Beiträge von Sir Thomas


    Das neunte Buch enthält wieder einen ziemlich langen Monolog über eine unglückliche Liebe. Byblis ist in ihren Zwillingsbruder Kaunos verliebt; als sie sich entschließt, ihm ihre Liebe zu entdecken, weist er sie entsetzt zurück und sie flieht lange durch die Welt und wird schließlich zu einer Quelle.


    Mir hat die Byblis-Geschichte auch sehr gut gefallen. In der Klage der Verliebten spürt man etwas von der elegischen Herkunft Ovids. Dazu habe ich ein Bild gefunden, von dem ich noch nicht sicher bin, ob es große Kunst oder doch eher Kitsch ist:
    http://de.wikipedia.org/w/inde…etimestamp=20050326124954



    Es gibt immer wieder Rahmenhandlungen, die für mich eher verwirrend sind, da ich mich gar nicht immer erinnern kann, wann eine Rahmenhandlung begonnen hat. ... Fällt es euch leichter, da den Durchblick zu behalten?


    Nein. Das macht aber nichts, weil es zum Verständnis nicht notwendig ist.


    Mein aktueller Lesestand: Ich stecke mitten im 10. Buch.


    Viele Grüße


    Tom


    Der Titel der Metamorphosen ist Programm: Ovid erzählt nur Geschichten, in denen Verwandlungen vorkommen. Und bei größeren, komplexeren erzählt er die metamorphosenträchtigen Passagen ausführlich, das andere kürzt er rigoros. So kommt es zu dem anscheinenden Missverhältnis, das uns allen ja schon aufgefallen ist ...


    Folgendes fand ich in einem Aufsatz:

    Ovid is the quintessential 'post-generic' poet. ... The Metamorphoses constitute an encyclopaedia of genres and of literary criticism. It is not by chance that Ovid is the first important Roman author who does not construct his own work, programme, or persona, as the repetition of an individual Greek model. This is surely ... because by now, in Augustan Rome, it would make sense to be appraised as the 'new Tibullus' or the 'new Virgil'. An equally important point is that, when the Metamorphoses were composed and published, Virgil had already been constructed as a model of a poetic career.
    (Aus: Music for monsters, Alessandro Barchiesi, Stanford University)


    Die Hervorhebungen stammen von mir. Den vollständigen Aufsatz findet Ihr auf
    http://www.kirke.hu-berlin.de/ovid/ovid_publikationen.html
    unter der Rubrik "Artikel Metamorphosen".


    Viele Grüße


    Tom


    Moderne Medea-Versionen habe ich noch nicht gelesen ...


    Die Version von Christa Wolf interessiert mich. zumal Suhrkamp eine preiswerte kommentierte Ausgabe in der Reihe "Basisbibliothek" anbietet. Das wäre schon die zweite Folgelektüre, die unmittelbar mit den Metamorphosen zusammenhängt. Interessante Bücher führen eben doch zu anderen Büchern ...


    LG


    Tom

    Mit diesem Gedanken habe ich auch einen Moment lang gespielt. Ich werde Ransmayr aber erst nach abgeschlossener Ovid-Lektüre lesen. Denn ich möchte der antiken Melancholie Ovidscher Prägung erstmal noch weiter nachspüren - frei von postmoderner Interpretation.


    Der Ransmayr ist gestern eingetroffen. Ich habe "Die letzte Welt" kurz angelesen, werde aber auch zunächst das Original beenden.


    Mittlerweile habe ich das 8. Buch gelesen. Es ist immer wieder staunenswert, wie kurz Ovid einige der großen und bekannten Geschichten abhandelt. Gerade einmal zwei Zeilen sind ihm Theseus und der Minotaurus wert, während er ausführlich die Bewirtung der anonym herabgestiegenen Götter durch Philemon und Baucis schildert. Das grenzt fast schon an eine "Beleidigung" der Heroen.


    Viele Grüße


    Tom


    Der von Dir genannte Stundensatz ist aber ordentlich. Aber ich dachte, man wird nach Norm-Seiten bezahlt.


    Eine (Simultan)Dolmetscherin wird idR. nach Stunden bezahlt, ein Literaturübersetzer logischerweise nach Normseiten, denn wer will schon entscheiden, wie viele Stunden eine Übersetzung dauert?


    Das Buch hat nun 1500 Seiten auf Deutsch. Das heißt für jede Seite hat er gerade mal 35 EUR brutto verdient. Braucht er für eine Seite nur 30 Minuten. Wohl deutlich mehr, denke ich. Selbst wenn man eine Stunde ansetzt, verdient mein Auto-Mechaniker mehr. Also ich denke, man sollte dann doch lieber Anwalt werden ... (muss sich ja auch intensiv mit sprachlich-logischen Konstrukten auseinander setzen).


    Mir stellt sich die Frage, warum es sechs Jahre dauert, ein Buch (das ich nicht kenne) zu übersetzen. 35 Euro "Stundenlohn" sind für einen Freiberufler nicht üppig, aber auch kein Grund für Depressionen.



    Wenn ich pro Jahr ca. 200 Arbeitstage ansetze (also exklusive Wochenenden, Urlaubs- und Krankheitszeiten), so hat er ca. 1.200 Tage an den 1.500 Seiten gesessen und demnach pro Tag ca. 1 bis 1,5 Seiten geschafft, mithin ca. 43,- Euro am Tag. Und wenn ich die 52.000 Euro auf die sechs Jahre umrechne, hat er pro Monat lediglich gut 720,- Euro erhalten. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel...


    Er hat bestimmt mehr als 1 oder 1,5 Seiten pro Tag geschafft. glaube mir!


    Es gibt offensichtlich abstruse Vorstellungen, wie Kulturschaffende zu bezahlen sind. Solang sie unbekannt sind, werden sie von den Auftraggebern behandelt wie ein Hersteller ungarisch gewürzter Kartoffelchips von den Handelsketten: Qualität und Preis müssen stimmen. Nur die Stars der Kulturindustrie können unverschämt abkassieren - etwas, das sie den Kartoffelchipsproduzenten übrigens voraus haben ...


    Marktwirtschaftliche Grüße!


    Tom

    Dann nenn doch mal eine Zahl.


    100 € pro Stunde - wobei An- und Abfahrt zur Arbeitszeit zählen - zzgl. MWSt.
    Wäre ich der Auftraggeber gewesen, hätte ich verhandelt bzw. eine Alternative gesucht.



    Freiberufliche Programmierer, Web-Designer etc. werden nicht so schlecht bezahlt. 1000 EUR Tagessatz können da schon welche realisieren.


    Hm, vielleicht in München, Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg - und dann auch eher nicht für Einsteiger. Es mag sein, dass manche das fordern, aber bekommen sie es auch? Meine Erfahrung ist eine andere, nämlich dass derart hohe Einstiegs"honorare" im Programmierbereich schlichtweg auf Lügen zu beruhen.



    Wenn man jetzt bedenkt, daß ein Übersetzer, der einen eher anspruchsvollen Roman übersetzt, mit ca. 1-2 Seiten pro Tag rechnet, dann kommt da allerdings nicht so viel raus.


    Das ist eine recht geringe Arbeitsleistung. Meinst Du nicht, als Profi könne man mehr schaffen?


    LG


    Tom


    Nur die "alten Hasen", die schon lange im Geschäft sind und von denen die Verlage wissen, daß sie gute Arbeit bekommen, können dann bessere Bezahlung verlangen. Als Neueinsteiger hat man kaum eine Chance und ist oft gezwungen, in Windeseile für einen Hungerlohn zu arbeiten ...


    Hallo thopas,


    in welchem freiberuflichen Metier werden Einsteiger gut bezahlt? Mir ist keines bekannt. Auch für literarische Übersetzungen gilt mMn. das Prinzip: Qualität muss sich erst erweisen - und wird dann (bei Folgeaufträgen) entsprechend höher honoriert. Du würdest doch bestimmt auch nicht für unnötig viel Geld die berühmte Katze im Sack kaufen, oder?


    Viele Grüße


    Tom


    Was mir generell auffällt: dass es in der DDR-Literatur unverhältnismäßig viele Mythos- Bearbeitungen gibt, man denke etwa auch an Heiner Müller (auch von ihm gibt es u.a. eine Medea ). Besteht ein Zusammenhang zwischen totalitärem Staat und der Vorliebe für antike Mythen?


    Möglicherweise ist das eine Autorenstrategie, der Zensur zu entgehen. Frei nach dem Motto: Nur ein sehr genauer und gebildeter Zensor wird versteckte Anspielungen und Anklagen erkennen.


    LG


    Tom


    Übersetzer werden schon schlecht genug bezahlt.


    Mir kommen die Tränen ...


    Erst gestern war ich mit einer Italienisch-Dolmetscherin unterwegs. Sie hat mir unverlangt ihr Honorar genannt - und ich habe nicht schlecht gestaunt.


    Möglicherweise werden Literaturübersetzungen nicht so gut bezahlt, auch mag es Unterschiede von Verlag zu Verlag geben. Aber das Gerede von generell geringen Honoraren halte ich für ein modernes Märchen.


    LG


    Tom


    Hallo Maria,


    ich habe ihre gelobten Dostojewski-Übersetzungen nicht gelesen und kann mir folglich kein Urteil bilden. Was mich an den Nachrufen stört ist die Tatsache, dass Übersetzer heutzutage gefeiert werden wie Literaturschaffende. Muss man sie wirklich so wichtig machen? Der gute J.H. Voß, unser klassischer "Starübersetzer", dreht sich soeben in seinem Grab herum ...


