Beiträge von giesbert

    Du Glücklicher! Ich bin da weniger angetan von.

    Dann bin ich mal gespannt auf deine Rezension :-). Mich nerven da schon einige Dinge einigermaßen – aber im Großen & Ganzen find ich das (nach 600 Seiten) ziemlich gelungen. Ein Lektorat und vielleicht etwas mehr Zeit hätte dem Werk aber gut getan, keine Frage.

    Nach dem Murr hab ich dann die vier Hoffmann-Bändchen aus dem Reclam-Verlag gelesen (Goldner Topf, Scuderi, Nussknacker und Sandmann / Das öde Haus). Hoffmann hab ich zuletzt während des Studiums gelesen, die Wiederbegnung verlief aber durchaus erfreulich und harmonisch (nur den Murr hatte ich als etwas besser in Erinnerung, aber mei). Die Reclam-Bändchen sind übrigens empfehlenswert, für 10 Euro bekommt man da recht hübsche, solide Büchlein. – Aktuell stecke ich mitten in Sven Hanuscheks Arno-Schmidt-Biographie, die mir, bei gelegentlicher Kritik & Fragezeichen, ziemlich gut gefällt.

    Gerade bei der Buchhandlung "umme Ecke" bestellt:


    Sven Hanuschek, Arno Schmidt (Hanser)

    Hoffmann, Das Fräulein von Scuderi (Reclam)

    Hoffmann, Der Sandmann / Das öde Haus (Reclam)

    Hoffmann, Der goldene Topf (Reclam)

    Hoffmann, Nussknacker und Mausekönig (Reclam)


    Die Schmidt-Biographie musste sein, die Hoffmann-Bändchen waren einfach zu schmuck, als dass ich sie ignorieren könnte …

    Ich find ja schon die Idee einer solchen umfassenden Ausgabe und das sich darin manifestierende Selbstverständnis des Bildungsbürgertums eher problematisch, eine staatlich gelenkte / geförderte Edition wie seinerzeit die BDK erst recht – aber schön wäre es vielleicht dann doch, wenn es etwas in der Art gäbe :-).


    Ohne die BDK oder die "Bibliothek der Antike", die ich als Student für kleines Geld gekauft habe, hätte ich viele Klassiker gar nicht lesen können, gegen die Klassiker-Ausgaben aus der DDR war ja selbst Reclam teuer. (Stichwort Reclam: Heute ist ja auch Reclams Universal Bibliothek extrem ausgedünnt und nur noch ein Schatten ihrer selbst. In älteren Bändchen findet man ja immer mal wieder eine Auswahl aus dem Programm, es ist schon sehr erstaunlich, was es da alles gab.)


    Andererseits: Wer Klassiker lesen möchte, hat dank digitaler Verfügbarkeit eine derart riesige Auswahl wie keine Generation vor uns.

    Für eine Historisch-Kritische braucht man also einen potenten Sponsor mit langem Atem

    Eben. Es hat schon seine Gründe, warum gefühlt die meisten historisch-kritischen Ausgaben Ruinen und Stückwerk bleiben.

    Ich weiß nicht, ob der Link funktioniert (ich hab ihn via Twitter bekommen), aber versuchen kann man es ja:


    Deutschland entsorgt seine Literatur

    Ein Notruf: Wo sind die lesergerechten Ausgaben der Literatur vor dem zwanzigsten Jahrhundert?

    Von Wolfgang Matz


    Er beschreibt die desolate Situation, dass auf dem dt. Buchmarkt (anders als etwa in Frankreich) keine Werkausgabe der klassischen Literatur mehr gibt (und wohl auch nicht mehr geben wird). Es gibt lediglich hier und da mehr oder weniger gelungene Einzelausgaben, aber Werkausgaben, wie es sie etwa bei Hanser oder Winkler mal gab, existieren praktisch nicht mehr.

    Ich hab jetzt übrigens spontan den Murr begonnen und war gleich wieder von diesem wundervollen Prosarhythmus gefangen. Was mir gar nicht mehr bewusst war: dass ein Teil 3 geplant war. Mal sehen, ob ich dazu komme, weiter zu lesen. Vielleicht melde ich mich ja gelegentlich zu Wort ;-). (Aktuell hab ich einfach zu viel um die Ohren, aber die Hoffnung etc …)

    Ich habe immer mal wieder daran gedacht, aus heutiger, mehr abgeklärter Sicht May nochmal zu lesen.

