Beiträge von Sir Thomas

    Zwei große Klassiker feiern in diesem Jahr ihren 200. Geburts- bzw. Todestag:
    Mit Franz Liszt (geb. 22. Oktober 1811) steht nach dem Chopin- und Schumannjahr 2010 ein weiterer großer Komponist der Romantik im Mittelpunkt.


    Der 200. Todestag Heinrich v. Kleists (21. November) dürfte allerdings in Deutschland mehr Resonanz erfahren als der Geburtstag des aus Ungarn stammenden Listz.


    LG


    Tom

    Ich habe jetzt den 14. Brief abgeschlossen – Zeit für einige Gedanken und Anmerkungen.


    Während die Briefadressaten häufig aus der ersten Riege der mythologischen Heldengalerie stammen, sind die Briefeschreiberinnen oftmals nahezu unbekannte bzw. weniger bekannte Figuren. Von Deianira, Hypsipyle oder Hypermestra hatte ich zumindest noch nichts gehört, und auch Namen wie Penelope oder Briseis setzen mehr als eine nur oberflächliche Homer-Kenntnis voraus.


    Warum hat Ovid Frauen wie Klytaemnestra, Andromache, Elektra oder Iphigenie ignoriert? Liegt darin eine Wertung? Erschienen ihm diese Geschichten und Schicksale nicht interessant genug? Gerade die beiden Erstgenannten bieten sich mMn. für dieses Briefprojekt an.


    Welches Bild der Liebe vermittelt Ovid? In den Briefen 1 – 14 leiden und klagen Frauen, die sich nach ihrem Geliebten oder Ehemann sehnen oder sich hintergangen fühlen. Die Männer erscheinen oft als gefühllose Abenteurer und gewissenlose Schwerenöter, die von ihren Frauen/Geliebten nicht viel zu halten scheinen. Besonders schlecht weg kommen Theseus und Iason. Ich bin mir nicht sicher, ob die Treu- und Gefühllosigkeit dieser beiden Recken erst von Ovid herausgearbeitet und betont wurde, oder ob die Vorlagen eine ähnliche Bewertung enthalten.


    Ovids Heldinnen entwerfen häufig ein verzweifeltes Bild unerfüllter, nicht erwiderter Liebe. Nur die wenigsten Geschichten haben das, was man als happy end bezeichnen kann. Einige Frauen werden sich anschließend gar umbringen. Ich kenne leider nicht die frühe Liebeslyrik Ovids (Amores, Ars amatoria, Remedia amoris) und kann daher nicht beurteilen, ob er eine grundsätzlich pessimistische Einstellung zu Herzensangelegenheiten hatte. In den „Heroides“ jedenfalls ist er weit davon entfernt, die Liebe als Glück, Erfüllung oder kreatives Spiel zu schildern. Das deckt sich weitgehend mit den „Metamorphosen“, in denen häufig der dumpfe Trieb regiert. Ich habe deshalb ein wenig die Idee, dass in der Antike unter „Liebe“ evtl. etwas anderes verstanden wurde als heute.


    Welches Frauenbild steckt hinter all den Geschichten und Briefen? Ovids Heldinnen leben in einer Welt, in der Männer herrschen, Politik machen, Kriege führen, Frauen begehren, verführen oder einfach vergewaltigen. Das erzeugt Ohnmacht und färbt im schlimmsten Fall ab. Warum hat ausgerechnet die Rächerin Medea einen 2.000 Jahre währenden Siegeszug durch die Literaturgeschichte angetreten? Weil sie sich gewehrt hat? Weil sie mit den Mitteln der Männer den „Geschlechterkrieg“ angenommen und geführt hat? Wir wissen, dass Medea eine der Lieblingsfiguren Ovids war, dass er ihr einen ansehnlichen Teil der „Metamorphosen“ und sogar ein (leider verschollenes) Drama gewidmet hat. Möglicherweise hat sie seinem Frauenbild am ehesten entsprochen: Hilfsbereitschaft bis zur Selbstaufgabe, gepaart mit Gnadenlosigkeit, wenn der Mann den Bogen überspannt.


    Ich wünsche Euch allen einen (bitte nicht wörtlich gemeinten) guten Rutsch und ein Superjahr 2011!


