Beiträge von finsbury

    Der Roman "La Reine Margot", zu Deutsch meist als "Die Bartholomäusnacht" bekannt, erschien 1845 und damit in der Hauptproduktionsphase von Dumas' großen Abenteuerromanen.

    Ausgehend von der Hochzeit zwischen Henry, König von Navarra (dem späteren König Henry IV. von Frankreich) und Margarete von Valois, Tochter und Schwester mehrerer französischer Könige, schildert Dumas in multiperspektivischer Weise die Geschehnisse in und in den Monaten nach der Bartholomäusnacht, einige Tage nach der Hochzeit, zu der viele Hugenotten, Gefolgsleute und Anhänger des calvinistischen Navarreners, gekommen waren.
    Im Gegensatz zum jetzigen Stand der Forschung (laut Wikipedia) sieht der Roman als hauptverantwortlich für die Ermordung der Hugenotten in der Bartholomäusnacht neben dem Herzog von Guise die Königinmutter Katharina de Medici, die auch im weiteren Verlauf der Handlung als intrigante Strippenzieherin mit mörderischen Absichten dargestellt wird. Katharina de Medici war wohl eine ganz andere historische Persönlichkeit als hier dargestellt, in ihrer Zeit als Regentin eine geschickte Diplomatin zwischen dem erzkatholischen Spanien und der aktiven calvinistischen Minderheit in Frankreich, wenn auch das Gift- und anderes Morden unter ihr - wie unter anderen Regenten, leider bis heute - als fast legitimes Mittel der Politik erschien.

    Aber wir haben es ja mit einem Roman und nicht mit Geschichtsschreibung zu tun.,

    Das Agens der Handlung ist Katharinas große - durch astrologische und andere Vorhersagen hervorgerufene - Angst, dass das Geschlecht der Valois trotz ihrer vier Söhne, von denen einer zum Zeitpunkt der Handlung schon tot war, die Krone an die Bourbonen verlieren könnte, deren aktueller Abkömmling damals eben jener Henry von Navarra war. Ihre Tochter Marguerite von Valois, die damals für ihre Bildung und Schönheit wohl tatsächlich sehr berühmt und wegen ihrer Affairen (von denen nur wenige wirklich nachgewiesen werden konnten) berüchtigt war, wurde also mit Henry verheiratet; In diesem Roman wird das ein wenig so dargestellt, als habe man dies getan, um so die Hugenotten umso besser auslöschen zu können. Marguerite verliebt sich in der Bartholomäusnacht in den hugenottischen Grafen de la Môle, den sie verletzt vor seinen Häschern verbirgt. Zu de la Môle gesellt sich im Laufe der Handlung als bester Freund wie zunächst erbittertster Feind Graf Hannibal de Coconnas, ein typisch Dumasscher Haudegen mit großer Freude am Blutvergießen, einem hitzigen Temperament und einem goldenen Herzen (erinnert an die Musketiere d'Artagnan und Porthos), der stets mit dem originellen Kraftausdruck "Kotzbombenelement" auf alle Überraschungen des Lebens reagiert. Er wird der Geliebte von Marguerites bester Freundin, der Herzogin von Nevers. Am Ende haben alle verloren, außer dem Herzog von Anjou, Henry III, von dem aber schon angedeutet wird, dass seines Regierens nicht lange ist. Viele sterben, die Frauen bleiben mit den Köpfen ihrer Geliebten zurück, Henry flieht nach Navarra.


    Die für mich stärkste Person der Romanhandlung neben der Königinmutter, die trotz ihrer Boshaftigkeit dennoch einige Momente tragischer Größe erhält, ist Karl IX.
    Lange von seiner Mutter durch deren Regentschaft abhängig, entwickelt er sich im Laufe der Handlung zu einem wankelmütigen, von Leidenschaften (z.B. zur Jagd) gebeutelten Monarchen, der vor lauter Einsamkeit und Haltlosigkeit jeden Strohhalm möglicher Zuneigung ergreift, um dann, durch ein fehlgeleitetes Giftattentat seiner Mutter, das eigentlich Henry von Navarra galt, zu sterben. Dieser Todeskampf ist aus meiner Sicht der Höhepunkt des Romans.

