Beiträge von finsbury

    Ich habe nie wirklich was von ihm gelesen, da er eher ein Meister der journalistischen und kleinen Form war. Seine Meriten für die deutsche Literatur sind sehr groß, das sehe ich auch so, sandhofer. Schon allein die Literaturzeitschrift Akzente hat Jahrzehnten ein Sprachrohr gegeben.

    Klingt danach, als könnte mir das auch gefallen. Berichte gerne weiter von der Lektüre. Das Buch bekommt man aber wohl nur noch antiquarisch?

    Nun habe ich das "Ahnen"- Projekt nach fast zwei Jahren abgeschlossen.


    Die Ahnen 6 – Aus einer kleinen Stadt / Schluss der Ahnen


    Der letzte Band der „Ahnen“ von Gustav Freytag erschien 1880, spielt in einer kleinen fiktiven Stadt in Schlesien und umfasst die Zeit der Eroberungskriege Napoleons bis nach der Völkerschlacht bei Leipzig, 1805 bis nach 1813.

    Ernst König, der Enkel von Friedrich König aus dem zweiten Teil der „Geschwister“, kommt als junger Arzt in die Stadt, um dort eine Praxis zu eröffnen. Mit dem Zolleinnehmer, einem unangepassten liberalen Geist und großem Jean Paul-Verehrer, erlebt er die Zeit der Besatzung durch napoleonische Truppen und den murrenden Gehorsam der Bevölkerung angesichts von Ausbeutung und Truppenwillkür.

    In einem Pfarrdorf der Umgebung, dem gleichen wie dem von Judith aus dem ersten Teil der „Geschwister“, verliebt er sich in die Tochter eines Landgeistlichen, Henriette. Diese wird fast ein Opfer von bayerischen Besatzungstruppen im Gefolge Napoleons und nur durch das Eingreifen eines französischen Offiziers, Dessalle, vor einer Vergewaltigung gerettet. Dieser jedoch benennt sie gegenüber den Bayern als seine Verlobte und tauscht mit ihr gegen ihren Willen Ringe. Henriette fühlt sich dadurch an ihren Retter gekettet, obwohl sie den Arzt liebt. Der enttäuschte und patriotische Ernst schließt sich dem unbenannten Grafen (Friedrich Wilhelm von Götzen), dem Anführer noch unbesetzter Gebiete mit drei Festungen um die Stadt Glatz an und betreut die widerständigen Truppen ärztlich. Dem Grafen gelingt es, das Gebiet für Preußen zu halten.

    Der von vielen als schmählich empfundene Friedensschluss Frankreichs mit Preußen, der Frieden von Tilsit (1807), und das darauf folgende Bündnis gegen Russland prägen die nächste Zeit und führen dazu, dass Ernst König schließlich, nach dem misslungenen Russlandfeldzug Napoleons, als Aktiver an der Völkerschlacht bei Leipzig teilnimmt. Dort trifft er auch auf Dessalle und in der Folge löst dieser die Verlobung mit Henriette auf. Die beiden Liebende heiraten und nehmen nun wieder das ruhige, wenn auch an anstrengende Leben in einem Arzthaushalt auf.

    In dem Appendix „Schluss der Ahnen“ erleben wir aus der Sicht des Sohnes Viktor die Studentenzeit im Berlin der 1830er Jahre und das anschließende Aufblühen des Widerstands gegen Zensur und Unterdrückung bis zur Märzrevolution 1848. Die Familie König reist mit Schwiegersohn Henner von Ingersleben, dessen Abstammung wohl auf den thüringischen Teil der Saga anspielt, zur Festung Coburg, im ersten Band noch ohne Festung der Ort von Ingos Burg und Tod aus dem ersten Band. Ein in der Festung vom Schwiegersohn aus dem Nachlass einer Tante übergebenes Buch weist auch auf die Zeit der Begegnung von Markus König aus dem vierten Band mit Martin Luther zurück.

    Mit einer pathetischen und idealistischen Beschwörung der Kraft des Volkes endet der Romanzyklus.


    Mit „Aus einer kleinen Stadt“ kommt Freytag seiner Lebensgeschichte sehr nahe, denn auch er engagierte sich um 1848 als Journalist politisch gegen Repressalien z.B. gegen die schlesischen Weber und musste daher politische Verfolgung hinnehmen.


    Auf uns Heutige wirkt die Anrufung der deutschen Widerstandskraft und der Kraft des Volkes befremdlich und sogar gefährlich, ist aber wohl den Zeitumständen des Vielvölkerstaates aus der Lebenswirklichkeit des jungen und mittelalten Freytags zu schulden.

    Insgesamt fand ich diesem Band zwar wieder von der Schilderung der historischen Umstände her sehr interessant, aber doch auch recht zopfig und an manchen Stellen sehr an den „Gartenlauben“-Ton erinnernd.

    Die Ausgabe von Zweitausendeins habe ich auch.

    Musste erstmal das Schliemann-Syndrom googeln. Aus deinen Ausführungen, Leibgeber, ist mir aber nicht ersichtlich, inwiefern es dich erwischt hat.

