Beiträge von finsbury

    Hallo,

    auch wenn es dieses Jahr eher ruhig war in unserem Wettbewerbsthread, haben doch bestimmt einige Lust, auch für nächstes Jahr ihre Lektüre zu planen und ihre Fortschritte zu posten.

    Hier ist der Platz für die Listen und den Eintrag der vollendeten Lektüre. Für Kommentare und Diskussionen gibt es wieder einen anderen Thread.


    Auf ein schönes Lesejahr 2024!

    "Die Türkin" habe ich auch vor vielen Jahren gelesen, kann mich aber an nichts mehr erinnern. Gerade beendet

    Julia Phillips: Das Verschwinden der Erde

    Ein interessanter Roman, der auf der Halbinsel Kamtschatka in Sibirien spielt und von dem Verschwinden zweier kleiner Mädchen die Frauen- und Familienschicksale in unterschiedlichen Lebenssituationen und kultureller Eingebundenheit schildert. Ein ungewöhnliches und sehr offenes Buch.

    So richtig voran komme ich mit den Aristophanes-Komödien nicht. Und das im Folgenden vorgestellte Werk kann daran erst recht nichts ändern:

    Der Frieden (Eirene)

    wurde 421 v.u.Z. auf den Dionysien uraufgeführt und erhielt den 2. Preis.
    Ich habe das Stück in einer Übersetzung von Christoph Jungck aus dem Jahr 1989 gelesen.

    Handlung:

    Der Krieg zwischen Athen und Sparta dauert laut den Angaben des Stückes nun schon 13 Jahre. Insbesondere die ländliche Bevölkerung leidet unter dem Kriegsgeschehen, muss sie doch ständig Kriegssdienst leisten, verpasst dabei die Arbeit auf den Äckern und verliert die Absatzmärkte. Deshalb beschließt der schlaue Weinhändler Trygaios, auf einem Mistkäfer (Persiflage auf Pegasus) zum Olymp zu fliegen, um die Göttin der Friedenszeit - Eirene - aufzufordern, zurück auf die Erde zu kommen. Aber der Götterbote Hermes, der hier als Torwächter fungiert, weist ihn zurück, da die Götter, angeödet von dem ständigen Zank auf Erden, sich in eine höhere Dimension zurückgezogen hätten. Es sei aber der Kriegsgott Polemos da, der gerade dabei sei, in einem riesigen Mörser die Städte Athen und Sparta zu zermalmen. Trygaios erfährt von Polemos, dass die Friedensgöttin in ein tiefes Loch versenkt ist und ruft den Chor der attischen Bauern zur Hilfe. Mit vereinten Kräften gelingt es, die Göttin (nur ein Standbild) aus der Versenkung zu ziehen. Mit den Halbgöttinnen Opora (die Fülle) und Theoria (die Festfreude) erklärt sie sich schließlich bereit, mit Trygaios zurückzukehren. In der zweiten Szene findet nun ein großes Friedens- und Vermählungsfest auf dem Hof von Trygaios statt, denn er erhält zur Belohnung für seine Aktion Opora zur Frau. Das Fest wird durch mehrere ehemalige Kriegstreiber und -gewinnler gestört, die aber mit bösem Spott vertrieben werden.

    Meine Meinung:
    Dieses Stück hat schon seine überzeitliche Bedeutung, gerade leider heute mal wieder, aber es ist derartig zotig und frauenfeindlich, dass ich mir nicht vorstellen könnte, wie man es heute ohne große Kürzungen und Überarbeitungen aufführen könnte. Dass mehrere Schauspieler mit umgeschnalltem Riesenphallus herumlaufen, auf deren Potenz immer wieder angespielt wird, stört schon sehr, schlimmer ist aber noch, dass Frauen eigentlich nur als Bettunterlagen dargestellt werden und die arme Theoria an den Rat von Athen zur Massenvergewaltigung freigegeben wird.

    Da helfen auch der nette Einfall mit dem Mistkäfer und einige schöne Seitenhiebe nicht, die sowieso modernisiert werden müssten.


    Ich weiß schon, dass man historische Umstände berücksichtigen muss, aber dieses Stück kann ich nur als literarisches Dokument würdigen, halte es aber heute für unaufführbar.

    Denis Johnson: Train Dreams,

    eine Novelle um einen Hilfsarbeiter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Nordwesten der USA, der mit einigen Schicksalschlägen und Einsamkeit fertig werden muss.

