Das klingt ja echt spannend und vielleicht mal ein authentischerer Blick in die moderne Welt Afrikas als die vielen auf Exotik bauenden Afrika-Romane von Europäern.
Beiträge von finsbury
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Dann viel Spaß damit.
Ich kehre nun von meiner unterhaltsamen kleinen Flucht ins viktorianische London zurück in Josephs Ägypten. Wobei auch Thomas Mann sehr unterhaltsam und auch witzig schreibt, wenn man sich wieder eingelesen hat. Ich hatte gerade die Szene in Joseph 4, in der Joseph - inzwischen in seinem Gefängnis schon zum Assistenten des Hauptmannes der Festung aufgestiegen - zwei hohe politische Beamte, die unter Verdacht stehen, den Pharao ermordet haben zu wollen, betreut. Wie er sie umtanzt, einerseits der Möglichkeit einer Begnadigung eingedenk, andererseits ihnen klarmachend, dass sie schon im Knast sitzen, das ist wieder schönste Mannsche Schilderungskunst mit viel Dialogwitz.
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Ach, das freut mich, hier auf soviel Gleichgesinnte zu treffen. Wobei die Szene mit der Fassöffnung, Zefira, die findet bei dem erfolglosen Künstler William Dent Pitman statt, im Beisein von Morris' Vetter, des umtriebigen, aber dennoch sympathischen Winkeladvokaten Michael Finsbury.
Ich habe viele Lieblingsszenen in diesem Buch, die, bei der ich gestern so lachen musste, war die Anlieferung der monströsen Herkulesstatue in Morris' Stadthaus, wo gerade die arme Verwandte Julia mit einem jungen Mann flirtet. Wie da das Transportunternehmen und die ganze Aktion beschrieben wird, das ist schon ein echtes Kabinettstückchen.
Aber die Plus/Minus-Liste, ja, ich glaube, das ist eindeutig nicht zu übertreffen. Ich muss schon beim Schreiben lachen .. .Ach ja, und ich lese diesen Roman auch in der "Bibliotheca Dracula", deren weitere Werke auch alle lesenswert und Klassiker sind, natürlich auch der "Onkel Silas".
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Ich hatte dringend eine große Portion schwarzen Humors nötig und habe deshalb den Roman um meine Avatargeber, die Herren Finsbury in "Die falsche Kiste" von Robert Louis Stevenson in Zusammenarbeit mit seinem Schwiegersohn Lloyd Osbourne nach langjähriger Lesepause (fünfmal habe ich es schon gelesen!) wieder hervorgekramt. Nach fünfzig Seiten an sich schon vergnüglicher Lektüre habe ich wieder einen Lachanfall bekommen, wie es kein anderes Buch bei mir erreicht. Das ist wirklich für mich das witzigste Buch der Welt. Wer's noch nicht kennt und britischen Humor schwärzester Art im viktorianischen Gewand mag, möge es dringend lesen!
Gibt's leider nur noch antiquarisch, aber das Original "The wrong box" müsste als E-Format bestimmt irgendwo gemeinfrei zu haben sein.
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Thomas Mann kan nie zu lange dauern. (Na ja: fast nie ...)
Die Lektüre ist schon ein Genuss. Aber je nach Lebenssituation eben auch sehr anstrengend, denn jeder Satz will genossen werden, dafür braucht es äußerliche und innerliche Ruhe.
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Hab jetzt endlich mit Thomas Manns Joseph 4: … der Ernährer begonnen. Mal sehen, wie lange ich an diesem Teil lese. Hat bisher alles sehr lange gedauert.
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Ich glaube auch nicht, dass es Mantel um die historische Wahrheit geht, sondern darum, wie Menschen mit Macht funktionieren und was das mit ihnen macht (Wortspiel unabsichtlich
). Mir gefallen ihre historischen Romane, weil sie trotz ihrer Länge so schön lakonisch sind. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Sie schwelgen nicht in Romantik, verbreiten sich nicht ewig über die damaligen Lebensverhältnisse, modernisieren ihr Personal nicht, sondern beruhen im Wesentlichen auf Dialogen und der Spannung, die das Ungesagte dorthinein bringt. Das klingt jetzt wenig lesefreundlich, aber ich habe alle bisherigen Bände und auch das tolle "Brüder" über die Französische Revolution verschlungen, weil Mantel gerade durch diese Lakonik Spannung aufbaut und man wirklich meint, bei den Gesprächen dabei zu sein.
