Beiträge von finsbury

    In den auf das überaus ärgerliche achte Kapitel folgenden drei wird es wieder ruhiger, dafür umso verschwurbelter mit Höhepunkt bisher im elften, wo sich Hauberrisser nach erfolgloser hektischer Suche nach Eva auf die gefundene Schriftrolle zu konzentrieren beginnt, die die Äußerungen Pfeills, Sephardis, Eidotters und insbesondere Swammerdams aufnehmen und in ein Gesamtkonzept der geistigen Entwicklung zum wachen und sehenden Menschen überführt. Grundsätzlich ist da ja ein durchaus richtiger Gedanke dahinter, den ich gut nachvollziehen kann, nämlich, dass man alles durchdenken soll und nicht attraktiven Denkansätzen oder mystischen Konzepten aufsitzen soll, sondern immer weiter nachforscht. Aber diese ewige Seele, die es wiederzuentdecken gilt, das Konzept der Seelenwanderung überhaupt, das Gegeneinander von Geist und Körper, das sind Denkmodelle, mit denen ich nichts anfangen kann.
    Wie ich gerade bemerkt habe, beginnt das zwölfte Kapitel mit einem größeren Zeitsprung, da erhoffe ich mir doch wieder ein bisschen mehr Handlung. Und bin natürlich gespannt auf den von dir angedeuteten Höhepunkt im vierzehnten Kapitel, Zefira.

    Das neunte Kapitel habe ich jetzt erreicht, aber ich war mehrfach stark versucht, das Buch auf Nimmerwiedersehen über die Balkonbrüstung zu werfen. Was für ein extrem dick aufgetragener Chauvinismus und Rassismus!


    Die Selbstdemütigungen aufgrund ihres Geschlechtes, mit denen Eva (sic!) sich kasteit, sind kaum erträglich und dann noch diese Szene, wo Usibepu sie "magisch" ruft, um dann mit ihr wie King Kong und die weiße Frau über den Kirchhof und nachher ohne sie über die Dächer zu fliehen, das hätte im 20. Jahrhundert eigentlich nicht mehr vorkommen dürfen. Ich weiß, da gab es noch genug Kolonialismus, und der Nationalsozialismus stand zu dem Zeitpunkt noch bevor, aber von einem gebildeten und in ebensolchen Kreisen verkehrenden, kritisch eingestellten, zumindest Halbintellektuellen hätte ich eine zumindest differenziertere Darstellung erwartet.

    Ob seine beiden Ehefrauen sich auch dessen bewusst waren, wie weit sie als Frauen unter der eigentlichen Menschwerdung stehen, aber immerhin schon das Tierhafte des Afrikaners, dem sie ja aber auch hörig sind, weil sie ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben, überwunden haben?

    Was für einen Pinn haben eigentlich solche Menschen, die derart auf andere herabblicken, im Kopf? Unsere Welt bietet - und bot Menschen in der privilegierten Stellung Meyrinks - auch schon damals so viele Möglichkeiten, ein normales, in sich ruhendes Selbstbewusstsein auszubilden, da muss man doch nicht anderen Menschengruppen Intelligenz und allgemein das echte Menschsein absprechen, um sich besser zu fühlen!

    Gegen diese massiven Verstöße gegen Humanität fällt die mythische Verschwurbeltheit mir schon kaum mehr auf, aber das mit den Seelengefährten ist schon weit hergeholt und auch diese etwas platonisch anmutende Theorie Sephardis, die Menschen hätten nicht selbst Ideen und Einfälle, sondern würden alle in einem bestimmten Stadium plötzlich sich der gleichen Grundideen erinnern, ist ein ziemlich abgeschmackter Mix aus philosophischen und mythischen Elementen.

