Und ich befinde mich im Tudor-England mit dem dritten Band von Hilary Mantels Trilogie, "Spiegel und Licht". In keiner Weise vergleichbar mit den ganzen anderen historischen Romanen. In langen Gesprächen , Reflexionen und Rückblicken rollen sich die Charaktere mit ihren historischen aber auch allgemein menschlichen Bedingtheiten auf. Großartige Schriftstellerin!
Beiträge von finsbury
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Anna Karenina war nicht mein Lieblings-Tolstoi, deshalb bin ich bisher nicht auf ein Reread gekommen.
Bin gespannt auf weitere Leseeindrücke, Zefira.
Ich glaube, dass ich so gut wie nichts von der Liste schaffen werde, weil ich mich anhand der Teilbände der "Ahnen" durch die Epochen hangele und dabei soviel anderen Lesestoff finde, dass ich im Moment im 16. Jahrhundert verweile und das wohl noch eine ganze Weile. Dann schreibe ich den Rest eben auf 2022 um.
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Walter von der Vogelweide lebte von ca.1180 bis mindestens 1227. Über seine Biografie gibt es nur eine zeitgenössische Quelle, die Gabe von einigem Geld zum Kauf eines Wintermantels durch einen österreichischen Bischof.
Ansonsten wissen wir aber viel über Walter, weil er, recht uncharakteristisch für einen hochmittelaterlichen Dichter, in seinen Dichtungen sehr viel über sich und seine Meinung preisgibt.
Aufgrund von sprachlichen Untersuchungen und seinem frühen Engagement beim Herzog von Österreich geht man davon aus, dass Walter aus dem Österreichischen stammt.
Er war wohl nicht von Adel, aber auch kein einfacher Schausteller oder Musiker, der von Hof zu Hof zog. Von diesen grenzt er sich durchaus mit "Standesdünkel" ab. Sein Lehrmeister war Reinmar, der "Alte" oder "von Hagenau" am österreichischen Hof, mit dem er sich später aber eine heftige Fehde lieferte, um ihn dann nach seinem Tod dennoch ehrlich zu betrauern.Walter lässt uns an den Schwierigkeiten seiner Abhängigkeit von adeligen Förderern immer wieder teilnehmen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er von seinen Gönnern etwas für sich, aber auch allgemein in Bezug auf ihre politischen Entscheidungen fordert. Seine Spruchdichtung wirkt dadurch sehr aktuell und politisch. Wenn ihm ein Gönner nicht mehr genug bietet, wechselt er auch gerne mal zu einem anderen über und singt über diesen Spott- statt Preislieder. So wechselt er vom österreichischen Herzog, nachdem der Vater gestorben ist, zum Stauferkönig Philipp II, später dann zu dessen erbittertem Gegner, dem Welfenkönig Otto IV, darauf zum jungen Stauferkaiser Friedrich II und auch zu einigen kleineren Adelsherren wie dem Grafen Hermann von Thüringen. Von Kaiser Friedrich erhält er dann auch gegen Ende seines Lebens ein Lehen, wenn wir auch nicht wissen, in welcher Form, ob als Landbesitz oder festes Gehalt.
Die Wissenschaftler vermuten mehrheitlich, dass dieses Lehen mit der Umgebung von Würzburg verbunden ist.
Seine Abneigung und daher heftigen Angriffe richten sich immer wieder gegen die Päpste dieser Zeit und die egoistischen und ausbeutenden Entscheidungen des Klerus sowie die Einwirkungen des Papstes auf seine Könige und Päpste, die allesamt je nach politischem Kalkül des amtierenden Papstes aus der Kirche ausgeschlossen wurden.
Neben seiner politischen Dichtung ist er besonders bekannt für seine Minnelyrik, die sich über die zu seiner Zeit bereits schon erstarrte "Hohe Minne" hinwegsetzt und dieses künstliche Konstrukt des Dienstes eines RItters für eine hohe adelige Dame durch eine sehr modern anmutende Ich-Du-Beziehung ersetzt. In seinen "Mädchenliedern" feiert er eine solche natürliche Liebe.