    Ein saftiges Stück Literatur, wie es Zefira an anderem Ort nannte: Man bekommt sehr viel mehr Spannung und farbig kolorierte Bühnen, lebenspralle Personen geboten, als dies bei den meisten heutigen Romanen der Fall ist. Auch heute noch eine Leseempfehlung, aber nicht als Geschichtsbuch :wink:.

    Gut, wenn ich soweit bin, eröffne ich die Leserunde; Genauso gut kannst du das aber auch, wenn du anfängst. Ich habe übrigens letztes oder vorletztes Jahr soweit im Don Quichotte hinterhergehangen, dass ich mehr oder weniger im Alleingang noch hinterher monatelang in der Leserunde gepostet habe, obwohl die anderen schon längst fertig waren, aber dann trotzdem noch freundlicherweise hin und wieder dazu etwas geschrieben haben. Eigentlich sehen wir das hier nicht so eng, da wir ja auch in der Regel nicht kapitelweise lesen.

    Ich halte es aber dennoch für sinnvoll, dass wir für jeden der drei Dramenteile einen Extra-Thread eröffnen. Einverstanden?

    Ich sehe gerade, dass du deine Ausführungen in den Materialien-Thread zu den Leserunden gestellt hast, entweder mache ich dann doch einen Leserundenthread auf, wenn ich anfange, oder wir bitten sandhofer den Thread aus den Leserunden-Materialien in das Oberthema "Klassische Autoren und Werke" zu verschieben und posten dann da?!

    Karamzin,


    Zefira kann im Moment keine festen Termine zu einer Leserunde eingehen, und da du ja auch nicht so regelmäßig schreiben kannst, habe ich mir überlegt, dass wir es bei dem von dir eröffneten Thread belassen, und ich dann, wenn ich soweit bin - wahrscheinlich erst in den Zwanzigern dieses Monats, weil die andere Lektüre mich stärker aufhält als ich zunächst dachte und nun auch wieder die Arbeit intensiver Zeit einfordert - meine Ideen und Fragen rund um das Gelesene poste. Dir fallen dazu bestimmt dann auch wieder Aspekte aus deinem großen Wissenshorizont ein, und vielleicht kommt Zefira dann später doch noch mal dazu, in die Trilogie zu gucken. Aber auf diese Weise ist es für uns alle unverbindlicher.

    Karamzin,

    wir haben ja hier nicht den Druck, nach Kapiteln, bzw. in einem Drama nach Akten zu lesen. Es geht ja eher um Aspekte, die die Lektüre aufwirft und zu denen man auch etwas sagen kann, wenn man nicht am gleichen Tag oder in der gleichen Woche das Gleiche liest. Bei mir wird es im Laufe des August auch beruflich wieder etwas anstrengender, so dass ich auch nicht weiß, wie schnell ich vorankomme und wie oft ich posten kann.

    Zur Vorbereitung lese derzeit ich wenig wissenschaftlich, aber mit durchaus großem Gewinn das GEO-Epoche-Heft zum Dreißigjährigen Krieg. Es ist auch ein schönes Doppelportrait von den beiden gegnerischen Feldherren Wallenstein und Gustav Adolf von Schweden enthalten.

    Diesen Städtezyklus kenne ich gar nicht, und was du darüber berichtest, lässt einen wirklich verwundern. Eigentlich kann ich mir Zola, nach den Romanen, die ich von ihm gelesen habe, kaum als wirklich kirchengläubig vorstellen.

    Ich habe bei Amazon im Kindle-Shop noch vier andere übersetzte Romane Trollopes gefunden, wovon "Das Pfarrhaus Framley" noch zur Barchester-Reihe gehört.

    Auch hier wieder vielen Dank für diese historischen Bezüge, Karamzin. Ich lese den Roman wesentlich unreflektierter, habe Heinrich Manns Romanfolge auch noch nicht zu mir genommen. Obwohl ich damals in den Endsiebzigern in Westdeutschland einen der ersten Leistungskurse Deutsch und Literatur-Grundkurs mit einer wirklich guten Lehrerin durchlaufen habe, denke ich manchmal, dass wir mit mit der DDR auch einige wirklich engagierte und kenntnisreiche Lehrer verloren haben.

