Beiträge von Sir Thomas


    Hat jemand von euch eine Idee, ob das Vermögen der Konsulin, das nun zu vier gleichen Teilen unter den Geschwistern aufgeteilt wird, identisch ist mit dem Firmenvermögen?


    Da die Firma schlicht Joh. Buddenbrook heißt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine klassische Einzelfirma handelt. Ich weiß nicht, wie die juristischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert diesbezüglich aussahen, aber nach heutigem Stand wäre dann das Firmenvermögen identisch mit dem Privatvermögen (inkl. Immobilien, die ja nur eine Form der Anlage des Eigenkapitals darstellen). Stille Teilhaber, die am Unternehmen beteiligt sind, scheint es nicht zu geben. Die Identität zwischen Firmen- und Privatvermögen erklärt die Auseinandersetzungen zwischen Thomas und Christian über die Firmensubstanz sowie die Diskussion zwischen M. Johann B. und Konsul Jean über Gottholds Forderungen (Teil 1).


    LG


    Tom


    ... eine Besprechung von Raddatz, in der er sich unter anderem darüber aufregt, dass wieder nicht berücksichtigt wurde, dass light auch ein Ausdruck für schwanger ist.


    Der Herr Kritiker kann sich entspannen: "Licht" ist in diesem Fall die einzig richtige Übersetzung für "light": One afternoon in August, Faulkner and his wife Estelle were having a drink on the east gallery of Rowan Oak. Estelle looked across the grass to the bushes, bathed in the afternoon sunlight, and to the sunken garden in the shade beyond, and said, "Bill, does it ever seem to you that the light in August is different from any other time of the year?" A little while later, Faulkner rose, said, "That's it," and walked into the house. A few minutes later, he returned without explanation. He had gone to his worktable, struck out "Dark House," and substituted "Light in August." Later, Faulkner said he used that title because "in my country in August there's a peculiar quality to light and that's what that title means." (Blotner, Faulkner: A Biography, Rev. ed., pp. 280-81)


    Die Fundstelle: http://www.mcsr.olemiss.edu/~egjbp/faulkner/trivia.html#wl2


    LG


    Tom


    soweit ich weiß, gibt es gerade von "Light in August" eine neue Übersetzung.


    Hallo Jan,


    genau diese Übersetzung habe ich gelesen. "Licht im August" war wohl immer der Roman, der im deutschsprachigen Raum noch am ehesten gelesen wurde. Deshalb die Neuübersetzung. Für viele Faulkner-Romane gibt es aber leider nur alte Übersetzungen. "Absalom ..." lese ich bspw. in der Übertragung aus dem Jahr 1938. Gott sei Dank ist es nicht so schlimm, wie ich zunächst befürchtete.


    Viele Grüße


    Tom

    Inzwischen gelesen: Thomas Mann "Lübeck als geistige Lebensform" (Ansprache anläßlich der Lübecker 700 Jahr-Feier 1926)


    Wie erwartert, äußert Thomas Mann sich hier ausführlich zu „Buddenbrooks“. Er nennt u.a. die geistigen Quellen, aus denen der Roman entsprang: zuerst aus Richard Wagners Musikdramen, dann aus Schopenhauers "musikalischem Pessimismus", schließlich aus "Nietzsches Verfallspsychologie" sowie einer Reihe damals stark beachteter skandinavischer Familienromane.


    Überrascht sei er, dass sein durch und durch deutscher Roman in ganz Europa zustimmend gelesen werde, dass der geschilderte "Prozeß der Entbürgerlichung, der biologischen Enttüchtigung (durch Differenzierung und durch das Überhandnehmen der Sensibilität)" überall in Europa ähnlich verlaufe und ähnlich empfunden werde.


    Schließlich äußert T. Mann sich zur „geistigen Lebensform“ seiner Heimatstadt Lübeck. Er wählt der Begriff „Bürgerlichkeit“, was für ihn kein sozialistischer Kampfbegriff ist, sondern etwas, das mit Humanität, Bildung, Weltbürgerlichkeit, Weltmitte, Weltbesonnenheit … zu tun habe und sich sowohl nach links als auch nach rechts gegen alle Extremisten kritisch behaupte.


    Das nur, wie versprochen, als kleine Ergänzung zu unserer Leserunde.


