Beiträge von alpha

    Zitat von "Manjula"


    Das sind ja harte Worte. Teilst Du denn diese Auffassung?


    Ich habe mir lange überlegt, was ich antworten soll, weiss eigentlich keine Antwort auf deine Frage um ehrlich zu sein! - Ausser: Gerade verdammenswert ist vielleicht übertrieben, aber unnötig, nichtsnutzig. Denn was bringt ein Film, das die Lektüre nicht bringen kann und das erstrebenswert wäre?


    Grüsse
    alpha

    Hallo!
    Nun, ich habe keine Ahnung wie alt du bist - und dies ist je nach dem ein Nachteil, aber ist ja egal, ich kanns ja mal versuchen...
    Was du unter theoretischer Politik verstehst, ist mir ehrlich gesagt ziemlich schleierhaft, denn Politik scheint mir ziemlich etwas praktisches zu sein oder meinst du Ideologie, wenn du Politik schreibst? - Denn Ideologien müssen sebstverständlich keineswegs sich in der Praxis bewähren.


    - Romane rund um den zweiten Weltkrieg gibt es zu Hauf, handlungszeitbedingt gibt es meist auch das ein oder andere über Politik zu lernen darin. Von Thomas Mann wäre Dr. Faustus, von Heinrich Böll ausser den ganz späten Romanen fast alle zu nennen, eher für Jugendliche gibt es eineTetralogie von Willi Fährmann.


    - Wunderbare Romane über den Kommunismus in Russland gibt es von Alexander Sinowjew, ich kenne "Lichte Zukunft" und "Gähnende Höhen", letzteres ist fast besser. Falls es doch ein Sachbuch sein darf hat er auch noch "Kommunismus als Realität" geschrieben, schliesslich war er Soziologe.


    - Moderne Romane über Politik? - Versuchs mit einigen Thrillern, die sind nicht gar so schlecht und geben immerhin einen kleinen Teil der Wirklichkeit wieder.
    Schon um einige Jahre zurück liegen die guten Jahre von Max Frisch und Berthold Brecht, welche zwar etwas einseitig aber durchaus lesenswertes über die Politik in ihren Stücken und Romanen schrieben. Z. B. "Der Aufstieg des Arturo Ui" (oder so ähnlich) oder "Andorra".


    - Aus der guten alten Zeit? - "Le Rouge et le Noir" von Stendhal hat einige politische Aspekte. Und wenn die gute alte Zeit das späte deutsche Kaiserreich war, so sind die Romane von Heinrich Mann zu empfehlen, beispielsweise "Der Untertan", in der gleichen Zeit etwa spielen auch die Romane der Herzogin von Assy, welche zum Teil einen grellen Schein auf die damalige Politk werfen. Aber ich weiss gar nicht, ob man H. Mann noch empfehlen darf? - Schliesslich war er etwas bis ziemlich antisemitsch...


    Habe im Moment keine weiteren Ideen, sehe auch noch nicht recht, was du suchst, aber habe einfach mal geschrieben, was mir spontan in den Sinn kam


    Grüsse
    alpha

    Hallo zusammen!
    Also zuerst zum technischen:
    Wie ich jetzt bei einer neuen Druchsicht feststelle, hat meine Ausgabe gar nicht 21 Kapitel, wie ich dachte, sondern derer nur zwanzig! - Aber den Text habe ich vollständig, allerdings ist der letzte Abschnitt nur im Nachwort zu finden; meine Ausgabe scheint auf der 3. Auflage von 1946 zu basieren, nicht mehr ganz auf der Höhe, denn wie man unter kafka.org sehen kann, ist eure Kapiteleinteilung die heute offizielle, aber was solls, dann kann ich mich eben nicht auf Kapitel verlassen...


    Also mal sehen, was ich aus der heiligen Schrift aus dem Galaterbrief oder "Epistel an die Galater" wie er so schön heisst ziehen kann:


    Oh, das ist etwas viel geworden! - Tja, lest soviel ihr mögt, ich habe mir noch keine weiteren Gedanken darüber gemacht, ehrlich gesagt.


