Beiträge von Sir Thomas

    In einem anderen Thread habe ich soeben etwas gelesen, das in unsere kleine Runde passt. "Die Leserin" hat dort über Julien Green geschrieben:


    " ... eine ungesunde und unverarbeitete Mischung aus Katholizismus und Homosexualität ...".


    Ich lass das mal sacken, wie man bei uns im Ruhrpott zu sagen pflegt.


    Viele Grüße


    Sir Thomas


    Als abstoßend finde ich auch Madame Londe. Sie tut ja geradezu so als wüsste sie nicht was Angele mit den Männern macht. Sie kommt sie vor, wie wenn sie sich denkt: Was ich nicht weiß, existiert auch nicht und ich bin ja gut zu dem Mädl und zwinge sie zu nichts. Ich finde sie ist eine sehr unsympathische Person.


    Hallo, Katrin,


    ich finde alle Hauptpersonen des Buchs (Guéret, Madame Londe, Madame Grosgeorge, Angèle) mehr oder weniger unsympathisch und gehe davon aus, dass Green dies beabsichtigt hat. Er nimmt dem Leser bewusst jede Identifikationsmöglichkeit mit seinen Figuren. Mich hat das anfangs etwas irritiert und ich habe mich gefragt, warum dieser Autor ein derart finsteres Bild malt. Ich vermute, dass sich dahinter religiöse Anschauungen verbergen (die Welt als Jammertal, der Mensch als Sünder etc.).


    Liebe Grüße


    Sir Thomas


    Hallo Uhu,


    ich habe mir gestern die Neuübersetzung für die evtl. zustande kommende Leserunde bestellt. Wenn ich die von Dir angeführten Stellen mit der alten Übersetzung vergleiche, weiß ich nicht, welche gelungener ist. Ich tendiere eher zur Älteren. Auf jeden Fall freue ich mich auf das zusätzliche Material, das in der alten Übersetzung unter den Tisch fiel.


    Zum Film: Ich fand die Umsetzung des Buchs gelungen. Visconti hat sich als würdiger geistiger Bruder Tomasi di Lampedusas erwiesen. Natürlich kommt der Film nicht vollständig an die melancholische Atmosphäre des Buchs heran, aber das Ergebnis ist trotzdem mehr als ein Achtungserfolg.


    Viele Grüße


    Sir Thomas


    Bernhard ... Bislang habe ich noch keinen Zugang zu seinem Werk gefunden, aber man sollte die Hoffnung nicht aufgeben ;-)



    Hallo, giesbert,


    Geht mir ebenso. "Die Ursache - eine Andeutung" war bislang mein einziger Bernhard. War ganz o.k., Lust auf Mehr hat der schmale Band aber nicht zwingend ausgelöst.


    Viele Grüße


    Sir Thomas


    Bestens! Ich werde mir auch ganz bestimmt die Neuübersetzung zulegen, am besten sofort.


    Nur mit dem Original halte ich mich zurück - mein Italienisch ist lausig!


    In allergrößter Vorfreude auf eine tolle Runde grüßt


    sir Thomas

    Ihr Lieben,


    die Sache mit der neuen Übersetzung macht mich nun doch ein wenig kirre. Ich habe meine beiden alten Ausgaben geprüft. Es handelt sich um


    a) eine gebundene Ausgabe von 1962 (ohne Schutzumschlag)
    b) eine Piper-Taschenbuchausgabe von 1984 (mit einem Cover aus der unvergleichlich guten Visconti-Verfilmung).


    Ich weiß nicht, warum ich bislang immer glaubte, unterschiedliche Übersetzungen vor mir zu haben, was definitiv nicht stimmt. Beide Übertragungen stammen von Charlotte Birnbaum.


    Nun bin ich doch nicht mehr so sicher, ob die Anschaffung der Neuübersetzung Verschwendung ist.


    Eine weitere Idee neben dem Vergleich der alten und neuen Übersetzung ist der Vergleich mit der eben schon genannten Visconti-Verfilmung aus dem Jahr 1963.


    Also, liebe Klassikfreunde: Hier gibt es fruchtbaren literarischen Boden zu beackern!


    Liebe und immer noch sonnige Grüße


    Sir Thomas


    Es gibt ja inzwischen eine Neuübersetzung aus dem Piper-Verlag mit dem Titel Der Gattopardo.


