Juli 2003: Nikos Kazantzakis - Alexis Sorbas

  • Kurzinhalt meines "Alexis Sorbas", Auflage von 1955


    Ein Schriftsteller beschließt hier, "der Tintenkleckserei zu entsagen und sich dem tätigen Leben zu widmen". Er pachtet in Kreta ein aufgelassenes Braunkohlebergwerk, um unter einfachen Arbeitern und Bauern wieder Mensch zu werden, eine Existenz, "weit weg von der Zunft papierverschlingender Mäuse" zu führen. Alexis Sorbas, den Helden des Buches, einen Mazedonier in den Sechzigern, der alle Berufe kennt, die "man mit Fuß, Hand und Kopf" ausüben kann, lernt er in einer Hafenkneipe kennen, und dieser Philosoph des einfachen Herzens weiß als ein neuer Sancho Pansa seinem Herrn nicht nur zu dienen, sondern auch den Gelehrten zu belehren.
    Der Roman ist eine Liebeserklärung an Griechenland und sein einfaches Menschentum, ein Schelmenroman von antiker Heiterkeit. Er führt den Leser am besten in die Welt des Dichters ein, der hinter der dünnen Kruste der Zivilisation den Menschen, das unbekannte, rätselhafte Wesen sucht: Raubtier und Gotteskind zugleich.


    Nikos Kazantzakis (1883-1957)


    Nikos Kazantzákis wurde am 18. Februar 1883 in Megalokastro, jetzt Iráklion (Kreta), geboren
    Er besuchte die Schule der Franziskaner des Heiligen Kreuzes auf Naxos und das
    Gymnasium in Iráklion (1899-1902).


    Er studierte vier Jahre an der Universität von Athen studiert und machte sein Doktorat der
    Rechtswissenschaften im Jahre 1906.


    Von 1907 bis zu 1909 studierte er Philosophie in Paris unter der Leitung von Heinrich Bergson.


    Während der Balkankriege kämpfte er als Freiwilliger in der griechischen Armee.


    Zwischen 1910 und dem Ende der 30er Jahre ist er viel gereist (China, Japan, Rußland, England, Spanien, u.a.). Später hat er Reportagen über seine Reisen veröffentlicht (Spanien, Ägypten-Sinai, China-Japan,
    Was ich in Rußland gesehen habe, England...).


    1918-1919 nimmt er an der Rückführung der Griechen aus dem Kaukasus teil.
    Schon früh wurde Kazantzákis vom Leninismus angezogen, und später hat er den Lenin-Friedenspreis erhalten,
    aber er ist nie Mitglied der kommunistischen Partei gewesen.
    Er wurde tief beeinflußt durch die Werke von Nietzsche und Bergson, seines Lehrers, und durch die Philosophien
    des Christentums, des Marxismus' und des Buddhismus'. In seinem Werk hat er versucht, eine Synthese der
    verschiedenen Geistesrichtungen zu verwirklichen.


    1936 veröffentlicht er Reportagen über den spanischen Bürgerkrieg als Korrespondent der Zeitung "Kathimerini".


    Vor dem Zweiten Weltkrieg läßt sich Kazantzákis auf der Insel Aegina nieder.


    Nach dem Krieg ist er einige Zeit als Minister tätig.


    Von 1947-48 arbeitet er in Paris für die UNESCO.


    In 1948 verläßt er Griechenland, um sich in Antibes, Frankreich, niederzulassen, wo er seine literarische Arbeit
    fortführt.


    Am 28. Juni 1956 erhält er den "Internationalen Friedenspreis" in Wien.


    In 1957 unternimmt er eine Reise nach China, wo er krank wird. Er kehrt nach Europa zurück, wo er am 26 Oktober
    1957 stirbt. Er wird auf Martinego, einer der Venezianischen Basteien begraben, die Iraklion umgeben.
    Das Epitaph auf seinem Grab lautet:


    "Ich hoffe auf nichts, ich fürchte nichts, ich bin frei ".


    http://www.mikis-theodorakis.net/kazabiod.htm

  • Hallo zusammen,


    und vor allem: Hallo nimue, schön, dass du auch noch mitmachst!