Sein Alterswerk ist von Selbstzweifeln und tiefen Einsichten durchzogen und enthält auch für uns Heutige immer noch Wertvolles.Ich habe mich in letzter Zeit mit den Liedern und Sprüchen Walters beschäftigt, aber auch Sekundärliteratur und historische Romane gelesen, in denen Walter eine Rolle spielt.
Während meines Germanistikstudiums war ich eher im Spätmittelalter unterwegs und so war mir dieser faszinierende Dichter bis auf seine bekanntesten Werke noch eher unbekannt. Er war sicherlich nicht ein tadelloses Vorbild und wirkt in seinen Texten oft egoistisch und wankelmütig, dann aber auch ergreifend betroffen und tief einsichtig in menschliches Handeln. Gerade deshalb hat er auch uns modernen Menschen, die wir ja noch viel mehr vom Tagesgeschäft bestimmt sind, immer noch viel zu sagen.
Empfehlen kann ich die Fischer-Ausgabe seiner Gedichte im Original sowie mit einer nachvollziehenden, nicht dichterischen Übertragung von Peter Wapnewski. Uwe Rump hat eine interessante Rowohlt-Mongrafie über ihn geschrieben.
In Tanja Kinkels unterhaltsamen historischen Roman "Das Spiel der Nachtigall" steht er im Mittelpunkt und erhält eine durchaus mögliche Charakterisierung, wenn auch das über die historischen Fakten, die gut recherchiert sind, hinausgehende Geschehen eher etwas abstrus ausfällt. In Tilman Röhrigs Friedrich II-Roman "Wie ein Lamm unter Löwen" kommt es auch immer wieder zu Auftritten weniger des DIchters, aber seiner Dichtungen. -
Naja. Wenn ich Ende des Jahres damit durch bin, will ich’s zufrieden sein – Lektüre ist ja kein Wettbewerb, wer am schnellsten lesen kann oder wer am meisten Bücher gelesen hat.
Ich verdaddele auch meinen ganzen Jahresurlaub mit einem historischen Roman über Friedrich den Zweiten und wollte eigentlich noch so viel Anderes lesen ... . Aber du hast Recht, Leser müssen nicht an Leistungsschauen teilnehmen, sondern genießen.
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ich hab das gerade mal überflogen – wenn ich in dem Tempo weiterlese, werd’ ich wohl den Rest des Jahres damit beschäftigt sein. Hm. Eine Entscheidung, für etwas ist halt auch immer eine gegen etwas anderes …
Ich habe für die verlorene Zeit drei Jahre gebraucht, da bist du richtig gut. Aber ich brauchte damals auch viele Bücher als Erholung dazwischen, vor allem bei den Bänden mit Albertine im Mittelpunkt. Die ersten drei Bände fand auch ich teilweise sehr witzig und gut zu lesen.
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Tja, wenn man alt wird, wiederholt man sich halt. Danke, Volker, dass du mir die Selbstzitation eigentlich ersparen wolltest
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Nach lämgerer Pause, bedingt durch saisonale Arbeitsspitzen, bin ich wieder bei den "Ahnen" gelandet und habe den dritten Band - nach Zählung der Einzelerstveröffentlichungen - "Die Brüder vom Deutschen Haus" gelesen.
