Beiträge von Zefira

    Kapitel 4 hat mich nicht wenig geärgert, was Jürges' Verhältnis zu seiner Frau betrifft. Auch wenn Kielland als Autor keine eigene Meinung äußert, schimmert doch deutlich durch, dass seine Frau, die körperlich zart war und künstlerische Interessen hatte, durch die Anforderungen der Ehe buchstäblich gebrochen wurde; sogar ihre alten Freundinnen erkennen sie nicht wieder. Dass er ihr auch noch vorwirft, sie habe kein Verständnis für ihn, schlägt dem Fass den Boden aus.


    Kapitel 5 besteht aus einem Brief des Sohnes Johannes an seinen Vater: Er zeigt seine Verlobung mit einem "jungen und lieblichen Weib" an, der Tochter einer wohlhabenden und geachteten Familie. Wenn er sie wirklich heiraten kann, macht er eine glänzende Partie. Doch es sind einige Schwierigkeiten zu überwinden, vor allem gibt es einige Freigeister in der Familie, die es "als eine Art milden Blödsinns" ansehen, gläubig zu sein, und leider ist auch Johannes' Braut von diesem "modernen Unwesen" nicht ganz unberührt.

    Leider hat sie ihm das Versprechen abverlangt, dass er nicht Priester wird - und er hat es ihr im Überschwang seiner Werbung zugesagt, obwohl er jetzt gern davon abrücken möchte ... So ehrerbietig der Brief formuliert ist, so scheint doch deutlich durch, dass Johannes von der gleichen Selbstgerechtigkeit durchdrungen ist wie sein Papa. Er wird seine Braut schon dazu bringen, seine Denkweise anzunehmen, wenn man ihn nur lässt und der Papa ihm mit Rat zur Seite steht. Hm.

    Bei Gutenberg.org, wo ich das englische Original her habe, ist das Buch als "The Jacket (Star-Rover)" gelistet. Im Ebook steht der Vermerk "transcribed from the 1915 Mills & Boon edition by David Price".
    Das wäre also die UK-Version, und sie ist, wie gesagt, um mehrere Kapitel länger als die deutsche, enthält u.a. ein Kapitel, das an einem asiatischen Kaiserhof spielt.
    Weiter: In der englischsprachigen Wiki ist das Titelbild der allerersten Ausgabe "The Star-Rover" (mithin die US-Version) abgebildet mit einem Paar in chinesisch/fernöstlich inspirierter Kleidung. Diese Abbildung hat zu der gekürzten deutschsprachigen Version, die ich kenne, keinerlei Bezug.

    Ich schließe messerscharf, mein lieber Watson, dass sowohl "The Jacket" als auch "The Star-Rover" mindestens dieses in der deutschen Version fehlende Kapitel enthalten.
    Warum es aus der Version im deutschen Gutenerg-Projekt herausgekürzt wurde, weiß ich nicht. Wie erwähnt habe ich auch mal eine deutsche Version des Buches in der Hand gehabt, die jedenfalls dieses fehlende China-Kapitel enthält. Leider hat meine Freundin, die mir das Buch damals lieh, es nicht mehr finden können; sie ist inzwischen mehrmals umgezogen und hat es vermutlich nicht mehr. Es gab also auch mal eine vollständige deutsche Ausgabe - ich weiß nur nicht, welche das war, sonst würde ich sie gezielt bei findmybook suchen gehen.

    Ich fürchte auch, dass es genau an dem ist, und bin froh, nicht auch noch "Martin Eden" dazu bestellt zu haben.
    Wenn ich mal wieder in Leipzig bin, werde ich meine Lieblingsantiquariate durchsuchen. Leider kann ich niemanden bitten, für mich auf die Suche zu gehen (meine ältere Tochter wohnt zb in Leipzig), da die Übersetzungen zum Teil keine Kapiteleinteilungen haben und der Abgleich, ob man es mit einer vollständigen Ausgabe zu tun hat, eine mühsame Geschichte wäre. Ich sollte mir das Thema einfach aus dem Kopf schlagen. Nur gehöre ich nicht zu den Leuten, die das gut können; wenn ich mich auf ein bestimmtes Buch gespitzt habe, lässt es mir keine Ruhe mehr.

