Madame Londe, die in ihrem einsamen Leben zu einer verbitterten Frau wurde, die nur noch ihre krankhafte Neugier dazu bringt, sich für ihre Mitmenschen zu interessieren, und ein junges Mädchen an ihre Restaurantkundschaft mehr oder minder verkauft.
Ihr Lieben,
Madame Londe gehört, zusammen mit Madame Grosgeorge, für mich zu den interessantesten Gestalten des Romans. Sie verkörpert einen Frauentyp, der, im Alter auf sich allein gestellt, eine seltsame Überlebensstrategie in der damals sicher von Männern dominierten Provinzwelt entwickelt hat. Sie ist nicht reich und muss daher über eine Einkommensquelle in Gestalt ihres Restaurants verfügen. Auch die von ihr betriebene Kuppelei ist Teil ihres „Geschäftsmodells“, denn ohne dieses subtile Spinnennetz, das sie um den männlichen Teil des Dorfs webt, ist ihr Restaurant zum Scheitern verurteilt. Den Männern, die dort verkehren, geht es nämlich mitnichten ums Speisen, sondern um ... na ja, Ihr wisst schon ...
Männer sind in diesem Roman vielfach Getriebene (evtl. Ausnahme: Monsieur Grosgeorge). Sie gieren nach echter Liebe (Guéret) oder sexuellen Abenteuern, was sie zu einem Spielball weiblicher Raffinesse macht. Sie sind den Frauen hoffnungslos unterlegen und jämmerliche Figuren im kühl kalkulierten Spiel des „schwachen“ Geschlechts. Untereinander belauern sie sich neidisch und misstrauisch, gönnen einander nicht den Triumph eines Stelldicheins mit der jungen Angèle und wollen nicht merken, wie sie manipuliert werden.
Das alles weiß Madame Londe – und nutzt es skrupellos aus. Eine Alternative steht ihr nicht zur Verfügung, zumindest nicht in ihrem engen Weltbild. Sie folgt dem Imperativ „Handle wie ein Filou, oder Du gehst unter!“ Auch Eva Grosgeorge fällt unter diese Kategorie, allerdings ein wenig anders. Sie wurde von ihrem Mann missbraucht und hasst ihn seitdem. Sie hat jedoch nicht den Mut, aus dieser dumpfen Welt auszubrechen, die ihr immerhin die notwendige materielle Sicherheit bietet. Deshalb rächt sie sich an dem „Produkt“ des ehelichen Missbrauchs – ihrem Sohn. Dabei entwickelt sie krankhafte und sadistische Züge, was sie zu einer der Gestalten macht, die wir aus den antiken Tragödien kennen (darauf wurde weiter oben bereits hingewiesen). In der Begegnung mit Guéret sieht sie ihre letzte Chance ...
Ob sich in diesen Frauengestalten generell eine negatives Frauenbild des sexuell zerrissenen Autors offenbart, vermag ich nicht zu sagen. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich - vor allem aufgrund des katholischen Hintergrunds.
Sonnige Grüße!
Sir Thomas