    Manjula
    Das mit der Protektion bezog ich zum Teil auf die Zeit vor K. aber, nach den Schlilderungen Pepis ist es durchaus möglich, dass sie doch auch noch danach Gültigkeit haben, denn es geht ja das Gerücht, Klamm würde kein Bier mehr trinken, weil Frieda weg sei (oder so ähnlich), was ein Argument wäre, Frieda zurückzuholen. Andererseits könnte sich die Protektion auch auf Jeremias beziehen, der "sich ihrer angenommen hat". Er scheint ein gewisses Mass an Macht zu haben, sonst hätte er ja wohl kaum selbst entscheiden dürfen, im Dorf, im Herrenhof eine Stellung anzunehmen!


    Pius
    Du schaust dir eine Film an, der diese Buch beinhalten soll? - Naja, kann mir nicht vorstellen, dass das was gutes ist; Hesse meinte, eigentlich seien alle Filme, die auf einem Stück Literatur basierten, mehr oder weniger verdammenswert :rollen:


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen!


    Was Graf Westwest betrifft, so denke ich schon, das Kafka ihn in der letzten Fassung entweder zu Beginn gestrichen oder am Schluss nochmals auflebenlassen hätte...


    Leider kenne ich den Galterbrief des Paulus nicht, kann also dazu nichts sagen, werde ihn mir wohl suchen...


    Frieda hatte insofern Protektion, als sie, als Geliebte Klamms, als (oh weh, so viele "als" hintereinander, tut mir leid!) etwas besonderes angesehen wurde, sie war sozusagen eine respektable Person, welche mehr galt als ein normales Ausschankmädchen. Sie konnte wohl so ziemlich tun und lassen, was sie wollte, der Wirt hätte sie ja schlecht davonjagen können :zwinker:


    K. als Frauenheld? - Das hat wohl mit dem Reiz des Unbekannten zu tun, bei Pepi und Olga kommt bestimmt noch hinzu, dass sie hoffen, mit der Hilfe K.'s ihre Wünsche und Träume verwirklichen zu können, sie halten es beide für möglich, dass K., der Fremde, etwas noch nie Dagewesenes, Unerhörtes erreichen könnte im Schloss - und sei es nur, dass seine Gegenwart akzeptiert würde, denn Fremde scheint es sonst nicht zu geben.


    Es grüsst
    alpha

    Hallo Ligeia


    Willkommen!


    Zitat von "Ligeia"


    Hatte dort irgendwie doch keine wirkliche Gelegenheit, mich mit dem Klassikerforum auseinanderzusetzen. Das muss ich nun wohl nachholen.
    :breitgrins:


    Tu du das, man kann durchaus dümmere Dinge tun, als im Klassikerforum sich herumzutreiben, allerdings auch bessere: Lesen :breitgrins:


    Habe gesehen, dass du vor einem Jahr Moby Dick gelesen hast, habe eine scheue Frage: Wie ist das Büchlein zu lesen? - Ich schäme mich ja, es einzugestehen, dass ich noch keine einzige Seite dieses Klassikers gelsen habe! :redface: Natürlich gibt es hier eine Leserunde dazu, die ich konsultieren könnte, aber gemeinsames Lesen ist doch immer wieder etwas anders als individuelles, deshalb meine Anfrage.


    Es grüsst
    alpha

    Sei mir gegrüsst, Pius



    Nun, du scheinst zu Spekulationen zu neigen, die für mich nicht die naheliegendsten sind, obwohl sie natürlich ihre Berechtigung haben, was fern liegt ist nicht falsch! - Für mich sind diese Stellen ein Beispiel für die Ironie Kafkas: Die ganze Beschreibung trifft genau auf den Fall von K. zu, ohne dass dieser es merkt, ja, Brügel gelingt es sogar, die Müdigkeit K.'s noch wesentlich zu steigern, auf dass dieser ganz bestimmt nicht von der Situation profitieren kann. Ob nun aber in diesem Zusammenhang die Müdigkeit wirklich so direkt dem Tod entspricht, ist für mich mehr als fraglich, denn K. ist zwar müde (& betrunken), aber tot ist er erstens noch lange nicht und zweitens habe ich ihn auch nicht als resigniert oder resignierend, todessüchtig empfunden, das Gespräch mit Pepi und dann nachher auch mit der Wirtin und Gerstsäcker - für mich nicht Gespräche eines bald Abberufenen. - Ich sehe wieder mehr den Schutzschild des Schlosses, Schutz vor dem Zunahetreten.