    Ich habe es mir gestern nachmittag mit Mikis Theodorakis im Kopfhörer, Rotwein im Glas und Alexis Sorbas bewaffnet, im Lesesessel bequem gemacht und bin in eine völlig andere Welt abgetaucht.


    Ich habe nicht sehr viel gelesen, lediglich 2 Kapitel, das l2. Kapitel nur, weil ich einfach nicht aufhören konnte zu lesen. Eines ist mir dabei klar geworden, dass das wirklich ein Buch für mich ist. In das man hineintauchen kann, bei dem man beim Lesen alles um sich herum vergessen kann, ich weiß mal wieder nicht, wie ich es ausdrücken soll , :grmpf: ohne dass es sich so schwülstig anhört!


    Es gibt so viele Fragen allein zu diesen beiden Kapiteln, dass ich mich wirklich auf die Diskussion mit euch freue.


    Aber eines ist mir echt unerklärlich (ihr werdet es am Anfang bemerken): Warum um alles in der Welt Salbeitee???


    Ingrid

  • Hallo zusammen!!
    Ich war im Urlaub, deshalb habe ich mich nicht gemeldet :urlaub: !
    Und, ihr werdet es kaum glauben, hatte 2 Wochen lang nur Regen, und das auf einer absoluten Sonne-Garantie-Insel! Also, an alle zuhause gebliebenen: Ihr hattet hier mit Sicherheit das bessere Wetter!
    Ich bin jetzt natürlich nicht ab heute dabei, werde mir das Buch aber organisieren und dann dazustossen, ok?
    Freue mich schon!
    Jetzt muss ich erst mal den Montag verdauen :sauer: und mich wieder ans Arbeitsleben gewöhnen...
    Viele Grüsse!
    Nele

  • Hallo nele, ich bin zwar einen Tag zu spät dran, aber trotzdem: Schön dass du wieder da bist!


    Jetzt sind wir schon zu fünft, so hat es am Anfang ja nun wirklich nicht ausgesehen.


    Du wirst sehen, bald fühlst du dich auch wieder zu Hause "wie zu Hause" :breitgrins:


    Liebe Grüße
    Ingrid

  • Hallo zusammen!


    Am Montag hat es bei mir überhaupt noch nicht geklappt und gestern abend auch nur fast (Grund: Thread "Musik zum Einstimmen ..."), so dass ich eigentlich erst heute abend anfangen werde zu lesen. Ich habe das Buch früher schon mal gelesen, ist aber schon sehr lange her, und ich bin jetzt sehr gespannt, ob mir das Buch jetzt, mit mehr Leseerfahrung, immer noch so gut gefällt. Von meinem ersten Lesen, hatte ich das Buch so gut in Erinnerung, dass ich es immer mit aufzählte, wenn nach Lieblingsbüchern gefragt wurde. Bin mal gespannt, ob das Buch diese hohe Erwartungshaltung aushält. Nun ja, ein bisschen geblättert, habe ich gestern schon noch, und ich denke man kann das Buch mindestens auf drei Ebenen lesen: Zuerst ist es natürlich ein Schelmenroman, zum zweiten eine Auseinandersetzung zwischen östlicher (Buddha) und westlicher Philosophie und vor allem ist das Buch eine Liebeserklärung an die Insel Kreta oder auch an ganz Griechenland? und man fragt sich, schon nach den ersten Seiten, was wäre aus einem geworden, wenn man nicht im (normalerweise) kalten Deutschland, sondern auf einer (immer) sonnigen Insel im Mittelmeer geboren wäre, oder vielleicht auch schon, wenn man endlich einmal ernst machen würde mit der Freiheit – (ja man wird leicht sentimental bei dem Buch) nun gut : eine Entschuldigung hat man: man ist ja nicht auf Kreta geboren!


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo zusammen,


    ich will einfach mal anfangen, zu erzählen, was mich beschäftigt:


    Die Gedanken des Schriftstellers über den Abschied vom geliebten Freund. "Glaubst du an Vorahnungen?"
    "Glaubst du an Märchen?" Ja oder nein?


    Gibt es das, einem Menschen so verbunden zu sein, dass man im Unterbewußtsein bemerkt, wenn ihm etwas geschieht?

    Was mich am meisten beschäftigt, ist die Frage, wer von den beiden Hauptpersonen der Phantast und wer der Realist ist.