    Vergiss es ;-). May hat durchaus grandiose Szenen, ein Gespür für Dialoge und Spannungsaufbau, er war ein Naturtalent als Fabulierer (er konnte wohl im persönlichen Kontakt ziemlich hinreißend sein – ein exzellenter Blender & Betrüger halt ;-)) und hat mitunter viel Witz in der Erfindung burlesker Szenen.


    Manche seiner Szenen und Erzählungen sind durchaus auch heute noch unterhaltsam, wobei mein generelles Wohlgefallen & Interesse wohl einfach daran liegt, dass ich praktisch bruchlos an glückliche Kindheitserinnerungen andocken kann – wem May in der Kindheit nicht durchaus nunja: rettend begegnet ist, wird ihn im Alter schwerlich mögen. Das ist schon ein Autor, den man in jungen Jahren getroffen haben muss, um ihn im Alter zu schätzen. Ich verdanke ihm jedenfalls sehr, sehr viel.


    Ich scanne ja aktuell das Werk Mays auf dem Kindle auf der Suche nach passenden Zitate im Schnelldurchgang durch (auf Kosten aller sonstigen Lektürepläne, seufz). Das geht in der Regel sehr zügig, aber manchmal lese ich mich doch wieder fest, mal amüsiert, mal ziemlich fassungslos: Mir war gar nicht mehr bewusst, was für ein Gemetzel da etwa in Winnetou II vor sich geht. (Was mich übrigens auf eine weitere Idee in Sachen May gebracht hat: Wer bringt da wieviele Personen warum um? Titel wäre dann wohl die Lieblingsmetapher Mays für den Tod: "Ausgelöscht" - aber das führt jetzt zu weit.)


    Aber das ICH in seinen Texten wird immer unerträglicher. Bis es im Spätwerk untergeht und sehr verändert wieder aufersteht. Das ist dann auf einer Meta-Ebene ziemlich spannend. Wobei ich nicht glaube, dass einen der Übergang von sagenwirmal Surehand III über Silberlöwe I & II zu SL III & IV und Ardistan & Dschinistan auch nur ansatzweise interessiert, wenn einen May ansonsten anödet (was ich mehr als verstehen kann ;-))


    Ich habe in mein derzeit frequentiertes Leserunden-Forum die Seite verlinkt

    Danke :-)

    Das Bier-Zitat kenne ich natürlich ;-). Ich hab's bislang noch nicht aufgenommen, aber das kommt noch. Und wenn einem Winnetou als Göttergestalt vorkommt: Dann hat man Winnetou II & III nicht gelesen oder, eher wohl, die Stellen in W II und W III überlesen, in denen er für Massaker & Mord verantwortlich ist. Alles nicht so einfach ;-). Wohlgemerkt: für Massaker & Mord, die der Ich-Erzähler im Prinzip gut heißt und eigentlich will. Aber es sich als souveräner und moralisch intakter Held nicht erlauben kann. Dafür hat das Erzähler-Ich dann seine beigeordneten Figuren. Ein komplexes Thema, aber soviel kann man wohl feststellen: Die Friedens- und Feindesliebe-Botschaft des ICHs funktioniert nur, weil es entweder Handlanger hat, die die Drecksarbeit erledigen oder gleich die Vorsehung auf seiner Seite, die die göttliche Strafe schickt. Alle May-Texte (Ausnahme: Spätwerk) sind von einer ausgesuchten Brutalität und geprägt von einem Ich, das scheinbar erschreckt, aber letztlich zutiefst befriedigt die sadistischsten Dinge beschreibt. Das ist schon sehr billig: Das Erzähler-Ich bleibt moralisch intakt, die blutigen Arbeiten drumherum führen die Nebenfiguren aus: Bastonade. Halefs Peitschenorgien. Marterpfahl. Sapienti sat.


    Stichwort "Spätwerk": In Ardistan & Dschinnistan wird in heidnischer Welt das Weihnachtsfest eingeführt. Natürlich mit großem Erfolg. Nur: der Erfolg wird u.a. daran gemessen, dass um Weihnachten herum ein veritabler Markt mit Nippes & Kitsch aufgezogen wird, dessen ökonomischer mal kurzerhand mit dem moralischen Erfolg gleich gesetzt wird.