    Wenn ich es richtig verstanden habe, bedeutet es, dass man als Dilettant versucht, eine These zur Geschichte mit unwissenschaftlichen Methoden zu beweisen, so wie Schliemann die gefundene Totenmaske und den Schmuck in Troya Agamemnon und Helena zuwies.

    Vielen Dank, Diaz Grey, für die Anmerkungen zu Svevos Roman. Er steht schon seit vielen Jahren in meinem Regal, aber bisher hatte ich wenig Anregung, ihn zu lesen, Vielleicht wird das jetzt etwas anders oder zumindest nächstes Jahr.

    Vielen Dank, sandhofer, dass du unser Forum attraktiver machen willst. Aber mich interessiert das auch nicht. Außer selten mal auf Facebook bin ich in den sozialen Medien, sofern man Foren nicht dazu rechnen will, nicht unterwegs.

    Habe mit dem letzten Band der "Ahnen" von Gustav Freytag begonnen. "Aus einer kleinen Stadt" beginnt 1805 in einer kleinen schlesischen Stadt.
    Hoffentlich kann ich dieses Langzeitprojekt noch in diesem Jahr abschließen.

    Außerdem etwas Bizarres aus der roten Reihe von Wagenbach:
    "Unwahrscheinliche Flausen bekehrter Sodomiten" von Raymond Queneau, dem französischen Schriftsteller, der zwischen Surrealismus, anarchischem Humor und erotischen Geschichten oszilliert. Letzteres aber nicht in diesem Bändchen, das Gedichte, Kurzprosa und Romanauszüge vereint.

    Aber: Wenn ich das mit den Dramen des Sophokles oder Aischylos vergleiche, dann kann ich Nietzsche verstehen, der in Euripides einen der Totschläger der attischen Tragödie sah. Das liegt zum einen an der unpathetischen Nüchternheit, mit der die Figuren sprechen. Dadurch wirken sie "moderner" als ein Agamemnon, eine Klytaimnestra oder ein Ödipus, aber auch langweiliger. Es fehlt der bittere Zwang des Schicksals, den die Götter über die Menschen verhängt haben - und damit ein wesentliches Element der Tragödie, das ich einmal verkürzt als "Handeln und Erkennen erzeugen unnötiges Leiden" bezeichnen möchte.

    Zu Nietzsches Bakchen-Rezeption habe ich gerade noch einen interessanten Artikel gefunden.

    Nach zwei Jahren Pause habe ich wieder einmal ein Drama von Euripides gelesen:


    „Die Bakchen“ sind die letzte, mehr oder weniger vollständige überlieferte Tragödie des Euripides. Sie wurden neben der „Iphigenie in Aulis“ als dritter Teil einer Tetralogie 405 posthum von seinem Sohn oder Neffen gleichen Namens in Athen uraufgeführt und gewannen den ersten Preis.


    Pentheus, König von Theben, geht gegen den neuen Dionysos-Kult in seinem Land vor, dessen von ihm als ausufernd angesehene Bacchanalien nach seiner Meinung gegen die Sittlichkeit verstoßen. Der Gott, dessen Mutter Semele zur Königsfamilie von Theben gehörte und ihn seinem Vater Zeus gebar, ist sowieso schon gegen Theben aufgebracht, weil die Königsfamilie seine Göttlichkeit verleugnet und unterstellt, Semele habe ihn als Bastard geboren.


    Er bringt daher Pentheus‘ Mutter Agaue mit ihren zwei Schwestern durch seinen göttlichen Einfluss dazu, eine Schar thebanischer Bacchantinnen auf den Berg Kithairos, südlich von Theben, zu führen und dort seinem Dienst zu leben. Mit einer anderen Schar von Bacchantinnen kommt er getarnt als deren Anführer nach Theben, um den Dienst an seiner Göttlichkeit von den Thebanern und Pentheus einzufordern. Dieser aber lässt ihn verhaften und einige Frauen seines Gefolges einsperren. Gleichzeitig rüstet sich der König zu einem Zug auf den Kithairos, um die Frauen notfalls mit Gewalt zurück in die Stadt und ihren gewohnten Beschäftigungen zurückzuführen.

    Dionysos, der sich aus seiner Haft befreit hat, legt zur Strafe mit Gewitter und Feuer den Königspalast in Trümmern und erscheint dann dem König, immer noch als Mensch getarnt. Trotz seiner Warnung hält Pentheus daran fest, den Dionysos-Kult zu beenden. Der Gott stürzt ihn in Wahn, kleidet ihn als Bacchantin und begleitet ihn auf den Berg. Dort lässt er den größenwahnsinnig gewordenen König auf der Spitze einer Fichte sitzen, wo ihn die Bacchantinnen erblicken. Sie werden von dem Gott verblendet und aufgehetzt, den König zu töten. Seine Mutter Agaue an der Spitze ihrer Schwestern und der anderen Bacchantinnen schütteln Pentheus von der Fichte und zerreißen seinen Körper. Die Mutter spießt den Kopf ihres Sohnes im Wahn, einen jungen Berglöwen getötet zu haben, auf ihren kultischen Stab und zieht damit an der Spitze der Bacchantinnen zum Königspalast, um ihn triumphierend ihrem Vater Kadmos und Sohn Pentheus zu zeigen. In Rede und Gegenrede befreien der Chor und ihr Vater sie von ihrem Wahn. Zutiefst erschüttert vernehmen die Königsfamilie und die Thebaner die Strafe des sich nun offenbarenden Dyonisos: Das Volk wird in die Sklaverei verkauft, die drei Schwestern verbannt und Kadmos muss den Rest seines Lebens auf Kriegszügen durchs Land ziehen.


