Sophokles

  • Hallo,


    wiederum nach langer Pause setze ich meine Lektüre der Sophokles-Dramen fort und habe nun den von Pius zu Recht hochgelobten Philoktet gelesen.


    Immer wieder fälllt mir bei Sophokles seine ungeheure Modernität auf - und nun - fast zum Abschluss seines Schaffens -ein Gewissensdrama, das über das Durchleiden und Durchdringen des von Göttern vorgegebenen Schicksals hinausgeht.
    Neoptolemos befindet sich in einer Situation, wie sie zeitgemäßer gar nicht sein könnte: Opfere ich meine Anständigkeit und Wahrhaftigkeit dem allgemeinen Besten (sozusagen die utilitaristische Position) oder halte ich an meinen für gut erkannten Prinzipien fest (im Sinne des moralischen Rigorismus /Idealismus)?
    Dieses Drama könnte man heute jederzeit in einer modernen Adaption mit hohem Wiedererkennungswert aufführen.
    Für Sophokles scheint das Problem nicht lösbar, deshalb der Deus ex machina? Darf das göttliche Orakel nicht aufgrund moralischer Anständigkeit gefährdet werden, obwohl diese eben auch unabdingbar ist?
    Wieder ein faszinierendes Drama des Dramengiganten!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,


    die Feiertage bringen endlich ein bisschen Lesefreiheit und -konzentration, so dass ich nun auch das letzte Sophokles-Drama gelesen habe.
    Hier habe ich einige Schwierigkeiten mit der Übersetzung durch Kurt Steinmann, der wohl unbedingt das antike Versmaß und die griechische Syntax auf Deubel komm raus nachempfinden muss: Dementsprechend holprig und zum Teil sinnsuchend fiel meine Lektüre aus.
    Nicht mein liebster Sophokles - auch abzüglich der nervenden Übersetzung: Obwohl Kindler und auch der Übersetzer in seinem Nachwort immer wieder betonen, das Stück sei aus einem Guss, empfinde ich es nicht so. Zum Teil ist das Ganze wohl eine Apotheose des durch sein Schicksal schwer geschlagenen Ödipus, dann wieder wird die Vorgeschichte der "Sieben gegen Theben" mit dem Ödipus-Schicksal verknüpft, um den Helden nochmal in eine dramatische Situation zu bringen. Dabei übergießt sich und andere Ödipus mit Selbstmitleid und Schuldzuweisungen, die zwar berechtigt sind,aber auch kein besonderes Licht auf seinen Charakter werfen. Das muss natürlich auch nicht sein - ein gebrochener Held ist langweiliger als ein strahlender - aber dann passt die Schlussverklärung nicht so recht. Danach folgen dann noch vier Seiten Klagen der übriggebliebenen Mädchen und ein paar wirre Überlegungen, wie es mit ihnen weitergehen soll. Damit hat der Autor aber die Schlussverklärung des Ödipus verschenkt.
    Schön sind dagegen die lyrischen Stellen, in denen Sophokles seinen Heimatort Kolonos besingt.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,


    ich krame diesen Thread mal hoch, um eine Frage zu Sophokles und seinen Kollegen Aischylos und Euripides zu stellen, nämlich: wie zugänglich sind deren Dramen denn, wenn man bzgl. griechischer Antike nicht viel mehr als Schulwissen mitbringt?


    Oder anders gefragt: so wie bei Shakespeare's Königsdramen empfohlen wird, sich vorher zumindest ein bisschen in die Rosenkriege und das Drumherum einzulesen, gibt es da auch bei den Griechen irgendwelche geschichtlichen Hintergründe oder andere Thematiken, die man kennen sollte? Bzw. gibt es Ausgaben, die gut genug kommentiert sind, dass man als durchschnittlicher moderner Leser ohne allzu viel Sekundärliteratur damit klar kommt?


    Würde mich sehr freuen, wenn ihr mir da ein bisschen weiterhelfen könntet. :smile:

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Würde mich sehr freuen, wenn ihr mir da ein bisschen weiterhelfen könntet. :smile:


    Hallo Bluebell,


    dazu empfehl ich dir Tilman Spenglers Klassiker der Weltliteratur auf BR alpha:


    http://www.br-online.de/br-alp…ngler-ID1260172232427.xml


    die Videobeiträge sind wirklich sehenswert. Er stellt u.a. "Antigone" von Sophokles und Aristophanes - "Lysistrata" vor.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Maria, was für eine tolle Seite! DANKE für den Link! :bussi: :blume:

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Zu Sophokles ein Tipp für Theaterliebhaber um die Vorfreude auf die kommende Saison zu schüren:


    Peter Stein inszeniert Sophokles' „Ödipus auf Kolonos“ am Berliner Ensemble mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle neben Jürgen Holtz, Roman Kaminski, Martin Seifert und Norbert Stöß. Premiere ist am Mittwoch, 25. August 2010. Den Sophokles-Text hat Peter Stein neu übersetzt.


    Wer zuvor die Salzburger Festspiele besucht, hat die Möglichkeit dort das Stück bereits Ende Juli zu sehen.