Hallo Finsbury,
Hallo zusammen,
Zitat von "finsbury"
Es war zu spannend, wie sich Gustav Oppermann änderte und alles den Bach runterging, da mussten ein paar Nachtstunden für das dritte Buch herhalten.
Das kann ich verstehen. Ich habe das Buch gerade ebenfalls fertiggelesen und war vor allem vom Schluß unheimlich beeindruckt.
Zitat von "finsbury"
Im dritten Buch kommt gut heraus, wie unterschiedlich informiert die Exilanten und die Daheimgebliebenen waren: Annas Ungläubigkeit, als ihr Gustav von den Geschehnissen in Deutschland erzählt, gibt einen Einblick,
wie unsere Eltern /Großeltern diese Zeit erlebten: Die vollständige Kontrolle der Presse und die durch den Spitzelstaat verängstigte Bevölkerung waren wohl Voraussetzung dafür, dass sovieles eigentlich Offensichtliche doch nicht wahrgenommen oder verdrängt wurde.
Ja, wobei ich nie so richtig glaube, dass "Niemand etwas wußte".
Andererseits muß man sich vor Augen führen, dass der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung im Promillebereich lag. Vielleicht hat man wirklich in manchen Gebieten, weil es kaum Juden gab, nichts richtig mitbekommen.
Ich habe letztes Jahr den Roman "Vaterland" von Robert Harris (zum wiederholten Mal) gelesen. Der Autor änderte die Geschichte im Jahr 1942 (?), Deutschland gewinnt den Krieg. Die Hauptfigur erfährt irgendwann, dass die Juden in Konzentrationslagern vergast wurden und fährt zu einem der (nach der "Endlösung der Judenfrage" abgerissenen und nur noch in den Grundsteinen vorhanden) KZs und entdeckt, dass die Juden nicht wie die allgemeine Meinung war irgendwo im Osten angesiedelt wurden. Der Roman hat historisch Hand und Fuß (natürlich nur bis er zur Fiktion wird), ich habe einige Sachen nachgeprüft.
Vielleicht war vieles also wirklich nicht bekannt ? Meine Oma kann ich leider nicht mehr fragen.
Zitat von "finsbury"
Ich bin gespannt, wie du Gustav Oppermanns Einsatz am Romanende siehst: Ist es sinnloses Aufopfern, weil er mit den Geschehnissen und seiner eigenen bisherigen Rolle nicht fertig werden kann oder ist sein Tod sinnvoll und trägt auf lange Sicht zur Befreiung bei?
Ich halte seinen Tod für sinnlos. Dadurch haben vielleicht einige Menschen zusätzlich erfahren, was in den Deutschen KZs vor sich geht, aber er hätte sicherlich mehr erreichen können, wenn er weitergelebt hätte.
Allerdings hat er sicherlich nicht damit gerechnet, dass das Terrorregime noch so lange andauern würde. Nach der Beschreibung im Roman ging es den Menschen in Deutschland erst mal wirtschaftlich schlechter, was, wenn es sich nicht geändert hätte, zu sozialen Unruhen hätte führen können.
Ich kann Gustavs Reaktion - lieber erhobenen Hauptes untergehen, als mit Schuldgefühlen leben, weil man gar nichts unternimmt - sehr gut verstehen, aber sinnvoll ist dies meist nicht.
Zitat von "finsbury"
Ein offenes Ende... und auch die Meinung des Autors ist nicht eindeutig herauszulesen. Auch die Romo-Biogafie gibt darüber keinen Aufschluss.
In der Tat. Vielleicht konnte der Autor zu dem Zeitpunkt noch keine Antwort geben. Hätte man gewußt, dass die Nazi-Herrschaft noch 11 weitere Jahre andauert, hätte er den Märtyrertod vielleicht auch als sinnlos angesehen.
Zitat von "finsbury"
Insgesamt ein Klasse-Roman, gefällt mir noch besser als "Erfolg", was ich vorher kaum gedacht hätte.
"Erfolg" war sicherlich Feuchtwangers bedeutendster zeitgeschichtlicher und sein mutigster Roman. Allerdings fand ich ihn stilistisch von den jetzt 6 Romanen, die ich von ihm gelesen habe, am schlechtesten. Der hier gelesene war dann wohl für meinen Geschmack der beste.
Feuchtwanger meinte später zu den "Geschwister Oppermann": "er habe sich in einigen Kapiteln zu sehr von den Eindrücken des Augenblicks hinreißen lassen, so dass diese Kapitel zu naturalistisch, zu photographisch wurden und nicht jenen Charakter des Bildhaften tragen", den er anstrebte.
Das sehe ich eher als positiv zu bewerten.
Eine Stelle, die mir in dritten Buch noch sehr gut gefallen hat, war das Passahfest, als Gustav (wohl auch wie Feuchtwanger kein sehr gläubiger Jude ?) die Leiden der Juden vor 3000 Jahren fast etwas spöttisch mit denen der aktuellen Zeit verglich.
Zitat von "finsbury"
Auf längere Sicht hätte ich dann Lust auf "Exil"
Aber gerne doch. Sollen wir schon grob einen Termin ausmachen ?
Viele Grüße,
Zola