Hallo
Ich bin jetzt ungefähr in der Mitte des Buches (vor 11. Kapitel).
Was mir bei dir Lektüre bisher besonders auffiel, ist dieses Gleichnis welches Narziss verwendet.
Zuerst kommt es ungefähr in der Mitte des vierten Kapitels vor. Narziss spricht dort diese Worte, welche Goldmund "wecken". Wieder vergleicht er ihre beiden Charaktere:
"Die Naturen von deiner Art, die mit den starken und zarten Sinnen, die Beseelten, die Träumer, Dichter, Liebenden, sind uns andern, uns Geistmenschen, beinahe immer überlegen. Eure Herkunft ist eine mütterliche. (...) Du bist Künstler, ich bin Denker. Du schläfst an der Brust der Mutter, ich wache in der Wüste. (...) , deine Träume sind von Mädchen, meine von Knaben..."
Später dann, im fünften Kapitel, nach dem "Erwachen" Goldmunds (wobei er dann aber öfters auch in einer Traumwelt lebt) vergleicht Goldmund selber das Geistige mit dem väterlichen, unmütterlichen, sogar mutterfeindlichen worauf Narziss sagt: "(...) du bist erwacht, und du hast ja jetzt auch den Unterschied zwischen dir und mir erkannt, den Unterschied zwischen mütterlichen und väterlichen Herkünften, zwischen Seele und Geist."
Ich habe gelesen der Roman entstand unter Einfluss der Lehren von C.G. Jung. Wenn ich mich recht erinnere, verwendete Jung die Begriffe Anima und Animus, das männliche und das weibliche. Wurden diese auch bei Jung mit Seele (Weiblich) und Geist (Männlich) assoziiert?
Weiter sind mir die Träume Goldmunds aufgefallen, vor allem der Traum in dem er diese Lehmmenschen gestaltet (mit den riesigen Geschlechtsteilen - eine Anspielung auf seine triebvollen "Wanderjahre"?)
welcher später auch wieder eine Bedeutung erlangt als er wirklich mit einer Bildhauerlehre beginnen will. Ich weiss nun nicht ob man auch hier einen Bezug auf C.G. Jung herstellen könnte oder ob diese Träume von Hesse einfach als geschichtslenkende Mittel verwendet werden.
Weiter glaube ich so Hesse-typische Elemente zu erkennen, so zum Beispiel die Aussage, dass man seinen eigenen Weg gehen soll, die Betonung der Individuation, wie sie zum Beispiel in Siddharta sehr stark zum Ausdruck kommt. Narziss und Goldmund erinnert mich sowieso sehr stark an Siddharta. Ein ebenfalls junger Schönling sucht seinen Weg, sowohl bei Asketen, Mönchen als auch bei Frauen und der später bei dem von Hesse wunderbar gezeichneten Weisen Vasudeva landet, welcher durchaus eine ähnliche Rolle wie Narziss einnimmt.
Ich bin mir bewusst dass diese "Erkenntnisse" offen im Text in Erscheinung treten und daher vielleicht auch trivial erscheinen aber Hesse ist meiner Meinung nach kein Schriftsteller, der seine Botschaft gross zu verstecken sucht.
Gruss
Melan
P.S.: Lesen denn die anderen, welche sich für die Leserunde angemeldet haben auch mit? Würde gerne auch eure Eindrücke lesen.