Das dramatische Werk von William Shakespeare kann man sowohl chronologisch als auch nach Gattungen gliedern. In beiden Fällen werden seine Dramen üblicherweise in vier Gruppen zusammengefasst:
Gliederung nach Gattungen:
I. Historische Dramen: Hier dramatisiert Shakespeare englische Geschichte und stellt zugleich hoch brisante politische Fragen
II. Komödien: Neben rein lustigen Komödien stehen hier auch sogenannte Problemkomödien wie „The Merchant of Venice“
III. Tragödien:
IV. Romanzen: Shakespeares letzten Stücken „The Winter’s Tale“ und „The Tempest“ hat man ihrem märchenhaften Stil wegen den Namen Romanzen gegeben. Motive die aus früheren Stücken hier wiederkehren, haben ihre Düsternis verloren und werden heiter und mit überlegener Verklärung dargestellt.
Chronologische Gliederung:
I. In der ersten, Schaffensperiode von 1589 bis 1595, Shakespeares „Sturm und Drang“-Zeit (nur von mir so genannt) entstand u.a. „King Richard III“
II. Es folgte eine heitere Periode von 1595 bis 1599 in der viele Komödien wie „A Midsummer Night’s Dream“ entstanden aber auch „Romeo and Juliet“
III. In einer dritten, düsteren Periode von 1599 bis 1609 entstanden die vier großen Tragödien „Hamlet“, „Othello“, „King Lear“ und „Macbeth“
IV. Die in der Zeit zwischen 1609 und 1613 entstandenen Werke wie „The Tempest“ kamen einerseits einem neuen Publikumsgeschmack entgegen (das Rokoko löst langsam den Barock ab), entsprechen aber andererseits, so nehme ich an, auch dem veränderten Bedürfnis Shakespeares nach Heiterkeit, Hoffnung, und Transparenz.
Es verwundert nicht, dass „Der Sturm“ in beiden Gliederungen am Ende steht, ist dieses Werk doch die Krönung von Shakespeares Schaffen. Zunächst wirkt die Fantasy-Welt sehr befremdlich – erwartet man doch solche Märchenelemente bei Shakespeare nicht. Doch spätestens wenn Prospero sagt: „We are such stuff as dreams are made on” reibt man sich die Augen und fragt sich: Ja wer träumt nun diese Figuren, wenn sie also aus solchem Stoff sind, wie der, aus dem die Träume sind. Shakespeare lässt die Frage offen.
Gewöhnlich wird deshalb Prospero mit dem Dichter Shakespeare gleichgesetzt, der seine Figuren erträumt und Ariel und das Geisterspiel sind dann Shakespeares Dichtung, so auch in dem Film des englischen Regisseurs Peter Greenaway "Prosperos books", Gewiss ist diese Deutung legitim, aber sie reicht nicht aus. Es geht um mehr als um des Dichters Kunst in diesem Stück. Wie immer bei Shakespeare geht es auch hier um die großen Fragen der Menschheit. Diesmal aber auf einer anderen Ebene..
Der Sturm, der dem Drama den Namen gibt, entstammt nicht der Naturgewalt, wie in „Othello“ oder „King Lear“, sondern er ist von Prospero entfacht: nicht Naturgewalt, sondern Gewalt des Geistes. In Shakespeares früheren Werken spielen Natur, Schicksal und Menschenwille immer geheimnisvoll zusammen, in seinem letzten Werk aber hat der menschliche Wille die Oberhand gewonnen. Vielleicht ist Prospero aber hier auch mit Gott gleichzusetzen, einem Gott aber, der den Menschen die Freiheit lässt, das Gute oder das Böse zu wählen. „These are not natural events“, sagt Alonso im letzten Akt. Wer will dem widersprechen.