    Alexis fragt: "Was denkst du so lange darüber nach? Hast du eine Waage bei dir? Wiegst du alles bis aufs Gramm aus?"


    Der Schriftsteller, der Zauderer, der Zögerer, der sich mit Dante als Reisebegleiter und dem Gedanken an Buddha von der Wirklichkeit lösen will, und der Schelm Alexis. Ist er wirklich ein Schelm? Ein Aufschneider, unbestritten.


    Fragen hätte ich noch unzählige, aber vielleicht warte ich doch mal ab, was ihr so dazu zu sagen habt.


    Ingrid

  • Hallo ihr Lieben,


    schade, schade! Mein Exemplar war heute noch nicht in der Post, weshalb ich wohl erst am Montag oder Dienstag anfangen kann (ich fahre heute Abend zu meinem Schatz und komme erst Anfang nächster Woche zurück). Leider fahre ich dann ja schon nächste Woche Donnerstag Richtung Toskana, weshalb ich vermutlich nicht viel zur Diskussion beitragen kann. Aber ich versuche, möglichst viel noch vorher zu lesen.


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo Ingrid,


    interessante Fragen!


    Die Gedanken des Schriftstellers über den Abschied vom geliebten Freund. "Glaubst du an Vorahnungen?"


    Wenn der Ich-Erzähler auf die Frage nach den Vorahnungen, erst mit Ja antwortet, und auf die weitere Frage, ob er an solche Märchen glaubt, mit Nein, dann ist das ganze wohl eher ein Geplänkel um die Verlegenheit der Beiden zu überspielen. Und verlegen sind sie, weil beide nicht in der Lage sind, sich gegenseitig ihre Gefühle zu zeigen. Stoische Gelassenheit, aber was geht hinter der Maske vor?

    Gibt es das, einem Menschen so verbunden zu sein, dass man im Unterbewusstsein bemerkt, wenn ihm etwas geschieht?


    Habe ich zwar noch nicht erlebt, halte es aber nicht für unmöglich. Es gibt ja viele Phänomene die nicht (noch nicht?) erklärbar sind. Oder denkst Du es ist Zufall, wenn wir im zweiten Kapitel von Alexis plötzlich lesen: „Das Leben leuchtete wie ein schönes Märchen plötzlich vor mir auf, wie eine Komödie Shakespeares, sagen wir DER STURM. Wir hatten einen imaginären Schiffbruch hinter uns und waren, naß bis auf die Haut, hier gelandet. ....Kaliban, das Volk, ..... Auch Sorbas, der verkleidete Prinz, .....“ und zur gleichen Zeit wird hier im Forum Shakespeares „Sturm“ gelesen?

    Was mich am meisten beschäftigt, ist die Frage, wer von den beiden Hauptpersonen der Phantast und wer der Realist ist.


    Die Frage ist sicher bei diesem Roman nicht so einfach, wie bei „Don Quijote“ Obwohl dort ja auch im letzten Kapitel eine Änderung erkennbar war. Zunächst scheint mir aber der Erzähler der Phantast und Alexis der Realist zu sein. Ob darin auch eine Kommunismus-Kritik verborgen war? Als das Buch 1946 erschien, sicher noch eine gewagte These.


    Der Schriftsteller, der Zauderer, der Zögerer, der sich mit Dante als Reisebegleiter und dem Gedanken an Buddha von der Wirklichkeit lösen will, und der Schelm Alexis. Ist er wirklich ein Schelm? Ein Aufschneider, unbestritten.


    Gegenfrage: Was genau ist ein Schelm? Vielleicht sollten wir mal die Gelegenheit nutzen, zu klären, was einen Schelmenroman ausmacht und ob „Alexis Sorbas“ in diese Gattung passt.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo zusammen,


    seit ich in diesem Buch lese, komme ich aus dem Staunen, dem Wundern, dem Kichern nicht mehr heraus.


    Eine herrliche Geschichte, die Begegnung zwischen Mde. Hortense und Alexis, vor allem der Vergleich mit Shakespeares Sturm, Hubert hat es ja schon erwähnt.


