Beiträge von Manjula

    Guten Abend,


    ja, Gomorrha scheint im zweiten Kapitel einen größeren Stellenwert einzunehmen. Marcel scheint davon gleichzeitig abgestoßen und doch fasziniert. Interessant übrigens die Bemerkung, dass Albertine und Andrée lesbische Beziehungen ablehnen - hatte nicht Charlus Ähnliches geäußert?


    Die Szene mit dem Liftboy fand ich sehr amüsant. Proust kann wirklich treffen die Schwächen seiner Mitmenschen aufs Korn nehmen ("genau die selbe Statur wie ich...wir könnten Zwillinge sein.")


    Liebe Grüße
    Manjula

    Hallo zusammen,


    ich bin nun am Ende des ersten Kapitels angelangt. Wie Euch haben mich die Naturbeschreibungen am Ende sehr beeindruckt. Hier ist Proust wirklich ein Meister.


    Zitat

    Proust beschließt das erste Kapitel von Sodom und Gomorrha II mit einem akustischen und einem visuellen Bild, einem Seestück und einer Landschaft. In beiden variiert er Themen aus den vorangehenden Teile des Romans. Vgl. die Seestücke in "Jeunes filles", den blühenden Weißdorn in "Swann" oder die blühenden Birnbäumen in "Guermantes".


    Diese durchdachten Wiederhoungen und Wiederaufnahmen, wie in einem Musikstück, gefallen mir sehr gut. Man kann wohl schon sagen, dass Proust den Roman "komponiert" hat.


    Sehr berührend fand ich übrigens, wie Marcel die Trauer seiner Mutter um die Großmutter beschreibt. Gleichzeitig erkennt er, dass seine Trauer, so sehr sie ihn in diesem Zeitpunkt ausfüllt, schwach im Vergleich zu den Gefühlen seiner Mutter ist.


    Liebe Grüße
    Manjula

    Hallo Evelyne,


    auch von mir willkommen zurück. Bin eben erschrocken, wie lang unsere Kafkaleserunde schon wieder her ist...


    Grüße
    Manjula

    Guten Morgen,



    Hallo !


    Die Gedanken über den Tod gehen weiter. [...]


    Ja, der Tod taucht immer wieder auf: Swann liegt im Sterben, was Marcel gar nicht zu berühren scheint. Bergotte ist ebenfalls todkrank und verhilft dadurch Odette zu einem eleganten Salon. Noch zynischer wird der Tod des Verwandten des Herzogs von Guermantes beschrieben: als er davon erfährt, verneint er die Tatsache, weil er ansonsten den Maskenball nicht besuchen könnte. Heftig.


    Ein weiteres immer wiederkehrendes Motiv ist die Dreyfusaffäre. Der Erzähler schildert die Ansichten Swanns, den Gewinn, den Odette daraus zieht und die Wandlung bei Saint-Loup, dem Herzog von Guermantes und dem Prinzen von Guermantes, selbst bezieht er aber nach wie vor nicht Position. Überhaupt kommt er mir in diesem Band leichtlebiger vor als in den vorigen: er scheint nur an den Salons interessiert, seine Liebe zur Literatur scheint erkaltet und seine Arbeit wird nur einmal erwähnt, nämlich in dem Zusammenhang, dass er sie hinausschiebt.


    Ach ja, Odette. Still und heimlich hat sie es geschafft, einen eleganten Kreis um sich zu scharen. Die Guermantes lehnen sie zwar nach wie vor ab, der Erzähler deutet aber schon ganz leicht an, dass sie sozusagen auf dem absteigenden Ast sind. Es scheint sich noch einiges zu verändern in der Gesellschaft.



    Hallo zusammen,


    manche alte Verhaltensmuster kommen doch immer wieder durch. Als Albertine nicht kommen konnte, fühlte sich Marcel ähnlich wie damals als seine Mutter ihm nicht Gute Nacht sagen konnte.


