Beiträge von Zefira

    Argh, ich fürchte, irgendwo habe ich den Faden verloren. Wo wohnt Oblomow eigentlich, während er mit Olga verkehrt?
    Die alte Wohnung ist geräumt, die Möbel sind bei Tarentjews Verwandtschaft, aber die Räume nicht eingerichtet, er ist anscheinend in einer "Datsche", die er jetzt verlassen muss - wie ist er dorthin geraten? Ich muss noch mal zurück ...

    PS: Habe den Anschluss wiedergefunden. Nun wohnt Oblomow in der Wohnung, die Tarantjew ihm besorgt hat. Bei seinem zweiten Auftritt hat Tarantjew es nun auch mit mir endgültig verdorben. Ein Ekelpaket sondergleichen, Oblomow hätte ihn vierkant rauswerfen sollen.
    So langsam zeichnet sich auch ab, was Oblomows Schicksal sein wird.
    Übrigens lese ich die Haushaltsszenen sehr gerne, wenn es zum Beispiel um die Piroggen geht. Ich liebe solche Schlaglichter auf Kleinigkeiten aus der Haushaltsführung vergangener Zeiten; wie zum Beispiel Wäsche gebügelt wird, ein Webstuhl vorbereitet, Brot gebacken ...

    "Nichts als die Nacht" kann man in einem Tag lesen, es ist nur etwas über hundert Seiten lang. Allerdings literarisch nicht gerade ein großer Wurf. Die Perlentaucher-Kritiken, die ich wohlweislich erst hinterher gelesen habe, bestätigen dies. Ein Erguss eines zornigen jungen Mannes mit Adjektivitis. :S

    Heute habe ich mir "Nichts als dEie Nacht" von John Williams aus der Onleihe geladen, ein kleines Buch (Novelle) mit nur 110 Seiten.

    Bis jetzt (habe ein Drittel gelesen) nichts weiter als die penibel genaue Schilderung eines Tages im Leben eines jungen, offenbar gut situierten Nichtstuers (jedenfalls tut er bisher nichts). Im Hintergrund baut sich ein düsteres Familiengeheimnis auf, das sicher noch enthüllt werden wird; irgendwas mit dem Vater. Der Vater heißt interessanterweise Hollis Maxley (in "Stoner" heißt der Gegenspieler der Hauptfigur Holly Lomax).

    Mir ist auch aufgefallen, dass Oblomows Ideal von einem ruhigen Leben, wie er es Stolz beschreibt, davon gekennzeichnet ist, dass niemand etwas tut, jedenfalls die Männer nicht. Die Frauen machen wenigstens Handarbeiten.

    Dass Stolz nachfragt "Und niemand hat etwas in den Händen?" mutet allerdings auch etwas komisch an. Als ob es ein Beleg für sinnvolle Aktivität ist, etwas in den Händen zu haben.

    Aber es kann natürlich sein, dass ich da schon wieder mit dem Filter der neuen Zeit denke, wo ja Aktivität und Betriebsamkeit - gerade zum Beispiel dieses ununterbrochene Herumreisen - wieder ein wenig in Misskredit geraten. Nach dem Motto "wer nichts macht, macht wenigstens nichts kaputt".

    "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" ist Teil meiner Jugend. Mein Vater mochte Solschenizyns Bücher sehr, sie lagen bei uns im Haus herum und ich habe oft in "Krebsstation" und den Denissowitsch hineingeschaut, ohne wirklich zu verstehen, worum es darin ging; aber ich mochte Iwan mit seiner Zahnlücke total gerne.

    Es ist ja auch eine Eigenart dieses Buches, dass es so locker daherkommt, mit den täglichen kleinen Überlebenskämpfen und Nickligkeiten, und die große Tragik dieser menschenverachtenden Haft immer nur quasi durchschimmert oder im Hintergrund mitschwingt.

    Ich bin richtig traurig über Oblomows Liebesgeschichte (habe gerade Kapitel 7 des zweiten Teils gelesen). Selbstverständlich kann und darf sie ihm keine direkte Liebeserklärung machen - und er kann sich offenbar nicht durchringen, obwohl er eigentlich sicher ist, dass seine Gefühle erwidert werden.
    Ein wunderbar komischer Einschub in diesem Kapitel ist der Abschnitt über Sachars und Anisjas Ehe, wobei Gontscharow anmerkt, dass es wohl in vielen Ehen ähnlich läuft ... Das ist herrlich.

    "Der Tod des Iwan Iljitsch" ist ein immens wichtiges Buch, das ich immer nenne, wenn ich nach meinem Vorschlag für ein Buch gefragt werde, das jede/r lesen sollte.