    Tom

    Hallo meier,


    schön, dass sich noch jemand für Racine interessiert!



    Irritiert war ich dennoch vom Vorwort Racines, der dort vom Gedanken an eine Vergewaltigung Phädras durch Hippolyt spricht, was mir im eigentlichen Drama nirgends augenfällig wurde. Welche Stelle mag der Autor da gemeint haben? Vielleicht wurde dies von mir beim allzu flüchtigen Lesen auch übersehen ...


    Nein, Du hast nichts übersehen, oder anders formuliert: Vielleicht sind wir gemeinsam mit Blindheit geschlagen ... :zwinker:



    ... auf die ich im zweiten Teil der verlorenen Zeit aufmerksam wurde.


    So ging es mir auch; ich benötigte allerdings zusätzlich den Ovidschen Anstoß, um zu Racines Drama zu greifen.



    Insbesondere sprachlich fand ich das Stück sehr gelungen.


    Zustimmung! Ich kann allerdings nicht beurteilen, ob Schillers Übersetzung "Schuld" daran ist und ob der französische Text ähnlich elegant klingt. Ich habe leider nur eine deutsche Ausgabe.


    Viele Grüße


    Tom

    Hier der versprochene Exkurs zu Phädra bei Ovid und Racine:
    Racine hat seine Phèdre in der Tat anders angelegt als Ovid: zivilisierter, kultivierter - und damit den Moralvorstellungen des Publikums (des französischen Adels) sowie den gesellschaftlichen Vorgaben seiner Zeit entsprechend.


    Im Grunde agieren auf Racines Bühne edle Gestalten in einer Verkettung unglücklicher, von rachedurstigen Göttern ausgelöster Umstände („Ein Gott hat die Besinnung mir geraubt ... So will es Venus! Von den Meinen allen // Soll ich, die Letzte, soll am tiefsten fallen!“). Das Böse kommt in der Gestalt Oenones und deren giftigen Einflüsterungen („Zerrissen sind mit Theseus' Tod die Bande, Die deine Liebe zum Verbrechen machten“) in die Welt, Theseus, der „Frauenräuber“, bleibt eher blass. Racines Phèdre stellt sich als Getriebene dar, gibt sich schuldbewusst und beinahe devot, was den Vergleich mit einer „Nonnenschülerin“ durchaus rechtfertigt.


    Die Ovidsche Phädra will mir nicht wirklich verzweifelt vorkommen, sondern eher kalt und berechnend, wenn sie bspw. argumentiert, das angestrebte inzestuöse Verhältnis zwischen ihr und Hippolyt könne nur schwerlich von der Außenwelt bemerkt werden, da Mutter und Stiefsohn unter einem Dach leben und eine Geheimhaltung der verbotenen Liebe deshalb einfach sei. Der Brief ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten; er ist, nach meinem bisherigen Lesestand, der außergewöhnlichste der Sammlung. Für mich ist die Ovidsche Phädra eine antike Variante der Femme fatale, eine Vorläuferin von Flauberts Herodias und Oscar Wildes Salomé.


    Viele Grüße


    Tom


    Tom
    kann man das Sachbuch als Buchtipp vermerken?


    Ja, Maria. Ich fand es interessant und bereichernd, wie Wolfgang Matz den Beginn der literarischen Moderne und drei grundlegende Autoren mit ihren Hauptwerken analysiert (Flaubert: Madame Bovary; Baudelaire: Die Blumen des Bösen; Stifter: Der Nachsommer).



    Ich habe noch ungelesen "Adalbert Stifter" von Wolfgang Matz im Regal stehen.


    Wenn Du "1857 ..." gelesen hast, kannst Du Dir dieses Buch u.U. sparen.


    Viele Grüße


    Tom


    Mein Lesejahr 2010 ist fürn Arsch. Habe die Segel gestrichen.


    Das kann ich nicht behaupten. Hier meine persönliche Best of 2010-Liste:


    Klassiker:
    Flaubert - Salammbo, Lehrjahre des Gefühls, Briefe
    Milton - Paradise lost
    Ovid - Metamorphosen
    Proust - Auf der Suche ... (Bd. 4 - 7)
    Racine - Phèdre (noch nicht beendet)


    Nicht-Klassiker:
    T. Mann - Joseph und seine Brüder
    Hermann Burger - Schilten
    C. Ransmayr - Die letzte Welt
    Knut Hamsun - Mysterien, Pan


    Sachbuch:
    Wolfgang Matz - 1857: Flaubert, Baudelaire, Stifter


    Euch allen schöne Weihnachten!