    Ja, diese Erinnerung fiel mir auch auf. Schön fand ich auch, als Marcel beschreibt, dass er gern eine bestimmte Dame besucht (mir fällt gerade der Name nicht ein), weil bei ihr immer Erinnerungen an Eulalie hochkommen.


    Ich bin nun mit Marcel in Balbec angekommen, wo er sich über die Sprachverhunzungen des Direktors lustig macht. Das wäre nun ein Teil, den ich gern im Original lesen können würde :zwinker:


    Liebe Grüße
    Manjula

    Hallo zusammen,


    da ich ja den Thread im Nachbarforum eröffnet habe (danke fürs Verlinken, sandhofer :winken: ), hier nun auch mein Senf:


    Ich finde Weischedel als erste Einführung in die Philosophie sehr geeignet. Sein sehr flüssiger Stil und, ja, auch die Anekdoten machen die einzelnen Beiträge gut lesbar und verständlich. Eine in die Tiefe gehende Beschäftigung mit einzelnen Philosophien oder Denkrichtungen kann man von dem dünnen Büchlein natürlich nicht erwarten. Aber wie gesagt, als Einstieg nicht schlecht. Mir hat es Lust auf mehr gemacht, deshalb finde ich diesen Thread auch sehr anregend.


    Viele Grüße
    Manjula

    Guten Abend,



    Hallo zusammen !



    Das ist mir so nicht aufgefallen. Es stimmt, der Stil wirkt flüssiger, er schiebt nicht soviele philosophische Betrachtungen ein, aber ich habe es so empfunden, dass er den Plauderton auf der Soiree aufnimmt. Auf so einer Veranstaltung geht es ja hauptsächlich um "wer-mit-wem" und andere Skandälchen. ...


    Prousts Erzählung der Soirée wirkt auf mich ebenfalls sehr locker und leicht. Deine Annahme, er ahmt damit den Plauderton der Gäste nach, finde ich nachvollziehbar; er zeigt auch die Oberflächlichkeit, die hier herrscht. Lediglich die Szene mit Swann fällt aus dem Rahmen.


    An einer Stelle schreibt er ja, dass der "Invertierte" sich zunächst für einzig in seiner Art hält, später hält er im Gegenteil den "normalen" Menschen für eine Ausnahme. Bei der Menge an Homosexuellen, die Marcel ausmacht (Charlus, Vaugoubert, Châtellerault, sämtliche Mitglieder der Gesandtschaft...), scheint er sich gerade im zweiten Stadium zu befinden :zwinker:


    Sehr schön fand ich die Beschreibung des Brunnens von Hubert Robert. Die Wasserstrahlen, die eigentlich lückenhaft und teils kraftlos sind, erwecken aus der Distanz eine Illusion der Kontinuität. Kann das ein Bild der Gesellschaft sein? Später schreibt Proust ja, dass die Bürger einer Epoche, so unterschiedlich sie sich auch vorkommen mögen, aus dem Abstand der Geschichte doch ganz einheitlich erscheinen.


    [quote author=JMaria]
    "Wir wollen nur hoffen, daß es nach dem Tod besser eingerichtet ist. Auf alle Fälle hat man es dann nicht mehr nötig, eine dekolletierte Robe anzulegen. Aber wer weiß? Vielleicht wird man bei großen Festen seine Gebeine und seine Würmer zur Schau stellen. Warum auch nicht?.." (sagte die Herzogin von Guermantes).
    [/quote]


    Und danach dann: "Sehen Sie nur die alte Rampillon an, finden Sie, dass ein großer Unterschied zwischen ihr und einem Skelett in ausgeschnittenem Totenhemd besteht?" Ganz schön bösartig. Ebenso wie Charlus' Bemerkungen über die Matinée von Madame Sainte-Euverte, die er mit einer Abortgrube in Verbindung bringt.


    Ich bin eben bei Marcels Gespräch mit Swann.