    Ein kleines Buch von Selma Lagerlöf fällt mir noch ein: Der Fuhrmann des Todes. Es ist eher eine Langerzählung und stark geprägt von Glaubens- und Moralvorstellungen, aber ich möchte es gern anführen, weil ich es als Teenager sehr geliebt und mehrfach gelesen habe. Die Titelfigur ist der letzte Mensch, der im laufenden Jahr stirbt (also Schlag Mitternacht oder Sekunden früher). Er muss das Totenfuhrwerk übernehmen und das kommende Jahr lang die gerade Verstorbenen ins Totenreich fahren, und zwar jeden einzelnen - was bedeutet, dass unsere "Echtzeit" für ihn nicht gilt. Er ist ein gefühltes Leben lang unterwegs und kann den Totenkarren erst wieder abgeben, wenn er in der Silvesternacht kurz vor zwölf den letzten Toten des Jahres fährt; der muss dann die Zügel des Fuhrwerks übernehmen.
    Eine traurige und sehr poetische Geschichte, die ein wenig an Dickens' Weihnachtsgeschichte erinnert; allerdings ohne Dickens' Optimismus.

    Ich muss das mit der Kindheit inzwischen revidieren. Man kann Oblomows Helikoptermutter nicht für alles verantwortlich machen, denn wie Stolz ihm vorhält, war er tatsächlich in seiner Jugend anders.

    Alles, womit sich Oblomow beschäftigen sollte - der Brief seines Verwalters, seine Bücher, seine Studien, liegt "in irgendeiner Ecke", und Stolz redet auf ihn ein: "'Das ganze Leben ist Denken und Arbeit', hast du damals behauptet. 'Die Arbeit mag unbekannt bleiben, unansehnlich sein, darf aber nicht unterlassen werden, damit man in dem Bewußtsein sterben kann, sein Werk getan zu haben.' Wie? In welcher Ecke liegt das?"


    Dieser Dialog ist wirklich höchst eindringlich gestaltet. Man muss sich aber schon fragen, was mit Oblomow in der Zwischenzeit passiert ist. Das Lebensideal, das er Stolz vorphantasiert, mit gemütlichem und untätigem Spazierengehen und Herumsitzen von einer Mahlzeit zur nächsten, hat mit den Idealen seiner Jugend nichts zu tun.

    Nachdem ich gestern das lange, großartig zugespitzte Gespräch zwischen Stolz und Oblomow (Teil II, Kapitel 4) gelesen habe, bin ich nicht mehr so sicher, welche Lebensauffassung die "bessere" ist - ob Oblomow mit seiner "Oblomowerei" (das Wort fällt hier zum ersten Mal) nicht doch recht hat.


    Immerhin hat diese quirlige Betriebsamkeit, wie Stolz sie vorlebt, in unseren Zeiten auch nicht mehr den besten Ruf. Diese Sucht, sich umzutun, tun und machen und verändern, bringt unsere Industriegesellschaft gerade an den Rand des Ruins. Oder? Ein wenig mehr Oblomow täte uns allen gut.

    Jedesmal, wenn es heißt, dass Oblomow in Gedanken einen "Musterplan" für seine Lebensgestaltung ausarbeitet, lese ich "Masterplan".


    Er liegt in einer offensichtlich verdreckten Wohnung auf dem Sofa, hat sich nach eigener Aussage noch nie in seinem Erwachsenenleben selbst die Strümpfe angezogen und fällt der Verfettung anheim, obwohl (oder weil?) er nicht mal anständiges Essen bekommt. Und obwohl er sich das Leben auf dem Land in den schönsten Farben ausmalt und ohnehin umziehen müsste, bringt er es nicht über sich, dorthin zurückzukehren. Sein Einwand gegen jede Veränderung besteht in dem Satz "Aber wann soll man leben?" (Mich erinnert das an Zola, der in mehreren seiner Romane leitmotivisch verkündet: "Leben heißt tätig sein.")


    Interessant finde ich aber, dass er keineswegs ziel- und zwecklos vor sich hinträumt, sondern in seiner Phantasie Kämpfe und Konflikte ausficht, er "veranstaltet Kreuzzüge", zerstört Städte, verurteilt und begnadigt und steigert sich derart hinein, dass er sich unruhig auf dem Sofa umherwirft, die Arme streckt, manchmal sogar aufsteht ... und dann doch völlig erschöpft liegen bleibt. Das hat schon krankhafte Züge.

    Bin fertig und weiß jetzt, warum das Buch "Drei" heißt. Sehr empfehlenswertes kleines Buch mit mindestens zwei sehr überraschenden Wendungen.
    Jetzt aber zurück zu Oblomow aufs Sofa. 8)

    Hier folgt das nächste Kafka-Kuriosum (ohne Garantie für Korrektheit aus einer Literaturgruppe abgefischt):


    Sehr geehrter Her Rohwolt! (sic!)

