Januar 2005: Heine - Deutschland. Ein Wintermärchen

  • Hallo Maja,


    schön, dass du das mit dem Wohnrecht gefunden hast. Das soll Heine ja auch vor einer Abschiebung bewahrt haben, im Gegensatz z. B. zu Marx, der Frankreich verlassen mußte.


    Es beginnt also mit einer Heimkehr. Schon seit den Anfängen ein Thema der Literatur (s. Homers Odysseus, der allerdings erst gegen Ende wieder in die Heimat gelangt). Mußte Heine eigentlich die Festnahme an der Grenze befürchten, oder hatte er sich vorher freies Geleit zusichern lassen? Oder gab es erst später einen Haftbefehl? In den letzten zwei Stropen des Kapitels erfährt man, wie wohltuend die Heimat auf den Dichter wirkt ("Ich könnte Eichen(natürlich) zerbrechen!").
    In den ersten Strophen ist die Ironie noch gedämpft, aber mit der falschen Stimme des Harfenmädchens wird der Ton schon schärfer. Bei Harfenmädchen denke ich übrigens auch an Storm (und an Mignon):
    "Heute, nur heute
    Bin ich so schön;
    Morgen, ach morgen
    Muß alles vergehn!
    Nur diese Stunde
    Bist du noch mein;
    Sterben, ach sterben
    Soll ich allein. "


    Dann gibt es heftige Kirchen- ("Eiapopeia vom Himmel") und Gesellschaftskritik ("Zuckererbsen für jedermann"). Das Hier und Jetzt ist entscheidend, keine Heilsversprechen im Himmel.
    "Jungfer Europa" spielt zwar auf die Mythologie (und Stiere :zwinker: )an (wie auch die neuen Kräfte des Riesen), meint aber wohl einen neuen, jungen, reinen Staatenbund (ohne die alten Konventionen) mit dem Hauptmerkmal Freiheit.


    Überlege auch schon, erst mal alles durchzulesen. Vielleicht machen das die anderen auch, um dann geballt wieder zu uns zu stoßen. :breitgrins:
    Gruß
    Holk

  • Soeben Caput I gelesen. Heine wettert da ja recht deftig gegen die Pfaffen:
    Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,-- (wohl des Harfenmädchens- die zum einlullen angestellt ist)
    ich kenn auch die Herren Verfasser; (mal ganz ruhig 6,5 Mio. Arbeitslose sind doch kein Grund....)
    Ich weiß sie tranken heimlich Wein (wir müssen zusammenrücken grmpf
    Und predigten öffentlich Wasser. (Die fetten Jahre sind vorbei- sprach Herr Calmund und ließ sich von Otti Fischer vier Schweinshaxen kredenzen :entsetzt: )
    Jawoll Herr Heine. Problem erkannt. Doch jeden Fehler den machmer gleich dreimal aber ändern, ja ändern tu mer nix. Bin auf die weitere Diskussion gespannt.
    Der Troll

  • Hallo zusammen!


    So langsam läuft's an...


    Zitat von "Holkenäs"

    Mußte Heine eigentlich die Festnahme an der Grenze befürchten, oder hatte er sich vorher freies Geleit zusichern lassen? Oder gab es erst später einen Haftbefehl?


    Der Haftbefehl war offenbar Folge des Wintermärchens!


    Zitat von "Holkanäs"

    "Jungfer Europa" ... meint aber wohl einen neuen, jungen, reinen Staatenbund (ohne die alten Konventionen) mit dem Hauptmerkmal Freiheit.


    Ich habe zwar gerade heute gelesen, dass man Metaphern (ist das hier eine??) nicht 1:1 in andere Begriffe zu übersetzten versuchen soll... aber trotzdem: Dann wäre der Bräutigam der Jungfer Europa die Freiheit? Ja, warum eigentlich nicht.


    Die Kirchenkritik habe ich nicht so deftig empfunden, eher allgemein Kritik an Obrigkeiten, die das Volk einlullen und übergehen.


    :lesen: Heute Abend lese ich weiter, und morgen kann ich hoffentlich noch etwas Sekundärliteratur holen.


    Bis am Sonntag, herzliche Grüsse,
    Maja

  • Halloo!
    Wo steckt Ihr eigentlich alle? :winken:
    Vor allem vermisse ich den Leserundeninitiator und
    Leila Parker und Iwan Iljitsch! Ich würde gerne weiterlesen, aber zuerst auch Eure Eindrücke zum Anfang hören!
    Suchende Grüsse,
    Maja

  • Hallo Maja!


