Beiträge von Sir Thomas


    Es wurden Papierkörbe ausgeleert, auch aus meiner Sicht etwas voreilig, doch nichts wurde verbrannt.


    Die Aufregungs- und Empörungsbereitschaft in Internetforen ist gegenüber dem "normalen" Leben unweit größer aufgrund relativer Anonymität. Ja, Lost, auch aus meiner Sicht hätte man die Ordner ruhig geöffnet lassen können, denn wem schadet dieses Gelaber (außer den Labernden, die man aber nicht vor sich selbst schützen muss)?


    Unsere Administration mit Diederich Heßling zu vergleichen, geht mir ein bisschen zu weit, lieber Peter. Ich empfinde dieses Forum in Sachen Umgangsformen und Streitkultur nach wie vor als angenehm. Scardanelli, vielleicht überlegst auch Du Dir noch einmal, was hier eigentlich passiert ist: Nichts, worüber man derart erbost sein muss.


    Einen kühlen Kopf und ein schönes Restwochenende wünscht


    Tom

    Zu den Portraits von Malern und Komponisten:


    Mich wundert, dass der frühe Proust hier mit Watteau nur einen waschechten Franzosen in seine Galerie aufnimmt und dass unter den niederländischen Künstlern sein (späterer?) Lieblingsmaler Vermeer nicht auftaucht. Hat er als „Impressionist“ die Maler seiner Zeit (u.a. Monet und Renoir) mit Ausnahme des steril wirkenden Whistler nicht geschätzt?


    Auch in der Musik scheint er Zeitgenössisches nicht zu mögen; anstelle von Satie und Debussy, die damals in aller Munde waren (für Ravel war es wohl noch ein bisschen früh), dominieren die großen Meister des 18. und des frühen/mittleren 19. Jahrhunderts.


    Später, in der „Recherche ...“, beschäftigt er sich eingehend mit der fiktiven Vinteuil-Sonate, dessen Vorbild nach meinem Kenntnisstand irgendwo zwischen Fauré und Franck angesiedelt sein dürfte, beides eher „traditionelle“ Komponisten.


    Ihr habt doch bestimmt die eine oder andere Proust-Biografie gelesen. Was weiß man über seinen Musikgeschmack?


    Viele Grüße


    Tom


    ich habe das Kapitel Melancholische Sommertage in Trouville beendet und hat mir bisher am besten gefallen. Diesmal schreibt Proust über eine verlassene Frau, kommt ja in den Recherchen nicht vor, darin gehts ja hauptsächlich um den verlassenen Mann.


    Proust bleibt sich treu, trotz des "Rollentauschs". Seine Figuren leiden unter der Liebe, egal ob Mann oder Frau ...


    Falls es sich übrigens bei Trouville um Trouville-sur-mer handelt (es gibt noch andere Ortschaften namens Trouville), dann hat sich dort auch Claude Monet zu einigen Bildern inspirieren lassen. Ich meine mich sogar zu erinnern, dass in der Wuppertaler Monet-Ausstellung das eine oder andere Bild den beliebten Ferienort zeigt.


    Es grüßt


    Tom

    Ich habe gestern den Zyklus der "Klagen und Träumereien ..." beendet und bin begeistert von diesen mit leichter Hand "getuschten" Zeichnungen. Ein zentraler Gedanke dieses impressionistisch-melancholischen Reigens ist für mich im Kapitel VI enthalten: "Im Verlangen kommt alles zum Blühen, im Besitz welkt alles dahin", heißt es zu Beginn, und am Ende steht: "Alles im Leben verkommt in unmerklichen Nuancen." Das ist so etwas wie die Kurzfassung der Proustschen Lebensphilosophie, die in der "Recherche ..." später detailliert als immerwährende Mechanik der (Ent-)Täuschung, der Trauer, der Liebe, der Eifersucht, des Selbstbetrugs, der Verstellung, der Gewohnheit, des Vergessens und der Erinnerns ausgearbeitet wird (nach M. Maar).