    „Die Bakchen“ verwirrten schon immer die Literatur- und Theaterwissenschaftler, denn Euripides ist von dem großen klassischen Dreigestirn - Aischylos, Sophokles und eben ihm - am meisten dafür bekannt, die Existenz der Götter eher anzuzweifeln und die Autonomie der Menschen gegenüber den Göttern zumindest in ihren Reflexionen zu stärken.

    Hier aber waltet ein Gott in großer Grausamkeit und bestraft sogar die, die ihm dienen. Es gibt außer bei Pentheus bei keiner anderen Person irgendein Zeichen des Aufbäumens gegen das göttliche Handeln. Gleichzeitig ist dieses Drama die formal einheitlichste und klassistische aller auf uns überkommenen griechischen Tragödien.


    Auch mir bleibt sie, wie wohl vielen Menschen der heutigen Zeit, trotz ihrer formalen Schönheit inhaltlich doch sehr fremd, und die extreme Grausamkeit der Handlung trägt auch nicht gerade zu einem großen Lesegenuss bei.

    Willkommen im Klassikerforum, Tubai. Alte Abenteuerroman mag ich auch hin und wieder. Das von dir genannte Werk kenne ich nicht, habe aber von Cooper über die Lederstrumpfbände hinaus einen Roman namens "Der Spion" gelesen, der meiner Erinnerung nach recht spannend war, aber heute nicht mehr in meinem Besitz ist. Die Handlung spielt während des amerikanischen Bürgerkriegs.

    2001 habe ich mal von Madison Smart Bell: Aufstand aller Seelen gelesen, da ging es um den großen Sklavenaufstand auf Haiti. Ein Buch voller Grausamkeiten, das schwer zu ertragen war, aber auch den Blick geschärft hat für die sklavenbasierte Plantagenwirtschaft.

    Diese Rezensionen habe ich auch gelesen und finde sie z.T. völlig unangemessen, weil sie der Autorin unterstellen, sie habe kein Interesse an der Aufklärung von Naziverbrechen, während es in ihrem Buch genau darum geht, warum diese Aufklärung oft nicht gelingt, weil die Menschen ihre Bequemlichkeit und ihren Ruf höher schätzen als die Menschlichkeit und Wahrheit.

    "Dunkelblum" hat mir sehr gut gefallen, und der "flapsige Ton" ist ein meiner Meinung nach durchaus passendes Stilmittel. Ich würde mich freuen, wenn du weiterliest. Es lohnt sich!

    b.a.t., das freut mich, dass du dich nun den Effingers widmest. Die Leserunde auf Literaturschock läuft ja auch. Ich bin gespannt auf deine Leseeindrücke.

    Ich lese momentan von Florian Illies: 1913. Der Sommer des Jahrhunderts. Das liegt schon seit der Veröffentlichung im Taschenbuch bei mir rum, aber jetzt habe ich es zur Hand genommen, u.a. auch als Folgelektüre zu den "Effingers", weil die neben vielen weiteren ja auch durch diese Zeit gehen. Sehr amüsant geschrieben, eine interessante Zusammenschau, mir aber insgesamt ein bisschen zu feuilletonistisch (ist das jetzt richtig geschrieben :denk:?).

    Annie Ernaux ist es geworden.

    Ich kenne von dieser Autorin bisher nichts, aber die Gegenwartsliteratur ist auch nicht so mein nächstes Interessengebiet. Wer hat schon was von ihr gelesen?

    Eva Menasses "Dunkelblum" habe ich inzwischen beendet. Ich fand den Roman sehr gut. Er weist uns daraufhin, wie nahe wir alle daran sind, uns in historischen Situationen, denen wir ausgesetzt sind, oder einfachen Momenten der Menschlichkeit nicht zu bewähren, wie Egoismus, Bequemlichkeit und Rechthaberei Menschen dazu führen, andere zu unterdrücken und auszubeuten, selbst zu töten. Trotz der ironischen Sprache und teilweise sogar humorvollen Situationen schwere Kost, aber lohnende. Man liest meiner Ansicht nach den Roman völlig falsch, wenn man ihn auf eine besondere österreichische Situation festlegt.


    Nun bleibe ich bei österreichischen Autorinnen und auch bei der Satire und habe Verena Roßbachers neuen Roman "Mon Chéri und unsere demolierten Seelen"begonnen. Sehr unterhaltsam und diesmal wirklich lustig, aber natürlich auch nur vordergründig. Aber wirklich was für Leute, die Spaß haben an Sprachwitz und skurrilen Gestalten.