    Viele Grüße


    Tom

    Ich stöberte gestern durch


    Thomas Mann "Über mich selbst - Autobiographische Schriften"


    Daraus folgende Fundstücke:


    Nur der Spießbürger glaubt, daß Sünde und Moralität entgegengesetzte Begriffe seien: sie sind eins; ohne die Erkenntnis der Sünde, ohne die Hingabe an das Schädliche und Verzehrende ist alle Moralität nur läppische Tugendhaftigkeit. Nicht Reinheit und Unwissenheit sind der im sittlichen Sinne wünschenswerte Zustand, nicht egoistische Vorsicht und die verächtliche Kunst des guten Gewissens machen das Sittliche aus, sondern der Kampf und die Not, die Leidenschaft und der Schmerz. „Wer“ - steht irgendwo bei Heinrich von Kleist - „das Leben mit Sorgfalt liebt, moralisch tot ist er schon, denn seine höchste Lebenskraft, es opfern zu können, modert, indem er es pflegt.“ (S. 159)


    [...]


    Nenne es Vornehmheit – und sein Gegenteil ist die Gemeinheit, die sich völlig und ohne Sehnsucht im Leben in der Wirklichkeit zu Hause fühlt und eine höhere Heimat nicht kennt: wie es denn Menschen gibt von so unsterblicher Gemeinheit und Tüchtigkeit, daß man nicht denken kann, sie könnten jemals sterben, könnten jemals der Weihe des Todes teilhaftig werden. (S. 160)


    Diese Ausschnitte aus dem 1909 erschienen Aufsatz „Süßer Schlaf“ (Neue Freie Presse, Wien) lesen sich wie eine erste Gedankenstudie zu „Der Tod in Venedig“. Der tüchtige, aber gemeine Pflichtmensch von Aschenbach entdeckt die Verlockungen des Sich-Treiben-Lassens, der Sehnsucht, des Nichtstuns und des Genießens, er gibt sich dem Schädlichen und Verzehrenden hin – und wird „der Weihe des Todes teilhaftig.“


    Mal sehen, welche Entdeckungen es in Thomas Manns autobiographischen Schriften noch zu machen gibt.


    Viele Grüße


    Tom


    Also, ich bin Fan und hingerissen - es gibt keinen zweiten neben Faulkner.


    Hallo Jan,


    schön, dass sich hier noch ein weiterer Bewunderer findet, denn ich bin aufgrund meiner aktuellen "Absalom, Absalom!"-Lektüre dabei, Faulkner in der Hierarchie meiner Lieblingsautoren sehr weit oben anzusiedeln. Das ist keineswegs selbstverständlich, denn nach meinem Faulkner-Erstling "Die Freistatt" (gelesen vor einigen Jahren) war ich keineswegs überzeugt von diesem Mann. "Licht im August" (vor einem Monat beendet) hat mich positiv überrascht und aufmerken lassen. "Schall und Wahn", "Das Dorf" und "Sartoris" stehen griffbereit im Regal, einige Kurzgeschichten aus dem Sammelband "Brandstifter" habe ich zwischendurch bereits gelesen. Das dürfte reichen, um einen guten Überblick zu bekommen. Leider liegen seine in Deutschland weniger bekannten und daher kaum gelesenen Werke wohl nur in veralteten Übersetzungen vor, was den Lesespaß manchmal ein wenig trübt und mich zu der Überlegung verleitet, die englischen Originale den Übersetzungen vorzuziehen. Das wäre dann aber leider eine erneute Investition ...


    Viele Grüße


    Tom


    "Schuld und Sühne" von Dostojewskij


    Moin Katrin,


    da hast Du Dir eines der mMn. schwächeren Bücher des Autors mitgenommen, den ich ansonsten sehr schätze. Ich habe mich immer schon gefragt, warum ausgrechnet "Schuld ..." so bekannt und berühmt ist.


    Schöne Grüße


    Tom


    Die Magie der schwarz-weißen Karos


    Sicher haben Sie schon einmal Schach gespielt, vielleicht hat es Sie begeistert ...


    Moin frieda!


    Es begeistert mich auch heute noch! Deshalb stöhne ich jetzt einmal laut vor mich hin, weil Du von "Karos" sprichst, obwohl Du "Quadrate" meinst. :breitgrins:


    Ich hoffe, Deine Begeisterung für die Zweigsche Novelle und /oder für das königliche Spiel hält trotzdem an. Oder liegen Dir Skat bzw. Doppelkopf mehr? Das würde zumindest die "Karos" erklären ... :zwinker:


    Es grüßt


    Tom

    Moin zusammen!


    Nach Überprüfung unseres Kalenders steht im September bereits Goethes "Wilhelm Meister" an. Ob es eine evtl. "Doppelbelastung" ist, auch "Oblomov" in den September zu packen, weiß ich nicht. Spricht etwas gegen Oktober? Wenn nicht, dann trage ich in Kürze den Termin ein.