    Und dann: Alexis sagt "Eine mysteriöse Geschichte, eine seltsame Geschichte. Für den Triumph der Freiheit in der Welt sind Mord und Totschlag notwendig. Das kann ich nicht kapieren"


    Der Schriftsteller sagt: "Wie wächst und gedeiht aus Mist und Dreck eine Blume? Nehmen wir an, Sorbas, der Mensch ist der Mist und die Freiheit die Blume."


    "Aber das Samenkorn? Wer hat ein solches Samenkorn in unsere dreckigen Eingeweide gelegt? Und warum entsteht nicht aus diesem Korn die Blume? Warum verlangt es Blut und Dreck?"


    "Ich weiß es nicht".


    Wer weiß das schon...


    Übrigens: Die Einstellung von Alexis "Damen" gegenüber ist schon ein bißchen, naja.... :breitgrins:


    Und wieso in der Taverne von Piräus soviel Salbeitee getrunken wird, wird mir wohl auch weiterhin ein Rätsel bleiben.


    Es ist sehr schwierig, die Gedanken und Gefühle (jedenfalls meine) zu diesem Buch auszudrücken, weil es einfach so vieles gibt, über das man nachdenken kann.


    Ingrid

  • Hallo Ingrid,


    Es ist sehr schwierig, die Gedanken und Gefühle (jedenfalls meine) zu diesem Buch auszudrücken, weil es einfach so vieles gibt, über das man nachdenken kann.


    Ja, Ingrid, Du hast recht, der Roman stellt viele Fragen, über die es sich nachzudenken lohnt. Ideal stelle ich mir die Benutzung des Buches folgendermaßen vor:
    Ort, die Terrasse eines Fischrestaurants im Yachthafen von Piräus;
    Zeit, früher Abend nach einem guten Essen;
    Einer in der Runde schlägt das Buch an einer x-beliebigen Stelle auf und liest einen x-beliebigen Satz (ein Fehlgriff ist kaum möglich) und dann wird über diesen Satz diskutiert bis der Patron die Stühle hochstellen will.


    Und wieso in der Taverne von Piräus soviel Salbeitee getrunken wird, wird mir wohl auch weiterhin ein Rätsel bleiben


    Ich bin mal vor ein paar Jahren mit dem Auto quer durch Griechenland gefahren (mit der Fähre von Italien nach Patras und dann nach Osten bis Athen und von da nach Norden bis Saloniki und habe dabei festgestellt, dass nicht nur in Piräus, sondern in vielen Tavernen (abseits der Touristikrouten) viel Kräutertee getrunken wird, natürlich auch Ouzo, aber um den Flüssigkeitshaushalt in einem so heißen Land auszugleichen, kann man ja nicht nur Anisschnaps trinken. Kräutertee ist übrigens der beste Durstlöscher bei heißem Wetter und wird auch in allen Ländern Nordafrikas viel getrunken. Und Salbeitee: ist auf Dauer wahrscheinlich angenehmer als Kamille o.ä. und Salbei ist in Griechenland auch ausreichend vorhanden.


    Übrigens: Die Einstellung von Alexis "Damen" gegenüber ist schon ein bißchen, na ja


    Da hast Du mich wieder einmal überrascht. Eigentlich hatte ich hier starken und berechtigten Protest erwartet. Wieso kommt da nur ein „na ja“?


    Für den Triumph der Freiheit in der Welt sind Mord und Totschlag notwendig. Das kann ich nicht kapieren"


    Allein für diesen Satz von Sorbas könnte man mehrere Diskussionsabende ansetzen bzw.einige Flaschen Wein kühl stellen. Und die Antwort des Ich-Erzählers (hatte der im Film nicht wenigstens einen Namen?) ist für mich nicht befriedigend: Mahatma Ghandi hat etwas anderes bewiesen.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo Hubert,


    mein "naja" zu Sorbas Einstellung, Frauen gegenüber kommt daher, weil ich mich einfach darüber amüsiere, wie er sich "ringelt", um Frauen zu beschreiben, die er einesteils verdonnert und andererseits vergöttert und anbetet. Er kann doch ohne Frauen überhaupt nicht existieren, der arme Tropf... :breitgrins: "Die Frau ist was ganz anderes, sie ist gar kein Mensch, die Frau ist ein unbegreifliches Ding! Ich würde kein Gesetz aufstellen für die Frau. Die Frau ist ein schwaches Geschöpf. Auf das Wohl der Nuschas (der Frau). Und Gott möge uns Männern Verstand geben!"