    Tut mir unendlich Leid, das ich mich bis jetzt nicht gemeldet habe, aber ich hatte in den letzten zwei Wochen ziemliche Probleme gehabt.
    Aber, nun sind ja Ferien und ich werd mir n bissel Zeit nehmen, um wieder mitzumachen.


    Schreib heute noch weiter.
    Liebe Grüße
    Joe

    Wer träumt, dem wachsen Flügel.
    <br />Lasst uns alle Träumer sein.

  • :winken: Muss mich entschuldigen, hatte Klausurstress.


    Also der Ton ist wirklich scharf, wie schon erwähnt wurde. Ich denke auch, dass das Lyrische Ich hier, wenn auch nicht gleich, so doch ähnlich dem Verfasser selber ist. Anders kann ich mir Kommentare wie "Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, Ich kenne auch die Verfasser" (über die Pfarrer) nicht erklären.


    Die "Jungfer Europa", die sich mit der Freiheit verlobt, fand ich klasse. Heine will sagen, dass Europa noch "jungfräulich" ist, und zwar (wie ich vermute) nicht nur durch ihre Unfreiheit, sondern auch durch die damit verbundene Barbarei (keine Freiheit hat zur Folge, dass es auch keine Bildung gibt, keine Philosophie usw.). Zwar ist das Ganze ein bisschen sehr provokant von ihm formuliert, denn so war es Mitte des 19. Jahrhunderts ja nun wirklich nicht mehr, aber in der Wurzel, beim Volk herrschte noch immer der Glaube, der Fanatismus, die Unmündigkeit. Heine sieht in der Freiheit die Lösung und wünscht den zukünftigen Kindern Glück, was auch eine sowohl lustige als auch treffende Formulierung ist. :)


    Insofern ist das Wettern gegen die Kirche verständlich, die diesen Prozess nur einschränkt. Sehr provokant ist dann auch die völlige Verneinung des Glaubens, zwar versteckt formuliert, aber da: "Und fehlt der Pfaffensegen dabei./ Die Ehe wird gültig nicht minder [...]". Ich denke, dass sich dies nicht nur auf den Ehesegen reduziert, das ist wahrscheinlich nur "pars pro toto"... was meint ihr?


    Also den ersten Kaput fand ich sehr interessant, vor allem da er immernoch so aktuell ist. Man kann dies alles auf die heutige Zeit übertragen, in die Welt des Terrorismus und Fundamentalismus.


    Iwan

  • Hallo!


    Ich denke auch, dass das erste Caput sehr wichtig ist. Vor allem ist es brisant und zeigt sowohl die Liebe Heines zu Deutschland


    Zitat von "Heinrich Heine"


    Da ward mir seltsam zumute;
    Ich meinte nicht anders, als ob das Herz [(Er meint wohl damit so ein warmes Gefühl, das in einem Aufsteigt, wenn man zu tiefst sich freut)]
    Recht angenehm verblute.


    und die Abneigung gegenüber Obrigkeiten, wie das schon erwähnt wurde.
    Ich finde, dass erste Caput hat eine wunderbare einleitende Funktion. Sie stellt die Situation unmissverständlich dar.


    Zitat von "Iwan Iljitsch"

    Ich denke, dass sich dies nicht nur auf den Ehesegen reduziert, das ist wahrscheinlich nur "pars pro toto"... was meint ihr?


    Ich muss dir Recht geben, Iwan. Ich bin auch davon überzeugt, dass Heines Abneigung gegenüber der Kirche der festen Überzeugung entspringt, dass sie für den Entwicklungsprozess des Staates und die Emanzipation der Bevölkerung ein Hemmnis ist.


    Ich glaube auch, dass man den Text wunderbar auch auf die heutige Zeit anwenden kann. Der wird vielleicht auch immer passen. Wer weiß?! :)


    Ja, ich hätte nichts dagegen, wenn wir erst einmal alles durchlesen. Wir können aber auch Caput für Caput weiter in dem Stil behandeln.


    Bis zum nächsen Mal
    Liebe Grüße
    Joe :winken:

    Wer träumt, dem wachsen Flügel.
    <br />Lasst uns alle Träumer sein.

  • Hallo,


    schön, dass der Gesang jetzt vielstimmiger wird :zwinker:


    Ich meine, wir sollten grundsätzlich schon Caput für Caput durchgehen. Wenn mehrere zusammen eine Einheit bilden (z.B. der Barbarossa-Abschnitt) kann man das ja dann zusammenfassen. Aber wie tief wollen wir einsteigen, kann man Caput I als abgehandelt ansehen?


