Hallo!
Mutatis mutandis hatten wir in verschiedenen Diskussionen das alles schon mal.
Exzentrizitäten sind an sich weder positiv noch negativ. Wobei die Fetischisten des nichtkonformen Verhaltens (aus völlig unerfindlichen Gründen finden sich in dieser Gruppe eine Unmenge Hesse-Leser :zwinker:) mich stark an eine Szene aus dem "Leben des Brian" erinnern, wo die Menge im Chor brüllt: "Wir sind alle Individualisten".
Außenseiter können (für mich) inakzeptable Idioten oder liebenswürdige Mitbürger sein, das ist einzig von ihrer "Macke" abhängig. Wenn jemand tagtäglich einen Kniefall vor einem Hitlerbild macht und Ausländer auf der Straße mit dem Baseballschläger verfolgt, hat er unzweifelhaft eine Macke - und zwar von der Art, die ich nicht goutiere.
Außerdem schwingt in der Kritik des "konformen Verhaltens" eine Art generelle Gesellschaftskritik mit, die schlicht pubertär ist. Ich bin mit sehr vielen Regeln unserer Gesellschaft durchaus einverstanden, die, wenn auch immer einschränkend, doch erst das gedeihliche Miteinander ermöglichen. Man schlägt einander nicht ins Gesicht, grüßt, wenn man einen Raum betritt und ist schlicht und einfach normalerweise bemüht, in seinem Verhalten den anderen nicht über Gebühr zu belästigen. Das finde ich gut - auch wenn es nicht originell ist. Wenn jemand hingegen die Macke hat, den Gegenüber bei der Begrüßung anzuspucken, so wäre ich über ein größeres Maß an Konformität froh.
Das Phänomen des Mackentums als solches ist also wertfrei und kann nur von Fall zu Fall beurteilt werden. Und ebenso verhält es sich mit Büchern: Es gibt Dumme, Entbehrliche, Schädliche, Schöne etc. Wie bei der Macke auch wird es also auf den entsprechenden, in Frage stehenden Fall ankommen. Wer aber da zu einer Art Generalverteidigung des "Außenseiter-, Mackentums, der Nichtkonformität" sich berufen fühlt, zeigt damit nur, dass er es mit dem Nachdenken nicht wirklich hält.
Und das Ganze ist - die Hesseleser mögen verzeihen - genau jene simplifizierende Weltsicht, die diesen zueigen ist. Ich halte das für eine, oftmals wichtige, Zeit in der geistigen Entwicklung. Es sollte aber dieser Prozess (wie [url=http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,630.msg41874.html#msg41874] hier [/url]in anderen Beispielen beschrieben) ein vorübergehender sein.
Grüße
s.
p. s.: Im übrigen halte ich das zwanghafte Lesen einer bestimmten Anzahl von Büchern, Autoren, Neuerscheinungen - was auch immer - für eine durchaus harmlose Macke. Andere glauben, auf alle 8000er ohne Sauerstoffgerät kraxeln zu müssen, der nächste trägt, weil er seinen Vorgänger übertreffen will, einen Zementsack mit und pfeift während des Aufstiegs ständig die Nationalhymne. Soll sein. Was aber den vorgenannten Bücherleser betrifft, hat er eher mein Bedauern: Ich vermute, dass ihm durch solches Leseverhalten einiges an Schönheit in der Literatur entgeht.