    Liebe Grüße
    Manjula

    Hallo finsbury,


    Zitat

    Aber das gehört zur jugendlichen Entwicklung nun mal dazu, besonders, wenn noch nicht viel dahinter steckt, wie wohl auch beim jugendlichen Goethe.
    Interessant finde ich aber, dass sich G. auch im Alter noch zu diesem Jugendwerk bekennt. Er scheint es recht behaglich zu genießen, dass er den Topf auch weiter unten einmal umgerührt hat.


    Schön ausgedrückt :zwinker: Es macht ihn recht sympathisch, finde ich.


    Zitat

    Hoffentlich treffen wir uns mal wieder in einer!


    Sehr gerne! :winken:


    Liebe Grüße und schönes Restwochenende
    Manjula

    Hallo zusammen,


    ich befinde mich ebenfalls noch auf dem Fest der Prinzessin. Marcels Anstrengungen, endlich dem Gastgeber vorgestellt zu werden, haben mich auch amüsiert. All diese Verrenkungen, um möglichst schnell seine Gastpflichten zu erfüllen und sich mit Albertine treffen zu können. Es erscheint ja alles sehr gestelzt und umständlich - aber das wird man vielleicht über unsere Umgangsformen in 100 Jahren auch sagen.


    Zitat

    Ganz erstaunlich war auch die direkte Wendung an den Leser, ich weiß nicht, was ich davon halten soll ?


    Ja, das hat mich auch gewundert. Ich fand es aber auch recht witzig, wie er ausführlich über das Erinnerungsvermögen und Namen referiert und sich dann vom ungeduldigen Leser (sozusagen "jetzt komm doch endlich mal auf den Punkt") unterbrechen lässt. Eine nette Selbstironie, und der Leser, der vielleicht doch manches zu weitschweifig fand, fühlt sich schmunzelnd ertappt.


    Maria, geht es Dir wieder besser? Eine Magenschleimhautentzündung ist wirklich eine Plage :trost:


    wolves, schleich Dich ruhig noch öfter ein :smile: Vielleicht schaffst Du es ja, bei einem der späteren Bände mitzulesen?


    Schönen Sonntag Euch allen!


    Manjula


    EDIT: Ich lese übrigens diesmal die Suhrkampausgabe von 1982.

    Hallo Maria,


    nein, so weit bin ich noch nicht! Offensichtlich haben unsere Ausgaben unterschiedliche Einteilungen, bei mir endet der erste Teil mit Seite 50, und da bin ich jetzt. Bitte nicht deprimiert sein, ich wollte sicher nicht vorpreschen (ich hatte eher ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, Ihr hättet schon angefangen und nur wegen mir noch nicht geschrieben).


    Viele liebe Grüße
    Manjula

    Hallo Steffi, JMaria und alle Interessierten,


    die Proustleserunde geht nun also mit Teil 4 weiter.


    Ich habe heute den ersten Teil abgeschlossen und freue mich, wieder in Prousts Welt eintauchen zu können. Der Erzähler beobachtet zu Beginn die Orchidee, die ihrer Bestäubung harrt, und wird aber durch die Annäherung von Charlus und Jupien abgelenkt (was er zum Schluss bedauert - etwas scheinheilig, findet Ihr nicht auch? :zwinker: ). An seine Beobachtungen schließen sich Gedanken zum Thema Homosexualität an, die ziemlich befremdlich erscheinen. So ganz kann ich seine Haltung nicht einschätzen, aber er kündigt ja mehrfach an, dass er sich noch ausführlich dazu äußern wird.


    Ich bin gespannt auf Eure ersten Eindrücke.


    Liebe Grüße
    Manjula

    Hallo finsbury,


    ich wünsche Dir ein gutes neues Jahr, mit viel Glück und hoffentlich vielen schönen Lesestunden!


    Es hat zwar etwas gedauert, aber ich habe DuW nun abgeschlossen. Zunächst noch mein Eindruck zu den letzten Büchern:


    Das 18. Buch beginnt mit Gedanken über die deutsche Literatur, wobei Goethe auch auf sein wohl eher derbes Werk "Hanswursts Hochzeit" eingeht. Von diesem Stück hatte ich vorher noch nichts gehört; dass es im Anhang als "pornographisch" bezeichnet wird, scheint aber angesichts dieser Auszüge nicht übertrieben.