    Ein sehr dicht geschriebenes kleines Buch, dessen mitteleuropäisches Gegenstück vielleicht Robert Seethalers "Ein ganzes Leben" ist.

    Ja finsbury The turn of the Screw hab ich auch geesen. Ich bin aber nicht so empfänglich für Geistergeschichten. Für mich war es OK, aber auch nicht mehr. Ich mag James in seinen anderen Büchern lieber :)

    :wink: Deswegen steht die Erzählung auch bei mir seit Jahren ungelesen herum.

    Oscar Wilde habe ich letzte Woche auch gelesen: Den Einakter "Salomé", weil er die Vorlage für Richard Strauss' Oper Salomé gab. Und mit der hatte ich mich im Rahmen einer Musikgeschichte beschäftigt.
    Sehr art déco-mäßig kommen mir die Monologe und auch die anderen Redebeiträge der Salomé vor, teilweise stark beeinflusst von biblischen Bildern, vor allem aus dem Hohelied Salomos. Dennoch eindrucksvoll.

    Außerdem habe ich einen Roman von Sarah Quigley gelesen: Der Dirigent

    Keine hohe Literatur, aber ein interessantes Thema und gut erzählt: Es geht um Shostakovitchs Leningrader Sinfonie und ihre Erstaufführung zur Zeit der deutschen Belagerung im Zweiten Weltkrieg. Sehr eindrücklich und auch für Leute, die sich nicht so für E-Musik interessieren, lesenswert.


    b.a.t., Henry James steht für die nächste Zeit auch auf meinem Leseplan: Das Durchdrehen der Schraube ist ja auch eine Geistergeschichte, hast du die jetzt auch gelesen?

    Der Merkur war ein Forum, auf dem durchaus durcheinander geredet werden durfte – und, das ist der springende Punkt – durcheinander geredet werden sollte. Bloß kein Tendenzblatt! Im Deutschen Merkur war im Klartext das zu lesen, was in den literarischen Werken Wielands immer wieder als Standpunktlosigkeit bemängelt wurde: der Diskurs, die Dialektik sind eben der Standpunkt. Wenn wir zur Lage der Welt – und das bedeutete damals vor allem zur Französischen Revolution – schon keine verbindliche Lösung haben, dann können wir allemal das Beste daraus machen, wenn wir uns vernünftig darüber verständlich machen können.

    Sehr schön, diese Einstellung täte uns auch heute, angesichts der keineswegs einfacher gewordenen Weltlage, sehr gut!
    Vielen Dank für diesen tiefgehenden lektürebegleitenden Kommentar, da lernt man schon viel, ganz ohne die Biografie zu lesen, obwohl du das Leseinteresse sehr weckst.

    Ich las den Agathon und den Don Sylvio zu Beginn meines Studiums und damals langweilte mich der Agathon sehr und ich kam nur mühsam durch, hatte damals allerdings noch wenig Drumherumwissen über die dargestellten Charaktere. Den Don Sylvio fand ich dagegen sehr amüsant, auch oder gerade wenn man noch nicht soviel literarischen Background hat, um ihn gleich mit dem Don Quichote zu vergleichen.


    Das "Quartett im Herbst" habe ich inzwischen durch, einerseits der bitterste Roman von Pym, den ich bisher gelesen habe, andererseits gerade dadurch sehr anrührend, wie diese vier Alltagsmenschen mit ihrer Einsamkeit fertig werden, daran scheitern oder sie sogar genießen.

    Und nun habe ich mit dem vorletzten, ins Deutsche übersetzten Roman von Barbara Pym begonnen. Quartett im Herbst.
    Ein scheinbar langweiliges Sujet um vier Büromenschen, die kurz vor der Rente stehen. Aber von Anfang an wieder dieser typische Pym-Sound, der mir so gut gefällt und mich zum "Immer-weiter-Lesen" animiert (ist das so richtig geschrieben? :confused:).

    Flann O’Brien (d.i. Brian Nolan) lebte von 1911 bis 1966 in Irland und war neben Tätigkeiten in der Verwaltung und in der Lehre im Journalismus und als Romanautor beschäftigt. In Irland ist er einer der meist gelesenen Autoren des 20. Jahrhunderts.