    Was du über den speziellen Satz schreibst, Zefira, ist sehr schön analysiert. Das kann er, der Meyrink, überhaupt auch Atmosphäre herstellen. Die Stelle mit Usibepu im 6. Kapitel, die du vielleicht meinst, finde ich auch ausgesprochen heftig. Ich will jetzt nicht direkt darüber schreiben, weil du Firiath, ja dieses sehr spannende Kapitel noch lesen wirst. Aber es geht sowohl um die Bewegungsform als auch um die Gier, die hier dem "Zulu" unterstellt wird, obwohl vorher irgendwo steht, dass Usibepu beim Zirkus sehr gut verdient.

    Da ich gestern und heute Morgen ein sehr interessantes Sachbuch zu Ende gelesen habe, bin ich heute nur ein Kapitel weitergekommen. Es wird immer undurchsichtiger mit Chidher Grün, Realität und Einbildung verschwimmen bei Hauberrisser. Das wirkt alles ein bisschen künstlich, bin gespannt, wie und ob das aufgelöst wird.
    Firiath, ich bin mir gerade am Anfang nicht immer sicher, ob diese gesellschaftskritischen Stellen aus der Er-Erzähler-Perspektive Hauberrissers gesehen sind oder es sich eher um einen Erzählerkommentar handelt. Aber so genau habe ich auch nicht gelesen.

    Bis zum sechsten Kapitel habe ich mich jetzt vorgearbeitet, und es wird immer mehr zu einer mystisch angehauchten Räuberpistole - mit hysterischer Tötung, Mord und immer mehr zwielichtigen Gestalten. Das Setting ist sehr gelungen, dieses mittelalterlich-düstere Amsterdam, andererseits im Vergnügungsrausch der langen Sommernächte. Das Ganze erinnert mich ein wenig an Sues "Die Geheimnisse von Paris", das wir vor vielen Jahren hier einmal gemeinsam lasen. Auch dort gab es viele schauerliche Verwicklungen, Mord und Totschlag. Allerdings klärte sich da alles auf der Ebene der Vernunft, was hier ja nicht zu erwarten steht. Ich mach jetzt mal eine kleine Lesepause, damit ihr aufschließen könnt.


    Zefira, der Stil macht mir gar keine Schwierigkeiten. Was für Sätze meinst du denn? Ich habe nur nicht alles Niederländische verstanden, aber das meiste.

    Ob das wohl Absicht ist? Die anderen Wortspielereien sind ja absichtlich gesetzt wie z.B. das verballhornte Goethezitat. Die arme Frau Consul kriegt es ja dicke ab. Ich bin jetzt im vierten Kapitel und wundere mich, dass es immer noch so gut lesbar ist. Es wird im Netz von einigen so dargestellt, dass der Roman wegen der esoterischen Abschweifungen recht sperrig zu lesen sei.

    Wir werden sehen. Im vierten Kapitel tritt - so denke ich - die weibliche Hauptperson zum ersten Mal auf. Auch sie ist ruhelos bis hin zu Suizidabsichten, also die ideale Kombination (oder auch eben nicht?) zu Hauberrisser.

    Das zweite Kapitel habe ich inzwischen auch gelesen. Interessant ist das Zeit-Setting. Der Roman ist 1916 erschienen und spielt in dem zeitgenössischen Amsterdam, das von Flüchtlingen vor den Kriegsfolgen, die weiter in den Westen, wohl vor allem nach Amerika wollen, überfüllt ist. Dieses Zeitraster setzt voraus, dass der Weltkrieg zu dem Zeitpunkt schon vorbei ist und die Menschen an den Folgen, besonders Sorgen um die berufliche Zukunft und inneren Konflikten in den Nachkriegsländern leiden. Das ist eine interessante Parallelwelt zur eigentlichen Entwicklung! Ich habe schon einmal einen Roman gelesen, bei dem das auch so war, der das Ende einer politischen Entwicklung schon als gegeben ansah, obwohl sie noch anhielt. Aber ich weiß leider nicht mehr, welches Buch das war.
    Tucholsky hat in seiner Rezension dieses Kapitel durchaus gelobt, weil es schonungslos auf die gesellschaftlichen Konflikte der damaligen Zeit hinweist, und ich finde auch, dass man im Moment den Roman noch gut lesen kann.
    Allerdings stößt mir bei Meyrink - wie schon im "Golem" - die latent rassistische und chauvinistische Schreibe auf, so wie er von den Afrikanern, aber auch den Juden, also seinen eigenen Leuten - er war der Sohn der jüdischen Hofschauspielerin Maria Meyer, ein sogenannter "Kryptojude", der sein Judentum verleugnete - spricht und wie er Frauen entweder als raffinierte Verführerinnen oder Wohltätigkeitsschrapnells darstellt. Aber vielleicht wird das Letztere ja noch etwas differenzierter.