    Zitat von "Pius"


    Ja, ich war\bin stark auf K. konzentriert; die vielen Informationen über die Wirkungsweise des Schlosses sind mir dennoch nicht entgangen. Ich weiß allerdings nicht, was Kafka damit sagen will. Es wäre sehr schön, Deine Gedanken dazu zu lesen.


    Was Kafka sagen wollte? - Nun, das weiss niemand, wusste er wohl auch nicht, erdreiste ich mich, zu behaupten! - Was er, oberflächlich, erzählt, ist die ergreifende Geschichte eines Familienschicksals, von dem nicht zu sagen, ist, ob es selbstverschuldet ist oder nicht und wie es zustande gekommen ist. Sie ist eher grotesk als langweilig. - Und sie hält K. eine Spiegel vor, er könnte lernen, was alles nichts hilft, er könnte lernen, dass das Schluss unnahbar fern ist, sogar von den Dorfbewohnern. (Wobei mir bewusst ist, dass es ja sein könnte, dass das Schloss freundlicher zu Fremden ist, als zu den eigenen, aber das Schloss hat keine Erfahrung mit Fremden (denn es scheint sich ausser K. selten oder nie jemdand derart zu verirren), hat also wohl auch keine Grund zu einer Sonderbehandlung.) Und dann wirft die Erzählung auch ein neues Licht auf die Beamten und Diener, die sich, ausserhalb ihrer Amtsgeschäfte, eher wie übles Gesindel im Dorf aufführen!


    Zitat von "Pius"


    Ich hoffe, hier wird noch ein bißchen weiterdiskutiert, auch wenn der ein oder andere schon fertig mit Lesen ist!? Oder liegt es an :sonne: die letzten Tage?


    Ich weiss auch nicht, weshalb wir hier allein diskutieren. Ich selbst habe das Buch seit mehr als einer Woche zu Ende gelesen, wobei ich in meiner Ausgabe leider kein 23. Kapitel finde, bei mir gehts nur bis zum 21.! - Sind bei euch die Kapiteleinteilungen etwas ander oder fehlt bei mir ein Teil??
    An der Sonne liegt es hoffentlich nicht - das wäre noch, wenn sie am Lesen hindern würde!


    Es grüsst
    alpha

    Zitat von "finsbury"


    Neben den "ernsten" Werken mag ich besonders seine Satiren und darunter am liebsten "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen" und "Nicht nur zur Weihnachtszeit". Letzteres ist für mich ein Klassiker wie "Dinner for one"!


    Hast recht: Die Satiren, insbesondere jene, die du genannt hast, sind herrlich! - Diese Seite Bölls darf natürlich nicht vergessen werden!


    Grüsse
    alpha

    Hallo zusammen!


    Ich kann hier nicht eindeutig Stellung nehmen: Einerseits liebe ich es, in Buchhandlungen herumszugehen und mir Bücher anzusehen, die ich einmal kaufen möchte/könnte, andererseits kaufe ich nur Bücher, wenn ich welche brauche oder gerade ein besonders tolles Exemplar finde, das ich fürchte, ein anderes mal nicht mehr so einfach zu finden (z.B. antiquarisch). Weshalb sollte ich mehr Bücher kaufen, als ich lesen kann? - Ungelesene Bücher sind mir, wie Sandhofer eher ein Dorn im Auge, da gehe ich dann lieber kontinuierlich Bücher einkaufen - das Vergnügen verteilen... Und im Übrigen bereitet es mir auch wirklich Spass, nur zu sehen, was es alles für tolle Bücher gibt, die bereit stehen, gekauft zu werden, da muss ich sie nicht sofort kaufen, andere sollen schliesslich auch eine Chance haben, vielleicht sogar solche, die noch gar nicht wissen, dass es hervorragende Bücher sind, weshalb ich mich auch immer freue, wenn ich mir bekannte Bücher wieder antreffe!


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen,


    Zitat von "Pius"


    Ich habe gerade Kapitel 21 fertiggelesen. Mein Lesefluß geriet ins Stocken, zum Teil auch, weil ich die Episode mit dem Schicksal der Barnabas-Familie nicht besonders interessant fand. Ich weiß auch nicht, wieso das für den Roman so wichtig ist.