    Also Caput I war wirklich ein großartiger Einstieg, aber ich befürchte, das Niveau wird nur schwer zu halten sein.


    Die Verbindung von Reiseverlauf und Dichtung hat Heine übrigens schon in dem Gedicht "Tannhäuser" (1836) angewandt, wo er von Rom nach Hamburg unterwegs war:

    Zitat

    Zu Weimar, dem Musenwitwensitz,
    Da hört ich viel Klagen erheben,
    Man weinte und jammerte: Goethe sei tot,
    Und Eckermann sei noch am Leben!


    Gruß
    Holk

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Holk"

    Ich meine, wir sollten grundsätzlich schon Caput für Caput durchgehen.....kann man Caput I als abgehandelt ansehen?


    Schliesse mich an, ausser beim Wort "abgehandelt". Ein echter Klassiker ist das für mich nie! :zwinker:


    Zitat von "Joe"

    Ich glaube auch, dass man den Text wunderbar auch auf die heutige Zeit anwenden kann. Der wird vielleicht auch immer passen.


    Auch das meiner Meinung nach ein Merkmal eines Klassikers!


    Zitat von "Iwan"

    ...aber in der Wurzel, beim Volk herrschte noch immer der Glaube, der Fanatismus, die Unmündigkeit.


    Ich weiss nicht recht... Glaube ist doch an sich nichts Schlechtes? Und die Unmündigkeit war doch vor allem von der Obrigkeit aufgezwungen? Und andrerseits frage ich mich, ob es heute viel besser steht, mit der Bildung und Mündigkeit des Volkes. :rollen:


    Caput II beginnt mit einem herrlichen Gegensatz, auf "Himmelslust, trillern und musizieren" folgen die preussischen Zollbeamten!
    Zuerst erfahren wir, was Preussen für ein Frankreichbild hat: Von dort kommen Spitzen und Bijouterien, also Artikel aus dem erotischen Bereich, und verbotene Bücher, verbotenes Gedankengut.
    Die Spitzen verwandelt Heine dann sogleich in verbale Spitzen und die Bijouterien in Edelsteine im Kopf, den zweiten Teil könnte man überschreiben mit "Die Gedanken sind frei." Gefallen hat mir das Bild des Kopfes als zwitscherndes Vogelnest!
    Im dritten Teil taucht dann eines der Leitmotive, die das Wintermärchen durchziehen, erstmals auf: die Zensur. Heine kämpfte zeitlebens damit (und dagegen).
    Als Erzählertrick lässt er einen anderen Reisenden die Zensurkritik aussprechen, wobei mir nicht ganz klar ist, ob er sie ihm als ernst oder als ironisch in den Mund legt, ob er sich also gleichzeitig über einen deutschen Philister lustig macht.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo Maja,


    das war wohl nur ein kurzes Aufflackern der Begeisterung...


    Caput II hast du sehr nachvollziehbar zusammengefaßt. Das Vogelnest wurde wohl dann von Daniel Düsentrieb übernommen. :zwinker:


    Wen meint Heine denn mit dem "neuen Gott", dessen Gedanken er mit sich herumträgt? Kaum eine Religion abgestraft, wird eine neue errichtet...


    Die Spitzen gegen die Kollegen (im "Atta Troll" noch viel massiver), wie hier gegen unseren Hymnenerzeuger Hoffmann von Fallersleben, empfinde ich immer als etwas unfair. Aber diese Bissigkeit gegen andere Dichter war wohl bei Heine besonders stark ausgeprägt.


    Die Zensur als Band der geistigen Einheit ist ähnlich absurd wie die Mauer "als antifaschistischer Schutzwall" in späteren Zeiten. Schon geschickt, wie er das dem Mitreisenden in den Mund legt und damit dessen Glaubwürdigkeit auch hinsichtlich seiner Aussagen zur äußeren Einheit untergräbt.


    Liebe Grüße
    Holk

  • Hallo Holk,
    Hallo zusammen,


    Zitat von "Holk"

    Schon geschickt, wie er das dem Mitreisenden in den Mund legt und damit dessen Glaubwürdigkeit auch hinsichtlich seiner Aussagen zur äußeren Einheit untergräbt.


    Gute Überlegung, so weit habe ich gar nicht gedacht!


    Zitat von "Holk"

    Wen meint Heine denn mit dem "neuen Gott", dessen Gedanken er mit sich herumträgt?