    Können wir - der Klarheit halber - den Vorschlag mal auf Oblomow einschränken? :winken:


    Ist hiermit geschehen. Ob wir "Die Dämonen" direkt anschließen, wird sich zeigen.


    Einen schönen Tag wünscht


    Tom

    Kleiner Nachtrag zu Gerda Arnoldsen:


    Bei Thomas Mann gehen außergewöhnliche Schönheit und Attraktivität oft einher mit Todesmotiven: Gerda von Rinnlingen (Der kleine Herr Friedemann, s.o.), Tadzio (Der Tod in Venedig), Clawdia Chauchat (Der Zauberberg) ...


    "Wer die Schönheit angeschaut mit Augen
    ist dem Tode schon anheimgegeben ..."
    (August von Platen)


    Viele Grüße


    Tom


    Gerda Arnoldsen als Todesengel? Ich glaube nicht.


    Warum nicht? Mit ihrer Ankunft in Lübeck gewinnt der Niedergang der Buddenbrooks an Fahrt. Der geschäftliche Erfolg bleibt immer häufiger aus, Thomas wird immer egozentrischer (häufiger Wechsel der Kleidung), verschwenderischer (das neue Haus), streitsüchtiger (Konfrontationen mit Christian) und grüblerischer (Schopenhauer-Lektüre). Hanno schließlich, als geplanter Nachwuchs des Kaufmanns ohne Fortune, fällt komplett aus dem familiären Rahmen, wird gar "kunstsinnig", was heute noch, aus dem Mund eines Kaufmanns gesprochen, ein Schimpfwort ist. Gerda steht all dem gleichgültig gegenüber. Am Schluß verläßt sie Lübeck, als habe ihr "Auftrag" sich erfüllt.


    Vielleicht ist all das eine Überinterpretation der Figur Gerda Arnoldsen. Ich komme aber nicht umhin, ihr in der gesamten Geschichte eine sehr wichtige Bedeutung zu verleihen (zumal sie schon sehr früh auftaucht, nämlich als Tonys Pensionsgefährtin). Für mich ist sie das "Gegenmodell" sowohl zu der etwas dümmlichen, eingebildeten Tony als auch zu der in hohlen Konventionen erstarrten Konsulin. Gerda ist selbstbewusst und unabhängig. Eine ähnliche Figur hat Thomas Mann wenige Jahre vor "Buddenbrooks" in der Erzählung "Der kleine Herr Friedemann" auftreten lassen: Gerda (!) von Rinnlingen (die übrigens auch den friedfertigen und braven Friedemann zugrunde richtet). Zufall?



    Volle Zustimmung!


    Viele Grüße


    Tom


    wikipedia weiß wie immer Rat :breitgrins:


    Richtig. Hier als Ergänzung kurze Ausschnitte aus einer Rezension:


    Oblomov: A man of his time


    Ilya Ilyich Oblomov is a fertile literary character. When Goncharov sets him in motion with nineteenth century Russia as the background, the consequent interplay of forces leads to a wealth of generalizations about both the man and the environment. Many of these generalizations are in fact social commentaries by the author. [...]


    Oblomov [...] has upper class breeding, background, education, estate, and financial resources. As a young man he sets off for a job with the civil service, with all the expectations of adventures to be encountered on the path of life so typical of the onset of adulthood in any society. He goes to parties, balls, and other social events suitable for a bachelor of his age and privileged stature. From this benign background Oblomov proceeds into a premature mid-life crisis, bringing what would normally be an only temporary paralysis into his life. [...]


    LG


    Tom


    Wäre dein Buch dann noch sinnvoll?


    "Die Manns" kenne ich nur als relativ langatmigen TV-Mehrteiler (mit A. Müller-Stahl in der Rolle des Thomas Mann). "Über mich selbst" enthält eine Reihe autobiographischer Skizzen, ist also keine Biografie. Mehr als Amazon Dir verraten kann, weiß ich auch (noch) nicht.


    LG


    Tom


    Aber die stärkste Aussage hat finde ich Gerda getroffen. Sie hat sich Sorgen darum gemacht, dass er nie so ausgesehen hat, da er immer so auf sein Äußeres bedacht war. Das war echt harter Tobak, wenn man bedenkt, dass ihr Mann gerade im Sterben liegt.


    Hallo Katrin,


    das würde ich gern nachlesen. Weißt Du noch in welchem Kapitel es steht?


    LG


    Tom