    Tom


    Bukolische Szenen, die wie immer, wenn Ovid die Natur beschreibt, besonders schön und anschaulich sind.


    Nur eine kurze Bemerkung dazu: Diese Schilderungen (Du nennst sie bukolisch) können auch anders aufgefasst werden: zum einen als Parodie des Großdichters Vergil, zum anderen aber auch als Schlichtheit und Naivität der Briefeschreiberin. Ich möchte gern an die erste Variante glauben.


    LG


    Tom


    Das klang so, als wäre Phèdre dein täglich Brot :breitgrins: … und ein Vergleich des Phädrabriefes mit dem Drama würde dich besonders interessieren.


    Täglich Brot? Nicht ganz ...


    Deine Ausführungen haben eines bewirkt: Nicht aus purer Lust am Disput, sondern um nicht weiter auf Erinnerungsfetzen angewiesen zu sein, werde ich "Phèdre" in den nächsten Tagen lesen. Sooo umfangreich ist das Drama Gott sei Dank nicht.



    ... ich finde schon, Ovids Phädra ist skrupelloser, ungebremster, wahnsinniger - umso mehr, als sie noch aussichtsloser und selbstzerstörerischer liebt als Phèdre .


    Abschließendes dazu nach der Racine-Lektüre.


    Ich bin gestern noch ein wenig weitergekommen (bis einschließlich Brief IX). Dazu später mehr.


    Liebe Grüße


    Tom

    Hallo Gontscharow,


    ich komme derzeit nicht zur Ruhe und daher keinen Schritt weiter in unserer Lektüre. Ab morgen könnte es besser werden.



    ... the fact that the originary language of erotic literature refers to the experience of love as slavery, a kind of captivity.


    Das ist in der Tat eine der erstaunlichsten Varianten des ewigen Themas "Liebe"! Ich erinnere mich dunkel, dass bereits Catull und Properz in ihren Elegien das Thema ähnlich behandelten. Bei Properz (oder war es Catull?) wird die Frau als "domina" (Herrin) angesprochen, was auf einen ähnlichen Zusammenhang verweist wie Dein Zitat. Da ich parallel immer noch Prousts "Recherche" lese (derzeit Band 7), entdecke ich dort ähnliche Metaphern und Bilder in der Beschreibung des Verhältnisses Marcel-Albertine. Die "Modernität" Ovids ist wirklich frappierend!


    Viele Grüße


    Tom


    Die ersten drei Briefe zeigen schon mal drei ganz unterschiedliche Frauen und der vierte Brief lässt einen weiteren gänzlich anderen Frauentyp zu Wort kommen ...


    Der Briseis- und der Phädra-Brief sind interessante Varianten der "krankhaften" Liebe, der amour fou.


    Der Vorwuf der Monotonie bezog sich mWn. eher auf stilistische Fragen, und da sind die Unterschiede bislang wirklich nicht sehr groß. Ich möchte jetzt nicht vorschnell urteilen und die Frage nach dem Frauenbild Ovids sowie nach dem allgemeinen Verständnis des Themas Liebe an den Schluß der Lektüre verschieben.



    Ich glaube, neben dieser Phaedra nimmt sich die Phèdre von Racine wie eine Nonnenschülerin aus. :zwinker:


    Ich bin mir nicht sicher, ob das haltbar ist, denn meine Erinnerung sagt mir, dass die Racinesche Phèdre viele Ovid-Anteile hat, wenn auch vielleicht nicht ganz so drastisch und so konzentriert. Mir fehlt allerdings im Augenblick die Lust, die alte Schiller-Übersetzung im Regal zu suchen und dann auch noch zu lesen.



    Ich dachte immer, die subjektive, intime Äußerung des Individuums im fingierten Brief ( Stichwort: Briefroman! ) sei erst eine Erfindung des 18. Jahrhunderts!