    „Der dritte Polizist“ wurde in den 40er Jahren geschrieben, aber erst nach seinem Tod 1968 veröffentlicht. Ins Deutsche wurde er von Harry Rowohlt übersetzt und erschien zuerst 1975.


    Die Handlung des Romans weist starke Ähnlichkeiten zum Absurden Theater auf.


    Der Ich-Erzähler, ein Mann Anfang Dreißig, der schon in der Jugend ein Bein verlor und stattdessen ein Holzbein trägt, kehrt nach Jahren der Ausbildung und Forschung über den fiktiven Physiker und Philosophen de Selby auf seinen von den Eltern ererbten Bauernhof nebst Pub irgendwo im ländlichen Irland zurück. Er trifft dort auf den Verwalter John Divney, der den Betrieb nur sehr lasch führt und es sich dort bequem gemacht hat. Dieser rät ihm, um eine Ausgabe seines Buches über die Sekundärliteratur zu de Selby zu finanzieren und den Betrieb zu sanieren, einen alten Mann, der immer sehr viel Geld mit sich herumtrage, zu berauben und zu ermorden, was sie auch tun. Die Geldkassette nimmt Divney an sich, um sie gut zu verstecken, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Der Ich-Erzähler ist misstrauisch und weicht Divney drei Jahre nicht von der Seite, teilt sogar das Bett mit ihm, bis Divney ihm schließlich anbietet, dass er die im Haus des Ermordeten versteckte Kassette nun holen kann. Als der Ich-Erzähler das Versteck im Haus findet und öffnet, kann er nur kurzzeitig die Kassette berühren und erfährt dann einen merkwürdigen Bewusstseinswandel. Im Raum befindet sich nun der ermordete alte Mathers, der ihm auf Nachfrage sagt, er wisse nicht, wo sich die Kassette befinde, aber die Polizisten im Revier könnten ihm vielleicht weiterhelfen. Divney ist mittlerweile verschwunden, und der Ich-Erzähler begibt sich zum Revier, wo er auf zwei merkwürdige Polizisten, den Sergeant Pluck sowie Wachtmeister MacCruiskeen trifft. Diese sind vorwiegend mit Fahrraddiebstählen beschäftigt sowie mit merkwürdigen Messungen, die sie in ein Buch eintragen und sehr wichtig nehmen. Als ein Vorgesetzter auftaucht, der wegen des Mordes am alten Mathers, dessen Leiche inzwischen im Straßengraben gefunden wurde, obwohl die beiden Täter ihn eigentlich begraben hatten, alarmiert ist und nachfragt, ob die Polizisten hier schon tätig geworden sind, benennt der Sergeant den Ich-Erzähler als Täter. Dieser kennt jedoch seinen eigenen Namen nicht, weswegen der Sergeant ihn beruhigt, dass er dann auch nicht hingerichtet werden könne. Nichtsdestotrotz beginnt man im Hof, die Hinrichtungsstätte aufzubauen. Währenddessen nimmt ihn der Sergeant mit zu einer Art Stollen, genannt „die Ewigkeit“. Sie entpuppt sich als Ort der komplizierten Messungen, die die beiden Polizisten immer vornehmen. Scheinbar kann man hier alle Reichtümer und Genussmittel der Welt erhalten, sie aber nicht mit an die Oberfläche nehmen, da man nur mit dem gleichen Gewicht in einem Aufzug den Stollen verlassen kann, mit dem man angekommen ist. Schließlich entkommt der Ich-Erzähler mit dem Fahrrad des Sergeanten, das dieser in eine Zelle gesperrt hat, weil es durch die innige Beziehung zu seinem Fahrer mit diesem Atome ausgetauscht hat und er sich jetzt durch es bedroht fühlt. Der Ich-Erzähler radelt zu dem Haus von Mathers und trifft dort auf den dritten Polizisten der Wache, Fox, der aber das Gesicht von Mathers besitzt und ihm sagt, dass er die Kassette an den Hof des Ich-Erzählers geliefert habe. Als dieser dort eintrifft, löst er bei dem inzwischen verheirateten und 16 Jahre älter gewordenen John Divney einen Herzinfarkt aus, an dem dieser wohl stirbt. Beide zusammen gehen zurück zur Polzeiwache, wo sie der genau gleich geschilderte Sergeant Divney mit den gleichen Worten empfängt wie den Ich-Erzähler vor einigen Tagen. Damit endet der Roman.