Darin geht es um einen der letzten reichsfreien Adeligen Thüringens, der sich unter Friedrich II. in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegen die Übernahme seines Eigentums durch mächtige Territorialfürsten wehrt, später an einem Kreuzzug und dann, als er sein Anwesen schließlich doch verliert, an der Landnahme des Deutschen Ordens im Osten teilnimmt, einer Bruderschaft, die der Autor sehr positiv darstellt. Ich bin nicht fit in der Geschichte der deutschen Ostkolonisation, glaube aber nicht so recht, dass diese "Brüder vom Deutschen Hause" wirklich soviel besser waren als die Templer und Johanniter... . Auch hier wirkt der Professorenroman aus dem 19. Jahrhundert ein wenig heimat- und deutschtümelnd . Aber die Menschen anderen Glaubens, denen die Hauptperson Ivo beim Kreuzzug begegnet und deren Gegner, die Kreuzzugsteilnehmer, werden differenziert beschrieben und auch die Greueltaten und die egoistischen Motive vieler Kreuzzugsteilnnehmer werden nicht verschwiegen: Kann man also auch heute noch gut lesen und ist darüber hinaus auch noch spannend. Nebenher spielt im ersten Teil des Romans auch die Zeit der Minnesänger eine Rolle: Ivo besingt eine hochrangige Adelige, eine Cousine des Kaisers Friedrich, heiratet aber später die Tochter eines freien Bauern.Mit diesem Roman steigt die Dynastie auch aus dem Adel aus. Wir erfahren am Ende noch, dass der tapfere Kämpfer und Ostsiedler Ivo von seinen Nachbarn und Bewunderern "König" genannt wird, ein Ehrentitel und zugleich eine Reminiszenz des Autors an Ivos Vorfahren des ersten Bandes, den vandalischen Königssohn Ingo. Im vierten Band geht es dann mit dem bürgerlichen "Markus König" weiter.
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Mir haben die ersten und letzten Bände gut gefallen. Echt genervt haben mich die Bände "Die Gefangene" und "Die Entflohene", weil da der Ich-Erzähler meiner Erinnerung nach hunderte von Seiten im Selbstmitleid schwimmt.
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Habe mit dem vierten, offiziell dritten Band von Gustav Freytags "Ahnen" begonnen: "Die Brüder vom deutschen Haus". Da geht es wohl um den Deutschherrenorden und vielleicht die Landnahme im Osten.
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Das geht mir ähnlich mit dem Genre des pikaresken Romans. Thackerays "Die Geschichte des Barry Lyndon", die ich neulich halb durchlitten, halb genossen habe, gehört ja auch teilweise in dieses Genre, nur ist sie eben sehr viel sozialkritischer.
Vielleicht waren die pikaresken Romane für die Leute früher das, was später die Dick und Doof-Filmchen und heute die unsäglichen Fremdschämshows sind, irgendwem muss das ja Spaß machen. -
Mal sehen, ob ich das durchhalte, den "Gil Blas", auf den sich Smollett bezieht, hab ich jedenfalls ungefähr nach der Hälfte beiseite gelegt. Am Gil Blas kritisiert Smollett (imho völlig zurecht) die lockere, ziemlich unzusammenhängende Reihung diverser Szenen / Episoden als unrealistisch, entsprechend hängen bei ihm die einzelnen "Abenteuer", die sein Ich-Erzähler zu bestehen hat, auch besser zusammen, es gibt anscheinend so etwas wie einen roten Faden.
Durch den "Gil Blas" habe ich mich seinerzeit auch ziemlich durchgequält, wie mir dein Beitrag jetzt in Erinnerung bringst: ist aber schon sehr lange her.
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Den dicken historischen Roman über Walther von der Vogelweide habe ich nun durch. Ist zwar nur ein Unterhaltungsroman, hat mir aber wieder Lust auf die Lektüre von Walthers Lied -und Spruchdichtung gemacht.
Was für ein unglaublich persönlicher und frecher Kerl das war ( und damit meine ich nicht den aus dem Roman, sondern den, der aus seinem Werk ersichtlich wird). Für seine Epoche muss der eine wirkliche Herausforderung gewesen sein. Auch wenn er immer wieder seine Brotherrn lobt, gibt es in diesen politischen Sprüchen fast immer kleine Fallstricke, die auf politische Fehler des Gelobten hinweisen, oder auch Warnungen und oft auch Walthers sehr frei ausgesprochenen persönlichen Forderungen. So etwas kenne ich sonst nur von dem mehr als 200 Jahre jüngeren Oswald von Wolkenstein.