    Das dachte ich auch - und sehe diesen Glauben unerschüttert, weil es sich bei den "Heriodes" nicht um einen klassichen Briefroman im Sinn der "Gefährlichen Liebschaften" oder Goethes "Werther" handelt.


    Wir haben übrigens in etwa einen vergleichbaren Lesestand (ich habe Brief No. VI gelesen, bin also unwesentlich weiter). Lass Dich nicht hetzen, ich habe Zeit ...


    Viele Grüße


    Tom

    Zur Kitsch-Debatte:


    Kitsch ist sicher nicht einfach zu definieren, vielfach jedoch auf den ersten Blick zu erkennen. Kitsch hat für mich immer etwas mit unangemessener Vereinfachung, manchmal auch Verniedlichung zu tun. Kitsch entsteht durch die ungewollte Diskrepanz zwischen dem (oft komplizierten) Gegenstand und dessen (simplifizierender) Beschreibung/Darstellung. Kitsch hat, mal mehr, mal weniger, mit Verlogenheit zu tun. Insofern stimme ich zu, dass BILD-Zeitung etc. in großen Teilen Kitschprodukte sind.


    Was bedeutet das für Ransmayrs „Letzte Welt“?



    Der Leser wandelt durch einen Metamorphosen- Erlebnispark, durch ein Disney-Land ovidischer Personen und Situationen. ... Dieses unverbindliche Spielen mit Textbausteinen und Versatzstücken, ihre Beliebigkeit ... und damit ihr offenbar werdender Deko-Charakter, ja und auch die Reduzierung der Komplexität und Widersprüchlichkeit der historischen Person und ihres Werkes zu "Ovid light".


    Ich schließe mich dieser Wertung an, denn eine bessere Formulierung fällt mir nicht ein.



    Das Ausgeliefertsein des Menschen gegenüber einer fühllosen Natur, spezifisch Menschliches angesichts einer Umwelt, einer Ewigkeit, vor der alle diese Eitelkeiten sich ein wenig lächerlich ausnehmen. Gerade auch die Landschaftsdarstellungen, Stimmungen dieser Gegend sind - m. E. - hervorragend beschrieben ...


    Diese ökologischen Endzeitszenarien füllen mittlerweile sicher einige Regalmeter, was die Ransmayersche Kunst nicht abwerten soll, denn: Trotz aller Kritik habe ich große Teile der "Letzten Welt" durchaus gern gelesen.


    Manchmal muss es eben "Kitsch" sein ... :zwinker:


    LG


    Tom

    Briefe IV – VI


    Noch habe ich nicht erkannt, ob sich eine Dramaturgie hinter der Aneinanderreihung von Briefen verbirgt. Ich habe jedoch den Eindruck, dass der Ton ein anderer wird ab Brief No. IV: sarkastischer, verzweifelter und listiger in der Argumentation. Wie Phaedra „ihrem“ Hipplolytus erklärt, dass es keineswegs einem Ehebruch gleichkomme, wenn sie mit ihm das Bett teile, grenzt an Dreistigkeit.


    Auch mit Rivalinnen wird scharf ins Gericht gegangen. Oenone lässt kein gutes Haar an Helena („die griechische junge Kuh“); Hypsipyle verflucht Medea als „giftmischende Barbarin“. Auch über seherische Qualitäten verfügen die beiden letztgenannten Damen: Sie sagen den trojanischen Krieg und Medeas traurige Karriere als Kindermörderin voraus.


    Insgesamt stellen die „Heroides“ einen etwas unorganisierten, aber kurzweiligen Ausflug in die Welt der antiken Mythologie dar. Mal dienen Homers „Ilias“ und „Odyssee“ als Hintergrund, dann die Argonautensage und Vergils „Aeneis“. Auch Euripides, den Ovid wohl besonders geschätzt hat aufgrund der differenzierten Frauengestalten, dient als Stofflieferant.


    Es grüßt


    Tom

    Die ersten drei Briefe habe ich mittlerweile gelesen. Was auffällt ist die Tatsache, dass Ovid die Kenntnis der eigentlichen Geschichten bzw. des Rahmens, auf den ein Brief sich bezieht, voraussetzt. Während dem heutigen Leser eine Einführung des Herausgebers in den Kontext des jeweiligen Briefs geboten wird, hat Ovid sein Publikum direkt mit den Einlassungen der Briefeschreiberinnen konfrontiert. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Geschichten und Figuren aus den Werken Homers und anderer Autoren damals allgemein bekannt gewesen sind.


