Beiträge von finsbury

    Ich hab mir die Folgen seinerzeit aus der Mediathek geladen, aktuell stehen sie leider nicht zur Verfügung. Aber erfahrungsgemäß wiederholt Arte seine Serien mit einem gewissen Abstand regelmäßig. Also schon mal vormerken ;-).

    Danke für den Hinweis. Wie lädst du übrigens etwas aus der Mediathek herunter? Ich habe da noch keine Möglichkeit gesehen.

    Danke für die Ostergrüße.
    Ich nehme aus jedem Buch was mit, das mich aufrüttelt (vgl. Kafka unten). Das muss nicht immer positiv oder gut gelungen sein.

    Ich nehme hieraus mal wieder mit, wie gefährdet auch hoch gebildete Menschen sind, in Arroganz und Chauvinismus zu verfallen und sich in mystisch angehauchten Theorien zu verlieren. Und wie so oft in der Literatur bietet auch so ein Roman gelegentliche Stellen von Größe, und dazu zählt das 14. Kapitel, das ist wirklich große Literatur, Expressionismus der gelungensten Art.

    Wir treffen uns bestimmt wieder bei einem Buch, das mehr Erfreuliches bietet. Vielleicht sollten wir im Wettbewerbsthread mal nach Überschneidungen suchen. Ich kann mich dieses Jahr so gar nicht auf die von mir gewählten Werke einlassen, möglicherweise habt ihr ja Interessanteres auf euren Listen.

    "Die Wand" war auch für mich ein besonderes Leseerlebnis, wobei mich dieses Sichfügen der Frau in ihr Schicksal, das sie ja auch nicht ändern kann, besonders angerührt hat.


    Was den literarischen Humor angeht, MMMichael, so hast du oben nicht nur den Moers, den ich auch sehr mag, jedenfalls den "Blaubär", sondern auch "Wie es leuchtet" von Brussig, das ja über weite Strecken auch sehr witzig ist, manchmal sogar ein bisschen derb, was aber durchaus auch stimmig ist, sowie "Die Entdeckung des Himmels", bei der ich mich auch an einiges Humorvolle zu erinnern meine. Und auch der "Zauberberg" hat zauberhaft witzige Dialoge, z,B. wenn die beiden Philosophen aufeinander treffen.
    Humor ist dann für mich gelungen, wenn er sich nicht auf etwas richtet, was nicht zu ändern ist, wie z.B. das Aussehen einer Person oder ihre Herkunft, sondern auf unnötig Lächerliches oder sogar Schädliches aufmerksam macht oder einfach durch witzige und virtuose Dialoge gut unterhält. Dann bin ich gern dabei.

    Zefira, danke für die Richtigstellung bezüglich der Leuchterumstellung bei Eidotter, was aber nichts an der Unlogik ändert, wie du ja oben später auch nachvollzogen hast.

    Die Lichterumstellung bei Hauberrisser findet in meiner dtv-Taschenbuchausgabe auf S. 248 unten statt und zwar während des Gesprächs mit Chidher Grün im 12. Kapitel, nachdem Eva verblichen ist und Hauberrisser ihr nach will.


    "Er (Chidher Grün) griff nach den beiden Lichtern und stellte sie um: das linke nach rechts und das rechte nach links, und Hauberrisser fühlte sein Herz nicht mehr schlagen, als sei es plötzlich aus der Brust verschwunden."


    Bezüglich des geschlossenen Raums, du meinst sicher den Tod Klinkherbogks, denke ich auch eher an eine detektivische Konstruktion, aber es interessant, dass ja einer von außen hereinsehen konnte und der Strick nicht riss, nämlich Eidotter. Außerdem setzt Meyrink dieses Setting kriminalistisch ja gar nicht in Wert.


    Den "Golem" habe ich 2002 gelesen und kann mich daher kaum mehr daran erinnern, nur eben dass ich mich über einige rassistische Klischees geärgert habe und das Ganze insgesamt ziemlich verquast fand, aber mit einigen tollen Szenerien in Prag. In dem Jahr war ich - glaube ich - auch in Prag, daher wohl der Griff zu diesem Roman.

    Allerdings muss ich insgesamt sagen, dass es mir schwerfällt, mystisch oder stark religiös orientierte Werke zu würdigen, da mir dafür einfach der Sinn und die Weltanschauung fehlt.


