Elena Ferrante hat eine eigene Website, die ich mir vorhin angeguckt habe. "Lästige Liebe" hat realphantastische Momente, die gegen Ende immer dichter werden, und ich hätte gern gewusst, ob die Autorin diese Erzählweise auch in dem Vierteiler aus Neapel so einhält. Das Buch beginnt mit einer Beerdigung, in der einige sehr groteske Szenen vorkommen, wie Kafka sie ersonnen haben könnte. In der zweiten Hälfte fühlte ich mich aber zunehmend an Phantasten wie Aickman oder Wolfkind erinnert.
Vor allem zeichnet sich aber Ferrante durch etwas aus, was ich für mich privat den Ohrmuschel-Effekt nenne. In einer Anekdote über einen bekannten Schriftsteller - es kann sein, dass es Kafka war - habe ich gelesen, er habe beim Schreiben eines Tagebuchs oder Briefs sein Ohr betastet und genau beschrieben, wie sich das anfühlte. Nun hat wohl jeder schon mal sein Ohr betastet, aber normalerweise schreibt man nicht nieder, was man dabei empfindet. Das, so hieß es in der genannten Tagebuch- oder Briefaufzeichnung, sei Aufgabe des Schriftstellers - in Worte zu gießen (und damit zu definieren, gleichsam zu ordnen - ich weiß nicht mehr, wie es formuliert war), was der Leser/die Leserin "irgendwie" weiß oder kennt. Speziell was die Erlebniswelt von Frauen betrifft, habe ich diesen "Ohrmuscheleffekt" bei Siri Hustvedt angetroffen und nun auch bei Elena Ferrante. Ich möchte unbedingt mehr von ihr lesen; ich schreibe mir das mal fürs nächste Jahr auf - das laufende ist SUB-technisch schon voll, weil ich ja auch die Strudlhofstiege noch auf der Liste habe. 