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Spiegel und Licht von Hilary Mantel, der dritte Band der Tudor-Trilogie um Thomas Cromwell.
Historische Romane einer ganz anderen Dimension … .
Freu mich schon aufs Lesen -
Das Schlimme ist, dass er trotz oder gerade wegen dieses unterirdischen "Standards" von den Leuten gewählt wird.
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Dankeschön,
das ist ein sehr interessanter Link!
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Hallo Lakritzeule,
viel Spaß hier im Forum und interessante Dialoge. Wenn du wissen willst, was wir gerne lesen und auch deine Lesevorhaben vielleicht da einbringen willst, schau mal in unseren Klassikerforumswettbewerb für 2020.
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Herzlichen Dank für den Tipp, giesbert. Schau mir mal an, ob ich das kann.
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Ich hab mir die Folgen seinerzeit aus der Mediathek geladen, aktuell stehen sie leider nicht zur Verfügung. Aber erfahrungsgemäß wiederholt Arte seine Serien mit einem gewissen Abstand regelmäßig. Also schon mal vormerken ;-).
Danke für den Hinweis. Wie lädst du übrigens etwas aus der Mediathek herunter? Ich habe da noch keine Möglichkeit gesehen.
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Danke für die Ostergrüße.
Ich nehme aus jedem Buch was mit, das mich aufrüttelt (vgl. Kafka unten). Das muss nicht immer positiv oder gut gelungen sein.
Ich nehme hieraus mal wieder mit, wie gefährdet auch hoch gebildete Menschen sind, in Arroganz und Chauvinismus zu verfallen und sich in mystisch angehauchten Theorien zu verlieren. Und wie so oft in der Literatur bietet auch so ein Roman gelegentliche Stellen von Größe, und dazu zählt das 14. Kapitel, das ist wirklich große Literatur, Expressionismus der gelungensten Art.
Wir treffen uns bestimmt wieder bei einem Buch, das mehr Erfreuliches bietet. Vielleicht sollten wir im Wettbewerbsthread mal nach Überschneidungen suchen. Ich kann mich dieses Jahr so gar nicht auf die von mir gewählten Werke einlassen, möglicherweise habt ihr ja Interessanteres auf euren Listen. -
"Die Wand" war auch für mich ein besonderes Leseerlebnis, wobei mich dieses Sichfügen der Frau in ihr Schicksal, das sie ja auch nicht ändern kann, besonders angerührt hat.
Was den literarischen Humor angeht, MMMichael, so hast du oben nicht nur den Moers, den ich auch sehr mag, jedenfalls den "Blaubär", sondern auch "Wie es leuchtet" von Brussig, das ja über weite Strecken auch sehr witzig ist, manchmal sogar ein bisschen derb, was aber durchaus auch stimmig ist, sowie "Die Entdeckung des Himmels", bei der ich mich auch an einiges Humorvolle zu erinnern meine. Und auch der "Zauberberg" hat zauberhaft witzige Dialoge, z,B. wenn die beiden Philosophen aufeinander treffen.
Humor ist dann für mich gelungen, wenn er sich nicht auf etwas richtet, was nicht zu ändern ist, wie z.B. das Aussehen einer Person oder ihre Herkunft, sondern auf unnötig Lächerliches oder sogar Schädliches aufmerksam macht oder einfach durch witzige und virtuose Dialoge gut unterhält. Dann bin ich gern dabei. -
Zefira, danke für die Richtigstellung bezüglich der Leuchterumstellung bei Eidotter, was aber nichts an der Unlogik ändert, wie du ja oben später auch nachvollzogen hast.
Die Lichterumstellung bei Hauberrisser findet in meiner dtv-Taschenbuchausgabe auf S. 248 unten statt und zwar während des Gesprächs mit Chidher Grün im 12. Kapitel, nachdem Eva verblichen ist und Hauberrisser ihr nach will.