    Laut Königs Erläuterungen (bin ich eigentlich nicht Fan davon, aber trotzdem:) sind die Tempelkleinodien des neuen Gottes die freien Gedanken, der neue Gott die Freiheit.
    Eigentlich wurde ja nicht die Religion abgestraft, sondern nur deren Exekutive, oder nicht?


    Zitat von "Joe"

    Ja, ich hätte nichts dagegen, wenn wir erst einmal alles durchlesen. Wir können aber auch Caput für Caput weiter in dem Stil behandeln.


    Tja, wie liest man Lyrik gemeinsam? :rollen: Vielleicht ist es gar zu philologisch, Caput für Caput vorzugehen? Mehrere zusammenfassen? Aber interessant wäre es schon, zu hören, was anderen Lesern jeweils besonders aufällt!


    Ich bin jetzt erst mal eine Woche weg, und hoffe, dass das Wintermärchen in der Zwischenzeit aus dem Winterschlaf erwacht...


    Bis dann, herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen,
    zur Zeit quäle ich mich durch den Pompeji-Roman von Bulwer-Lytton. Zur Entspannung habe ich mir jetzt Heines "Deutschland. Ein Wintermärchen" gekauft. Ich werde versuchen bei Euch auf dem Laufenden zu bleiben. Allerdings werde ich mich hier wenig zu Wort melden. Ich lese still mit und erfreue mich an Euren Erkenntnissen. :smile:


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo Erika,


    herzlich Willkommen! :blume:


    Um bei uns auf dem Laufenden zu bleiben, mußt du gar nicht weit gehen, denn wir sind ja erst bei Caput II :zwinker:


    Und jeder Beitrag würde dich in der Teilnahmestatistik schon ganz weit nach oben bringen...


    Und dann fährt Maja auch einfach noch eine Woche weg :entsetzt:


    Brauchen hier wirklich etwas Schwung.


    Gruß
    Holk

  • Hallo Holkenäs,
    danke für die freundliche Begrüßung. Für mich ist es mehrfache Premiere: Ich habe noch nie an zwei gemeinsamen Lesungen teilgenommen. Auch Lyrik habe ich hier noch nicht gelesen. Von Heine kannte ich bisher nur Balladen. Besonders "Die Grenadiere" mag ich sehr gerne (Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!). Auch Belsazar lese ich immer wieder gerne. Ich habe mir im Studium von Heine aus dem Aufbau-Verlag einen Band mit Gedichten gekauft (stammt aus der Reihe Bibliothek der Weltliteratur).


    Deutschland, ein Wintermärchen habe ich mir vor einigen Tagen in der Insel-Taschenbuchausgabe gekauft. Dazu noch einen Reclam-Lektüreschlüssel für Schüler. Anscheinend wird das Werk auch heute noch im Deutschunterricht gelesen. :zwinker:


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo zusammen!


    Hallo Erika!


    Ja ja, Deutschland ein Wintermärchen wird heute immer noch im Deutschunterricht durchgekaut. Liegt wohl ausschlaggebend daran, das es eben ein Klassiker und damit absolut zeitlos ist.


    Ich will noch einmal was zum Caput II sagen:


    Hier merkt man wieder ganz stark, dass Heine die autoritären Strukturen Deutschlands verabscheut. Die Zöllner, die ja einen Teil der Obrigkeit darstellen, sind für ihn nur "Toren". Sozusagen: dummes Pak, dass stur und stramm nach Reglement vorgeht.
    Er spricht auch indirekt von verbotenem Wissen. Damit ist Gedankengut gemeint, dass niemals durch die deutsche Zensur gekommen wäre.
    Die Zensur ist ja sowieso ein zentrales Motiv, dass sich durch das gesamte Werk hindurchzieht. Von der Zensur spricht auch der "Passagier". Er spricht von der Deutschen Einheit nach innen und außen. Die innere Einheit (durch Zensur) soll auf der äußeren Einheit fundieren. Das ist natürlich Quark. Ich denke, auch wenn ich Heine noch nicht so gut kenne, dass widerspricht jedem Gedanken Heines.
    Der Zoll, der ja die Einheit Deutschlands sichern soll, spielt auf den Zollverein an. Dieser hatte zwar den Warenverkehr erleichtert und eine Grundlage für die folgenden Vereinigungen von Fürstentümern gelegt, ist aber schließlich nur ein schwacher Trost für Heine. Denn der Zollverein ist kein Wekr des Volkes, sondern von konservativen Politikern. Ich glaub nicht, dass es DAS neue Lied ist, das Heine dichten wollte.
    Die Zensur, die ja die innere Einheit Deutschlands garantieren soll, ist dasselbe in grün. Was schafft denn die Zensur? Es ist wie eine Form, die man dem Volk überstülpt. Man schafft eine gerade Linie. Alles was daneben liegt, schiebt man beiseite. So verhindert man Meinungen, die dem politischen Kurs widersprechen. So kann man eine einheitliche Meinung schaffen. Diese lässt sich auf Zeit aber nur mit Druck gewähren. So kann man also eine Einheit "herbeiführen". Und das ist der Punkt. Auch die Zensur ist nicht von dem national- und liberalstrebenden Bürgertum, sondern durch konservative Politikern herbeigeführt. Sie wollen nur verhindern, dass es zu revolutionären Ausschreitungen wie 1819 und 1832 kommt. Zugeständnisse ja, aber unter Wahrung der Monarchie. Absolut reaktiv, wie auf dem Winer Kongress festgelegt.
    Das kann nicht die Lösung der Deutschen Einheit sein. Sie darf einfach nicht durch Politiker herbeigeführt werden. Es muss eine eigene Erhebung geben.
    Auch wenn der Passagier sehr überzeugt davon scheint, dass die Methoden der deutschen Fürstentümer zu einer deutschen Einigung führen so ist es mit großer Sicherheit nicht der Wunsch Heines.


    Ja, das war jetzt erstmal noch ein kliener Abriss mit geschichtlichen Fakten. Habe letzte Woche ein Referat gehalten, dass ein sehr interessantes Thema hatte. Es ging dabei um folgendes:
    "Die Bedeutung des Nationalstaatsgedankens und die Einbindung beider deutscher Staaten in supranationale Strukturen für den Wiedervereinigungsprozess 1989/1990"
    Das passt hier wunderbar herein.
    Wenn ihr noch Fragen zur Geschichte habt ... ich stehe bereit :zwinker:


    Bis demnächst.
    Mit lieben Grüßen
    Joe Monpaxe :sonne:

    Wer träumt, dem wachsen Flügel.
    <br />Lasst uns alle Träumer sein.

  • Hallo Zusammen,


    Lese zwar noch ein paar andere Sachen parallel, habe nun aber auch mit dem Wintermärchen begonnen und auch eure Gedanken dazu gelesen.


    Noch zu Caput I, letzte Strophe:
    "Der Riese hat wieder die Mutter berührt,
    Und es wuchsen ihm neu die Kräfte"


    Wer ist hier der Riese? Heine selbst, der grosse Dichter? Macht fast den Anschein, sehe jedenfalls keine andere Erklärung.


    Wollen wir mit Caput III beginnen? Ich denke zum zweiten wurde das wesentliche bereits erwähnt.


    Caput III beginnt meiner Meinung nach schon sehr ironisch, spöttisch, indem Karl Mayer zum Narren gemacht wird. Dieser gehörte, was ich gelesen habe, der Schwäbischen Schule an, einer sehr konservativen Literatengruppe, die dem "jungen Deutschland" vorhielten, die christliche Religion zu verunglimpfen.
    Mayer ist auch in der zweiten Strophe gemeint, wo der Neckarstrome auf Neckarbischofsheim hinweist, wo Mayer lebte, der "kleinste Poet", köstlich amüsant :-)


    In der Folge die Statik Preussens kritisiert, es hat sich eben während Heines Abwesenheit nicht verändert, man ist immer noch starr, mit engem Horizont, eitel, eben auch mit einem gewissen Dünkel.


    In der 6. Strophe habe ich mich gefragt, ob der "rechte Winkel" neben der steifen, militärischen Art auch politisch verstanden werden könnte, also dass man in Deutschland also eben stockkonservativ war, im rechten Winkel angesiedelt? Was meint ihr?


    In Strophe 5 ist von Theodor Körner die Rede: Ein Nationalist? Über ihn habe ich kaum was gefunden.


    Ab der 9. Strophe kommt Heines Spott sehr deutlich zum tragen, vor allem über das Äussere der Preussen, ihre Affektiertheit!


    Am Ende stossen wir dann noch auf den Vogel, was ja nur der Reichsadler als Symbol für den deutschen Nationalgedanken sein kann, wenngleich ich nicht sicher bin, wie lange es diesen schon gibt. Jedenfalls äusserst Heine darüber seinen Unmut, womit wir schön die Parallele hätten zum Abschnitt aus der Rororo-Monographie, wo ebenfalls der enge Patriotismus der Deutschen angesprochen wird, welcher Heine ja verhasst ist.