    Danach wieder ein Treffen mit Lavater; Goethes Faszination für ihn kann ich wie Du nicht nachvollziehen - aber immerhin bezeichnet er seine Tätigkeit später als physiognomische Hetzerei. Die Züge seiner Frau werden als "etwas sonderbar, aber friedlich und zartfromm" geschildert - wie Lavater sie wohl beurteilt haben mag? :zwinker:


    Schließlich die Schilderung seiner Bergwanderung, die mir sehr gut gefallen hat. Essen und Trinken waren wohl recht wichtig für ihn: schmunzeln musste ich, als er den lombardischen Wein erwähnt, den man nur verwässert und verzuckert genießen konnte.


    Dafür gab es ja gleich zu Beginn des 19. Kapitels einen trinkbaren Wein. Zu der Italienreise kann er sich noch nicht entscheiden, die Hoffnung auf eine Zukunft mit Lili hatte er wohl doch noch nicht ganz aufgegeben. Nun, es wurde dann ja doch nichts daraus.


    Zitat

    Aber glücklicherweise hat er sie nicht geheiratet, denn es war ja wohl die bürgerliche Existenz mit einer genügenden Portion beruflichem Ehrgeiz, die hier von ihm gefordert wurde. Was aus der unmittelbaren zeitgenössischen Sicht häufig unsozial, flatterhaft und so weiter aussieht, hat in einem solchen Fall dann doch seinen höheren Sinn. Aber für uns Otto-Normalverbraucher wäre es denn doch Hybris, solches für uns in Anspruch zu nehmen .


    Wer weiß? :breitgrins: Aber es ist schon richtig: sein Leben und Werk hätte sich sicher ganz anders entwickelt, wenn er mit Lili zusammen gekommen wäre.


    Im 20. Buch steht Goethe dann wieder an einer Wegscheide: Abreise nach Weimar oder Italien? Seine Entscheidung für Weimar sieht er zunächst als kurzzeitig an, und tatsächlich kam es ja noch zur Italienreise (wenn auch später als gedacht). Und ich stimme Dir zu: es ist ein rundes Ende. Eine Fortsetzung hätte sich hier zwar gut anschließen können, das bisherige kann aber auch gut für sich allein stehen.


    Die Gedanken zum Dämonischen fand ich nicht leicht fassbar. Einerseits sah er dies wohl, wie Du schreibst, als das unkontrollierbare Element im Menschen, andererseits können Menschen, die dämonische Kräfte in sich tragen, ungeheure Kräfte ausüben (ein Beispiel war für Goethe wohl Napoleon). Um seine Ideen nachvollziehen zu können, sind aber die Abschnitte in DuW wohl auch zu kurz.


    Im Anschluss an das 20. Buch finden sich in meiner Ausgabe noch ein biographisches Schema, das nach der Auflistung der Ereignisse in chronologischer Form noch einige längere Textabsätze enthält, die ich noch nicht gelesen habe. Trotzdem schon mal ein Fazit von mir:


    Wenn die Autobiographie auch nicht "komplett" ist, hat sie mir doch sehr gut gefallen. Ich habe das Gefühl, Goethe als Mensch "näher kennen zu lernen". Besonders haben mir die Einschübe zur Literatur (sowohl der eigenen als auch seiner Kollegen) gefallen, das hätte für meinen Geschmack gern noch ausführlicher sein können. Insgesamt ein Buch, das mir viel Freude gemacht hat - ebenso wie der Austausch in dieser Minileserunde :winken:


    Viele liebe Grüße
    Manjula

    Hallo finsbury,


    ich hoffe, Du hattest schöne Weihnachtsfeiertage!


    Ich bin nun im siebzehnten Buch angelangt. Ja, so langsam neigt es sich dem Ende zu – schade.