    Anthony Trollope: The Warden (deutsch Septimus Harding, Vorsteher des Spitals zu Barchester)

    Dieser Roman, einer der ersten des Vielschreibers Anthony Trollope (1815-1882) eröffnete 1855 die erfolgreiche Reihe der sogenannten Barsetshire-Romane, die alle in dieser fiktiven Grafschaft spielen.
    Septimus Harding, Geistlicher und Freund des Bischofs von Barchester, hat von diesem eine Pfründe von 800 Pfund jährlich für das Amt des Vorstehers einer Einrichtung für zwölf arme alte Männer bekommen, das mit keiner besonderen Arbeit verbunden ist und diese schon über viele Jahre freudig genossen. Durch einen eifrigen jungen Mann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, wird ihm klar, dass der Stifter des Spitals nicht im Sinn gehabt haben konnte, dass die armen alten Männer zwar genug, um gut zu leben, bekommen, aber nur einen Bruchteil dessen, was er erhält. Obwohl sein eifriger Schwiegersohn Grantly, der Sohn des Bischofs und dessen Stellvertreter, eifrig und erfolgreich für das Recht der Kirche auf Verteilung ihrer Einnahmen kämpft, wird ihm klar, dass es ethisch falsch ist, sein Amt zu behalten, woraufhin er dieses allem Widerspruch zum Trotz niederlegt und die Stellung eines armen Vorstadtpfarrers annimmt.

    An Handlung passiert nicht viel in diesem Roman, seine Stärke liegt in seinen Dialogen und der Charakterisierung der handelnden Personen. Diese werden differenziert und überzeugend beschrieben: Es gibt keine Idealtypen und diese Lebensnähe überzeugt auch in den Schilderungen der Haushalte, Restaurants, Hotels und des Spitals und seiner Insassen. Leicht ironische Noten durchziehen gekonnt den auktorial geprägten Erzählstil, der nur dann abfällt, wenn Trollope erklärt satirisch werden will, wie zum Beispiel bei der Darstellung seiner Autorenkollegen Thomas Carlyle und Charles Dickens. Hier wird er schon allein in der Wahl der Namen recht grob (Dr. Pessimist Anticant und Mr. Popular Sentiment) und teilt wenig elegante Hiebe aus. Ansonsten ist aber seine Ironie wohl überlegt und treffend und erreicht bei der Darstellung der Macht der Medien ("Jupiter" als "Times") eine erstaunliche Modernität.


    Ein gut geschriebener Roman mit einem interessanten Thema, der mir Lust auf mehr Trollope-Lektüre macht.

    Ich bin gerade fertig geworden mit dem zweiten "modernen" Buch auf meiner diesjährigen Leseliste, "Ein Nashorn für den Papst" von Lawrence Norfolk. Es war schon die Zweitlektüre, ich habe das Buch im alten Jahrtausend schon einmal gelesen. Vermutlich habe ich von dem sehr verwickelten Plot damals einiges nicht verstanden, jedenfalls kam mir beim zweiten Lesen einiges neu vor.

    Vor Urzeiten las ich einmal "Lemprières Wörterbuch" vom gleichen Autor, das dazumal sehr gehypt wurde. ich weiß nur noch, dass die Handlung geheimnisvoll und chaotisch war, dass die Handlungsstränge auch nicht zu meiner Leserzufriedenheit aufgelöst wurden und dass das Ganze eine Unmenge Wissenswust enthielt. War schwierig zu lesen, manchmal aber auch interessant. Also ein ähnlicher Leseeindruck, wie du ihn mit dem anderen Roman gehabt hast.



    Und ich beginne heute mit der dicken Schwarte von Dumas père "La reine Margot", zu deutsch "Die Bartholomäusnacht", das zweite Werk von meiner diesjährigen Wettbewerbsliste. Der Wallenstein folgt dann im August/September"

    "Septimus Harding. Vorsteher des Spitals zu Barchester", im Original "The Warden" von Anthony Trollope. Habe noch nichts von diesem Schriftsteller gelesen. Mal sehen ... .

    :D Das kann man sich so richtig gut vorstellen: mit vorsichtigen Füßen über eine feuchte Blumenwiese mit liegendem Flutsch-Lamm!

    Wir waren gerade an einem nassen Tag wandern und kamen an einem Wild- und Nutztiergehege vorbei, da hätte das passieren können!