Beiträge von Sir Thomas

    Hat einer von Euch das lyrische Werk Melvilles (z.B. Battle Pieces und/oder Clarel) gelesen? Interessieren würde es mich schon - und sei es nur, um zu sehen, welchen Standpunkt Melville zwischen den beiden US-Großlyrikern Poe und Whitman einnimmt.


    LG


    Tom


    Sein Klavierwerk ist schon phänomenal ...


    ... vor allem, wenn man bedenkt, wie er schon als rotzfrecher Jüngling ein provozierendes Meisterwerk nach dem anderen aus der Taufe gehoben hat (z.B. Papillons op. 2, Carnaval op. 9, Fantasiestücke op. 12). Andere haben sich langsam an ihre wilden Phasen herangetastet. Schumann kam, sah und siegte im Handumdrehen - was viele seiner Zeitgenossen sprachlos machte.


    ... nicht nur bei den Klavierstücken, sondern auch in seiner Kammermusik und in den Symphonien ist Brahms ein ganz Großer.


    Natürlich. Vieles von Brahms ist großartig, aber nicht immer lyrisch. Mein vorheriger Beitrag hat sich auf das Lyrisch-Liedhafte in Brahms Werk konzentriert. Wenn man das Gesamtwerk nimmt, stimme ich Deiner Auswahl



    Klavierquintett in f-moll ... Klavierkonzerte ... Violinkonzert ...


    zu.


    LG


    Tom

    Schön, dass es hier einen alten Brahms-Ordner gibt!



    Lied und Lyrik, hier verschmelzen zwei Kunstformen...


    Das ist richtig, wobei Brahms nicht des Liedes bedurfte, um "lyrisch" zu sein. Ich höre gerade neben der Arbeit seine späten Klavierwerke (op. 116 - 119), die ausnahmslos in die Kategorie "lyric pieces" gehören, auch wenn sie so nicht genannt werden. Das Lyrische, Liedhafte war aber nicht nur für den späten Brahms typisch, sondern für fast alle (Spät)Romantiker. Vor allem der von mir geschätzte Edvard Grieg hat sich verstärkt der lyrischen Klavierminiatur gewidmet, wenn auch nicht auf einem derart intellektuellen Niveau wie sein Zeitgenosse Brahms. Wer das verdichtete Klavierstück mag, sollte sich sowohl Brahms als auch Grieg nicht entgehen lassen.


    LG


    Tom


    Unser Lichtwikinger, den ich anscheinend in dem ersten Buch viel zu ernst genommen habe, macht weiter seine jugendlichen Fehler, erkennt nicht seinen Egozentrismus und sucht in jeder ihm wichigen Frau das Trostpflaster.


    Das stimmt. Unser Held entwickelt sich kaum weiter. Er lebt zunehmend in einem aus Bruchstücken zusammengeflickten Kosmos ohne (Erlösungs-)Hoffnung. Das klingt zunächst nach nacktem Atheismus, wären da nicht der stark ausgeprägte Zug pantheistischer Naturverbundenheit und der Glaube, göttliche Offenbarungen empfangen zu haben. Schließlich sieht Olafur in der Kunst eine unabhängige zweite Welt, die er über das tägliche Treiben der Menschen stellt. Vom normalen Leben entfernt er sich mehr und mehr. Er merkt nicht einmal, das er ohne seine Umgebung schlicht verhungern und erfrieren würde. Als er dies schlagartig erkennen muss, stürzt er in abgrundtiefe Verzweiflung.

    Mit anderen Worten: Bis zum Ende des zweiten Buchs werden wir Zeuge einer recht zweifelhaften, weil illusionären und immer wieder scheiternden „Entwicklung“ unseres Helden Olafur.


    Ich habe mittlerweile das dritte Buch begonnen.


    Mir fielen bisher nur die vielen Lichtmetaphern auf.


    Die Spielereien mit Lichtmetaphern sind kaum zu überlesen, was mich angesichts des Werktitels nicht sehr erstaunt.


    Ich komme momentan kaum voran, habe am Wochenende nur die letzten Seiten des zweiten Buchs geschafft. Diese Woche wird arbeitsintensiv, so dass ich wohl gerade mal Eure letzten Kommentare lesen und reflektieren kann.