    Auch von mir ein herzliches Willkommen und viele schöne Diskussionen!

    Viele deiner oben aufgezählten Bücher habe ich auch gelesen und mag die meisten davon. Die Liste zeigt außerdem, dass du dem literarischen Humor nicht abhold bist, sehr schön!

    Ich habe jetzt erstmal zu etwas Naturwissenschaftlichem gegriffen, um meinen Geist nach der Meyrink-Lektüre mit ihrer Mystik-Brühe zu detoxen:

    Jürgen Neffe: Darwin. Das Abenteuer des Lebens


    [kaufen='9783328103127'][/kaufen]

    Der Wissenschaftsjournalist und Doktor der Biologie Neffe fährt die Route der "Beagle" nach, jenes legendären Schiffes, mit dem Charles Darwin fünf Jahre lang unterwegs war und in Folge dieser Reise seine Theorie von der Entstehung der Arten entwickelte.
    Neffe erzählt episodisch das Leben Darwins und stellt seine Entdeckungen und Überlegungen vor, besucht auf seiner Reise aber auch nachfolgende Forscher Darwins und berichtet von dessen Kritikern, z.B. den US-amerikanischen Kreationisten, sowie von den nichtsnutzigen Nutznießern, die Darwins Lehre in den Sozialdarwinismus überführten bzw. seine Erkenntnisse dafür weiterentwickeln, um menschliches und tierisches Leben zu designen.

    In einer Nacht- und Nebelaktion habe ich den Roman nun auch hinter mir gelassen. Zefira, du und Tucholsky haben Recht. Diese beiden Kapitel, 2 und 14, sind die mit Abstand besten und eigentlich fast ausschließlich lesenswerten dieses Werks. Kapitel 14 ist ganz im Stil des barocken und vom Expressionismus wieder aufgenommenen Totentanz gestaltet, eine tolle apokalyptische Vision. Dafür hat sich der Kampf dann doch noch gelohnt.
    Der letzte Auftritt Usibepus war dagegen wieder zum Fremdschämen für den Autor und außerdem so unlogisch: Einerseits der triebgesteuerte Naturmensch, der möglichst viele Frauen "verkonsumiert", dann aber dennoch der Bote einer heilsbringenden Macht, die er natürlich am wenigsten geistig durchdringen kann, gleich gefolgt von dem chassidischen Juden Eidotter, der ja auch von einem Menschenschlag mit verschlagenem Gesichtsausdruck (irgendwo in dem Kapitel, als Sephardi Eidotter im Polizeigewahrsam besucht) abstammt. Mir hat sich auch nicht erhellt, welche höhere geistige Qualität das Erwachen Hauberrissers haben sollte, im Gegenteil: Wenn Eidotter die umgestellten Lichter als Gnade nach der Ermordung seiner Familie gewährt bekommt, erhält Hauberrisser sie, nachdem Eva gestorben ist, und zwar durch seinen Herbei-Ruf, von dem er ganz genau wusste, welche Folgen dieser haben würde. Das alles natürlich immer nur nach der "Logik" des Buches gesprochen.

    Über das verquaste Ende wollen wir dann mal hinwegsehen, sogar noch ein Geisterkind ist dazugekommen :trinken:. Was der Autor da wohl genommen hatte … .

    In den auf das überaus ärgerliche achte Kapitel folgenden drei wird es wieder ruhiger, dafür umso verschwurbelter mit Höhepunkt bisher im elften, wo sich Hauberrisser nach erfolgloser hektischer Suche nach Eva auf die gefundene Schriftrolle zu konzentrieren beginnt, die die Äußerungen Pfeills, Sephardis, Eidotters und insbesondere Swammerdams aufnehmen und in ein Gesamtkonzept der geistigen Entwicklung zum wachen und sehenden Menschen überführt. Grundsätzlich ist da ja ein durchaus richtiger Gedanke dahinter, den ich gut nachvollziehen kann, nämlich, dass man alles durchdenken soll und nicht attraktiven Denkansätzen oder mystischen Konzepten aufsitzen soll, sondern immer weiter nachforscht. Aber diese ewige Seele, die es wiederzuentdecken gilt, das Konzept der Seelenwanderung überhaupt, das Gegeneinander von Geist und Körper, das sind Denkmodelle, mit denen ich nichts anfangen kann.
    Wie ich gerade bemerkt habe, beginnt das zwölfte Kapitel mit einem größeren Zeitsprung, da erhoffe ich mir doch wieder ein bisschen mehr Handlung. Und bin natürlich gespannt auf den von dir angedeuteten Höhepunkt im vierzehnten Kapitel, Zefira.