    In einem anderen Forum hat mich ein Mitglied auf den Verlag "Literatur und Wissenschaft" (LiWi-Verlag) aufmerksam gemacht, der einige Klassiker im Programm hat, darunter auch "Die Zwangsjacke".
    Ich habe mich an einen befreundeten Buchhändler gewandt, um mehr über den Verlag zu erfahren, aber er wusste auch nichts; nur dass der Verlag die Bücher als BoD druckt, also - warnte er mich - wahrscheinlich "nicht besonders schön". Ich habe das Buch trotzdem bestellt, es war nicht teuer. "Vollständige Neuausgabe" heißt es auf der Verlagsseite. Tatsache ist aber, der Text ist der gleiche wie bei Gutenberg, es fehlen mindestens zwei komplette Kapitel mit längeren Binnenerzählungen.
    Ich hoffe, das Buch zurückschicken zu können. Bin sehr enttäuscht.
    Wo ich jetzt eine wirklich vollständige Ausgabe herbekommen soll - keine Ahnung. Am besten raffe ich den Rest Schulenglisch zusammen und lese das Original.

    Wenn Dich das Thema interessiert, empfehle ich auch Heinrich Manns Bücher über Henri IV. Das ist zwar ein gewichtiger Brocken Literatur - ganz anders als Dumas -, aber sehr interessant und eigenwillig geschrieben. Ich bin darauf gekommen, als ich Wolfram Fleischhauers Roman "Die Purpurlinie" gelesen habe. Fleischhauer vermerkt (soweit ich mich erinnere) ausdrücklich, dass er große Teile des Romans gar nicht selbst geschrieben, sondern aus zeitgenössischen Quellen abgekupfert hat, und seine Charakteristik des Königs speist sich wohl hauptsächlich aus Heinrich Manns Roman, den er als großartiges Werk herausstreicht.

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    Und ich beginne heute mit der dicken Schwarte von Dumas père "La reine Margot", zu deutsch "Die Bartholomäusnacht",

    Da habe ich vor etlichen Jahren gelesen, unter dem Eindruck der großartigen Verfilmung mit Isabelle Adjani und Vincent Perez. Mach Dich auf pralles Lesefutter gefasst. 8)

    Das dritte Kapitel führt in die Persönlichkeit des Pfarrers ein. Ein offenbar weltgewandter, gut aussehender Mann, dem "als Sohn eines hochstehenden Geistlichen" eine Karriere in der Hauptstadt offensteht. Statt dessen lässt er sich aufs Land versetzen - "ihm gefiel die neue Auffassung des Volkes gut".

    Allerdings scheint er auch von einer gewissen Hybris geplagt zu sein, wenn er etwa denkt, dass er unbedingt einer Rezension über ein viel beachtetes neues Buch an die Zeitung schicken müsse, denn "schwieg er jetzt, dann mochten die literarischen Begriffe vieler Menschen - vornehmlich unter der Jugend - sich verwirren". Vornehmer Gedanke, in einer abgelegenen Bauernkate sitzend der Erzieher der Nation werden zu wollen!

    Nachdem er nun festgestellt hat, dass aus ihm "ein vertrockneter bäurischer Pfarrer" zu werden droht und er sich nicht länger erlauben kann, so zurückgezogen zu leben, meldet er sich zum Dienst in einer großen, weiter südlich gelegenen Pfarre an, wo ihm nun prompt das Missgeschick mit dem geschlagenen und nicht abtransportierten Bauholz passiert.
    Ich weiß noch nicht recht, ob er mir sympathisch ist oder nicht. Dass die Eitelkeit seine "Schoßsünde" ist - ich habe das Wort nachgeschlagen, es bedeutet offenbar so etwas wie Lieblingssünde - scheint mir sehr wahr gesprochen.

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    Gibt's die beim so genannten "Profi" nicht?