    Im 14. Buch haben mir wie Dir Goethes Beschreibungen seiner „Kollegen“ gefallen. Dass ihn Wagners „Ideenklau“ erbittert, kann ich einerseits verstehen, andererseits sagt er ja selbst, dass er mit seiner Mitteilsamkeit einen Teil der Schuld selbst trägt. Naja, auf lange Sicht ist ja seine Gretchengeschichte deutlich erfolgreicher geworden.


    Goethes Interesse für die Physiognomie, insbesondere den Absatz über Lavaters Gegner fand ich auch merkwürdig; ein bisschen Ironie hätte hier sicher nicht geschadet. Interessant an der Episode war für mich noch etwas anderes: Goethe und Lavater hatten einen regen Briefverkehr, und das, ohne sich persönlich zu kennen. Ich könnte mir vorstellen, dass Goethe sich in Foren sehr wohl gefühlt hätte :zwinker:


    Sehr schön fand ich seine Beschreibung des Kölnaufenthalts:


    Zitat

    …das Herz ist nicht so gefällig, es wiederholt uns nicht die schönen Gefühle, und am wenigsten sind wir vermögend, uns enthusiastische Gefühle wieder zu vergegenwärtigen…


    Das 15. Buch gibt interessante Einblicke in Goethes Schaffen, wie bei ihm Ideen zu Werken werden, welche Schwierigkeiten er bei der Umsetzung hat, …Hat mir gut gefallen, es hat etwas von „hinter die Kulissen blicken“.


    Zitat

    Dabei half ihm natürlich auch sein gutsituierter Hintergrund und das Aufwachsen in der freien Reichsstadt Frankfurt.



    Ja, er hatte schon recht gute Startbedingungen. Wir hatten es ja schon einmal von seinen Eltern (insbesondere dem Vater), die ihm jede Bildungsmöglichkeit eröffneten.


    Das 16. Buch schien mir etwas zusammenhanglos. Er beginnt mit Spinoza, wechselt zum Brand in der Judengasse, erzählt etwas über das Schlittschuhlaufen, führt Lili ein und endet mit der missglückten Augenoperation. Irgendwie kann ich hier den roten Faden nicht erkennen.


    Zum 17. Buch kann ich momentan noch nicht viel sagen, hoffe aber, am Wochenende weiter zu kommen.


    Bis dahin viele liebe Grüße
    Manjula

    Hallo finsbury,


    ich habe gestern das 13. Buch abgeschlossen. In diesem Buch scheint sich Goethes Laufbahn endgültig weg von der Juristerei hin zur Dichtung zu wenden, was in der Anekdote von der Klageschrift, bei der ihm das Urteil des Klienten wichtiger ist als das des Richters, deutlich wird. Goethe geht wieder ausführlich auf die zeitgenössische Literatur ein und leitet dann über auf die Entstehungsgeschichte des Götz von Berlichingen und des Werther. Dabei geht er wiederum großzügig mit den Tatsachen um: Er bezeichnet den Götz als reine Vorübung ohne Absicht auf Veröffentlichung, während er tatsächlich den Druck schon fest im Auge hatte. Auch die zeitliche Abfolge: Jerusalems Tod – sofort Niederschrift des Werther ist nicht korrekt. Das ist dann wieder eher Dichtung als Wahrheit :zwinker:


    Er beschreibt auch ausführlich die vorherrschende melancholische Stimmung der Gesellschaft(von der er sich nicht ausschließt – der Vergleich der verschiedenen Selbstmordmethoden ist ja schon etwas morbide), bevor der Werther erschien und erklärt (vielleicht auch entschuldigt?) damit die außerordentliche Wirkung, die sein Roman hatte. Interessant fand ich, dass für ihn selbst das Werk eher therapeutische Wirkung gehabt haben soll.


    Dass die Rückfragen, was denn nun an dem Roman „echt“ war, ihn geärgert haben, kann ich gut verstehen. Eine gewisse Sensationslüsternheit hat es wohl zu allen Zeiten schon gegeben.


