Ich hab den ersten Band ausgelesen, mache jetzt eine Pause, was natürlich eine völlig willkürliche Zäsur ist, und lese aber immer mal halbwegs regelmäßig den „heutigen Tag“ nach. Denn das Ganze bezieht sich ja rück- und vorwärts immer wieder aufeinander.
Der Kommentar verlinkt es und macht es deutlich.
Einige Anmerkungen, wie meist bei mir, dank weitestgehenden Fehlens fachlichen Vokabulars, ein wenig unbeholfen.
Die Personen gewinnen wohl so Konturen, wie man sie sich macht.
Es liegt am Leser, die sich mit Inhalt zu füllen.
Meinem Empfinden nach erfolgt die Charakterisierung indirekt, Im Verlauf des Erzählens, durch die Dialoge. Durch wechselseitige Spiegelung. Für dieses Verfahren gibt es sicherlich einen literaturwissenschaftlichen Terminus, aber den hab ich, wie meist, nicht parat.
Mir stehen jedenfalls Gesine und die anderen, und insbesondere Marie, durchaus lebhaft vor Augen.
Ich dachte dabei auch an Gesine und Cresspahl aus den „Mutmassungen“ zurück.
Und ebenso wertet Johnson direkt nicht. Seine Standpunkte hatte er sicherlich, aber es liegt an uns, die zu erschließen. Bzw., und das finde ich, wie stets, wichtiger, uns selbst am Text unsere Fragen aufzuwerfen.
Auch mir kommen die einzelnen Tage/Kapitel vom „Niveau“ her wechselnd vor. Nur wie soll es auch zu schaffen sein, stilistische Höhepunkte wie bspw. das von mir erwähnte Anschalten der Heizung permanent zu halten.
Ich glaub, das muss auch so sein.
Es ist mir bei längeren Lektüreabschnitten aufgefallen, dass ich ruhigere Passagen habe, und dann zieht das Tempo wieder an. Es gibt Passagen eher „normalen“ Erzählens, und dann wieder diese von sehr hoher Qualität mit streckenweise wirklich brillanter Prosa.
Das scheint mir, neben der Strukturierung in einzelne Tage, mögen deren Ereignisse nun willkürlich sein oder nicht, eine zweite zu sein.
Die dritte, auch die „tagesunabhängig“, ergibt sich durch den Wechsel der Schauplätze. Und deren Spiegelung. Dadurch, dass sich ja die hier angesprochenen Grundthemen, in den 30ern und den 60ern aufeinander beziehen.
Auch ich fand, besonders im letzten Drittel, die Jerichow-Szenen, vor allem die um die Machtergreifung herum, am gelungensten.
Das ist einfach plastisch, da erleben wir mit, wie sich die „große“ Politik im Kleinen, in so einem dörflichen Biotop, auswirkt.
Ganz konkret, bspw. die sich verschärfende Judenverfolgung, an Semig und seiner Frau.
Kleinigkeiten, wie dass sich Cresspahl einen Aufnahmeantrag für die Partei holt, aber dann, wenn ich mich richtig erinnere, doch nicht eintritt.
Spiegelung:
sehr gut hat mir gefallen, wie, am 1. November, Mittwoch, das Verhalten von Marie und ihrer Gruppe auf Halloween geschildert wird. Und Marie im Dialog mit Gesine, Sophisterei betreibt, um vor ihr und sich selbst, ihrem schlechten Gewissen, zu rechtfertigen, dass Francine, weil nämlich „gefärbt“, nicht eingeladen wurde. Marie, die doch andererseits eine so entschiedene Haltung zum Vietnamkrieg (in ihrer Schule, bei dem Besuch bei de Rosny) hat. (Fragte ich mich ja: geht das überhaupt, in dem Alter?)
Alltäglicher Rassismus, Jerichow 1933, New York 1967.
Ziemlich ratlos bin ich bisher, was den/die Erzähler betrifft.
Ich meine mich an Stellen zu erinnern, wo ein übergeordneter (auktorialer ??) Erzähler mit seiner Gesine spricht.
Leibgeber (zur Zeit Wien, nicht Jerichow/New York )