    Das neunte Kapitel habe ich jetzt erreicht, aber ich war mehrfach stark versucht, das Buch auf Nimmerwiedersehen über die Balkonbrüstung zu werfen. Was für ein extrem dick aufgetragener Chauvinismus und Rassismus!


    Die Selbstdemütigungen aufgrund ihres Geschlechtes, mit denen Eva (sic!) sich kasteit, sind kaum erträglich und dann noch diese Szene, wo Usibepu sie "magisch" ruft, um dann mit ihr wie King Kong und die weiße Frau über den Kirchhof und nachher ohne sie über die Dächer zu fliehen, das hätte im 20. Jahrhundert eigentlich nicht mehr vorkommen dürfen. Ich weiß, da gab es noch genug Kolonialismus, und der Nationalsozialismus stand zu dem Zeitpunkt noch bevor, aber von einem gebildeten und in ebensolchen Kreisen verkehrenden, kritisch eingestellten, zumindest Halbintellektuellen hätte ich eine zumindest differenziertere Darstellung erwartet.

    Ob seine beiden Ehefrauen sich auch dessen bewusst waren, wie weit sie als Frauen unter der eigentlichen Menschwerdung stehen, aber immerhin schon das Tierhafte des Afrikaners, dem sie ja aber auch hörig sind, weil sie ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben, überwunden haben?

    Was für einen Pinn haben eigentlich solche Menschen, die derart auf andere herabblicken, im Kopf? Unsere Welt bietet - und bot Menschen in der privilegierten Stellung Meyrinks - auch schon damals so viele Möglichkeiten, ein normales, in sich ruhendes Selbstbewusstsein auszubilden, da muss man doch nicht anderen Menschengruppen Intelligenz und allgemein das echte Menschsein absprechen, um sich besser zu fühlen!

    Gegen diese massiven Verstöße gegen Humanität fällt die mythische Verschwurbeltheit mir schon kaum mehr auf, aber das mit den Seelengefährten ist schon weit hergeholt und auch diese etwas platonisch anmutende Theorie Sephardis, die Menschen hätten nicht selbst Ideen und Einfälle, sondern würden alle in einem bestimmten Stadium plötzlich sich der gleichen Grundideen erinnern, ist ein ziemlich abgeschmackter Mix aus philosophischen und mythischen Elementen.

    Was du über den speziellen Satz schreibst, Zefira, ist sehr schön analysiert. Das kann er, der Meyrink, überhaupt auch Atmosphäre herstellen. Die Stelle mit Usibepu im 6. Kapitel, die du vielleicht meinst, finde ich auch ausgesprochen heftig. Ich will jetzt nicht direkt darüber schreiben, weil du Firiath, ja dieses sehr spannende Kapitel noch lesen wirst. Aber es geht sowohl um die Bewegungsform als auch um die Gier, die hier dem "Zulu" unterstellt wird, obwohl vorher irgendwo steht, dass Usibepu beim Zirkus sehr gut verdient.

    Da ich gestern und heute Morgen ein sehr interessantes Sachbuch zu Ende gelesen habe, bin ich heute nur ein Kapitel weitergekommen. Es wird immer undurchsichtiger mit Chidher Grün, Realität und Einbildung verschwimmen bei Hauberrisser. Das wirkt alles ein bisschen künstlich, bin gespannt, wie und ob das aufgelöst wird.
    Firiath, ich bin mir gerade am Anfang nicht immer sicher, ob diese gesellschaftskritischen Stellen aus der Er-Erzähler-Perspektive Hauberrissers gesehen sind oder es sich eher um einen Erzählerkommentar handelt. Aber so genau habe ich auch nicht gelesen.

    Bis zum sechsten Kapitel habe ich mich jetzt vorgearbeitet, und es wird immer mehr zu einer mystisch angehauchten Räuberpistole - mit hysterischer Tötung, Mord und immer mehr zwielichtigen Gestalten. Das Setting ist sehr gelungen, dieses mittelalterlich-düstere Amsterdam, andererseits im Vergnügungsrausch der langen Sommernächte. Das Ganze erinnert mich ein wenig an Sues "Die Geheimnisse von Paris", das wir vor vielen Jahren hier einmal gemeinsam lasen. Auch dort gab es viele schauerliche Verwicklungen, Mord und Totschlag. Allerdings klärte sich da alles auf der Ebene der Vernunft, was hier ja nicht zu erwarten steht. Ich mach jetzt mal eine kleine Lesepause, damit ihr aufschließen könnt.