    Nett war dann wiederum, dass er auch die Parodien auf den Werther erwähnt. Eine mit Hühnerblut geladene Pistole! Natürlich kann er seine Erwiderungen nicht außen vor lassen. Das „Spottgedicht, welches sich nicht mitteilen lässt“ (lt. Anhang „aufgrund seines Fäkalwitzes“) würde mich ja jetzt schon interessieren :breitgrins:


    Sehr schön fand ich seine Beschreibung der wahren Poesie, die „durch innere Heiterkeit, durch äußeres Behagen, uns von den irdischen Lasten zu befreien weiß, die auf uns drücken.“


    Genau :smile:


    Schönen Sonntag noch!
    Manjula

    Hallo finsbury,


    im 12. Buch (ich bin leider auch noch nicht viel weiter) hat mir der juristische Teil auch gut gefallen. Mit Überlastung der Gerichte, langer Verfahrensdauer...scheint es ja schon damals schlimm gewesen zu sein. Das mit der Visitation scheint mir vergleichbar mit Überprüfungen durch den Rechnungshof; so etwas bringt wohl immer Unruhe, da manche Bearbeiter supendiert werden, andere beschäftigen sich mehr damit, ihre Akten für den Prüfer aufzubereiten anstatt mit ihrer eigentlichen Tätigkeit: und so geht gar nichts mehr. Goethe lässt aber auch einige Spitzen gegen das typisch deutsche Beamtentum ab:


    Zitat

    Denn der ehrwürdige deutsche Fleiß, der mehr auf Sammlung und Entwickelung von Einzelheiten als auf Resultate losging...


    Zitat

    ...sollte er auch nicht gerade sehen, dass etwas dabei herauskomme. Der Deutsche besonders ist von einer solchen ausharrenden Sinnesart...


    Bei der Verkleidungsgeschichte musste ich an Dich denken und dass Dir diese Stelle bestimmt ausnehmend gut gefällt :zwinker: Warum Goethe sich hierzu verstellen musste, habe ich auch nicht verstanden.


    Sehr interessant fand ich auch, als Goethe deutlich sagt, DuW sei nicht als reine Lebensgeschichte zu sehen, sondern solle vorrangig "die Lücken eines Autorlebens" ausfüllen. Geht er davon aus, dass der Leser nach Kenntnis seiner Lebensumstände Werke anders versteht oder würdigt? Eigentlich sollte doch ein Werk für sich sprechen - der Werther wird doch nicht besser oder schlechter, wenn ich die zugrunde liegende Liebesgeschichte kenne.


    Zitat

    Eine sehr schöne Stelle fand ich zu Beginn des Buches, als es um den inneren Kern des Kunstwerks geht:



    Zitat von: Goethe
    Das Innere, Eigentliche einer Schrift, die uns besonders zusagt, zu erforschen, sei daher eines jeden Sache, und dabei vor allen Dingen zu erwägen, wie sie sich zu unserem eigenen Inneren verhalte, und inwiefern durch jene Lebenskraft die unsrige erregt und befruchtet werde [...]


    Genau diese Stelle hatte ich mir auch anmarkiert! Wirklich sehr schön.


    Schönen Nikolaus noch :nikolaus:
    Manjula

    Hallo liebe Vicar-Leser,


    ich habe Eure Leserunde mit großem Interesse verfolgt, u.a. weil der Vicar in „Dichtung und Wahrheit“ ja hochgelobt wird. In der Parallelleserunde mit finsbury hat sich nun für mich eine Frage ergeben, die Ihr mir sicher beantworten könnt:


    Goethe vergleicht die Familie seiner Friederike ja mit der literarischen Pfarrersfamilie. Am Ende des 10. Buchs, das vorwiegend in Sesenheim spielt, findet sich eine etwas alberne Verwechslungskomödie: Goethe tauscht seine Kleider mit dem Wirtssohn und wird sowohl von der Pfarrersfamilie als auch von den Bediensteten weidlich mit ihm verwechselt. Jetzt meine Frage: ist diese Szene einer Begebenheit aus dem „Vicar“ nachgebildet?


    Vielen Dank schon mal für Eure Antworten!


    Grüße
    Manjula