Beiträge von Zefira

    Von James Ellroy habe ich zwei Bücher gelesen. Das eine gleich danach weggegeben, es war noch im alten Jahrtausend - ich weiß nicht mal mehr, wie es hieß. Das zweite, "Die schwarze Dahlie", fand ich großartig. Allerdings ist mir Ellroy schon wieder zu schnell, zu amerikanisch, zu sehr Rock'n Roll. Mir gefällt die bleischwere Atmosphäre in skandinavischen Polizeikrimis. Die Qualität ist aber auch hier sehr unterschiedlich, sogar innerhalb des Werks von ein und demselben Autor.

    Sponti, lieber Volker, bin ich bereits bei den Krimis, die ich mir ununterbrochen nebenher reinfresse.
    Allein in diesem Monat bin ich bereits beim fünften. Davon erfahrt ihr normalerweise nichts hier im Klassikerforum, aber so ist es ständig bei mir.

    Ich bin auch bei den Krimis nicht unkritisch. Ungefähr jeden vierten lese ich nicht aus (ich hole sie mir meistens aus der Onleihe). Aber grundsätzlich gibt es gegen meine Krimisucht kein Mittel, und dabei mag ich i.d.R. weder die klassischen (habe ich früher viel gelesen) noch die Regionalkrimis, sondern die richtig blutrünstigen, am liebsten skandinavische mit irren Serienmördern und dergleichen (ich hatte zuletzt Nesbø, jetzt Kallentoft - von letzterem nicht die aktuelle Serie, die scheint wirklich nichts zu taugen, sondern ein Buch aus der Serie davor).

    Ich habe von Doderer bisher nur "Ein Mord den jeder begeht" gelesen. Da gibt es auch eine wunderschöne Schilderung von Wutanfällen. Es geht um den Vater der Hauptperson. Das ist ein unorganisierter und unordentlicher Mensch, aber in seiner Unordnung ist doch eine gewisse Konstanz, so dass er sich fürchterlich aufregt, wenn mal jemand bei ihm Ordnung macht, weil er dann nichts wiederfindet. Doderers Schilderung ist voll feiner Ironie.


    edit: giesbert , das Zitat ist köstlich. Danke!


    Nochmal Edit: ich lese gerade hier. Das ist eine Fundgrube!

    "Verkrötung : Zustand, in welchem einer gleichsam auf sich selbst draufsitzt."

    Ich benutze das Wort hiesig überhaupt nicht, egal in welchem Sinn. Ich habe keine Einwände dagegen, aber es gehört einfach nicht zu meinem aktiven Wortschatz.
    Was Du zu "Mädel" schreibst, finsbury , ist allerdings interessant. Auch das ist ein Wort, das ich normal nie benutze (nicht dass ich es für politisch unkorrekt oder was auch immer halte - bei uns ist es einfach nicht üblich). Meine ältere Tochter sagt dagegen immer "Mädel". Ich werde sie mal fragen warum. Schließlich hat sie das Sprechen hauptsächlich von mir gelernt :)


    Ich habe aus irgendeinem Grund mal in einer Unterhaltung "Bub" gesagt - auch das ist bei uns eher unüblich - und erntete erstauntes Gelächter bei meinen Gesprächspartnern.

    Volker : Ich kann mich erinnern, in meiner Jugend noch Sätze wie "naja, die sind nicht von hier" in leicht aabfälligem Ton gesprochen gehört zu haben, aber diese Zeiten sind vorbei. Es kommt natürlich darauf an, wo man genau wohnt.

    Ich lebe inzwischen nicht mehr am Ort meiner Kindheit (der nahe an Gießen lag), sondern um einiges ländlicher zwischen Rhön und Vogelsberg, und hier gibt es in den höheren Lagen Ortschaften, die nur aus wenigen Bauernhöfen bestehen und wo man eine Baugenehmigung für ein neues Wohnhaus nur bekommt, wenn man nachweisen kann, einen persönlichen Bezug zum Ort zu haben. Wer in einem dieser Orte neu dazukommt, hat möglicherweise immer noch einen schweren Stand.