"Er (Chidher Grün) griff nach den beiden Lichtern und stellte sie um: das linke nach rechts und das rechte nach links, und Hauberrisser fühlte sein Herz nicht mehr schlagen, als sei es plötzlich aus der Brust verschwunden."Bezüglich des geschlossenen Raums, du meinst sicher den Tod Klinkherbogks, denke ich auch eher an eine detektivische Konstruktion, aber es interessant, dass ja einer von außen hereinsehen konnte und der Strick nicht riss, nämlich Eidotter. Außerdem setzt Meyrink dieses Setting kriminalistisch ja gar nicht in Wert.
Den "Golem" habe ich 2002 gelesen und kann mich daher kaum mehr daran erinnern, nur eben dass ich mich über einige rassistische Klischees geärgert habe und das Ganze insgesamt ziemlich verquast fand, aber mit einigen tollen Szenerien in Prag. In dem Jahr war ich - glaube ich - auch in Prag, daher wohl der Griff zu diesem Roman.
Allerdings muss ich insgesamt sagen, dass es mir schwerfällt, mystisch oder stark religiös orientierte Werke zu würdigen, da mir dafür einfach der Sinn und die Weltanschauung fehlt. -
Herzlichen Dank für die Aufmunterung. Nun werde ich es noch lieber lesen.
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Auch von mir ein herzliches Willkommen und viele schöne Diskussionen!
Viele deiner oben aufgezählten Bücher habe ich auch gelesen und mag die meisten davon. Die Liste zeigt außerdem, dass du dem literarischen Humor nicht abhold bist, sehr schön! -
Ich habe jetzt erstmal zu etwas Naturwissenschaftlichem gegriffen, um meinen Geist nach der Meyrink-Lektüre mit ihrer Mystik-Brühe zu detoxen:
Jürgen Neffe: Darwin. Das Abenteuer des Lebens[kaufen='9783328103127'][/kaufen]
Der Wissenschaftsjournalist und Doktor der Biologie Neffe fährt die Route der "Beagle" nach, jenes legendären Schiffes, mit dem Charles Darwin fünf Jahre lang unterwegs war und in Folge dieser Reise seine Theorie von der Entstehung der Arten entwickelte.
Neffe erzählt episodisch das Leben Darwins und stellt seine Entdeckungen und Überlegungen vor, besucht auf seiner Reise aber auch nachfolgende Forscher Darwins und berichtet von dessen Kritikern, z.B. den US-amerikanischen Kreationisten, sowie von den nichtsnutzigen Nutznießern, die Darwins Lehre in den Sozialdarwinismus überführten bzw. seine Erkenntnisse dafür weiterentwickeln, um menschliches und tierisches Leben zu designen. -
In einer Nacht- und Nebelaktion habe ich den Roman nun auch hinter mir gelassen. Zefira, du und Tucholsky haben Recht. Diese beiden Kapitel, 2 und 14, sind die mit Abstand besten und eigentlich fast ausschließlich lesenswerten dieses Werks. Kapitel 14 ist ganz im Stil des barocken und vom Expressionismus wieder aufgenommenen Totentanz gestaltet, eine tolle apokalyptische Vision. Dafür hat sich der Kampf dann doch noch gelohnt.
Der letzte Auftritt Usibepus war dagegen wieder zum Fremdschämen für den Autor und außerdem so unlogisch: Einerseits der triebgesteuerte Naturmensch, der möglichst viele Frauen "verkonsumiert", dann aber dennoch der Bote einer heilsbringenden Macht, die er natürlich am wenigsten geistig durchdringen kann, gleich gefolgt von dem chassidischen Juden Eidotter, der ja auch von einem Menschenschlag mit verschlagenem Gesichtsausdruck (irgendwo in dem Kapitel, als Sephardi Eidotter im Polizeigewahrsam besucht) abstammt. Mir hat sich auch nicht erhellt, welche höhere geistige Qualität das Erwachen Hauberrissers haben sollte, im Gegenteil: Wenn Eidotter die umgestellten Lichter als Gnade nach der Ermordung seiner Familie gewährt bekommt, erhält Hauberrisser sie, nachdem Eva gestorben ist, und zwar durch seinen Herbei-Ruf, von dem er ganz genau wusste, welche Folgen dieser haben würde. Das alles natürlich immer nur nach der "Logik" des Buches gesprochen.Über das verquaste Ende wollen wir dann mal hinwegsehen, sogar noch ein Geisterkind ist dazugekommen
. Was der Autor da wohl genommen hatte … .