    Aber bevor man da den Stab bricht: May war dar letztlich völlig hilflos. Voller guter Absichten, in den Bahnen und Formen der Kolportage gefangen, in die er sich jahrzehntelang reingeschrieben hatte und aus denen er einfach nicht mehr rauskam.

    Karl May erzählt seinen Lesern (und natürlich auch seinen Leserinnen) nicht nur (mehr oder weniger) spannende Geschichten, sondern gibt auch allerlei Ratschläge, Hinweise und Anleitungen, wie nun dieses oder jenes gemacht wird oder funktioniert.


    Als Kind habe ich, wie wohl viele andere auch, versucht, diese Ratschläge in die Praxis umzusetzen. Das ging natürlich grandios schief - weder der kräftesparende Trab noch das Spähen durch die Wimpern der fast geschlossenen Augen wollten mir gelingen. Vermutlich fehlte mir seinerzeit einfach die Übung und Erfahrung. Und die "gute, gesunde Lunge", die man etwas für den ausdauernden Dauerlauf benötigt, hatte und habe ich leider auch nicht.


    Vor ein paar Jahren habe ich dann angefangen, diese Schilderungen und Ratschläge etwas planlos zu sammeln. Aus der vagen Idee, daraus irgendwann einmal ein Büchlein zu machen, wurde (bislang) nichts.


    Im May-Jubeljahr 2022 dachte ich mir dann, dass ich aus der Sammlung immerhin eine kleine ebenso belehrende wie belustigende Website basteln könnte.


    Die habe ich jetzt anlässlich des morgigen 180. Geburtstages frei geschaltet. Wer also etwa wissen will, wie man eine Tür in eine Kaktushecke schneidet, der findet hier die benötigten Hinweise:


    Dr. May erklärt die Welt. Eines vielgereisten Mannes Lebensweisheiten & Ratschläge für alle Lebenslagen

    Lokal speichern heißt, auf dem eigenen Rechner, oder wie?

    Genau, als MP4-Datei, die man auf praktisch jedem Gerät abspielen kann. Ich hab da - mal schauen - im Laufe der Jahre 1,6 TB geladen (2056 Dateien): Filme, Serien, Dokus: was halt so läuft, mich interessiert und irgendwann mal geschaut wird ;-). Es gibt von Mediathekview auch ein eigenes Programm, mit dem gezielter gesucht werden kann: https://mediathekview.de


    (Die Manns hab ich jetzt aber nicht geladen, die hab ich auf DVD ;-))

    Ich bin ja froh, wenn ich es überhaupt schaffe, den Proust auf Dt. weiterzulesen :-). Bislang hab ich ja meine alte, nicht kommentierte Ausgabe gelesen. Dabei kamen aber eine Reihe von Fragen auf – etwa zur Chronologie und Situierung: Wann & Wo spielt das überhaupt, auf welche historischen Ereignisse, welches Tagesgeschehen bezieht sich der Ich-Erzähler? etc –, dass ich ein wenig gegooglet habe und zu dem Schluss kam, dass ich mir wohl mal Fischers Handbuch zulegen sollte. Das gab es (bis vor kurzem) aber nur noch als E-Book oder im Rahmen der 8bändigen Ausgabe. Und da sich das Handbuch eh immer wieder auf die Neuübersetzung bezieht, ich den Kommentar zu den einzelnen Bänden auch gerne hätte und zudem einiges recht Interessantes zu Fischers Neuübersetzung gelesen hatte: Hab ich mir halt dann doch die Gesamtausgabe gekauft, nicht nur das Handbuch (das inzwischen wieder lieferbar ist).

    Früher hab ich ja regelmäßig in Buchhandlungen und Antiquariaten gestöbert und natürlich auch gekauft. Diese Zeit ist aber schon lange vorbei, zum einen ganz banal aus finanziellen Gründen, zum anderen, weil ich einfach keinen Platz mehr habe. Aber manchmal kaufe ich halt doch ein paar Bände


    Nicht beim großen A, sondern bei der lokalen Buchhandlung vor Ort. Und da habe ich die letzte Woche bestellten Bücher heute abgeholt:


    Friedrich Torberg, Die Tante Jolesch / Die Erben der Tante Jolesch. Das hatte ich mal, ist mir aber irgendwie abhanden gekommen, also hab ich das nachbestellt. Ein Doppelband in der Ausgabe bei LangenMüller. Relativ schlechtes Papier, durchschnittlicher Druck, fester Kartonbeinband. Ganz ok, kein "schönes Buch", aber die Tante Jolesch darf einfach nicht fehlen.


    Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bislang hatte ich nur die Suhrkamp-Ausgabe mit der (noch nicht von Keller/Laemmel überarbeiteten) 1957er-Übersetzung von Rechel-Mertens. Das ist zwar eine handliche Ausgabe, aber ohne Kommentar oder irgendwelche Erläuterungen. Also hab ich mir nach einigem Zögern dann die 8bändige Ausgabe aus dem Reclam-Verlag zugelegt. Das ist eine Neuübersetzung von Bernd-Jürgen Fischer, der zur Ausgabe auch ein umfangreiches und sehr informatives Proust-Handbuch beisteuert. Das ich kein Französisch kann, kann ich die Qualität der Übersetzung nicht beurteilen, aber nach einem kurzen Vergleich: Sie liest sich ungleich besser als Rechel-Mertens. Und sie kann natürlich auch die Proustforschung seit 1957 berücksichtigen, da hat sich wohl in der Textgrundlage einiges getan. Zur Ausgabe selbst: Es sind 8 schmucke Paperbacks mit relativem Dünndruckpapier ("relativ" weil: das geht noch dünner ;-)) und sauberem Druck. Jeder Band hat einen Anhang (Textgrundlage, Kommentar, Namensregister). Das ist insgesamt eine sehr schöne Ausgabe und Fischers Handbuch allein ist fast schon den Kauf wert. – Jetzt muss ich nur noch die Zeit finden, meine mit Band 3 unterbrochene Lektüre fortzusetzen …

    "Die Kinder der Finsternis" haben in der Tat einen ganz eigenen Tonfall:


    Es lag ein Bischof tot in einer Mur am Zederngebirge fünf Stunden schon unter strömenden Wolkenbrüchen. Die Mur war hinabgemalmt mit ihm und seinem Karren und seinen Maultieren und seiner Geliebten, unter ihm fort, über ihn hin, als schmettere das Erdreich ihn in den Schlund der Hölle, kurz vor Anbruch der Nacht.


    Ich hab seinerzeit auch ein wenig gebraucht, um mich da reinzufinden, aber dann entfaltete der Roman einen unglaublichen Sog. Ich hab ihn inzwischen 3x gelesen und werde ihn wohl noch ein viertes Mal lesen.


    Niebelschütz hat für den Roman übrigens exzessive und langandauernde Studien betrieben, die Fiktion steht auf einem sehr soliden Fundament.

    Der Kammerherr spielt in einem fiktiven 18. Jahrhundert, die unglaublich guten Kinder im Mittelalter. Die Kinder sind ein mirgehendieadjektiveaus Roman. Umwerfend. Erschütternd. Überwältigend: was hätte Niebelschütz noch geschrieben, wäre er nicht absurd früh gestorben. Es ist ein Elend und auch bezeichnend, dass diese Ausnahmeerscheinung alle ~20 Jahre neu entdeckt wird.

    Nach sehr viel Raabe hab ich mir Niebelschütz ›Der blaue Kammerherr‹ vorgenommen. Den hab ich vor ca 35 Jahren erstmals gelesen und nur in vager, aber sehr guter Erinnerung. Ich hab erst 100 ( on 900) Seiten gelesen und bin schon wieder hin und weg von dieser komplett aus der Zeit gefallenen Sprache. Angesichts seiner Entstehung (1949 erschienen, während des 2. Weltkriegs geschrieben) ist das natürlich purer Eskapismus, was man dem Autor oft vorwirft. Angesichts der unglaublichen Schönheit des Romans tendiere ich allerdings eher zu: verzweifelt utopischer Gegenentwurf. Zumal, wenn ich mich da richtig erinnere, ein Erdbeben dem unschuldigen Treiben - das so unschuldig nicht ist, sondern von allerlei bösartigen Intrigen bestimmt wird - ein Ende setzt.