    Die Geschichte der Barnabas-Familie fandest du nicht interessant und siehst ihre Bedeutung nicht? - Ich kann mich nur wundern, denn für mich ist sie eine Einsicht in die Wirkungsweise des Schlosses, in den Aufbau des Dorfes, in die Spielregeln sozusagen. Aber du scheinst dich ja mehr auf K. selbst zu konzentrieren.


    Dass Kafka den Roman nicht veröffentlichen wollte, führe ich mehr darauf zurück, dass er ihn nicht beenden konnte - und unvollendete Werke zu veröffentlichen war ihm wohl ein Graus, ihm, der pedantisch Korrektur las. Gut, der Heizer wurde veröffentlicht, aber er war irgendwie in sich geschlossen.


    Zitat von "binesa"

    nähere mich jetzt dem Ende. Ich finde die letzten Kapitel etwas langatmig, vor allem Bürgels Rede oder auch Pepis Klagen. K. wird mit einem Wortschwall überhäuft und damit auch der Leser.


    Da hast du bestimmt recht, das Buch wird langatmig, ich allerdings verspürte dabei keine Langeweile, aber das sind vielleicht persönliche Eigenheiten. Ist euch aufgefallen, wie die Zeit fast stehen zu bleiben scheint gegen Ende? - Insgesamt sind es ja nur wenige Tage, keine Woche!


    Dass K. nicht DER Landvermesser ist, dürfte klar sein, ob er überhaupt Landvermesser ist, wage ich mich jedoch nicht zu beurteilen!


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen!


    Eine Wiederbelebung eines Threads ist nur sinnvoll, wenn man sich auch die vorhergehenden Beiträge wieder zu Gemüte führt - was ich jetzt, zum Teil immerhin, getan habe. Es soll also nochmals um das Grundthema gehen, in welchem Masse man Kafka als Propheten oder ähnliches ansehen kann?


    Es ist am Anfang des Threads einiges dazu geschrieben worden, besonders auf den Beitrag von Hafis möchte ich hinweisen.
    Und: Ohne Aphorismen oder die Gespräche mit Janouch liegt die Idee, eine Art Religion aus Kafka zu machen tatsächlich ziemlich fern!


    Pius: Du klagst darüber, dass Kafka dem Leben keinen eindeutigen Sinn gibt. Hast du einen gefunden?


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen!


    Auch ich mag Heinrich Böll sehr gut leiden.


    Zwei mir teure Romane sind bisher unerwähnt geblieben:


    "Frauen vor Flusslandschaft" und "Fürsorgliche Belagerung"


    Aber auch seine diversen Reden und Aufsätze sind immer wieder eine lohnende Lektüre!


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen!


    Zitat von "Pius"


    Das Schloß in Kafkas Roman erinnert mich sehr an das Symbol des Grals-Schlosses bei Parzival: Es ist immer da, ganz in der Nähe, aber der Weg dorthin ist nicht ersichtlich. Daß K. nicht zum Schloß gelangt, bedeutet dann, daß er nicht in der Lage ist, die Sinnsuche in seinem Leben zu vollenden und an der (scheinbaren) Unerreichbarkeit religiöser Ganzheit zerbricht.
    [...]
    Ich sage nicht, daß ich alles (oder auch nur das meiste) in "Das Schloß" derart tiefenpsychologisch deuten möchte, aber der von mir erwähnte Aspekt ist für mich mit der wichtigste in dem Roman.


    Der Vergleich des Schlosses mit dem Parzival ist nicht neu, ob jedoch die Friedhofsmauererklimmung mit dem ersten Besuch Parzivals auf der Gralsburg verglichen werden kann? - Mir scheint es eher als Parodie! Sowieso: Diese Geschichte, dass er so viel Kraft aus dieser Erklimmung gewonnen haben soll und der Lehrer, der ihn mit einem Blick hinunterbefahl und dem er sofort und ohne zu überlgegen gehorchte, sich dabei sogar noch so verletzte, dass er kaum nach Hause kam, dass K. dennoch soviel auf dieses Erlebnis hält, so viel Kraft daraus zu schöpfen können meinte, das ist für mich eher ein Beispiel der Groteske! - Und ob K. ins Schloss oder nur im Dorf anerkannt und akzeptiert werden will, ist mir nicht ganz klar


    Die tiefenpsychologische Deutung des Romans ist bestimmt einer der möglichen Ansätzt, verknüpft mit der religiösen Interpretation, die vorallem auch Max Brod sehr stützte. Kafka setzte sich längere Zeit mehr oder weniger intensiv mit der Psychologie auseinander, offensichtlich war sie ihm jedoch nicht nur hilfreich und angenehm, sonst hätte er nicht (in den Aphorismen) geschrieben: "Zum letztenmal Psychologie!"