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Da bin ich gespannt auf dein Urteil. Spannend und farbig ist der Roman durchaus. Dennoch sitze ich recht lange an diesen 200 bis 400 Seiten dicken Romanen. Wenn ich den dicken historischen Roman über Walther von der Vogelweide endlich durchhabe, werde ich mit dem vierten (oder dritten Band, wenn man INGO und INGRABAN zusammennimmt, wie das in vielen Ausgaben gemacht wird) beginnen DIE BRÜDER VOM DEUTSCHEN HAUS.
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Und in Freytags "Ahnen" tragen die Helden der ersten drei Bände immer einen sehr germanentümelnden Namen mit "I", wie aus dem Stutbuch. Bin gespannt, ob das durch alle Bände so weitergeht, aber der übernächste, den ich zu lesen habe, heißt Markus König, dann wohl nicht.
Diese Mehring-Geschichte klingt aber lustig. -
"Das ist wirklich gallebitter. Ich würde gern mehr von Schostakowitch kennen; vor Jahren habe ich mal die Lady Macbeth gehört, aber längst alles vergessen. Ebenso vor Jahren las ich mal ein Interview mit einer russischen Musikerin, die sich ausdrücklich darauf berief, wie viele Künstler es in Russland gab, die immer auf einem gepackten Koffer geschlafen hätten. Eine Bildungslücke mehr, dass ich so gar nichts über ihn weiß und von ihm kenne außer dem Namen.
Ich empfehle dir seine 7., die Leningrad-Sinfonie, die die Besetzung Leningrads durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg zur Grundlage hat. EIn sehr anrührendes Stück Musik.
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Das ist ein sehr interessanter Artikel. Danke, giesbert. Vielleicht sollte man einfach seine alte Ausgabe von Wollschläger lesen, aber die kommentierte erreichbar daneben legen, falls eine unverstandene Lesestelle stört. Könnte ich mir als schönes Projekt vorstellen, wenn ich denn irgendwann den Ruhestand erreiche. Im Moment fehlt mir die Muße dazu.
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Die beiden Boswell-Bücher, die Biografie auch in der Diogenes-Ausgabe, stehen hier auch. Bei mir ist es andersrum. Ich hoffe auf eine Schottlandreise in nicht allzu ferner Zukunft , vor oder nach der ich dann das Journal lesen würde und im Nachhinein dann den Anlauf für die Biografie mit nutze. Aber da noch einige andere Reiseziele in Konkurrenz stehen, ganz zu schweigen von Corona-Pausen und ökologischem Gewissen, sehe ich diese Lektüre doch nach hinten rücken.
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Ich habe den Ulysses im Studium gelesen und mir auch viel Zeit gelassen. Auch ich hatte Sekundärliteratur, habe dann aber gemerkt, dass diese auch viel kaputt machen kann. Einige Kapitel haben mir viel Spaß gemacht, aber ich habe kaum mehr was vom Inhalt im Kopf, eher so Atmosphärisches durch diese vielen Streams of Consciousness.
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Momentan beschäftige ich mich ein wenig mit Walther von der Vogelweide und habe dazu die alte Rowohlt-Monografie von Hans-Uwe Rump herausgekramt. Auch mein Taschenbuch mit den Liedern und ihrer Übersetzung durch Peter Wapnewski ist noch aus meiner Studentenzeit. Aber Walther ist mir literarisch immer mal wieder über den Weg gelaufen, weshalb ich jetzt mal wieder Lust auf eingehendere Kenntnisse bekam.
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Auch ich habe den Hesperus vor zahlreichen Jahren gelesen, kann sein, sogar in einer Leserunde hier im Forum (habe gerade nur das Tablet zur Hand, daher ist mir das Nachgucken zu mühsam). Jean Paul ist immer herausfordernd, aber er gibt auch viel zurück durch seinen unnachahmlichen Humor. Mir ist der Hesperus nicht als sein nachhaltigstes Werk in Erinnerung geblieben, z.B. den Siebenkäs hab ich, obwohl noch länger her, viel besser im Kopf, aber er lohnt sich.
Was Bleak House angeht, Zefira, kannst du frei entscheiden. Ich habe wie du für den April noch einiges vor, würde dann aber frei sein.