    Hallo, thopas,


    ja, diese Neuübersetzung wird sehr gelobt. Ich habe zwei ältere Übersetzungen im Regal und werde keine Weitere anschaffen. :breitgrins:


    Über das Zustandekommen der Leserunde wäre ich hoch erfreut!


    Liebe und sonnige Grüße


    Sir Thomas

    Guten Morgen, Ihr Lieben,


    ein schöner Tag beginnt, ein Tag mit einem tiefblauen Lampedusa-Himmel und einer Sonne, die zumindest so aussieht, als ginge sie in Sizilien auf.


    „Er sah hinaus: Vor ihm, unter dem aschfarbenen Licht, schaukelte die Landschaft auf und nieder – dieses Land ohne Erlösung.“


    So endet das vierte Kapitel von Tomasi de Lampedusas „Der Leopard“. Einige Zeilen zuvor sinniert der Fürst Don Fabrizio:


    „All das hätte nicht dauern dürfen – und doch wird es dauern – immer. [...] Danach wird es anders sein, aber schlechter. Wir waren die Leoparden, die Löwen: unseren Platz werden die kleinen Schakale einnehmen, die Hyänen. Und alle zusammen, Leoparden, Schakale und Schafe, werden wir weiter daran glauben, dass wir das Salz der Erde seien.“


    Welch ein luxuriös-aristokratischer Trauergesang für verlorene Vergangenheit, sinkenden Glanz und eine sterbende Welt!


    Ich habe sehr große Lust, den "Leoparden" ab Juni in einer Leserunde noch einmal zu erforschen.


    Über weitere Interessenten freut sich


    Sir Thomas

    Ihr Lieben,


    ich habe gestern die Lektüre von Steinbecks „Früchte des Zorns“ beendet und bin beeindruckt. Es geht um die von Banken und Agrarindustrie angezettelte Vertreibung von Landpächtern, die in den USA der 30er Jahre mit der einsetzenden maschinellen Landwirtschaft nicht mehr Schritt halten können und sich auf den Weg nach Kalifornien machen, um dort Arbeit und neues Land zu finden. Sie werden bitter enttäuscht.


    Steinbeck beschreibt anhand einer Familie aus Oklahoma sehr eindringlich das Schicksal der Vertriebenen, die zu Fremden im eigenen Land werden und als Besitzlose die Verachtung und den Hass der Besitzenden zu spüren bekommen. Diese Wanderungsbewegung vom mittleren Westen in Richtung Pazifikküste hat es in den 30er Jahren tatsächlich gegeben. Nicht nur neue Agrartechniken, sondern die Folgen wirtschaftlicher Depression und verheerender Staubstürme waren Auslöser für diese Völkerwanderung innerhalb der USA des 20. Jahrhunderts. Auch wenn Steinbeck aus politischer Motivation heraus ein wenig übertrieben hat, manchmal a bissl zu weinerlich daherkommt und eine doch recht simple Botschaft formuliert (Gemeinsam seid Ihr stark!): Das Buch ist eine großartige Anklage gegen soziale Missstände und hat mich an das wesentlich ältere Werk „Der Dschungel“ von Upton Sinclair erinnert.


    Außerdem passt die Thematik „Öko- und Wirtschaftsflüchtlinge“ heute wieder in die Zeit.


    Es grüßt, und das sehr sehr sonnig


    Sir Thomas


    Madame Londe, die in ihrem einsamen Leben zu einer verbitterten Frau wurde, die nur noch ihre krankhafte Neugier dazu bringt, sich für ihre Mitmenschen zu interessieren, und ein junges Mädchen an ihre Restaurantkundschaft mehr oder minder verkauft.


    Ihr Lieben,


    Madame Londe gehört, zusammen mit Madame Grosgeorge, für mich zu den interessantesten Gestalten des Romans. Sie verkörpert einen Frauentyp, der, im Alter auf sich allein gestellt, eine seltsame Überlebensstrategie in der damals sicher von Männern dominierten Provinzwelt entwickelt hat. Sie ist nicht reich und muss daher über eine Einkommensquelle in Gestalt ihres Restaurants verfügen. Auch die von ihr betriebene Kuppelei ist Teil ihres „Geschäftsmodells“, denn ohne dieses subtile Spinnennetz, das sie um den männlichen Teil des Dorfs webt, ist ihr Restaurant zum Scheitern verurteilt. Den Männern, die dort verkehren, geht es nämlich mitnichten ums Speisen, sondern um ... na ja, Ihr wisst schon ...