    Keine Ahnung, damit kenne ich mich noch weniger aus als mit Buchbloggern.
    Ich habe in meinem Blog mit mörderischer Freude zwei oder drei (Krimi-)Verrisse geschrieben, aber ich hatte keine Leseexemplare. Nach längerer Überlegung habe ich für mich entschieden, dass ich mich aus genau diesem Grund nicht zur Buchbloggerin eigne. Ich habe zu viel Spaß am Schreiben vernichtender Kritiken.

    Ich kenne mich mit Buchbloggern sehr wenig aus (habe zwar selbst jahrelang gebloggt und auch über Bücher geschrieben, aber auch über viele andere Themen). Ist es bei Buchbloggern nicht so, dass sie Rezensionsexemplare vom Verlag bekommen?
    Dann kann ich nämlich verstehen, dass da eine gewisse Hemmschwelle besteht, ein Buch zu verreißen. Ich mache ja manchmal Vorableserunden mit, und da melde ich mich auch nur, wenn ich halbwegs sicher bin, dass mir das betreffende Buch gefallen wird und ich es nicht in Grund und Boden kritisieren muss.

    Wenn ich selbst überlege, mir ein Buch zu bestellen, und vorher zur Info ein paar Rezensionen lese, rufe ich allerdings immer die Verrisse auf, bei Amazon zum Beispiel. Meistens erfährt man aus einem ausführlichen Verriss nämlich mehr über das Buch, als wen man die Begeisterungsausbrüche anderer Leser liest. :P

    "Ein Nashorn für den Papst" ist nun auch geschafft.
    Ich hatte streckenweise sehr viel Freude an der Lektüre (ich kannte das Buch bereits), dann wieder, und vor allem jetzt am Schluss, fragte ich mich manchmal, wie dieser überdrehte Wortschwall eigentlich gelesen werden soll. Meine ältere Tochter, die selbst zu ihrem Vergnügen schreibt, nennt diese Schreibweise "Infodump" - der Leser wird zugedonnert mit Wichtigem und Unwichtigem in inniger Vermischung, bis man sich überhaupt nicht mehr auskennt.

    Es war nett, aber jetzt möchte ich mal wieder was Schlichtes und neudeutsch "Straightes" lesen.

    Ich bin gerade fertig geworden mit dem zweiten "modernen" Buch auf meiner diesjährigen Leseliste, "Ein Nashorn für den Papst" von Lawrence Norfolk. Es war schon die Zweitlektüre, ich habe das Buch im alten Jahrtausend schon einmal gelesen. Vermutlich habe ich von dem sehr verwickelten Plot damals einiges nicht verstanden, jedenfalls kam mir beim zweiten Lesen einiges neu vor. Norfolk stützt sich auf eine Anekdote über den Papst Leo X., die bei Wiki nachzulesen ist: Der Papst hatte in seinen Gärten im Vatikan einen Elefanten namens "Hanno", ein Geschenk des portugiesischen Königs. Als Gefährten für Hanno ließ der König dem Elefanten ein Nashorn folgen, das aber die Seereise nicht überlebte und dem Papst in ausgestopfter Form übergeben wurde. Norfolk strickt um diese Episode einen Roman mit über 800 eng bedruckten Seiten, lässt eine Vielzahl von Personen auffahren und bombardiert den Leser mit derart vielen Seitensträngen und Einzelheiten, dass es schwer fält, den Hauptfaden im Blick zu behalten. Das erste Kapitel mit dem Schauplatz Usedom ist vergleichsweise beschaulich und ernsthaft, das zweite und längste Kapitel mit dem Schauplatz Rom dagegen in einem, wie ich finde, stellenweise unangenehm flapsigen Ton geschrieben (ausführliche Sexszenen, ein Spuckwettbewerb u.ä. werden in allen Einzelheiten ausgebreitet). In der Folge geht es auf eine Seereise zum Zweck des Nashornfangs; hier wird es wieder ernsthafter, der Ton mehr lyrisch bis märchenhaft. Ein neues Wimmelbild von Rom (Ablieferung des ausgestopften Nashorns) schließt sich an, bis wir wieder in Usedom ankommen.