    Die Handlung zeigt, dass Flann O’Brien hier fast ausschließlich Elemente des Absurden benutzt, dazu das Stilmittel der Metafiktion, d.h. dass er den Leser immer wieder auf das Fiktionale der Handlung hinweist. Dies geschieht insbesondere auch in der Neben“handlung“, einem Kommentar zu den Kritikern de Selbys, der weniger im Haupttext als insbesondere in zum Teil sehr langen Anmerkungen durchgeführt wird.

    Neben der Freude am Sprachwitz und der Virtuosität im Umgang mit Sprache und humanistischer sowie naturwissenschaftlicher Bildung bietet der Roman auch eine satirische Kritik am Wissenschaftsbetrieb und der irischen Gesellschaft.


    Ich fand den Roman zunächst sehr obskur und schwer zu lesen. Wenn man sich jedoch auf diese Scheinwelt einlässt und den vielen neu geschaffenen Mythen, wie dem Atomaustausch zwischen Menschen und den von ihnen viel benutzten Gegenständen sowie den vielen hanbüchenen Theorien de Selbys Spaß abgewinnen kann, eröffnet sich eine sehr ungewöhnliche und skurille Romanwelt, die ein wirklich exklusives Leserlebnis bietet.

    Herum lag sie schon länger, Reemtsmas Wieland-Biografie, jetzt habe ich mich aufgerafft. Seit einer Woche folge ich dem Lebenslauf von Biberach über Zürich und Bern wieder zurück nach Biberach, finde zunehmenden Gefallen daran,

    Bin weiterhin auf deine Leseeindrücke gespannt. Durch dieses Forum angeregt, habe ich mir die Biografie auch zu einem gegebenen Anlass gewünscht und bekommen.

    Ich habe so eine Billigausgabe aus den Achtziger Jahren mit Merimée-Novellen, habe ich da wohl auch gelesen, haben aber wohl keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

    Das ist schon traurig, auch wenn er sehr alt geworden ist und ich nicht immer mit seinen Veröffentlichungen, sei es in schriftlich oder mündlich, etwas anfangen konnte. Aber das war der letzte Große aus der Nachkriegsgeneration, die das Leseleben von vielen von uns, denke ich, mit geprägt hat.

    Vorgestern angefangen Carl Zuckmayer: Als wär's ein Stück von mir. Das erste Kapitel liest sich schon mal wie ein spannender Roman, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Auch gefällt mir die antiquierte Sprache. Insgesamt bis jetzt eine lohnende Lektüre. finsbury du hattest es ja auch vor kurzem gelesen, warst du zufrieden?


    Gruß, Lauterbach

    O ja, das war ich. Ich finde auch, dass Zuckmayer im Rahmen seiner Zeitgebundenheit sehr vernünftige Ansichten hatte und nebenher auch eine angenehme Art rheinischer Gelassenheit und ebensolchen Humors bei dennoch deutlicher Grenzziehung gegenüber von Gewalt und Unmenschlichkeit. Ich habe seine Autobiografie sehr gerne gelesen und mir danach einiges von ihm und auch von seiner Frau Alice Herdan-Zuckmayer, die auch sehr interessante autobiografische Bücher geschrieben hat, besorgt. Auch seine Dramen sind zu empfehlen, vor kurzem las ich "Der fröhliche Weinberg", kein weltliterarischer Wurf, aber eine interessante Variante bezüglich der normalerweise dümmlichen Volkstheaterstücke.

    Günter Eich: Fabula Rasa und Maulwürfe

    Dieses kleine Reclambändchen mit einer Zusammenstellung von Gedichten und Prosatexten des bekannten Lyrikers und Hörspielautoren ist sehr lohnenswert: Gedichte über seine ganze Schaffenszeit verteilt finden sich sowie einige kurze Prosatexte aus seinem Band "Maulwürfe". Wie kann man den Autoren einordnen? Die früheren Gedichte sind entweder sehr lakonisch wie das berühmte "Inventur" aus seiner Zeit in Kriegsgefangenschaft oder auch sprachlich ganz wunderschön mit ungewöhnlichen Metaphern und Kontrasten. Grundhaltung gerade bei den späteren Gedichten scheint mir eine MIschung aus Positivismus und Existenzialismus zu sein mit oft schwer zu entschlüsselnden Bildern und Anspielungen.
    Ich werde bestimmt noch mehr von Günter Eich lesen.