Zola hat mich in "Paris" schon mal mächtig befremdet mit der Vorstellung einer Superwaffe, die Frankreich zur Verfügung gestellt werden solle, um endgültig alle Kriege überflüssig zu machen. Nach dieser ungeheuerlichen Hybris wundert mich nichts mehr. In seinem Buch "Das neue Rom" stellt Pierre Froment folgende Überlegung an: Wie seltsam war das neue Gedeihen des Papsttums auf dem von der Französischen Revolution bestellten Acker! Vielleicht verhalf es ihm zur Herrschaft, den es seit Jahrhunderten erstrebt. Denn jetzt steht es dem Volk allein gegenüber; die Könige sind geschlagen, und da das Volk nun frei entscheiden kann, warum dann nicht für das Papsttum?
Zola oder vielmehr Pierre Froment stellt sich einen "christlichen Sozialismus" vor und bemerkt: Offenbar hatte die katholische Kirche grundsätzlich nichts gegen eine Demokratie. Sie brauchte nur zur Überlieferung des Evangeliums zurückzukehren und wieder die Kirche der Niedrigen und Armen zu werden ... Ihrem Wesen nach ist sie demokratisch ...
Ich könnte mir vielleicht eine demokratische Kirche der Niedrigen und Armen vorstellen, aber weder unter einem Papst noch mit dem Anspruch der Weltherrschaft. Keine Ahnung, wie Zola sich hier derart utopisch vergaloppieren konnte. "Lourdes" hat mir von der Städtetrilogie noch am besten gefallen; die beiden anderen Bände sind weder literarisch noch psychologisch besonders geglückte Würfe ...
sandhofer : Entschuldige, ich sehe jetzt erst Deine Antwort, nachdem ich den Beitrag bereits gepostet hatte.
Ja, ich kenne "Lourdes" schon lange und war bei der Lektüre beeindruckt von der Vielfalt der Charaktere, der feinen Psychologisierung und vor allem der Darstellung der Marie, die - von einem offensichtlich psychischen Leiden genesen - unbedingt an ein Wunder glaubt. Ich habe das Buch gelesen, als ich selbst vor Jahren in Lourdes war.
"Paris" habe ich viel später gelesen und auch hier vorgestellt. Es hat ein sehr befremdliches Ende - ich habe das in der Buchvorstellung angedeutet -, aber vieles darin gefiel mir auch, zum Beispiel Zolas Emanzipationsgedanken, die er Marie in den Mund legt.
Ich schrieb oben schon, dass meiner Meinung nach Zola ein gläubiger Katholik war; das geht aus der Städtetrilogie klar hervor - warum schreibt er sonst drei dicke Bände über derartige Themen? Was mich wundert, ist seine Vorstellung einer Erneuerung des Papsttums, die ich schlicht für völlig daneben halte. Entweder ist die Kirche demokratisch, dann aber ohne Papst und Kardinäle. Oder der Papst wird ein schlichter Priester ohne Herrschaftsanspruch, dann aber ist das Amt bedeutungslos. Zola kommt mir vor wie jemand, der den Kuchen gleichzeitig essen und behalten will. Vielleicht mache ich hier auch unzulässigerweise die Gedanken Froments zu denjenigen Zolas - aber m.M.n. ist die ganze Städtetrilogie und nachfolgend auch der Evangelienzyklus darauf angelegt, Zolas Ideen sozialer Reformen zu transportieren.