    Es grüsst
    alpha

    Zitat von "binesa"


    Das Individuum ordnet sich einer Macht unter. In diesem Falle fragt man sich, ob im Schloß überhaupt jemand lebt, der Regeln aufstellt, jemand wirklich Mächtiges ist noch nicht in Erscheinung getreten. Man hat so ein Zwiebelgefühl, je mehr man ins Innere vordringt, gibt es letztendlich keinen Kern. Vielleicht funktioniert das System auch nur, weil alle denken es gäbe eine Macht....
    Sollte mal jemand nachschauen gehen, ob jemand der Ausganspunkt der Macht ist.


    Dies kommt mir sehr richtig vor! - Die Dorfbewohner ducken sich nicht vor realen Repressionen, sondern vor der Angst, es könnte Repressionen geben. Die Beamten, bzw. die Sekretäre sehen, wie auch die Dorfbewohner, die Vorschrift als unantasbar an, als vorgegeben und nicht abänderbar. Die Vorschrift selbst, ist die Macht im Innern geworden - ist Selbstzweck geworden, was im allgemeinen eine Gefahr ist: Wird ein Hilfsmittel, eine Regelung, die das Zusammenleben erleichtern sollte, eine Vermittlungsstelle oder sonst etwas ursprünglich untergeordnetes und Erleichterung versprechendes zum Selbstzweck, so ist es arg!


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen!


    Der Müdigkeit und Erschöpfung werde ich mich anschliessend widmen, zuerst noch etwas anderes:


    Wie wirkt K. auf euch? - Ist er euch sympathisch, könnt ihr euch vorstellen, dass er Kafka ihn sympathisch zeichnen wollte? - Ich persönlich habe ziemlich Mühe mit K. Er kommt mir eigentlich gefühllos vor, sehr egozentrisch, kümmert sich hauptsächlich um sich selbst, das Schicksal der Barnabas kommt ihm zuerst zwar hart vor, je länger er zuhört, desto weniger erstaunt es ihn, desto weniger interessiert er sich dafür, es wird ihm fast ärgerlich, mit solchen Leuten verkehren zu müssen. Er scheint auch nicht immer aufrichtig zu sein, zu Frieda nicht, zu Olga nicht, zu sich selbst nicht. Man hat das Gefühl, er wisse selbst nicht so recht, was er eigentlich will: Was will er denn von Klamm, vom Schloss? - Will er aufgenommen werden? - Nie spricht er davon. Will er arbeiten? - Er weiss ja, dass niemand seine Landvermesserdienste braucht. Will er Frieda heiraten? - Wer heiratet schon eine Frau, die er erst seit zwei oder drei Tagen kennt? - Ausserdem würde Frieda gerne auswandern, was K. jedoch nicht will. Will er "schlicht und einfach" die Gunst des Schlosses? - Ja dann sollte er vielleicht nicht zu überheblich den Beamten gegenüber sein, die das Schloss doch eigentlich ausmachen, zwar soll es den Grafen Westwest geben, aber von ihm ist nur im ersten Kapitel die Rede, er tritt nie in Erscheinung, wird nie erwähnt, scheint also keine Bedeutung im alltäglichen Leben zu haben. Auch werden die Beamten als die eigentlichen Herren bezeichnet, während die Diener so leben, als wären sie die Herren, der Graf tritt nicht in Erscheinung...


    Könnte nicht auch hier ein Teil der Begründung für die Müdigkeit, das Traumhafte, die Erschöpfung liegen? - K. strengt sich an, etwas zu erreichen, aber was das "etwas" ist, liegt eher im Unklaren, im Nebel, wie das Schloss bei K.'s Ankunft, alles verschwimmt: Schlaf, Müdigkeit, Erschöpfung, Tag und Nacht, Liebe und Berechnung, Angst und Sadismus (seine Haltung Jeremias gegenüber, nachdem er ihn wegschickte), Mitleid und Abneigung (gegenüber Barnabas und der Familie z. B. ) und vieles mehr. Dies liegt allerdings nicht nur an K., das darf man nicht behaupten, auch das Schloss macht es schwer, ja fast unmöglich, Klarheit zu gewinnen: Nicht nur K. auch das Schloss lässt die Wahrheit verschwimmen: Die Telefone, die spasseshalber abgenommen und als Scherze beantwortet werden, die Briefe von Klamm, die nicht viel mit der Realität zu tun haben, die erwähnten Diener, die nichts arbeiten, während die Beamten "hart arbeiten", die Beamten, die sich im Privatleben nicht zu benehmen wissen und so weiter. Die Wahrheit ist vom Trug nicht unterscheidbar. Sebst Äusserlichkeiten sind nicht fixiert: Das Aussehen von Klamm kennt niemand genau, denn er soll im Schloss anders aussehen, als im Dorf und im Dorf sieht er auch nicht immer gleich aus oder auch die Gehilfen: solange sie zusammen Dienst taten, waren sie fröhlich und jugendlich, als K. sie verscheucht, wird Jeremias alt und krank... Zu erwähnen ist vielleicht noch, das K. sagt, er sei "bitteres Kraut" genannt worden, wegen seiner Heilkundigkeit. Zum einen weiss ich nicht, wie zuverlässig seine Aussage ist, zum anderen ist "bitteres Kraut" nur ein zweifelhafter Spitzname, da steckt mehr von Bitterkeit als von Gesundheit dahinter, meinem Gefühl nach jedenfalls.


    Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger scheint mir die Müdigkeit und Erschöpfung ein Zeichen von Lebensmüdigkeit zu sein: K. will nicht sterben, er will etwas erreichen; die Brückenhofwirtin und der Gemeindevorsteher sehnen sich auch nicht nach dem Ableben. Barnabas' Eltern sind zwar krank und Olga wartet auf das Ableben, erwähnt (soviel ich gesehen habe) nichts von Erlösung. Die Erlösung kann nur aus dem Schloss kommen, Olgas "Verdienste" könnten zwar wohl erst nach ihrem Tod anerkannt werden, dennoch scheint auch sie mir nicht wirklich todessehnsüchtig. Mir scheint, die ganze Müdigkeit und Erschöpfung, auch die Nachtverhöre sind teile davon, gehen vom Dunstkreis des Schlosses aus, sind wie ein Schutz vor Eindringlingen, da sie zermürbend wirken. Weshalb und wovor sich das Schloss zu schützen hat?


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen


    Ich befinde mich mitten im Kapitel fünfzehn, also der Geschichte der Familie Barnabas. Besonders hier habe ich nicht das Gefühl eines Traums, hier wird meiner Meinung nach fast klassisch ein Schicksal erzählt, so wenig merkwürdig, so stimmig im Umfeld. Die Erzählung Olgas bringt K. weiter, sie zeigt ihm, wie die Umstände im Dorf sind, wie verschieden man Tatsachen interpretieren/auffassen kann. Dies wiederum gilt natürlich nicht nur im Dorf, sondern auch in unserem Leben.
    Für mich zeigt diese Geschichte sehr schön, dass Moral- und Sittevorstellungen etwas historisch gewachsenes und deshalb auch ortsgebunden sind, weshalb es Mühe bereiten kann, andere Kulturen, ander Sitten wirklich zu verstehen.


    Ich bin noch immer auf der Suche nach der Bedeutung der Müdigkeit, der Erschöpfung, mir kommt es vor, als sei dies ein Motiv, nicht unverwischte Arbeitsspuren, natürlich auch Lebensmüdigkeit und Unbewusstheit, aber andererseits passt Lebensmüdigkeit nicht immer, wenn K. zum Schloss wandern will und sich dabei erschöpft, so hat dies für mich nicht unbedingt etwas von Lebensmüdigkeit, eher hat die Müdigkeit den Charakter eines Hinderungsgrundes, etwas das überwunden werden sollte!


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen!
    Ist euch auch aufgefallen, wie seit Anfang an, das Motiv der Müdigkeit und der Erschöpfung immer wieder aufgegriffen und betont wird?


