrhunderts erlebt und erfahren hat, aber neugierig geblieben ist auf unsere Gegenwart.


    Martin Walser ein Jahrhundertschriftsteller? Jetzt könnte man sich über die Definition eines Jahrhundertschriftstellers sicherlich trefflich streiten, aber für mich ist der Herr Walser alles andere als ein Jahrhundertschriftsteller.