    Eigentlich gesehen ist er das Bild eines Machos, noch ausgeprägter kann man sich einen solchen Typ nicht vorstellen. Allein sein Verhältnis zu Madame Hortense versucht er damit zu erklären, dass er ihr einen Gefallen tun will. Aber so sehe ich die Sache eigentlich nicht ganz, ein bißchen tut er sich den Gefallen doch auch, oder?


    Der Schriftsteller "Namenlos" tut sich sehr viel schwerer mit seiner Beziehung zur "Witwe", er weiß auch nicht so recht, wie ihm geschieht, und wahrscheinlich ginge es ihm auch bedeutend besser, wenn er seinem Trieb (ähem, was für ein Wort!!) nachgeben würde.


    Hast du es gelesen? Alexis tanzt, als sein 3jähriger Sohn gestorben ist. Ist es nicht wunderschön, seinem Schmerz so Ausdruck geben zu können? Einfach durch das Tanzen alles Leid, alles Unglück aus dem Herzen herauszulassen?


    Ich habe vor einiger Zeit einmal einen Film aus einer Serie gesehen, der mich auch sehr berührt hat. Ein Indianer schenkte einer älteren Frau ein Stückchen Land zum Geburtstag. Ein sehr kleines Stückchen Land. Es war ein Stückchen Land mit einer herrlichen Aussicht, im Wald. Sie wunderte sich, "Warum ein so kleines Stückchen Land, Ed"? "Es ist für dein Grab, Ruth Ann", sagte er. Und sie hatte verstanden. Und sie tanzten auf dem Grab.


    Hat natürlich nichts mit Sorbas zu tun, ist mir nur eben gerade wieder eingefallen.


    Danke für die Erklärung des Salbeitees. Ich dachte mir schon so etwas, aber "und sie wandte sich ab mit Schaudern"....


    Liebe Grüsse
    Ingrid


    Ps: Würde mich doch einmal interessieren, was unsere Mitleserinnen
    denken!

    Ich träume, also bin ich...

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  • Hallihallo,


    als ich heute morgen nach Hause kam lag da eine wunderbare Überraschung: Mein Exemplar des Alexis Sorbas. Da ich heute einen Zahnarzttermin hatte, schnappte ich mir das Buch zum Zeitvertreib im Wartezimmer und nun habe ich auch schon (oder vielmehr: erst) 2,5 Kapitel gelesen. Zu wenig also, um Eindrücke zu schildern, obwohl mir neben dem Dialog des Ich-Erzählers mit Alexis über den Zusammenhang von Freiheit, Mord und Totschlag noch ein weiteres Zitat aufgefallen ist.


    Doch zuerst zu:


    Zitat

    Für den Triumph der Freiheit in der Welt sind Mord und Totschlag notwendig. Das kann ich nicht kapieren"


    Allein für diesen Satz von Sorbas könnte man mehrere Diskussionsabende ansetzen bzw.einige Flaschen Wein kühl stellen. Und die Antwort des Ich-Erzählers (hatte der im Film nicht wenigstens einen Namen?) ist für mich nicht befriedigend: Mahatma Ghandi hat etwas anderes bewiesen.


    Andererseits ist Mahatma Gandhi nur ein Beispiel für gewaltlosen Freiheitskampf. Und selbst hier frage ich mich, was Gandhi nun neben seiner Popularität und seinem "Heiligenstatus" erreicht hat. Nicht falsch verstehen: Ich verehre Gandhi sehr, aber Indien ist auch heute noch nicht wirklich frei. Vor allem das Kastenwesen, gegen das er ja auch protestiert hatte, existiert noch heute. Oft habe ich das Gefühl, dass er zwar sehr viel in den Köpfen der Menschen verändert hat (wie Martin Luther King auch), dass aber das System immer noch herrscht und es den Armen nicht so viel besser geht und sie auch nicht viel freier sind.


