Ich habe immer mal wieder daran gedacht, aus heutiger, mehr abgeklärter Sicht May nochmal zu lesen.
Vergiss es ;-). May hat durchaus grandiose Szenen, ein Gespür für Dialoge und Spannungsaufbau, er war ein Naturtalent als Fabulierer (er konnte wohl im persönlichen Kontakt ziemlich hinreißend sein – ein exzellenter Blender & Betrüger halt ;-)) und hat mitunter viel Witz in der Erfindung burlesker Szenen.
Manche seiner Szenen und Erzählungen sind durchaus auch heute noch unterhaltsam, wobei mein generelles Wohlgefallen & Interesse wohl einfach daran liegt, dass ich praktisch bruchlos an glückliche Kindheitserinnerungen andocken kann – wem May in der Kindheit nicht durchaus nunja: rettend begegnet ist, wird ihn im Alter schwerlich mögen. Das ist schon ein Autor, den man in jungen Jahren getroffen haben muss, um ihn im Alter zu schätzen. Ich verdanke ihm jedenfalls sehr, sehr viel.
Ich scanne ja aktuell das Werk Mays auf dem Kindle auf der Suche nach passenden Zitate im Schnelldurchgang durch (auf Kosten aller sonstigen Lektürepläne, seufz). Das geht in der Regel sehr zügig, aber manchmal lese ich mich doch wieder fest, mal amüsiert, mal ziemlich fassungslos: Mir war gar nicht mehr bewusst, was für ein Gemetzel da etwa in Winnetou II vor sich geht. (Was mich übrigens auf eine weitere Idee in Sachen May gebracht hat: Wer bringt da wieviele Personen warum um? Titel wäre dann wohl die Lieblingsmetapher Mays für den Tod: "Ausgelöscht" - aber das führt jetzt zu weit.)
Aber das ICH in seinen Texten wird immer unerträglicher. Bis es im Spätwerk untergeht und sehr verändert wieder aufersteht. Das ist dann auf einer Meta-Ebene ziemlich spannend. Wobei ich nicht glaube, dass einen der Übergang von sagenwirmal Surehand III über Silberlöwe I & II zu SL III & IV und Ardistan & Dschinistan auch nur ansatzweise interessiert, wenn einen May ansonsten anödet (was ich mehr als verstehen kann ;-))
Ich habe in mein derzeit frequentiertes Leserunden-Forum die Seite verlinkt
Danke 