    Innerhalb der "Freuden und Tage" scheinen mir die "Klagen und Träumereien ..." ein sehr zentraler Abschnitt zu sein. Mir haben Sie jedenfalls wesentlich besser gefallen als die handlungsorientierten Stories um Baldassare Silvande, Violante etc. Mit "Bouvard & Pécuchet" meine ich sogar ein recht schwaches Werkchen entdeckt zu haben. Als sog. "Pastiche" auf Flaubert mag der Text funktionieren. Mich hat er jedoch einfach nur gelangweilt (was Gott sei Dank eine Seltenheit bei Proust ist!).


    Es grüßt


    Tom


    Keine Perlen vor die Säue...


    Das ist nicht das Problem, troll. Ich fürchte eher, dass eine Nietzsche-Lektüre eine bestimmte "Klientel" zu weltanschaulichen und religiösen Scharmützeln einladen wird. Und das brauche ich wirklich nicht.


    Viele Grüße


    Tom

    Hallo Maria,


    vielen Dank für den Link zu Thomas von Kempen. Die "Imitatio Christi" war mir bislang unbekannt.


    Augustinus (v.a. dessen "Confessiones") und T. v. Kempen spielen übrigens auch in der Geschichte "Bekenntnisse eines jungen Mädchens" eine wichtige Rolle. Sie ist inhaltlich eng "verwandt" mit der Violante-Erzählung. Darauf weist auch Kellers Kommentar hin, der gewohnt kenntnisreich und nützlich ist. Manchmal habe ich allerdings das Gefühl, dass Keller mir ein wenig die "Arbeit" abnimmt und Bezüge herstellt, auf die ich gern selbst gekommen wäre. Ich habe deshalb überlegt, die Anmerkungen zunächst einmal zu ignorieren, halte das aber nicht dauerhaft aus, weil ich viele Querverweise so ohne weiteres nicht selbst entdecken würde.


    Viele Grüße


    Tom

    Hallo troll,


    ich mag Nietzsche - und folglich auch seinen "Zarathustra", den ich allerdings nur in kleinen, homöopatischen Dosen zu mir nehmen kann. Einer Leserunde kann ich deshalb nur mit Einschränkungen zustimmen. Warten wir mal ab, was geschieht - und vor allem: WER sich beteiligen möchte; bei manchem Zeitgenossen würde ich von vornherein einen Rückzieher machen ...


    Es grüßt


    Tom


    Wobei dann der Stil de Baldassare Silvande mich überrascht hat. Etwas so leichtes hätte ich mir, allein schon wegen des Titels nicht vorgestellt.


    Hallo, Ihr Lieben,


    diese Leichtigkeit trifft mMn. auf die gesammte Sammlung zu (soweit ich sie bislang gelesen habe, und ich bin annähernd fertig ...). Das meiste klingt wie vorbereitende Fingerübungen im Hinblick auf das Proustsche Großwerk "A la recherche ....". Am besten gefallen mir die ganz kurzen, impressionistischen Skizzen (z.B. die Prosagedichte über Maler und Musiker, aber auch "Die Klagen ..."). Ich lasse das Gelesene jetzt ein wenig wirken und warte auf Euch.


    Eilige Grüße


    Tom

    Liebe Kunstfreunde,


    gestern habe ich es endlich geschafft, die Wuppertaler Monet-Ausstellung zu besuchen (http://www.monet-ausstellung.de). Sie gibt einen guten Überblick über das Gesamtwerk, ist mE. aber nicht wirklich spektakulär, weil wichtige Werke fehlen. Interessant ist die gut bestückte Seeerosen-"Periode" des Spätwerks, die einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet. Fazit: Kunstfreunde aus NRW sollten hingehen, eine weite Anreise ist aber sicher nur für Monet-Enthusiasten Pflichtprogramm.


    Es grüßt


    Tom

    Mit besten Wünschen für das neue Jahr eröffne ich unsere Proust-Runde. Ich lese die Suhrkamp-Ausgabe von 1998. Übersetzung und Anmerkungen stammen von Luzius Keller.