    Auch fallen mir Che Guevara, die schottischen Freiheitskämpfer, der amerikanische Unanbhängigkeitskrieg, die französische Revolution und und und ein. Die besten Beispiele für Freiheit, die nur durch Mord und Totschlag erlangt werden konnte.


    Aber wie Du schon sagtest, Hubert: Mit diesem Thema kann man Abende verbringen.


    Noch ein Zitat ganz am Anfang des Buches faszinierte mich. Der Ich-Erzähler schildert seine Eindrücke vom Abschied seines besten Freundes. Und bereits auf der zweiten Seite des Buches steht:


    Der langsame Abschied von geliebten Menschen ist Gift. Besser bleibt man allein, denn Einsamkeit ist das natürliche Klima des Menschen


    Da stutzte ich zuerst, denn auf Anhieb hätte ich das genaue Gegenteil behauptet. Dem Mensch als Herdentier kann doch unmöglich die Einsamkeit ein natürliches Klima sein. Doch dann habe ich darüber nachgedacht. Für den Menschen ist es erträglicher, von der Einsamkeit in die Zwei/Mehrsamkeit zu wechseln. Doch der umgekehrte Wechsel kann ihn zerbrechen. Ist er einsam und war vorher schon immer einsam, wird er den Unterschied nicht als so schlimm empfinden, als wenn er nie einsam war und es plötzlich wird. Das kann ihn wie Gift umbringen und sein Herz brechen.


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo nimue,


    ist es nicht so, dass dann die Angst da ist, etwas zu verlieren, wenn man nicht alleine lebt? Eine Angst, die man sonst nicht kennen würde? Und wenn man merkt, dass der andere gehen muss, ist es nicht besser, man dreht sich um und geht schnell weg, als noch lange zu warten und hinterher zu sehen?


    Vielleicht wäre es wirklich besser, einsam zu sein, diese Angst nicht zu kennen, keinen Abschied befürchten zu müssen.


    :rollen: Ich sagte es ja bereits, in diesem Buch taucht ständig irgendetwas auf, über das man stundenlang nachdenken könnte!


    Ingrid

  • Hallo nimue,


    schön, dass Du dich gleich mit zwei so tollen Themen in die Diskussion einbringst. Wenn der Roman uns nur über diese zwei Fragen nachdenken ließe, hätte er sich schon gelohnt. Du hast recht: die französische Revolution und der amerikanische Unabhängigkeitskrieg sind gute Beispiele, dass Freiheit durch Mord und Totschlag erlangt werden kann. (Ob Amerikaner und Franzosen heute wirklich freier sind, als Inder wäre eine andere Diskussion, auf die ich in diesem Zusammenhang nicht eingehen will). Aber sicher ist, dass beide Ereignisse vor Gandhi waren und selbst wenn Gandhi in Indien gescheitert ist (aber die Unabhängigkeit von England hat er doch geschafft), so hat er doch das Bewusstsein der gesamten Menschheit so verändert, dass nach ihm weitgehende unblutige Revolutionen denkbar waren. Erinnern will ich nur an Nelson Mandela und Südafrika (hier wurde Gandhi ja geprägt) und vor allem an den Ostblock wo in Polen, Ungarn, Russland und der DDR die Menschen durch passiven Widerstand im Sinne Gandhis ihre Freiheit erkämpften.


    . Und selbst hier frage ich mich, was Gandhi nun neben seiner Popularität und seinem "Heiligenstatus" erreicht hat. Nicht falsch verstehen: Ich verehre Gandhi sehr, aber Indien ist auch heute noch nicht wirklich frei.


    Gandhi war nicht nur für Indien wichtig, sondern ist es für die gesamte Menschheit.. Eine provokante Antwort: Gandhi wurde vor 55 Jahren von einem seiner Landsleute ermordet. Heute ist er auf der ganzen Welt bekannt und Vorbild für alle, die friedlich nach Freiheit streben. 55 Jahre nachdem Jesus von seinen Landsleuten ermordet wurde, kannte dessen Namen außer ein paar Eingeweihten niemand und in Palästina ist Mord und Totschlag auch noch 2000 Jahre später an der Tagesordnung. Trotzdem war und ist Jesus meiner Meinung nach wichtig für die gesamte Menschheit.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo nimue,
    hallo Ingrid,