    So, das war jetzt so grob der Inhalt, seht mir nach, wenn ich eindeutige Sachen niedergeschrieben habe, aber die LEserunde sollte ja schliesslich ein wenig belebt werden :zwinker:


    Imrahil

    &quot;Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Hallo Joe und Imrahil,


    das waren sehr hilfreiche und durchaus nicht zu umfangreiche Ausführungen.


    Zu Caput III:
    Wir befinden uns also in der alten Karlsstadt Aachen, einer der geschichtsträchtigsten Städte Deutschlands, die seit 1815 zum preussischen Reich gehörte. Jetzt ist es dort sooo langweilig, dass die Hunde zur Zerstreuung um Fußtritte bitten...


    Körner war DER Dichter der Befreiungskriege und fiel in einem Gefecht:
    http://www.netzwelt.de/lexikon/Karl_Theodor_K%C3%B6rner.html


    Und dann wird eben auf Preußen und seine Symbole (Adler, Pickelhaube, Uniform) eingedroschen. Ist mir irgendwie zu einseitig.


    Gruß
    Holk

  • Hallo zusammen,


    Schade, ich wollte eigentlich neuen Schwung in die Runde bringen, aber anscheinend scheint wenig Interesse mehr vorhanden zu sein :sauer:


    Sollten wir das Wintermärchen vielleicht grossflächiger besprechen, anstatt Caput für Caput (was ich zwar sehr interessant finde) oder woran liegt die lose Beteiligung?


    auf Antwort hoffend,
    Imrahil

    &quot;Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Hallo zusammen!


    Ich bin auch wieder da :winken: und freue mich, dass die Leserunde noch nicht ganz eingefroren ist!


    In Caput III nun ein weiteres Leitmotiv: die Karikatur der preussischen Herrschaftssymbole.
    Die preussischen Uniformen erinnern ihn an das Mittelalter, das ja von den Romantikern verherrlicht und auch von den Kaiseranhängern zurückgewünscht wird (jedenfalls das starke Kaisertum von Gottes Gnaden).
    A propos Mittelalter: Wenn man immer zwei Zeilen hintereinander liest, gleicht die Versform der Nibelungenstrophe, die von den Romantikern gerne verwendet wurde. Heine karikiert sie durch "unsaubere" Reime, z.B. am Schluss von Caput III "belehn ich - König".


    Zitat von "Imrahil"

    der Reichsadler als Symbol für den deutschen Nationalgedanken sein kann, wenngleich ich nicht sicher bin, wie lange es diesen schon gibt.


    Seit den alten Römern, aus dieser Tradition wurde er zum Reichsadler.


    Zitat von "Imrahil"

    In der 6. Strophe habe ich mich gefragt, ob der "rechte Winkel" neben der steifen, militärischen Art auch politisch verstanden werden könnte, also dass man in Deutschland also eben stockkonservativ war, im rechten Winkel angesiedelt? Was meint ihr?


    Ich denke schon, wobei wohl bei Preussen Militär und Politik eng verbunden war.


    Zitat von "Imrahil"

    Noch zu Caput I, letzte Strophe:
    "Der Riese hat wieder die Mutter berührt,
    Und es wuchsen ihm neu die Kräfte"
    Wer ist hier der Riese? Heine selbst, der grosse Dichter?


    Hast Du Erläuterungen? Angespielt wird auf den Riesen Antaios der griech. Mythologie. Im übertragenen Sinn glaube ich nicht, dass Heine einfach sich selber so fühlt und darstellt. Aber bestimmt der reisende Erzähler, wobei auch wieder ironisierend übertrieben wird.


    Herzliche Grüsse
    Maja

  • Salut zusammen,


    Danke Holkenäs für den Hinweis zu Körner.


    Maja: Nein, ich habe keine Erläuterungen, daher auch keinen Schimmer, dass es sich um den Riesen Antaios handelt, aber vielen Dank für die Berichtigung! Was für Erläuterungen hast Du denn?


    Ich denke Caput III ist in der Hauptsache sehr klar, Heine spottet über das preussische Gehabe, Äussere, den Patriotismus, oder eben die Herrschaftssymbole wie ihr geschrieben habt.
    Mach mich mal an Caput IV :zwinker:


    Imrahil

    &quot;Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen