Beiträge von scheichsbeutel^


    hochinteressant ist dieser Schleichsbeutel :zwinker: :breitgrins:


    :breitgrins: Ich erlaube mir, eine andere literarische Figur zu paraphrasieren (fröhliches Raten): Sympathische Identifikationsfigur kann jeder. ;)


    Aber - das zugegebenermaßen wenig herzerwärmende Erscheinungsbild des Scheichsbeutel ("Wie kann man Scheichsbeutel heißen?!" sagte Melzer indigniert. "Man kann!") ist ein hervorragendes Beispiel für die Dodererschen Fähigkeiten: Seine (des Beutels) Vorstellung (401 - 403) gerät unverwechselbar, man gewinnt einen tiefen Eindruck dieser sinistren Figur, seines "ad notam"-Nehmens, von seiner Existenz als einer "reglosen, astrischen Golatschen". Wie oft bleiben Personen ungreifbar, austauschbar, da wird mühsam Haarfarbe und Nasengröße skizziert und trotz solcher (äußerlicher) Bemühungen bleibt der/die in Frage Stehende blass, schemenhaft. Wer aber wollte Scheichsbeutel vergessen - verwechseln? Der kann schon was, der Doderer ;).


    Grüße


    s.


    Das gibt sich im Laufe des Romans. Die banalen Raufgeschichten werden, besonders im zweiten Band, durch Nebengeschichten und Diskurse verdrängt. Cervantes spielt mit der Geschichte und lässt auch die beiden Helden über Wahres und Erzähltes nachsinnieren.
    Wenn Nabokovs Fazit durch den oben beschriebenen Standpunkt, bestimmt ist, dann war er in schlechter Laune oder hat den Roman nicht verstanden.


    Hallo Lost,


    es ist ja nicht so, dass ich den Roman nicht kennen würde (inklusive des zweiten Teils). Aber die "Reflexionen" kommen nach meinem Dafürhalten im Vergleich zu den burlesken Elementen wesentlich zu kurz. Und über so viele Seiten kann ich bestenfalls ein literaturhistorisches Interesse aufrecht erhalten, das Amusement hält sich aber in Grenzen. Da ist mir der Fischart nebst Geschichtsklitterung noch lieber, weil nicht so umfangreich ;). (Auch so ein Buch mit für mich zweifelhaftem Unterhaltungswert ist das Dekameron, dessen Humor sich auch in Stammtischwitzen a la "Kommt ein Mann zum Arzt ..." findet.)


    Grüße


    s.


    Genau das war der Grund, warum ich die Zweitlektüre vor einem Jahr abgebrochen habe. Ich finde es einfach nicht lustig, wenn seitenweise beschrieben wird, wie Sancho Pansa in die Scheiße fällt, verprügelt wird und sonst dergleichen passiert.


    Empfand ich genauso. Ein bisschen wie bei Gargantua und Pantagruel, irgendwie fehlt mir (zumeist) der Sinn für diesen Sauf-, Kopulations- und Fäkalhumor.


    s.

    Hallo!


    da hab ich etwas ungewollt angestoßen. Nein, die vierfache Wurzel vom Grunde führt nicht (oder kaum) zu den Verbindungen Schopenhauers mit indischer Philosophie, sondern ist eine epistemologische Abhandlung über das, was wir (seiner Meinung nach) wissen können. Bzw. wie dieses Wissen zu gewinnen wäre. Das Ganze ist eine Art Unterbau für das Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" und Schopenhauer definiert für sich, was denn er für einen zureichenden Grund hält. Worüber philosophisch Einigung zu erzielen noch nicht gelungen ist.


    Keinesfalls aber ist diese Schrift in irgendeiner Form notwendig, um die Strudlhofstiege zu verstehen (oder auch nur besser zu verstehen). Vielmehr lässt eine solche Form der philosophischen Lektüre über das in Frage stehende Paar Aufschlüsse zu (da man sich in trauter Zweisamkeit zumeist anderes zur gefälligen Erbauung zu Gemüte führt ;)).


    Grüße


    s.


    Nachsatz: Wer da tatsächlich meint, seiner Herzallerliebsten eine solche Lektüre zumuten zu können sei gewarnt: Solches trifft nicht immer auf Zustimmung, im Gegenteil - man sollte ein an Unverständnis grenzendes Erstaunen gewärtigen, wenn man den romantischen Abend mit "Plato der göttliche und der erstaunliche Kant vereinigen ihre nachdrucksvollen Stimmen in der Anempfehlung einer Regel zur Methode alles Philosophierens, ja alles Wissens überhaupt. Man soll, sagen sie, zweien Gesetzen, dem der Homogeneität und dem der Spezifikation, auf gleiche Weise, nicht aber dem einen, zum Nachteil des andern, Genüge leisten" eröffnet. Vielleicht aber ist es dennoch ein Nagelprobe, denn wenn das Objekt der Begierde trotz solcher intellektueller, der Jugend geschuldeter Kraftmeierei nicht stante pede den heimeligen Ort einer prospektiven Annäherung verlässt, kann man mit Fug und Recht von der Annahme ausgehen, dass man gemocht wird (frei zitiert aus den scheichsbeutelschen Erinnerungen).

    JMaria: Ich würde diese Einzelheiten nicht überinterpretieren. In Wien finden sich als einem "Tor zum Osten" immer wieder Versatzstücke aus dem Orient, dem Türkischen (auch der Kriege wegen); außerdem hat die "Vierfache Wurzel vom Grunde" (eine wundervolle Liebeslektüre ;)) Bezug zur indischen Philosophie (und dann ist es - wie bei West-Östlichen Diwan auch nach Persien nicht mehr weit).


    Das Haus "Zum Blauen Einhorn" war Wohnstatt des - hier bereits erwähnten - Verwandten Nikolaus Lenau, von Doderer wohl nur spielerisch eingebaut in seinen Roman.


    Grüße


    s.


    Nachsatz: http://www.sagen.at/fotos/showphoto.php/photo/7651 - da war doch was zu finden im Netz


    Mir gefiel die Beschreibung der "Tafelrunde" bei den Stangeler gut, die Beschreibung der Gäste, des Tisches und seiner Tiefe, ein Spiegelbild, erweitertes Bild, die Mutter Stangeler die sehr darauf bedacht ist, dass ihr Mann, der Patriarch, immer im Vordergrund ist, nicht mal der Sohn darf unbewußt in Konkurrenz treten. Dies hat durchaus etwas Salon-Qualität einer Madame Verdurin (Proust).


    :smile: Diese Vergleiche wurden in der Sekundärliteratur schon öfter gezogen, auch zwischen Eulenfeld und Charlus (mit jedoch unterschiedlicher sexueller Ausrichtung). Recherche und Strudlhofstiege haben schon einiges gemeinsam (etwa die scheinbare Inhaltsleere), die Genauigkeit der Charakterisierungen, die aufwändige, umfangreiche Konzeption.


    Die hier schon erwähnten "Erleuchteten Fenster" kann man als eine Art Vorspiel zur Strudlhofstiege ansehen, die Dämonen als Fortsetzung (wenngleich m. E. nicht mehr durchgehend von gleicher Qualität wie die Stiege). Insofern ist für Leser mit Liebe zu umfangreichen Romanen auch hier noch vorgesorgt.


    Grüße


    s.


    Ich benutze da eine relativ gute Software, die allerdings den Nachteil hat, dass sie proprietär nur auf einer einzigen Hardware läuft: Meine geistigen Notizen in meinem Hirn ... :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    #include <sandhofer.h>
    #include <scheichsbeutel.h>


    int main(int lektuere, char *leseliste[])
    {


    printf ("Läufst du stabil? Beta-Version sandhofer0.9 oder doch schon 1.0? Was macht der Wigger-Trojaner? Gibt's updates? Und ist das tatsächlich so mit der Kompatibilität, einige Lektüreideen wurden nämlich auf scheichsbeutel^1.1 übertragen, was aber die Stabilität letztgenannter Software beeinträchtigt hat.");


    system("PAUSE");
    return Gruesse s.;


    }


    [...] sie dann auch noch in die Nähe der Judenfeindlichkeit bringen kann, ist mir schleierhaft.


    Doch - das geht ;). Mit dem latenten Antisemitismus Thomas Manns kann man Bände füllen (was denn auch getan wurde), beide Brüder haben früh für ein nationalistisches Hetzblatt geschrieben, Wälsungenblut wurde der latenten Judenfeindlichkeit wegen von der Familie Pringsheim wenig geschätzt etc. Oder eine Tagebucheintragung Th. Manns gefällig: "[...] Dass die übermütige und vergiftende Nietzsche-Vermauschelung Kerrs ausgeschlossen ist, ist am Ende kein Unglück; auch die Entjudung der Justiz am Ende nicht." (Aus Th. Manns Tagebuch nach der Machtergreifung Hitlers)


    Was nichts damit zu tun hat, dass Th. Mann ein großartiger Schriftsteller war.


    Grüße


    s.

    Wer sagt eigentlich, dass der MoE überhaupt die Enstehungsbedingungen des Nationalsozialismus (aus wessen Sicht auch immer) zu analysieren unternimmt? Man hat Musil vielmehr vorgeworfen, dass er zu Zeiten des NS an einem k. k. Roman arbeitete, einem Roman, der den Untergang der bürgerlichen Welt vor dem 1. Weltkrieg zum Thema hatte.


    Dass mutet ähnlich an wie bei Kafka, dem auch prophetische Gaben unterstellt wurden; einfach Kaffeesudleserei a posteriori: Alle mögliche Bücher werden als prophetische Hinweise auf eine Zeit interpretiert, von der die Erzähler zuvor kaum etwas ahnten oder wussten. Der Dichter als Seher und Prophet, als Seismograph zukünfter politischer Entwicklungen. Wobei er wie alle Seher (selbst jener von Uderzo und Goscinny) seine Wahrheit post festum untergejubelt bekommt.


    scheich'sbeutelsche Grüße

    Ich habe so meine Zweifel, ob die Mitglieder dieses Forums die ideale Chatklientel darstellen. Vielleicht im literaturschock.de versuchen, könnte sein, dass du dort mehr Resonanz findest. Aber ansonsten: Selbst ist der (Her-)Mann, einen Chat zu installieren braucht's auch bei rudimentären Internetkenntnissen nicht mehr als 5 bis 10 Minuten. Dazu bedarf es keines sandhofers ;).


    Grüße


    s.


    Die Frauen kommen in der Genesis nicht gut weg. Sie sind Ware, werden gegeben und genommen und wenn ihnen etwas eigen ist, dann ist es Unvernunft und eine Neigung zur Intrige. Bei Dina folgt TM dieser Einschätzung. Sie wird entführt und defloriert und findet sich nicht nur damit ab, sondern lässt auch noch innere Zustimmung erkennen. So detailliert und feinsinnig sich TM mit den Wesen seiner männlichen Figuren beschäftigt, so oberflächlich bleibt er bei den Weibern. Es wirkt recht unbeholfen und gehemmt. Wer Madame Chauchat kennt weiß, er kann es auch anders.


    Nur kurzer Einwurf: Frau Chauchat mag differenzierter dargestellt sein als Dina, andererseits ist aber auch sie Femme fatale (wie fast alle Frauen von Th. Mann, den das andere Geschlecht ein wenig beunruhigt hat), sie wird vom Hofrat gemalt (nichts Genaues weiß man nicht ;)) - auf einem Faschingsfeste mit Castorp zusammen geshen (da weiß man ebenfalls nichts Genaues ;)) - und taucht schließlich an Seite von Mynheer Pepperkorn wieder auf (da weiß man dann schon ;)). Ohne mir jetzt alle Frauen Manns zu vergegenwärtigen: Sie folgen schon einem bestimmten Schema und haben meist etwas sexuell Gefährliches und - gleichzeitig - Anrüchiges (was denn vielleicht auch die Gefahr ausmacht).


    Grüße


    s.

    die berüchtigten "Dicken Damen" gibt’s erst in den Dämonen.


    Aber die dicken Damen sind doch harmlos hoch drei, das ist doch kaum anzüglich zu nennen und lockt keinen Sittenwächter hinter'm Ofen hervor (auch nicht in den 50igern). Da herrscht in fast jedem Thomas Mann Roman eine schwülstigere Atmosphäre, dieser Erotikverdacht geht einfach am Schreiben Doderers vollkommen vorbei. (Wie erwähnt - vielleicht die mittelalterliche Folterstube, aber selbst die ist so zahm gestaltet, dass jede Nachwuchs-Domina da bloß lächeln würde.)


    Grüße


    s.


    Ich habe in Erfahrung bringen können, bei Doderer ginge es auch um Sado Maso und so einen Krams. Das is nix fürn Freund Hermann...


    :breitgrins: - ich fürchte, die Strudlhofstiege ist ein äußerst prüdes Buch, jedenfalls sind mir (nach dreimaliger Lektüre) keine schlüpfigen Szenen erinnerlich. Allerdings gibt es ein Mittelalterkapitel in den Dämonen, dass dein Hinweisgeber wohl im Auge hatte, das aber gleichfalls - verglichen mit der im Schwange stehenden Gegenwartsliteratur - als Lektüre für ein Mädchenpensionat geeignet schiene.


    Die Erotik der Strudlhofstiege erschließt sich in jedem Fall nur dem Sprachverliebten, denn gerade diese, die Sprache, ist wirklich großartig. Endokrinologische Verstörungen sind nicht zu erwarten, da müsste man schon ein äußerst sensibles Hormonkostüm besitzen :zwinker:


    Grüße


    s.

    Die Genesis habe ich, in der einfach lesbaren Bibel Einheitsübersetzung, fast fertig gelesen. Bei dem Eingangskapitel des Romans bekam ich jedoch das Gefühl, mir würden wesentliche Aspekte fremd und unverständlich bleiben. "Mondwanderungen" hat mir mit den kurzen Erläuterungen geholfen eine Übersicht über die vielen angesprochenen Verflechtungen zu bekommen.


    Der erste Teil ist wirklich ein wenig theoretisch - und später wird man dann nochmal mit ägyptischer Mythologie beglückt. Was mir aber wichtig erscheint (denn der Thread machte bislang den Eindruck, als ob es sich um ein "schweres", mühselig zu lesendes Buch handle): Der Joseph ist über weite Strecken einfach Lesegenuss (wenn man denn die Sprache Th. Manns mag), auch ohne theoretischen Hintergrund verständlich, mit viel Witz, geistreichem Personal und einer - mir unsympathischen - Hauptfigur, bei der ich froh war, sie gegen Ende des zweiten Buches in einer Zisterne versenkt zu sehen ;).


    Grüße


    s.

    Ich halte es für übertrieben, Sekundärliteratur als notwendig für das Verständnis der Joseph-Tetralogie zu bezeichnen. Die verschiedenen orientalischen Götter (v. a. die zahlreich vorkommenden ägyptischen) kann man nachschlagen (in jedem Lexikon bzw. im Netz), Zusammenhänge erschließen sich aber auch ohne umfangreiche Nachschlagewerke. Wenn es schon ein solches sein muss, würde ich den Kleinen Pauly empfehlen, damit deckt man auch die restliche Antike ab. Ich habe im übrigen auch mit der Bibelenzyklopädie von Cornfeld-Botterweck (in der sehr viele Theologen zu Wort kommen, dtv-Verlag, auch antiquarisch zu erhalten) trotz des religiösen Hintergrundes kaum "doktrinäres" Gedankengut entdecken können.


    Empfehlen würde ich als Zusatzlektüre aber in jedem Fall das erste Buch Mose, auf Abraham, Isaak und Co wird immer wieder angespielt.


    Grüße


    s.


    Und selbst wenn? Was für mich zählt, ist der Augenblick. Auch wenn literarische Vergeßlichkeit entstünde, so hilft doch immer die Zweit- und Mehrfachlektüre bei Werken, die einem dies wert erscheinen. Ich glaube und stelle mal die These auf, daß ein wirklich geübter Leser in genau der Geschwindigkeit liest, die für einen paßt! Das heißt, man spürt genaul, was richtig ist! Wenn ich merke, daß ich bei einem Buch zu schnell werde, lese ich laut weiter, was automatisch drosselt. Aber bei schwieriger Literatur lese ich langsamer, oft wiederhole ich Seiten, bei Büchern, die es nicht erfordern, zische ich eben durch.


    Natürlich: Wenn du dich damit wohl fühlst, wäre es vollkommen widersinnig, am Leseverhalten etwas zu ändern. Du hast schon mehrfach den Vergleich mit den Lesegewohnheiten der Leute im Großen Bücherforum gebracht (der mir so ernsthaft nicht erschienen ist, aber doch ernsthafter zu sein scheint, als ich annahm). Ich vermute, dass für diese Vielleser das Lesen ein Steckenpferd ist wie Zierfische oder Briefmarkensammeln. (Wobei ich gegen beide Tätigkeitkeiten nichts gesagt haben will.) Für mich ist das offenbar etwas gänzlich anderes, jedenfalls nicht mit anderen Hobbies vergleichbar. Lesen (und damit wissen, erfahren wollen) konstituiert meine Person, es ist die Neugier, die ich seit meinen ersten Leseerfahrungen als Kind und Jugendlicher ins nun gesetztere Alter unbeschadet mitgenommen habe.


    Mit dieser Neugier verbunden ist die Lektüre von Sach-, Fachbüchern. Diese macht (wenn man denn Biographie, Essay etc. zu diesen zählt) den zahlenmäßig größeren Anteil aus; ich kann über die Jahre hinweg feststellen, dass die Menge der gelesenen Romane, Erzählungen immer stärker zurückgeht. Ein Autor aus meiner Jugend hat mich bezüglich des Leseverhaltens vielleicht mehr geprägt als alle anderen - und eben ein Sachbuchautor: Hoimar v. Ditfurth. Ich glaube, dass es sich um "Im Anfang war der Wasserstoff" handelte, das mir als vielleicht 12jährigem in die Hände fiel und mich total faszinierte: Eine rational nachvollziehbare, verständliche, aber nicht dümmlich "kindgerechte" Darstellung der Welt, unserer Geschichte. Es hat meine Neugier auf alles und jedes geweckt (und v. a. natürlich auf naturwissenschaftliche Bücher), ich empfand das Buch als spannender denn jeden Wildwestroman - und ein wenig ist mir diese Haltung auch heute noch zueigen.


    Und nun ist es wohl die Art dieser Bücher, die ein solches Schnelllesen fast unmöglich macht. Derzeit - neben Amos Oz - ein Buch über "Poincarés Vermutung" (wobei mir die Vorstellung dreidimensionaler Mannigfaltigkeiten einige Mühe macht ;)) oder "Mathematik für alle" von Lancelot Hogben, eine Art historisches Mathematiklehrbuch, Mitte der 30iger Jahre geschrieben, von einer technisch-rationalistischen Begeisterung getragen, die heute ein wenig naiv anmutet. Aber dennoch informativ in zweierlei Hinsicht: Was die historische Entwicklung der Mathematik an sich anlangt als auch die romantisch-technischen Utopien der Zwischenkriegszeit betrifft. Würde ich diesen Büchern mit einer Lesegeschwindigkeit von 100 Seiten pro Tag zuleibe rücken wollen, so bliebe als Resultat der Lesefrüchte bloß der Titel und eine ungefähre Vorstellung vom Inhalt zurück. Das will ich nicht.


    Ich will allerdings nicht werten: Wer gerne Groschenromane liest (oder Coelho, oder Simmel, Hedwig Courts-Mahler etc.) und sich dabei wohl befindet, soll dies tun. Mich langweilt das, ich sehe auch keine Rosamund Pilcher Verfilmungen (wie eigentlich fast überhaupt keine Filme) - und würde ich das tun, so wäre das eigentlich Interessante eine Art Metasicht: Sich zu überlegen, warum derlei Bücher oder Filme so großen Erfolg haben. Dass ich wenig Freunde oder Bekannte mit solchen Lesevorlieben habe, liegt einfach in der Interessenlage. Hingegen gibt es nicht wenige Informatiker in meiner Umgebung, die mit Literatur üblicherweise gar nichts am Hut haben, mit denen ich mich aber (weil ich Programmieren einfach spannend finde) sehr gut unterhalten kann.


    Was "Hochliteratur" anlangt: Ich sehe das wie Giesbert, es regiert das reine Lustprinzip. Mir ist es völlig wurscht, ob irgendein Werk einem bestimmten Kanon zugeordnet werden kann. Aber auch dem zweiten Teil kann ich zustimmen: Kompliziertere Strukturen machen einfach Spaß; Denken macht Spaß (das ist wohl der Kernsatz für all jene, die behaupten, Anspruchsvolles wäre zu anstrengend. Es macht einfach Freude.). Wobei die Komplexität der Strukturen wiederum zulasten der Geschwindigkeit gehen.


    Bei dir habe ich ein wenig das Gefühl der Getriebenheit: Lesen, "erledigen" zu müssen. Wenn du dich aber - wie du oben beschreibst - dabei wohl und zufrieden fühlst, bleibt die schlichte Feststellung, dass Menschen eben aus ganz unterschiedlichen Gründen, den verschiedensten Beweggründen zu Büchern greifen.


    Zitat


    :vogelzeigen:


    Nana, im Straßenverkehr würde diese Geste mit Bußgeld geahndet werden ;).


    Grüße


    s.


    Bei mir Zustand nach Sequesterentfernung L4-5 nach Bandscheibenprolaps. Ab morgen gehe ich für 14 Tage 4 Stunden am Tag wieder arbeiten. Die Rehabilitation war ok. Aber ich habe eine Fußheberschwäche, die möglicherweise nicht augeheilt werden kann und die meinen Gang beeinträchtigt und durch Fehlbewegung auf Dauer viele Gelenke. Lumboischialgie als Dauerleiden bleibt mir ebenfalls erhalten.


    Nur kurz dazu, bevor uns sandhofer eine virtuelle geriatrische Klinik einrichtet (und er hat schon bezüglich des Still- und Schwangerschaftsthread im Schwesternforum allenthalben seine Skepsis bekundet): Erfahrungsgemäß bilden sich die meisten Fußhebeschwächen vollkommen zurück. Bei mir blieben Anfälligkeit und Schmerzen in beunruhigender Regelmäßigkeit. Dass du deine Tätigkeit als Krankenpfleger wieder aufnimmst, halte ich für ziemlich gewagt, da es kaum etwas gibt, das den Rücken den Rücken mehr belastet.


    Um die Stunden-Seitenzahl hatte ich mich nie gekümmert. Eben testete ich mal, indem ich die letzten 66 Seiten des 455 Seiten umfassenden Roman "Im Haus der Großen Frau" von Meir Shalev las und dafür ziemlich exakt 2 Stunden brauchte. Demnach lag ich mit meiner Vermutung eines Stundenschnitts von 30 bis 40 Seiten nicht schlecht. Aber oft eher weniger, denn weiß, daß ich an Frühdiensttagen meist 18 Uhr zu lesen beginne (nachdem ich 1,5 bis 2 Stunden geschlafen habe) und regelmäßig bis 22 Uhr lese - sind also 4 Stunden - 25 bis 30 Seiten pro Stunde. Kommt aber aufs Buch an. Lese ich einenn Georges Simenon, werdens auch mal 50 bis 60, bei Herman Burger vielleicht 20, bei Arno Schmidt schätzungsweise nur 10 bis 15 Seiten.


    Natürlich richtet sich die Lesegeschwindigkeit nach Art des Gelesenen, wobei es sich bei mir "ergibt", dass ich kaum Literatur lese, die sich schnell liest. Einfach weil - wie schon zuvor erwähnt - mir "anspruchsvolle" (was immer das genau ist) Bücher mehr Freude machen.


    Ich kann das, wie oft schon beschrieben, nicht. Mir drückt es angesichts ungelesener Bücher im Haus die Luft ab. Damit muß ich mich arrangieren - und lernte das seit 1989 (der Beginn meiner <a href="http://www.buecherlei.de/misc/leli/index.htm">Leselisten</a> ist nicht zufällig), seitdem dieser Zustand herrscht, ganz gut.