    Männer sind in diesem Roman vielfach Getriebene (evtl. Ausnahme: Monsieur Grosgeorge). Sie gieren nach echter Liebe (Guéret) oder sexuellen Abenteuern, was sie zu einem Spielball weiblicher Raffinesse macht. Sie sind den Frauen hoffnungslos unterlegen und jämmerliche Figuren im kühl kalkulierten Spiel des „schwachen“ Geschlechts. Untereinander belauern sie sich neidisch und misstrauisch, gönnen einander nicht den Triumph eines Stelldicheins mit der jungen Angèle und wollen nicht merken, wie sie manipuliert werden.


    Das alles weiß Madame Londe – und nutzt es skrupellos aus. Eine Alternative steht ihr nicht zur Verfügung, zumindest nicht in ihrem engen Weltbild. Sie folgt dem Imperativ „Handle wie ein Filou, oder Du gehst unter!“ Auch Eva Grosgeorge fällt unter diese Kategorie, allerdings ein wenig anders. Sie wurde von ihrem Mann missbraucht und hasst ihn seitdem. Sie hat jedoch nicht den Mut, aus dieser dumpfen Welt auszubrechen, die ihr immerhin die notwendige materielle Sicherheit bietet. Deshalb rächt sie sich an dem „Produkt“ des ehelichen Missbrauchs – ihrem Sohn. Dabei entwickelt sie krankhafte und sadistische Züge, was sie zu einer der Gestalten macht, die wir aus den antiken Tragödien kennen (darauf wurde weiter oben bereits hingewiesen). In der Begegnung mit Guéret sieht sie ihre letzte Chance ...


    Ob sich in diesen Frauengestalten generell eine negatives Frauenbild des sexuell zerrissenen Autors offenbart, vermag ich nicht zu sagen. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich - vor allem aufgrund des katholischen Hintergrunds.


    Sonnige Grüße!


    Sir Thomas

    Club hin, Club her: Ich werd mal sehen, ob ich Glauser in Luzern kaufe, in welcher Ausgabe auch immer.


    Danke für die Infos!


    Viele Grüße


    Sir Thomas


    Unionsverlag weiss ich nicht, meine Ausgabe ist die des Limmatverlags - (c) 1992. Gekauft habe ich sie beim Club, der die Ausgabe zumindest hier in der Schweiz noch immer neu führt.


    Hallo Sandhofer,


    welcher Club? Ich bin nach Pfingsten einige Tage in Luzern und könnte dort versuchen, an die in Deutschland nicht mehr erhältliche Glauser-Ausgabe zu kommen. Oder meinst Du mit "Club" so etwas wie den deutschen Bertelsmann-Club, der Bücher so weit ich weiß nur an Mitglieder verkauft?


    Viele Grüße aus


    Sir Thomas

    "Die neuen Leiden des jungen W." waren eigentlich ganz o.k., obwohl das Buch, gemeinsam mit der Goethe-"Vorlage", zu meiner Schullektüre in grauer Vorzeit gehörte (was bekanntlich zu heftigsten Abneigungen führen kann).


    Ansonsten fand ich Plenzdorf eher unauffällig. Hat er noch irgendetwas geschrieben, das ich kennen sollte?


    Viele Grüße


    Sir Thomas


    du meinst mit der zweiten Reihe, dass Green nicht sofort in die Augen fällt, wenn man an die Moderne denkt?!


    Exakt. Ich kann das komplette Werk Greens nicht beurteilen, aber "Leviathan" und der zwei Jahre früher erschienene "Adrienne Mesurat" sind für mich Romane, die zu den Großen der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts zählen.


    Liebe Grüße


    Sir Thomas

    Hallo, Sandhofer,


    ich bin ein großer Freund der Glauser-Krimis. Deine Ausführungen haben mich neugierig auf den Rest des Werks gemacht, den ich nur in kleinen Ausschnitten kenne. Wenn ich allerdings dem Link zu amazon folge, stellt sich heraus, dass die von Dir vorgestellte Ausgabe nicht mehr lieferbar ist, auch nicht gebraucht. Mal sehen, ob ich im zvab zu vernünftigen Preisen fündig werde (meine Erfahrung lehrt mich allerdings Vorsicht in Bezug auf diese Erwartungshaltung ... :breitgrins:). Ist die Ausgabe des Limmat-Verlags (gebunden) oder des Unionsverlags (TB) in etwas identisch mit Deiner? Weißt Du etwas darüber?


    Es grüßt


    Sir Thomas