    LG


    Tom


    Kannst Du etwas über diese bibliophilen Ausgaben von Friedemann und Tonio Kröger sagen? Wie sind sie ausgestattet? Und enthalten sie auch andere Novellen (der Friedemann, wenn ich es richtig sehe, war ja eine Novellensammlung)?


    Es handelt sich jeweils um gebundene, kleinformatige Ausgaben mit dem ursprünglichen Buchcover der Erstveröffentlichung. "Friedemann" war eine Novellensammlung (1898), aber in meiner Nostalgieausgabe fehlen die anderen Geschichten.



    Leitet sich Dein Forumsname von dem Lübecker Kaufmannssohn ab? :zwinker:


    Nein. Ich heisse Thomas (englisch ausgesprochen, ich akzeptiere jedoch auch die deutsche Variante). Die Mehrzahl meiner Mitmenschen nennt mich schlicht Tom, und was den "Sir" anbelangt - naja, mach Dir mal Deine Gedanken über meine Herkunft etc. ... :zwinker:

    in diesem Jahr wohl nicht mehr. Jedoch kommen die großen Romane Thomas Manns in der Fassung der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe erstmalig in Taschenbuchformat heraus ...


    Interessant, danke! Da die TB aber anscheinend ohne die Kommentare aufgelegt werden, sind sie für mich eher uninteressant. Wegen einiger Kommaverschiebungen werde ich nicht hektisch und nervös. :zwinker:


    Außerdem hoffe ich immer noch auf einen bibliophilen "Tod in Venedig" - vergleichbar mit den schönen Jubiläumsausgaben des "Kleinen Herrn Friedemann" und "Tonio Kröger". Mal sehen, die Hoffnung stirbt nie.


    LG


    Tom

    In diesem Jahr wird "Der Tod in Venedig" 100 Jahre alt. Ich rechne fest mit einer bibliophilen Neuauflage. Wenn jemand diesbezüglich etwas erfährt, freue ich mich auf einen Hinweis. :smile:


    ... der Begriff Schloss kommt ja trotzdem vor. Allerdings passt es nicht in den Zusammenhang, den du aufstellst. Ich glaube eigentlich auch nicht, dass Laxness trotz seines Intelektualismus auf Kafka anspielt ...


    Hallo finsbury,


    welchen Zusammenhang meinst Du? Schloss und Kafka? Den habe nicht ich hergestellt. Ich glaube nur, dass Laxness Kafka wohl gekannt hat.


    Themenwechsel. Laxness' Schilderungen der Natur sind grandios und von tiefer Ehrfurcht vor der Weite und Ödnis isländischer Landschaften geprägt. Mich würden solche Szenerien vermutlich zutiefst melancholisch machen, was aber immer noch besser ist als die durch heimische Nadelwälder hervorgerufene hundsgemeine Depression. :breitgrins:


    Berge, Gletscher, das Meer, insbesondere jedoch der Himmel erscheinen dem jungen Poeten als erhabene Phänomene. Eine bestimmte Bucht, ein Strand, eine Wiese unterhalb der Berge: Jeder Ort ist für ihn aufgeladen mit Spiritualität und der Möglichkeit, tiefe Einblicke in die eigene oder allgemeine menschliche Existenz zu gewähren. Etwas ähnliches habe ich nur aus den Versen Walt Whitmans, den etwas zu schwärmerisch geratenen Essays von Ralph Waldo Emerson und aus Melvilles „Moby Dick“ in Erinnerung. Ob Laxness diese Autoren kannte? Zumindest Melville dürfte ihm doch wohl ein Begriff gewesen sein.


    Neben optischen Natureindrücken spielen akkustische Wahrnehmungen eine Rolle. Kein Wunder, denn Laxness liebte Musik. Sie symbolisierte für ihn eine höhere Welt, die aus immateriellem Stoff gewoben ist und etwas anderes offenbart als die sichtbaren Erscheinungen (so sein Biograf). Die Sprache bedient sich wohl deshalb regelmäßig aus der Welt akkustischer Wahrnehmungen und Aktivitäten (Der Klang der Offenbarung ...; … der spätsommerlichen Stille ... lauschen; ... Erinnerung an die Klänge, die verhallt waren).