    Ah danke, jetzt verstehe ich. Das Wort hiesig hat ja nun, um es mit den Schwaben zu sagen, ein Gschmäckle, man traut sich kaum noch, es unbefangen zu verwenden. Weiß nicht, ob es zu Doderers Zeiten schon so war.
    Wer zb nicht aus Schwabenländle stammt, ist noch in dritter Generation ein Neigschmeckter.

    Oder wie heißt es bei Asterix: "Ich habe ja nichts gegen Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier!"

    Das Wort dasig ist demgegenüber frisch und unverbraucht, ohne jeden unerwünschten Beiklang.

    "Alles ist aus Holz. Aus den dasigen Bäumen. Hier im Waldtal sind die Bohlen geschnitten worden ...."
    (Zitat aus der Strudlhofstiege).

    Aus dem Zusammenhang meine ich herauszulesen, dass die "dasigen Bäume" die an Ort und Stelle vorzufindenden Bäume sind, also die Bäume, die "da sind".

    Ist dieses Wort allgemein gebräuchlich? Für mich klingt das so wie der abbe Fuß, die wegge Katze und das lang genuge Stück Schnur.


    Ich habe den ersten Teil übrigens tatsächlich nochmals gelesen (nur wenige Absätze überflogen) und vorhin den zweiten Teil begonnen. Gleich die ersten paar Seiten über den Waldspaziergang René Stangelers, der sich im Übergang zum Erwachsenenalter befindet, seine Empfindungen beim Anblick eines Krebses, einer Natter, eines Bachbetts sind so hinreißend schön, dass ich wieder mindestens zwei Seiten gleich nochmal gelesen habe. Für dieses Buch werde ich lange brauchen.

    Bei mir hat es dieses Jahr gut geklappt mit der Liste.
    Ich habe es schon mal hier erwähnt: Da ich seit sechs Jahren eine Leseliste (Liste gelesener Bücher) führe, erkenne ich ein Muster. Das sieht so aus, dass ich aus dem Regal der Bücher, die ich lesen möchte, immer erst mal ein leichtes nehme und die Klötze nach hinten schiebe. Irgendwann mal, ja, ja ...

    Mit dem Jahresstapel, der eisern abgedient wird, habe ich mir das weitgehend abgewöhnen können.

    Zitat

    Ist das über Anette von Droste-Hülshoff?

    Nein, ich habe eben mal in Perlentaucher geschaut: Es ist ein biografisches Heldinnenepos über eine Widerstandskämpferin namens Anne Beaumanoir (geb. 1923 in Frankreich), und zwar in Versform.

    Bei meinen Eltern lag der ganze Gotthelf. Ich habe die Uli-Bücher mal gelesen, weil mich interessiert hat, womit die Landleute in der damaligen Zeit so umgingen.

    Einige Redensarten sind mir nachhaltig im Gedächtnis. Als ich in einem anderen Forum in eine Diskussion über regionalen Sprachgebrauch verwickelt wurde, zitierte ich aus "Uli der Knecht": "Er sei mit keiner Schleipfe desumetrolet". In diesem Fall ergab sich aus dem Zusammenhang, was das bedeutet, aber eine Schweizer Teilnehmerin bemerkte, dass Gotthelf heute nicht mal mehr von Schweizern verstanden würde.

    (Ich finde es aber trotzdem schön, wenn man noch weiß, was ein Wort wie "Sichelten" bedeutet. Kam neulich mal in einem Fernsehquiz und ich war die einzige, der das Wort was sagte.)


    Edit wegen Tippchaos.

    Es gibt bei Jeremias Gotthelf eine Szene, als ein junger Bauer das erste Mal Vater wird und seinem Nachbarn oder Verwandten davon erzählt. Es sei aber "nur ein Mädchen".