    Der langsame Abschied von geliebten Menschen ist Gift. Besser bleibt man allein, denn Einsamkeit ist das natürliche Klima des Menschen


    Mit dieser These spielt Kazantzakis gleich am Anfang des Buches auf die erste von Buddhas „Vier Edlen Wahrheiten“ an. Später geht er ja noch ausführlicher darauf ein. Obwohl ich mich einige Zeit mit buddhistischer Philosophie beschäftigt habe, konnte ich diese Gedanken nie wirklich nachvollziehen. Natürlich gibt es kein ewiges Glück auf Erden (Tod!), Wenn man sich dessen aber von Anfang an bewusst ist, warum soll man dann auf ein zeitliches Glück verzichten?


    Trotzdem glaube ich auch, dass Einsamkeit das natürliche Klima des Menschen ist, aber in einem anderen Sinn, ungefähr so, wie es Hesse im folgenden Gedicht ausdrückt:


    Seltsam, im Nebel zu wandern!
    Einsam ist jeder Busch und Stein,
    Kein Baum sieht den andern,
    Jeder ist allein.


    Voll von Freunden war mir die Welt,
    Als noch mein Leben licht war;
    Nun, da der Nebel fällt,
    Ist keiner mehr sichtbar.


    Wahrlich, keiner ist weise,
    Der nicht das Dunkel kennt,
    Das unentrinnbar und leise
    Von allen ihn trennt.


    Seltsam, im Nebel zu wandern!
    Leben ist Einsamsein.
    Kein Mensch kennt den andern,
    Jeder ist allein.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hi, liebe mitleserInnen!
    Ich freue mich, bald mit euch den ein oder anderen literaturplausch machen zu können, und hoffe, dass ihr noch "aufnahmefähig" seid.


    Zwar lese ich z.zt. schon den "Wilhelm Meister", möchte aber doch die gelegenheit für Alexis Sorbas nicht verpassen.
    Dass ich im zusammenhang mit Alexis Sorbas gleich auf Hermann Hesse stoße, spricht mich zusätzlich an.
    Nun werde ich wohl ein bißchen im lesetempo aufholen müssen; bis wohin ungefähr seid ihr denn schon gekommen?


    Ciao für heute


    Albrecht

  • Hallo ihr Lieben, willkommen Albrecht,


    da ich heute für ca. 2 Wochen in die Toskana fahre, wollte ich mich noch schnell abmelden bei euch allen (ich schätze, die anderen lesen hier auch heimlich mit). Leider kann ich ja nun nicht mehr so richtig was zum Thema beitragen. Ich werde aber das Buch mitnehmen und mit dem Bleistift kleine Notizen während des Lesens hinterlassen, die ich dann Mitte August nochmal ansprechen werde.


    Zitat von "Hubert"

    Ob Amerikaner und Franzosen heute wirklich freier sind, als Inder wäre eine andere Diskussion, auf die ich in diesem Zusammenhang nicht eingehen will. Aber sicher ist, dass beide Ereignisse vor Gandhi waren und selbst wenn Gandhi in Indien gescheitert ist (aber die Unabhängigkeit von England hat er doch geschafft), so hat er doch das Bewusstsein der gesamten Menschheit so verändert, dass nach ihm weitgehende unblutige Revolutionen denkbar waren.


    Genau das wollte ich damit ausdrücken. Gandhi hat hauptsächlich in den Köpfen der Menschheit etwas bewirkt (was es meiner Meinung nach sogar noch wertvoller macht).


    Ich wünsche euch noch viel Spaß mit Alexis und hoffe, dass die Diskussionsrunde wieder so interessant wie bisher wird! :winken:


    Liebe Grüße :urlaub:
    nimue

  • Hallo zusammen,
    hallo Albrecht,


    schön, dass du auch zu uns gefunden hast und mit uns zusammen lesen willst.


    Ich kann nur von mir reden, ich bin bei Kapitel 17, aber ich denke, dass das bei den Diskussionen keine Rollen spielen sollte.


    Hubert: Das Gedicht von Hesse ist wirklich wunderschön, ich hatte es leider völlig vergessen.


    Euch einen schönen Tag noch und Suse, falls du es noch lesen solltest, dir einen wunderschönen Urlaub!


    Ingrid