    Die Übersetzung der in Distichen verfassten Elegien liest sich gut und weitgehend flüssig. Interessant finde ich die Ausführungen über die geistige Welt der römischen Elegie im Nachwort. Dass die Denkmuster und Ideale der elegischen Helden und Heldinnen eine bewusste Distanzierung von der römischen Alltagswelt darstellten, war mir bislang nicht bewusst. Was den klagenden, jammernden Ton angeht, den man heutzutage mit dem Begriff „Elegie“ verbindet, so weicht Ovid an einigen Stellen von der „Norm“ ab. Das bislang beste Beispiel ist der zweite Brief (Phyllis an Demophoon). Die Dame klagt zunächst in bester Tradition über die vermutete Untreue des Geliebten, scheut aber nicht davor zurück, ihn immer wieder als Schuft und Nichtsnutz zu beschimpfen.


    Ziemlich unglaubwürdig finde ich den dritten Brief (Briseis an Achilles). Warum sollte eine verschleppte Sklavin demjenigen, der zuvor ihre gesamte Familie massakrierte, einen Liebesbrief schreiben? Das nährt erste Zweifel am „Frauenversteher“ Ovid, auch wenn er ansonsten, wie schon in den „Metamorphosen“, der leidenden Damenwelt sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen entgegenbringt. Vielleicht lese und interpretiere ich aber auch einfach nur aus einer allzu männlichen Perspektive …


    LG


    Tom


    ... - nein: Ich glaube nicht an Ovid.


    Warum nicht?


    Im Nachwort der Reclam-Ausgabe werden die Zweifel an Ovids Autorenschaft als unbegründet dargestellt. Zweifler (wie z.B. der Verfasser des wikipedia-Artikels) führen Stilfragen als Argument an. Ich fühle mich nicht berufen, in diese Diskussion einzugreifen, stelle aber einfach mal fest: So ein Fragezeichen im Leserunden-Titel sieht echt bescheuert aus ... :zwinker:


    LG


    Tom


    Die Biographie des historischen Ovid gibt Rätsel auf, während sein Hauptwerk, die Metamorphosen, erhalten, bekannt und jedem zugänglich sind. In Ransmayrs Roman ist es umgekehrt.


    Diesen Ansatz finde ich gar nicht einmal so unpassend. Das von Dir geschilderte Spiel mit der Biographie Ovids ist jedenfalls vergnüglicher zu lesen als all die mythologischen Versatzstücke mit Pappkameraden, die arg bemüht daherkommen.


    Ein Satz auf Seite 39 enthält eine interessante Spekulation zur Biographie Ovids: Metamorphoses – Verwandlungen: Allein schon der Titel dieses Buches war in der Residenzstadt des Imperators Augustus eine Anmaßung gewesen, eine Aufwiegelei in Rom, wo jedes Bauwerk ein Denkmal der Herrschaft war, das auf Bestand, auf die Dauer und Unwandelbarkeit der Macht verwies. So ähnlich haben wir uns auch in unserer Leserunde über die rätselhaften Gründe für die Verbannung des Dichters geäußert.



    Der Leser wandelt durch einen Metamorphosen- Erlebnispark, durch ein Disney-Land ovidischer Personen und Situationen ...


    ... und eine untergehende Welt, die Ransmayr und dem fiktiven Ovid als Material für eine wahnhafte Fortsetzung der Metamorphosen dient: War denn dieser Narrenzug nicht auch ein Beweis dafür, dass Ovid die Gestalten seiner Poesie mit sich in die Verbannung genommen hatte und am Ort seines Unglücks nicht verstummt war, sondern seine Geschichte weitererzählte? (S. 83) Auch diesen Aspekt finde ich gelungen.



    ... durch Ransmayrs Buch sei das Interesse an Ovid erheblich gestiegen!


    Mit diesem Satz wollen wir es bewenden lassen.


    Gontscharow, hast Du schon mit den "Briefen der Heldinnen" angefangen? Ich bin leider noch nicht dazu gekommen.


    Viele Grüße


    Tom