    K. kommt erschöpft an, kommt bei seinem ersten Spaziergang gegen das Schloss nicht sehr weit. K. hängt sich bei Barnabas und Olga ein, weil er zu schwach ist, Klamm schläft, ohne dass man es ihm ansieht, K. verschläft einen ganzen Tag nach der ersten Nacht mit Frieda, der Gemeindevorsteher ist krank und liegt im Bett (wie im Prozess der Advokat!), die Wirtsfrau liegt im Bett und ist schwach vor Kummer und so weiter! - Nicht zu letzt ist es auch K. immer wiederkehrendes Argument, dass er eine weite und ermüdende Fahrt hinter sich hat bringen (müssen) um ins Dorf zu kommen und deshalb will er sich ja nicht einfach wieder wegschicken lassen.


    Was denkt ihr über diese Müdigkeit und Erschöpfung? - Ich kann sie mir noch nicht wirklich erklären, bin auch erst vor kurzem darauf gestossen, werde mich jedoch bei der weiteren Lektüre stärker darauf achten, denke ich.


    Es grüsst
    alpha

    Hallo zusammen,


    endlich finde auch ich die Zeit, Kafka zu lesen, bin zwar erst beim zweiten Kapitel angelangt, aber das wird sich bald ändern...
    Die Meinung, es sei der Roman eines Traums scheint weit verbreitet zu sein, was ich vor allem darauf zurückführe, dass die Erlebnisse K.'s nicht der alltäglichen Logik entsprechen und auch das, was er erlebt könnte aus einem Traum stammen. Es darf nicht vergessen werden, dass Kafka meist nachts und unter Schlafentzug schrieb, was durchaus einen Teil der wundersamen Wunderlichkeit erklären könnte. Aber ist es nicht mehr als ein Traum? - Viel ausführlicher, vielschichtiger? - Und insgesamt bleiben die grossen Brüche aus, die Chronologie wird praktisch nicht unterbrochen.


    Zitat von "Pius"


    alpha: Der Text, den Du in Rot wiedergegeben hast, sieht für mich aus, als würde er von einem sehr belesenen, aber unterbeschäftigten Germanisten stammen. So etwas hineinzuinterpretieren ist etwas übertrieben. Wahrscheinlicher finde ich, daß Kafka der Name "Westwest" einfach eingefallen ist und er ihn irgendwie passend fand ohne große Hintergedanken. Es ist allerdings manchmal so, daß hinter spontanen Eingebungen von Autoren sich unbewußte Gedanken mit weitaus größerem Kontext manifestieren. Ich wüßte aber nicht, warum das hier so sein sollte.


    Pius
    Einerseits gebe ich dir recht: Kafka wird nicht tagelang dagesessen haben, bis er den Namen Westwest konstruierte um damit besonders tolle Interpretationen zu ermöglichen! - Aber die Aufgabe einer jeden Interpretation ist doch, nicht nur die bewusste Absicht des Autors, sondern auch das un-/unterbewusste herauslesen zu versuchen. Dass dies oft zu einem "Hineininterpretieren" führt, bestreite ich nicht, meine jedoch, dass auch dies sehr interessant ist, zumal es zeigt, was man aus einem Werk alles machen kann mit der entsprechenden Absicht.
    Dass du Heinz Politzer als vielbelesenen aber unterbeschäftigten Germanisten bezeichnest, finde ich nicht ganz in Ordnung, nehme erstens an, dass du nicht genau weisst, wer H. Politzer war und dir zweitens auch nicht viel Gedanken darüber gemacht hast, was die Aufgabe eines wahren Germanisten ist (ich bin keiner, aber das nur nebenher): Wenn er auf seinem Gebiet arbeitet - und nur dann ist er ein wahrer Germanist, so ist seine Belesenheit die Grundlage für seine Arbeit - und seine Arbeit besteht doch darin, Texte zu analysieren, interpretieren, Sprachforschung zu betreiben. Wenn du meinst, hunderte von Artikeln und Bücher zu lesen, deren Inhalt zu vergleichen und seine eigene Meinung dazu abzugeben, dann ist für dich der Beruf des Germanisten ein unnützer Beruf und entsprchend ist jeder Germanist unterbeschäftigt. Allerdings nehme ich an, dass ich dich eher falsch verstanden habe oder du etwas anderes ausdrücken wolltest, als was ich aus deinen Zeilen gelesen habe!
    Leider finde ich momentan keine anständige Biografie Politzers auf dem Netz, nur eine Kürzest-Biografie unter Heinz Politzer Nichts für ungut!