    Das erste Kapitel habe ich abgeschlossen. Es spielt in einem wenig fashionablen Viertel von Amsterdam, in dem der bisherige Er-Erzähler, Fortunat Hauberrisser, ein elegant gekleideter Ingenieur, etwas haltlos umherstreift. Um einer Bande neugierig gekleideter, nach Fisch riechenden Halbstarker zu entgehen, flüchtet er in einen Laden für Magie und erotische Schlüpfrigkeiten. Dort trifft er auf seriöse Überseekaufleute mit Interesse an Erotika, einen Zulu-Medizinmann, der sich Tricks von einem Preßburger Professor für einen noch gelungeneren Auftritt in seiner Heimat beibringen lässt, sowie auf eine aufreizende Verkäuferin und schließlich den Ladenbesitzer, anscheinend schon der Träger des titelgebenden grünen Gesichts.

    Bisher hat mir die Lektüre mit der farbigen Darstellung des Personals viel Vergnügen bereitet, allerdings zeigt sich in den Reflexionen des Er-Erzählers schon eine Weltmüdigkeit, die dann vielleicht in diese mystische Sinnsuche münden wird, für die der Roman anscheinend bekannt ist. Interessant, dass ein solcher Typus ausgerechnet Ingenieur ist, einem Berufsstand, bei dem man eher eine erdfeste Rationalität vermuten würde.

    Hallo,


    hier lesen wir in der nächsten Zeit den mystisch angehauchten Roman "Das grüne Gesicht" von Gustav Meyrink. Er erschien 1916 und spielt in Amsterdam.

    Angemeldet für die Leserunde sind

    Zefira

    Firiath

    finsbury.

    Wir freuen uns natürlich auch über mehr Mitleser.

    Und wie sieht es mit den anderen Interessenten aus? Mein derzeitiger Krimi reicht ungefähr noch zwei bis drei Tage dann würde ich gerne wissen wollen, wie es weitergeht.

    Fuzuli, halt die Ohren steif! Ich hab zwar Homeoffice , aber mehr zu tun als sonst.

    thopas, lass dir Zeit mit dem Oblomov, jetzt zwangsoblomoven ja viele von uns. Wir teilen aber gerne auch jetzt noch deine Leseeindrücke in der Leserunde. Ich habe diesmal auch gefühlt ewig gebraucht, und im erst im zweiten Teil ist der Funke bei mir übergesprungen, und ich bin einigermaßen dran geblieben.


    Gerade habe ich nachgeschaut: "Die Verlobten" habe ich 1988 gelesen, als ungekürztes Bastei-Lübbe-Taschenbuch. Ich war damals über den Verlag sehr verwundert, denn er hat sich ja inzwischen vom Verlagsprogramm her sehr positiv entwickelt, aber damals war er eher die Plattform für Nackenbeißer-Romane und ähnlich billige Genres. Aber die Ausgabe ist vollständig und die Übernahme einer Aufbau-Übersetzung von Caesar Rymarowicz (was für ein Name!).


    Ich hätte durchaus auch Lust, den Roman nochmal zu lesen, aber aus den gleichen Gründen wie Zefira nicht in diesem Jahr.