    Zefira, der Stil macht mir gar keine Schwierigkeiten. Was für Sätze meinst du denn? Ich habe nur nicht alles Niederländische verstanden, aber das meiste.

    Ob das wohl Absicht ist? Die anderen Wortspielereien sind ja absichtlich gesetzt wie z.B. das verballhornte Goethezitat. Die arme Frau Consul kriegt es ja dicke ab. Ich bin jetzt im vierten Kapitel und wundere mich, dass es immer noch so gut lesbar ist. Es wird im Netz von einigen so dargestellt, dass der Roman wegen der esoterischen Abschweifungen recht sperrig zu lesen sei.

    Wir werden sehen. Im vierten Kapitel tritt - so denke ich - die weibliche Hauptperson zum ersten Mal auf. Auch sie ist ruhelos bis hin zu Suizidabsichten, also die ideale Kombination (oder auch eben nicht?) zu Hauberrisser.

    Das zweite Kapitel habe ich inzwischen auch gelesen. Interessant ist das Zeit-Setting. Der Roman ist 1916 erschienen und spielt in dem zeitgenössischen Amsterdam, das von Flüchtlingen vor den Kriegsfolgen, die weiter in den Westen, wohl vor allem nach Amerika wollen, überfüllt ist. Dieses Zeitraster setzt voraus, dass der Weltkrieg zu dem Zeitpunkt schon vorbei ist und die Menschen an den Folgen, besonders Sorgen um die berufliche Zukunft und inneren Konflikten in den Nachkriegsländern leiden. Das ist eine interessante Parallelwelt zur eigentlichen Entwicklung! Ich habe schon einmal einen Roman gelesen, bei dem das auch so war, der das Ende einer politischen Entwicklung schon als gegeben ansah, obwohl sie noch anhielt. Aber ich weiß leider nicht mehr, welches Buch das war.
    Tucholsky hat in seiner Rezension dieses Kapitel durchaus gelobt, weil es schonungslos auf die gesellschaftlichen Konflikte der damaligen Zeit hinweist, und ich finde auch, dass man im Moment den Roman noch gut lesen kann.
    Allerdings stößt mir bei Meyrink - wie schon im "Golem" - die latent rassistische und chauvinistische Schreibe auf, so wie er von den Afrikanern, aber auch den Juden, also seinen eigenen Leuten - er war der Sohn der jüdischen Hofschauspielerin Maria Meyer, ein sogenannter "Kryptojude", der sein Judentum verleugnete - spricht und wie er Frauen entweder als raffinierte Verführerinnen oder Wohltätigkeitsschrapnells darstellt. Aber vielleicht wird das Letztere ja noch etwas differenzierter.

    Das erste Kapitel habe ich abgeschlossen. Es spielt in einem wenig fashionablen Viertel von Amsterdam, in dem der bisherige Er-Erzähler, Fortunat Hauberrisser, ein elegant gekleideter Ingenieur, etwas haltlos umherstreift. Um einer Bande neugierig gekleideter, nach Fisch riechenden Halbstarker zu entgehen, flüchtet er in einen Laden für Magie und erotische Schlüpfrigkeiten. Dort trifft er auf seriöse Überseekaufleute mit Interesse an Erotika, einen Zulu-Medizinmann, der sich Tricks von einem Preßburger Professor für einen noch gelungeneren Auftritt in seiner Heimat beibringen lässt, sowie auf eine aufreizende Verkäuferin und schließlich den Ladenbesitzer, anscheinend schon der Träger des titelgebenden grünen Gesichts.

    Bisher hat mir die Lektüre mit der farbigen Darstellung des Personals viel Vergnügen bereitet, allerdings zeigt sich in den Reflexionen des Er-Erzählers schon eine Weltmüdigkeit, die dann vielleicht in diese mystische Sinnsuche münden wird, für die der Roman anscheinend bekannt ist. Interessant, dass ein solcher Typus ausgerechnet Ingenieur ist, einem Berufsstand, bei dem man eher eine erdfeste Rationalität vermuten würde.