    Es grüssst
    alpha

    Hallo zusammen,
    zwar habe ich mit der neuerlichen Lektüre des wunderbaren Romans noch nicht beginnen können, was ich sehr bedaure, aber etwas über den Grafen habe ich gefunden im von mir sehr geschätzten Buch von Heinz Politzer, "Franz Kafka, Der Künstler" Er schreibt:


    Um zumindest einen Reflex der Paradoxie einzufangen, mit der Kafka sein Schloss ausgestattet hat, werden wir gut daran tun, wie wirs's gewohnt sind, seine Sprache zu befragen. Schon auf der zweiten Seite des Buches wird als Schlossherr der Graf Westwest genannt. Der Name ist verräterisch: er verrät die Absicht Kafkas, den Leser zu mystifizieren. Emrich hat bemerkt, der Name "könnte das völlige Ende, die Todessphäre hinter dem Sonnenuntergang, aber auch das Jenseits des Todes, seine Überwindung, markieren". Sehen wir noch etwas näher zu, so können wir Kafka bei einem spannenden Wortspiel mit der verdoppelten Silbe "West" beobachten. Wenn wir annehmen, dass dieses "West" so wie das "Hotel Occidental" im "Verschollenen" auf den Untergang deutet, dann hebt die Duplizierung der einen Silbe den Verfall hervor, mit dem das Schloss K. schon bei seiner Ankunft begrüsst hat: die bröckelnden Wände, die Krähen rings um den Turm, das Bild des Wahnsinnigen vor dem Hintergrund einer fahlen Winterlandschaft. Aber die betonte Verneinung, die durch die Wiederholung der Silbe "West" unterstrichen zu werden scheint, wird durch die Gesetze der Sprachlogik wieder in Frage gestellt, denen zufolge eine doppelte Verneinung eine verstärkte Bejahung beinhaltet. So mag der Westen des Westens den Untergang des Untergangs, das heisst: einen Aufgang, bedeuten. Dann hätte Kafka hier auf das ewige Leben hingedeutet und in dem dunklen Spiegel seiner Bildsprache einen Strahl jender Geweissheit eingefangen, den eine gläubigere Seele, John Donne, einst in die Worte gefasst hatte: "Ist der Tod erst tot, der Tod ein Ende hat."


    Was ich besonders schätze an dem Buch von Politzer: Es ist mehr eine wertende Zusammenfassung vieler möglicher Interpretationen, als die Verkündung DER Wahrheit, welche gerade bei Kafka nicht zu finden ist. Politzer war es, der die Ansicht prägte, dass es ebensoviele Interpretationen des Werkes Kafkas geben könne, wie Leser.


    Es grüsst
    alpha, der bald zu euch zu stossen hofft.

    Hallo zusammen!


    Ihr nehmt mir so ziemlich allen Mut, das Buch wirklich zu beginnen! - Vielleicht wollt ihr mich ja auch vor grösster Frustration bewahren, aber wie dem auch sei, ich komme vorerst sowieso nicht dazu, leider! - Als Fernprojekt bleibt es jedoch bestehen!


    Es grüsst
    alpha

    Was soll an der Entdeckung "wunderbar" sein, wenn ich fragen darf? - Dass der Leser Kommentare dazu abgeben kann? - Habe bisher keine lesenswerten Kommentare gefunden, muss ich ehrlich sagen... Oder meinst du die englische Übersetzung? - Ich bevorzuge Kafka im Original :zwinker:
    Oder meinst du, auf diese Art würden mehr die Tagebücher lesen? - Da könntest du recht haben und das könnte man als "wunderbar" einstufen, denn sie sind wirklich lesenswert! - Allerdings lese ich sie lieber in der druckten Form und nicht tageweise einen Abschnitt. Oder siehst du gerade darin den Vorteil, dass man sich mehr Zeit nimmt für den einzelnen Eintrag? - Da könntest du wieder recht haben, dann allerdings eignet sich die elektronische Form vom "The Kafka Project" auch nicht schlecht.
    (A propos, weisst du, seit wann die Texte nicht mehr als Files downgeloaded werden können, sondern "nur" noch als Webseite? - Oder hab ich jetzt in der Schnelle den richtigen Ort nicht mehr gefunden?)


    Ich empfehle die Lektüre der Tagebücher Kafkas jedem, der Kafka mag oder sich für ihn interessiert!


    Es grüsst
    alpha