Hallo!
Nur eines sei hier herausgehoben, möglicherweise aber beispielhaft für die anderen Figuren: Mary K. begeistert - und zwar die Umwelt. Abgesehen von den physischen Attributen (und spätestens bei den Dämonen weiß man um Doderers Vorlieben ;-)) ist sie "klug, intelligent, dezent ..." - und sie (Mary) bzw. er (Doderer) bleiben die tiefere Begründung für diese Adjektive schuldig. Dennoch kann ich als Leser sehr gut diese Beliebtheit nachvollziehen, das ist jene glatt polierte, schöne Oberfläche, die allenthalben Freude erweckt (wenngleich ich als reale Person mit den Mary K.s kaum Umgang pflege). Entscheidend für eine Figur ist ihr Funktionieren im Roman, die Plausibilität ihrer Beliebtheit und mitnichten, ob mir persönlich das Wesen da sympathisch ist. Und plausibel ist die Mary sehr wohl, reizend, hübsch (in des Autors Sinne) und blank poliert.
Exkurs: Das mag man heute noch - und frau poliert (des Mannes wegen??) neben inneren Qualitäten auch die äußeren brav mit (weil irgendein Modeschnösel etwa beschlossen hat, den Haarwuchs an Beinen oder gar unter der Achsel für unanständig und eklig zu halten). Deshalb rasieren sich sowohl die Kuhmagd in einer alpenländischen Bergbauernregion als auch die südkoreanische Fischverkäuferin tagtäglich (wöchentlich?? - monatlich??) brav das weg, was irgendwelche Eiergänger von Modefuzzis für hässlich erklärt haben. Mary K.s - und solche, die es werden wollen, allüberall.)
Insofern also scheint Mary aktuell, vor allem aber: Madame vertritt in ihrer fraulichen Tugenhaftigkeit und Tüchtigkeit den allgemein anerkannten Beliebtheitstypus sehr gut - bzw.: Doderer hat ihn in der Person der Mary nach meinem Dafürhalten großartig gestaltet. Ob ich mit der guten Dame auskäme ist aber von beachtlicher Belanglosigkeit, ich pflege mich auch mit gut gezeichneten Nazi-Schergen nicht zu identifizieren. Freue mich aber dennoch über eine gelungene Darstellung.
Abgesehen aber von aller Figurenplausibilität: Die unglaubliche und für mich jede Schwäche des Romans überdeckende Qualität des Romans liegt in den psychologischen Bildern, den Innen-Außenansichten der Personnage, die mir manche Unzulänglichkeit im Handlungsgeflecht (und die Handlung selbst in ihrer "Verfilmbarkeit" interessiert mich meist nicht die Bohne - im Gegenteil: Alle 1 : 1 verfilmbaren Bücher langweilen mich per se) schlicht irrelevant erscheinen lassen.
Im übrigen bin ich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) gerade bei der Strudlhofstiege vom gesamten Handlungsaufbau (nebst den zahlreichen Zeitsprüngen) tief beeindruckt und auch voller Bewunderung für diese Leistung (denn eine solche Konstruktion durchzuhalten und tatsächlich zu einem sinnvollen Ende kommen zu lassen ist schon eine Leistung für sich - wär' derlei nur auch Musils MoE beschieden gewesen, obwohl ich hier manchmal den Eindruck hatte, dass der schon als Unvollendeter begonnen wurde). Ich hab es auch nicht als so verwirrend empfunden wie oftmals beschrieben, vor allem aber wird man trotz aller labyrinthischen Abwege mit derart eingängigen Beschreibungen belohnt, dass man - möglicherweise - zum sofortigen Wiederlesen gezwungen wird: Und was kann man von einem Buche Besseres sagen als dass ein solches doppeltes Lesen absolut empfehlenswert und nirgends langweilig ist.
Grüße
s.