    Ich würde es nicht gerade ein tolles Buch nennen - meiner Meinung nach ist es wirklich zu lang -, aber es hat viele schöne Momente und lesenswerte Szenen. Was es nicht hat, ist eine richtige Sympathiefigur. Eigentlich sind fast alle Personen irgendwie überkandidelt bis völlig hysterisch.

    Ja, ich habe beim Lesen auch an die heutigen Wetterkommentatoren gedacht, die bei jedem Platzregen von "sintflutartigen Regenfällen" sprechen.

    Was Lustiges: Heute abend haben meine Tochter (die noch ein paar Wochen hier ist, ehe sie wieder nach Riga abreist) und ich einander Goethe-Gedichte vorgelesen. Darunter auch "Wanderers Sturmlied" (sie liest gerade Safranskis Goethe-Buch und wir sprachen darüber, was der Anlass dieses Gedichts war).

    Bei folgender Strophe


    Den du nicht verlässest, Genius,
    Wirst ihn heben übern Schlammpfad
    Mit den Feuerflügeln.
    Wandeln wird er
    Wie mit Blumenfüßen
    Über Deukalions Flutschlamm, ...


    ... konnte ich vor Lachen nicht weiterlesen. Ich habe nämlich das Wort "Flutschlamm" an der falschen Stelle getrennt. "Flutsch-Lamm".


    Es war richtig schlimm. Ich habe mich fast nassgemacht vor Lachen.

    Zitat

    Ich kann gern Kapitel zwei übernehmen. Mein Zweifel ist nur immer nicht zu viele Spoiler in die Beiträge mithereinbringen.

    Ich hatte diese Frage hier auch schon mal und dann festgestellt, dass man In dieser Beziehung hier sehr entspannt ist, wir sind ja nicht in einem Krimiforum. Du kannst gern Inhalte aus dem Buch im Forum wiedergeben.

    Für mich ist der Reader gerade auf Reisen eine Riesenerleichterung gegenüber früher. Schlechtes Licht im Bus ist kein Problem mehr, ich kann sogar nachts auf dem Beifahrersitz lesen, ohne den Fahrer zu stören. Auch das Gewicht der Lektüre ist kein Problem mehr, wenn man etwa im Wohnmobil oder gar im Rucksack Lesestoff dabei haben will.

    Daheim auf dem Sessel lümmelnd habe ich immer noch lieber ein "richtiges" Buch, aber der Reader ist schon eine tolle Erfindung ...


    ps. Eben habe ich aus gegebenem Anlass mich mal wieder ein wenig mit dem "Codex Seraphinianus" beschäftigt und diesmal sogar nach käuflichen Ausgaben gegoogelt. Dabei mit Staunen festgestellt, dass es auch eine Kindle-Ausgabe davon gibt. Warum man sich so etwas zulegen sollte, kann ich allerdings nicht begreifen, bei aller Liebe zum Reader.
    (Für Interessierte: Hier gibts ein .pdf davon. Wer es nicht kennt, sollte vor dem Aufrufen ein "Zeitfenster" sicherstellen. :P )

    Befreiung ist nicht unbedingt das Therapieziel. Wichtig ist der offene Umfang mit der Sucht und Aufklärung der Öffentlichkeit. Das Ziel muss sein, dass Büchersucht als echtes und unheilbares Syndrom erkannt wird und es irgendwann in jedem Ortsteil oder Wohnblock Anlaufstellen gibt, wo man sich regelmäßig die überlebensnotwendige Dosis auf Krankenschein abholen kann.

    Das erste Kapitel legt den Schauplatz fest. Wir befinden uns in einer provinziellen Umgebung, die Landschaft ist verschneit und die Menschen rücken in den Häusern zusammen und bleiben unter sich.

    Neuigkeiten werden durch die Zeitung mitgeteilt sowie beim Kirchgang. Weder Zeitung noch Pfarrer ermutigen die Menschen in irgendeiner Form, den ihnen zugewiesenen Platz verlassen zu wollen. Im Gegenteil, was man da zu hören bekommt, wie es in der Welt zugeht - um es auf Neudeutsch zu sagen - törnt eher ab.