    Ich nähere mich dem Ende des 2. Buchs.

    Entschuldigt, dass ich mal eben durch den Lieferanteneingang eintrete. Aber das "Hohelied auf die humanistische Bildung" kann ich beim besten Willen in diesem Werk nicht erkennen. Woher nimmst Du diese Interpretation?



    Mir scheinen doch die junge Cathy und der junge Earnshaw? doch ein daurchaus glückliches Päärchen zu sein, nachdem er die Freundschaftsbeweise seiner Freundin erst angenommen hat und Heathcliff endlich begraben ist. Immerhin kommen sie sich doch erst näher, indem Cathy nicht ablässt, ihm das Lesen beibringen zu wollen.


    Hallo meier,


    das überzeugt mich nicht wirklich, aber ich möchte Dir Deine Lesart natürlich nicht nehmen. Vielleicht kommen wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal darauf zurück, denn "W. Heights" habe ich als wirklich fulminant gutes Stück Literatur abgespeichert. Schade, dass ich an Eurer Runde nicht teilnehmen konnte.



    Ich gehe davon aus, dass die Lektüre nicht pornografischen Inhalts gewesen ist. :rollen:


    Du sprichst in Rätseln ... :breitgrins:

    Poesie in rauher Sphäre


    Island ist ein rauhes, kaltes und karges Land. Vielleicht befördert gerade diese unwirtliche, mit natürlichen Reizen geizende Umwelt den Hang der Menschen zu Dichtung und Poesie – allerdings zu einer sich kämpferisch gebenden, bodenständigen: „Wer glaubt, die Schönheit sei etwas, das er allein für sich selbst genießen kann, indem er andere Menschen im Stich lässt und die Augen verschließt vor dem menschlichen Leben, an dem der teilhat – er ist kein Freund der Schönheit. … Wer nicht an jedem Tag seines Lebens bis zum letzten Atemzug kämpft gegen die Handlanger des Bösen, gegen die lebenden Symbole des Häßlichen, … der lästert Gott, wenn er das Wort Schönheit in den Mund nimmt.“ (S. 267) Das ist die definitive Absage an jegliches l'art pour l'art - und letztlich auch an die Träume des weltfremden Olafur.


    ... mit dem Titel "sommerschloss" für den zweiten Band ...


    Hm, mir fällt soeben auf, dass der Titel des zweiten Bandes in meiner Übersetzung "Das Schloß des Sommerlandes" lautet. Von einem Sommerschloß ist nicht die Rede. @ finsbury: Hast Du eine andere Übersetzung (meine stammt von H. Seelow), oder hast Du aus dem Gedächtnis zitiert?


    Mittlerweile weiß ich auch, was der Isländer unter "Sommerland" versteht: das Paradies, in das der gute Christ nach seinem Tod eingeht. In einem kalten Land wie Island ist diese Vorstellung natürlich verlockend.


    LG


    Tom


    ... manchmal könnte man glauben, dass Laxness mit dem Titel "sommerschloss" für den zweiten Band auf Kafkas Roman anspielt, aber der war Ende der Dreißiger glaube ich noch gar nicht sehr bekannt, wenn überhaupt veröffentlicht?


    Gute Idee! Kafkas Schloß wurde schon 1926 von Max Brod veröffentlicht. Ich meine auch zu wissen, dass der posthum publizierte Roman durchaus zur Kenntnis genommen wurde, zumindest von Intellektuellen wie Laxness.

    In einer Rede an der Universität von Chicago im Jahr 1950 (später publiziert unter dem Titel: Meine Zeit) nennt Thomas Mann die "Betrachtungen ..." eine donquijoteske … Verteidigung romantischer Bürgerlichkeit. Es handele sich mehr um einen Experimental- und Bildungsroman und um eine Erkundung der konservativ-nationalen Sphäre als um ein politisches Manifest. Interessant - und vermutlich trotz aller Vorbehalte lesenswert.