    Hier lege ich Ihnen die kleine Prosa vor, die Sie zu sehen wünschten; sie ergibt wohl schon ein kleines Buch. Während ich sie für diesen Zweck zusammenstellte, hatte ich manchmal die Wahl zwischen der Beruhigung meines Verantwortungsgefühls und der Gier, unter Ihren schönen Büchern auch ein Buch zu haben. Gewiß habe ich mich nicht immer ganz rein entschieden. Jetzt aber wäre ich natürlich glücklich, wenn Ihnen die Sachen

    auch nur soweit gefielen, dass Sie sie druckten. Schließlich ist auch bei größter Übung und größtem Verständnis das Schlechte in den Sachen nicht auf den ersten Blick zu sehen. Die verbreitetste Individualität der Schriftsteller besteht ja darin, dass jeder auf ganz besondere Weise sein Schlechtes verdeckt.
    Ihr ergebener:

    Dr Franz Kafka

    (Kafkas Brief vom 14.8.1912 an den Verleger Ernst Rowohlt(!), der Kafkas erstes Buch "Betrachtung" veröffentlichte)

    Ich habe mir "Drei" von Dror Mishani aus der Onleihe geholt, weil es in einem anderen Forum sehr gelobt wurde.
    Von Mishani kenne ich bisher nur Krimis (ebenfalls drei an der Zahl), dir mir gut gefallen haben. "Drei" ist - bisher jedenfalls - eine spannungsgeladene Beziehungsgeschichte um eine geschiedene Frau, ihren wiederverheirateten Ehemaligen und einen undurchschaubaren Liebhaber. Vielleicht heißt das Buch deshalb "Drei", ich habe allerdings erst ein Drittel gelesen.

    Ich habe Tarantjews ersten Auftritt gestern abend gelesen und finde ihn nicht ganz so unerträglich. Gut, er hat ein unglaublich unverschämtes Auftreten, aber solche Menschen gibt es in der Literatur zuhauf und oft - gerade in der modernen Literatur - sind sie die Helden der Geschichte. Das ganze moderne Krimigenre zum Beispiel wird dominiert von erfolgreichen Ermittlern, deren Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen unter aller Sau ist.


    Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Ich lasse mich also überraschen. Obwohl ich bezweifle, dass Oblomow ausziehen wird.


    Ich habe das Buch vor langer Zeit schon mal gelesen, aber anscheinend alles vergessen. Es geht bei mir auch nur sehr langsam vorwärts, weil ich nebenher noch zwei andere Bücher lese.

    Die Art, wie Oblomows Aussehen beschrieben wird, erinnert mich an den Film "Small World" mit Gérard Depardieu als Alzheimerpatient. Im Lauf des Films baute er mehr und mehr ab, in der Schlussszene, die bei einer Beerdigung spielte, schien er keinen "Grund" mehr zu haben. Sein Ausdruck war unbekümmert, Gedanken und Empfindungen zogen so flüchtig über sein Gesicht wie Wolken über den Himmel, oder wie bei einem träumenden Baby.


    Ich habe noch eine dritte psychiatrische Diagnose anzufügen: krankhafte Prokrastination oder auf neudeutsch: Aufschieberitis. Dieses wiederholte "gleich fange ich an", immer wieder das Bein Richtung Pantoffel ausstrecken und dann doch liegen bleiben ... er bekommt im wahrsten Wortsinn kein Bein auf den Boden. Dabei interessiert es ihn ja schon, was die anderen so machen, er mag nur nicht mitmachen. Wenn er einen Computer hätte, würde er vermutlich den ganzen Tag auf Facebook und Instagram herumdaddeln.

    Ja, das habe ich mir auch gedacht. Vor allem das Ende der Geschichte, mit dem in der Puppe versteckten Brief, klingt reichlich überspannt.

    Ein weiteres Kafka-Kuriosum ist die Geschichte der "Puppenbriefe".

    Danach soll Kafka etwa ein Jahr vor seinem Tod in Berlin einem Mädchen begegnet sein, das seine Lieblingspuppe verloren hatte. Um das Kind zu trösten, behauptete Kafka, die Puppe habe verreisen müssen und werde dem Mädchen schreiben. Fortan schrieb Kafka selbst für das Mädchen eine Anzahl Briefe, die angeblich von der Puppe stammten und von der Reise berichteten.

    Die Briefe sind niemals aufgetaucht. Dora Diamant soll die Geschichte nach Kafkas Tod irgendjemandem erzählt haben - nichts Genaues weiß man nicht. Siehe hier bei Mimikama , wo auch eine sehr niedliche Illustration zu der Geschichte zu sehen ist.

    Och, der Cospudener See ist doch richtig schön. Wir laufen da jedes Mal, wenn wir dort sind. Im Sommer fahren wir mit dem Wohnmobil hin und wohnen auf dem Campingplatz Auensee, auch ein sehr schöner naturnaher Winkel, wo man abends stundenlang dem vielfältigen Vogelgesang zuhören kann.

    Ich meine mich übrigens zu erinnern, dass es in der Fußgängerzone mal drei Buchantiquariate nebeneinander gab, aber vielleicht täuscht mich die Erinnerung - zwei nebeneinander liegende gibt es auf jeden Fall, und zwar richtig große. Ich gehe jedes Mal rein, wenn ich vorbeikomme.

    Nicht zu vergessen die schöne Cafészene.

    Und ja, die Freundlichkeit der Menschen fällt auf.