    Schon das Grußwort von Anatole France hat poetische Züge und macht neugierig: „Das Buch zeigt Züge eines müden Lächelns, Gebärden der Ermattung, beides nicht ohne Schönheit und Adel.“ Gefallen hat mir die Bezeichnung „Genrebilder“. Die „Treibhausatmosphäre“ mit ihren „kunstvollen Orchideen, deren seltsame und krankhafte Schönheit sich nicht von Erde nährt“ verstehe ich als Verbeugung vor Baudelaires „Fleurs du mal“, auch wenn Keller im Kommentar Maeterlincks (mir nicht bekannte) Gedichtsammlung „Serres chaudes“ (Heiße Gewächshäuser) als Referenz erwähnt. Apropos Orchideen: Ich erinnere mich noch gut an die Chrysanthemen, die im zweiten Band der „Recherche ...“ (Odettes Salon) eine Rolle spielten. Blumen scheinen so etwas wie morbide Symbole der Belle Époque bzw. der um sich greifenden Dekadenz des Fin de Siècle gewesen zu sein.


    Dann folgt das eigentliche Vorwort. Kennt jemand Prousts verstorbenen Freund Willie Heath, dessen Äußeres mit van Dyck-Portraits verglichen wird? Ich habe bislang nichts herausgefunden. Diese „Ähnlichkeit“ eines Menschen mit einem Kunstwerk nimmt m.E. einen Wesenszug unseres alten „Bekannten“ Charles Swann vorweg.


    Ich werde mich nun mit dem Leben und Sterben des Baldassare Silvande beschäftigen. Der Tod (als „Hilfe und Gnade“) hat ja schon im Vorwort eine Rolle gespielt. Das erinnert an den frühen Thomas Mann, der fast zeitgleich Geschichten schrieb wie „Der Tod“ und „Der kleine Herr Friedemann“ (beide 1897, also ein Jahr nach „Les plaisirs ...“). Der Tod als höchste Stufe der menschlichen Verfeinerung/Vollendung und als Befreiung von Künstlichkeit und Lebensferne: Keller meint, hierbei handele es sich um ein wesentliches Motiv dieser Zeit. Interessant, wenn auch schwer nachvollziebar …


    Viele Grüße


    Tom


    Neue Entdeckungen?
    (Leider jetzt erst!)


    Ebenso wie du: Proust.


    Hallo Peter,


    in unserem Fall gilt wohl der Satz: Besser spät als nie ...



    Hölderlin. Der lässt mich wohl nie mehr los.


    Den habe ich ganz vergessen! "Hyperion" sollte man in bestimmten Abständen immer wieder lesen (in diesem Jahr habe ich es endlich mal wieder geschafft).


    Viele Grüße


    Tom

    Hier mein Fazit des Lesejahres 2009 ...


    Beste Wiederholungslektüren:


    Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
    T. Mann, Buddenbrooks
    Gontscharow, Oblomow
    Goethe, Römische Elegien, Venezianische Epigramme


    Beste "Neuentdeckungen":


    W. Faulkner, Absalom, Absalom! Licht im August
    M. Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit


    Überraschendste zeitgenössische Lektüre:


    Walter Kappacher, Der Fliegenpalast


    Einen guten Rutsch in einen neues Jahr mit vielen Leseerlebnissen wünscht


    Tom


    Wer nur Bombast bei Mahler hört, der hat nie genau zugehört.


    Mit Zuhören ist es nicht getan, denn es erfasst nur die, zugegeben nicht unwesentliche, aber häufig oberflächliche Wirkung der Musik (Profimusiker ausgenommen). Erst das Studium der Noten/Partitur eröffnet Hobbymusikern bzw. musikalisch geschulten Hörern den Einblick in die musikalischen Ideen eines Stücks. Was Mahlers Kammermusik anbelangt, so verschiebe ich diesen Blick auf die Details getrost auf die noch weit entfernte Rente. Bis dahin werde ich die eine oder andere Sinfonie gelegentlich hören - ganz ohne Hintergedanken ...


    Es grüßt


    Tom