    Es grüßt


    Tom


    Medea ist die Handelnde, die Heroine, Jason ein Held von Medeas Gnaden, der das gern annimmt, sich später aber wenig dankbar erweist und sie kalt abserviert.


    Kennt eigentlich jemand von Euch die moderne Medea-Version von Christa Wolf? Sie soll den Mythos ordentlich gegen den Strich gebürstet haben. Gefallen hat mir ihre Interpretation der Ilias ("Kassandra"), in der Achilles nicht sonderlich gut wegkommt ...


    LG


    Tom

    Das ist so erstaunlich nicht, denn Jason verdankt ja seine Heldentaten ausschließlich dem Verrat und der Zauberkunst Medeas. Medea ist die Handelnde, die Heroine, Jason ein Held von Medeas Gnaden, der das gern annimmt, sich später aber wenig dankbar erweist und sie kalt abserviert.


    Mein Erstaunen führe ich zurück auf die Kenntnis der Euripides-Version, die, wie Du anmerkst, einen anderen Schwerpunkt setzt. Deine Interpetation der Thorvaldsen-Statue (glatt, kalt, substanz- und charakterlos) finde ich interessant.



    Was mich wiederum erstaunt hat: dass das eigentliche Drama, wie wir es von Euripides kennen, nämlich der Betrug Jasons und Medeas Rache einschließlich der Ungeheuerlichkeit, dass sie wie Prokne (im 6. Buch) ihre eigenen Kinder tötet und dem Vater vor die Füße wirft, nur in einem Satz gestreift wird:
    Aber als durch Medeas Zauber Jasons neue Gattin (der Leser hat noch gar nicht erfahren, dass er eine neue hat) verbrannt war und den Königspalast von Korinth die beiden Meere in Flammen gesehen hatten, färbt sich vom Blut ihrer Söhne das ruchlose Schwert und nach entsetzlicher Rache flüchtet die Mutter vor Jasons Waffen.
    Das war’s. Korrigiert mich, wenn ich irre.


    Du irrst Dich nicht. Ovid erweist sich erneut als straffer Erzähler.



    Ovid berichtet oft nur auszugsweise, dann aber wieder extrem ausführlich ...


    Und deshalb finde ich ihn sehr modern. Er wirft grelles Licht nur auf Details, die ihm interessant erscheinen, während er die Handlung oft atemlos vorantreibt. Mir gefällt das.


    Viele Grüße


    Tom

    Am Wochenende habe ich das 7. Buch gelesen, in dessen Mittelpunkt Iason und Medea stehen. Ich war ein wenig erstaunt, dass Ovid sich hauptsächlich mit Medea beschäftigt, Iason hingegen wie eine Nebenfigur behandelt, die teilweise sogar wirkt, als sei sie fremdgesteuert. Eine entscheidende Imageverbesserung wird der berühmten Intrigantin und Giftmischerin Medea auch in den "Metamorphosen" nicht gegönnt; dafür erfahren wir interessante Details ihrer Zauberkunde; die geschilderten Verjüngungszaubereien haben mich gut unterhalten.


    Wie gefällt Euch dieser Iason von Thorvaldsen? http://commons.wikimedia.org/wiki/File:ThorvaldsensJason.jpg


    In meinen Anmerkungen habe ich den Hinweis gefunden, dass "Medea" der Titel des einzigen Dramas war, das Ovid geschrieben hat, das aber leider nicht erhalten ist. Ovid als Dramatiker? Dieser Aspekt war mir gänzlich unbekannt.


    Traurig und sehr tragisch endet das 7. Buch mit dem Tod der Procris. Ich habe ein wenig den Überblick verloren, aber erinnert Euch das auch an eine früher erzählte Geschichte (ich meine es war die von Pyramus und Thisbe)?


    Ich hoffe, Euch nicht zu sehr enteilt zu sein ...


    Viele Grüße


    Tom


    Überrascht mich wirklich. Trotz dieser Konstruktionsschwächen ist Morbus Kitahara doch ein Buch, das sprachlich überzeugt und eine sehr eindrückliche Atmosphäre besitzt.


    Das ist richtig, und Ransmayrs Qualitäten bestreite ich keineswegs. Zu "Morbus ..." habe ich vermutlich einfach keinen Zugang gefunden.



    Vielleicht versöhnt dich die Beschreibung der metamorphosen, ovidschen Einsamkeit in Tomi.


    Ich habe das Buch heute bestellt und werde es sicher parallel zu Ovid lesen.



    Das Video ist wirklich gut gemacht, meine tiefländliche Internetverbindung geriet allerdings einigermaßen ins Schwitzen beim Laden ;)


    Ging mir zunächst ähnlich, bis ich den "Knopf" fand, der den High Definition (HD)-Modus ausschaltet. Das Video hörte sofort auf zu ruckeln und lief ohne sichtbare Qualitätseinbussen.


    Grüße ins österreichische Tiefland


    Tom