    Ich hatte einen Halbsatz noch wörtlich im Kopf, deshalb ist es mir gelungen, die Stelle zu googeln:


    »Warte nur, du wirst noch Buben genug kriegen, darum hat dir Gott das Kindermädchen vorausgesandt,« sagte die Base. »Mit den Buben ist es halt nichts, als daß sie in allem sind und man ganze Tage ihnen abwehren muß. Mädchen hangen der Mutter an der Schürze, und wie sie auf den Füßchen stehen können, hat man Hülfe von ihnen; sie heben was auf, sie tragen was nach, sie sehen zur Milch auf dem Feuer, daß sie nicht überläuft, zum Kraut im Hafen, daß es nicht anbrennt.«


    Soviel zum Thema "keine ernsthafte Angelegenheit" ...

    Die Szene steht in "Uli der Pächter", ein Buch, das zur Volksbelehrung geschrieben wurde.

    Für den Spruch, das zu erwartende Kind betreffend, gehörte Herr Mann wirklich mit einem nassen Handtuch erschlagen.
    (Ich habe Verständnis für Menschen, die sich zur damaligen Zeit einen männlichen Nachkommen zur Übernahme des Betriebs oder Hofs wünschen; das war wohl damals nachvollziehbar. Aber nicht ein derart doofes Argument.)

    Ein Nachtrag zur Strudlhofstiege: es gibt im "Literaturliebhaberblog" einen tabellarischen Leitfaden zur Studlhofstiege zum Download. Für mich eine große Hilfe. Ich werde ihn alle paar Tage, wenn ich ein größeres Stück gelesen habe, zur Hand nehmen, damit ich mich nicht im Buch verlaufe.

    Zitat

    Ich hab das Jahr für mich abgehackt.

    Ein Freudscher Verschreiber?

    Für mich ist es, nachdem ich im letzten Jahr schon dachte, ich kann (nach drei Fuß-Ops) nie wieder richtig laufen, ab Februar endlich aufwärts gegangen. Ich drücke Dir die Daumen, Jaqui , dass es bei Dir auch wieder heller wird.

    Ich habe in diesem Jahr mehr gelesen als je zuvor, und es waren mehr großartige Bücher und weniger Zweitlektüren dabei als je zuvor. Lesetechnisch ist ein phantastisches Jahr, das weiß ich jetzt schon. Ich erwarte sogar noch einige richtig gute Bücher.


    Die Liste für nächstes Jahr ist schon in Bearbeitung. Ich werde mal offenen Auges am Regal entlang gehen und auch den Keller durchforsten ...

    Ich bin gerade bei dem letzten Klassiker meiner Leseliste, der Strudlhofstiege. Habe den ersten Teil beim Frühstück fertig gelesen.

    Tja. Das Buch kommt mir bisher vor wie eine Reihe von Perlen für eine Perlenkette. Große Perlen, die im Gedächtnis haften bleiben wie die Bärenjagdszene oder der Dialog zwischen Melzer und Editha beim Spaziergang (als Frau Schmeller die beiden nicht grüßt), und kleine Perlen, wie das Tennisspiel am Anfang, Astas verlorener und wiedergefundener Schmuck, Etelkas Abendkleid in der Bowlenschüssel. Was fehlt, ist ein durchgehender Faden, der die Perlen zusammenhält ... Ich weiß natürlich, dass das zum Erzählkonzept gehört, habe mir aber trotzdem eine Namensliste gemacht. Hinreißend ist natürlich Doderers Stil mit dieser selbstverständlichen Hellsicht, wie ich ihn schon aus "Ein Mord den jeder begeht" kenne.

    Das Hin- und Herspringen im Zeitstrahl, für das die titelgebende Treppe sinnbildlich steht, kenne ich übrigens schon aus Dérys "Unvollendetem Satz". Da habe ich mich nach einer Weile ganz gut hineingefunden.


    Edit: der verlorene und wiedergefundene Schmuck gehörte nicht Asta, sondern Grete Siebenschein. Da haben wir's schon ...

    Nochmal Edit: Typisch ist vermutlich, dass ich kein Problem damit hätte, jetzt gleich (am Ende des ersten Teils) das Buch nochmal von vorne zu beginnen. Vielleicht mache ich das auch ... :D