    Das nun versteh ich gar nicht. Die Lesegier und das Viellesen kann ich nachvollziehen (wobei ich mir selbst manchmal Zügel anlege, weil ich bei zu schnellem Lesen feststelle, dass ich zur Vergesslichkeit neige, das Ganze - bei mir - zu einem oberflächlichen Konsumieren versandet). Aber gerade die Tatsache, dass ich eine Menge Ungelesenes im Regal stehen habe, ist angenehm; wären da nur einige wenige (z. B. 50) ungelesene Bücher, würde mich das äußerst beunruhigen. Wie erwähnt: Hier stehen zahlreiche Nachschlagwerke und Gesamtausgaben von Klassikern; das geht von Platon über Goethe und Schopenhauer bis zu Th. Mann - und selbstverständlich lese ich die Weimarer Ausgabe nicht von Bd 1 bis 143. Und der Besuch in Antiquariaten zieht - bei entsprechend günstigen Preisen - allerlei irgendwo in der Zukunft liegende Lesevorhaben nach sich. Summa summarum: Da sammelt sich einiges an - und das zu meiner absoluten Beruhigung. (Zusätzlich viel Fachliteratur, die wohl rund die Hälfte meines Buchbestandes ausmacht: Auch die u. a. zu Nachschlagezwecken - oder aber das Buch wurde wegen eines einzigen Artikels angeschafft, der Rest bleibt vorläufig ungelesen.)


    Grüße


    s.

    Jetzt ist aber mal gut. :zwinker: Mein <a href="http://www.buecherlei.de/misc/leli/stat2.htm">Leseverhalten</a> ist doch eigentlich völlig normal. Ich sitze (nach der OP) seit 8 Wochen zuhause und tue nichts anderes als Surfen, an meiner Webseite basteln und ab und zu mal lesen. Wenn ich 10 bis 12 Bücher im Monat schaffe, dann sind das alle 2,5 bis 3 Tage eines. 100 Seiten am Tag durchschnittlich. An Arbeitstagen eher mehr, weil ich mich dann nur aufs Lesen beschränke und meine Zeit nicht mit Videos, Streams und Web 2.0 verplempere wie an freien Tagen. Pro Stunde schaffe ich nicht mehr als 30 bis 40 Seiten. Da ich in den letzten Monaten eher seichteres Gegenwartsliteratur las, wars eben etwas mehr als üblich. Das wird sich ändern, weil ich davon im Augenblick nämlich die Nase voll habe und außerdem meinen SUB abbauen muß.


    100 Seiten täglich würde bei meiner Lesegeschwindigkeit mindesten 5 Stunden bedeuten, wahrscheinlich 7 bis 8 Stunden. Selbst wenn ich so viel Zeit hätte - und ich habe mir mein Leben so eingerichtet, dass ich vergleichsweise sehr viel Freizeit habe, außerdem vom selben Übel geplagt bin wie du und mit Begriffen wie Lumboischialgie oder medio-lateraler Discusprolaps L3-L4, L5-S1 durchaus vertraut bin, daher in der Horizontalen viel Zeit mit Büchern verbringe; selbst wenn ich also diese 8 Stunden problemlos erübrigen könnte, so ist mein tägliches Aufnahmevermögen begrenzt und ich vermag zumindest über Tage ein solches Pensum nicht zu absolvieren.


    Zudem "musst" du ja auch schon wieder ;). Das mit dem SuB versteh ich im übrigen auch nicht wirklich. Ich habe unter meinen rund 6000 Büchern selbstverständlich eine Menge ungelesener, ich habe Gesamtausgaben vieler Klassiker, Fachliteratur etc., die als potentielle Nachschlagwerke dienen, auf die ich - durch Diskussionen hier oder in realiter - zurückgreifen können will. Und ich gehe manchmal an den Bücherregalen vorbei und überlege mir, was denn ich davon lesen könnte. Das wandert dann auf den Schreibtisch oder ein spezielles Regal, verdümpelt dann wieder oder wird tatsächlich gelesen. (Im übrigen ist eine der dümmsten Fragen, die Besucher bei mir stellen, jene, die sich - die für die meisten unvorstellbare Menge an Büchern erblickend - nach dem "Status der Gelesenheit" erkundigen: "Und das hast du schon alles gelesen?" Allein die Frage zeigt, dass der Fragende vom Lesen wenig versteht :smile:


    Grüße


    s.


    der vermutet, dass sandhofer hier bald seines Amtes walten und das Ganze in einen eigenen Thread verfrachten sollte.