Beiträge von finsbury


    Alleine die Kapitelüberschriften besagen doch etwas von einer vorgestellten Schizophrenie, wobei ich denke, dass sich dies auf den Meister und Iwan bezieht. Sicherlich verfremdet Bulgakow innerhalb des Romans auch eigene Erlebnisse, wobei mir jedoch von einer Schizophrenie nichts bekannt ist, zumindest nicht in pathologischem Sinne. Aber zum Ende hin kommt noch ein deutlicher Hinweis, dass der Meister und Iwan ein und diesselbe Person sind, was ich aber nicht vorwegnehmen möchte.


    Beziehst du dich mit den Kapitelüberschriften z.B. auf I, 6? Aber da geht es doch offensichtlich um Iwan B. alleine, der dem Meister ja noch gar nicht begegnet ist und auf Rjushin einerseits wahnsinnig, andererseits ganz vernünftig, daher schizophren wirkt.
    Dann geht es dir wahrscheinlich noch um das Kapitel 11, das am stärksten deine Theorie im I.Teil untermauert: Iwans Empörung über den Tod seines ideologischen Gefährten Berlioz schwindet zugunsten eines positiven Interesses am Teufelstreiben sowie der Fixierung auf die Pilatusgeschichte. Und in genau diesem Moment der Etablierung des neuen Iwans erscheint der Meister. Man könnte also die folgenden Gesprächsszenen als die zwischen den beiden Teilen Iwans auffassen. Aber welche Bedeutung hat dann in II die Handlung, als und nachdem der Meister auf dem Teufelsball erscheint?
    Außerdem beziehst du dich wahrscheinlich auf das Ende, den Epilog, wo Iwan plötzlich nicht mehr Besdomny (Hauslos) heißt, sondern Ponyrew (was auch immer das übersetzt aus dem Russischen bedeutet) heißt. Aber was soll dann diese Szene, in der er den wieder zurückverwandelten Eber beobachtet?
    Ein Anzeichen für die Spaltung in Meister und Iwan wäre, dass er das neue Ende der Pilatusgeschichte träumt, das der Meister im 32. Kapitel geschaffen hat. Für mich ist das aber eher das Zeichen, dass er sich als Pilatus sieht, der sich, wie auch Gontscharow schon ausführte, zum Vollstrecker eines unmenschlichen Regimes macht, so wie Iwan Besdomny sich mit seiner Programmlyrik zum Handlanger des Stalinismus machte.


    Im übrigen finde ich, dass der Meister, nach dem der ganze Roman heißt, die blasseste Figur von allen ist und eigentlich nur als Auslöser für das Handeln der anderen und die letztendliche Erlösung der Pilatus-Geschichte und damit auch von Iwan dient.


    finsbury


    Der Not gehorchend (vielleicht auch der Pflicht), nicht der eignen Tugend, muss ich aber meistens um 15 Uhr noch dem industriellen Räderwerk meine Energie vollständig zur Verfügung stellen.
    Mir fällt übrigens schon lange auf, dass sich der Kulturbetrieb in den Medien den Werktätigen nur marginal zuwendet (um dann über eine zunehemende Proletarisierung zu schwadronieren?).


    Schön formuliert :smile:


    finsbury

    Hallo,


    meier und Gontscharow,


    schön, dass ihr jetzt auch mit dabei seid. Wobei du, meier, anscheinend auch schon wieder mit der Zweitlektüre fertig bist.
    Gontscharow, deine Anmerkungen sind sehr erhellend. Der Vergleich des Katers äußerlich mit Stalin ist durchaus nachdenkenswert, wenn er ansonsten auch wohl eher nach Hoffmann/Tieck kommt und auch einiges von Garfield vorwegnimmt. Auch das Verschwinden von Missliebigen in geschlossenen Anstalten ist eine einsichtige Parallele ebenso wie die anderen Zusammenhänge, die du dargestellt hast.
    Bulgakows Verhältnis zum christlichen Glauben sollten wir vielleicht nochmal besprechen, wenn wir bis zum Ende gekommen sind. Diese Diskrepanz zwischen der nüchternen Sicht auf Jesus als außergewöhnlichen, aber nicht göttlichen Menschen einerseits und den entfesselten mythologischen Zirkus um Satan und seine Gefolgsleute andererseits soll vielleicht darauf hinweisen, dass das Böse wie das Gute allein durch den Menschen entfesselt wird.
    @ meier, erläutere doch bitte, was du mit der Spaltung Iwans meinst. Ich dachte eher, dass Iwan durch die Begegnung mit dem Meister geläutert wird und sich mit seiner Schreiberei nicht mehr in den Dienst der Ideologie stellen lässt, sondern als Forscher künftig der Wahrheit dienen will.


    finsbury

    Kannitverstan ... :sauer:


    Vgl. mein Schreiben vom 23.10. Aus irgendwelchen Gründen war die Eingabemaske für die Postings unvollständig. Man konnte zwar schreiben, aber seinen Text nicht gestalten. Es fehlten die Arbeitsleisten über der Eingabemaske. Aber seit gestern ist alles wieder in Ordnung. Wird wohl nicht am Forum, sondern an meinem Anschluss gelegen haben.


    finsbury


    @ finsbury: Das Nachwort hätte ich gerne selber gelesen, aber ich habe zu viel Angst, dass es zu viel verrät.
    Gut, man kann vielleicht schon den weiteren Fortgang und das Ende der Geschichte ahnen - aber trotzdem möchte ich nicht alles wissen. :zwinker:
    Kann ich das Nachwort gefahrlos lesen, wie weit wird der Verlauf vom Buch beschrieben?


    Hallo Theresa,


    eigentlich verrät das Nachwort nicht viel über die Handlung, sondern erläutert i.W. die autobiografischen Hintergründe, die für das Verständnis des Romans wichtig sind.
    Wobei ich immer noch sagen muss, dass ich vieles wirklich nicht verstehe.
    Der Roman verarbeitet auch einiges an Verletzung der persönlichen Schriftstellereitelkeit Bulgakows und hat aber daneben diesen metaphysischen Charakter, beruft sich auf die großen Menschheitsdichtungen und -mythen: Eine teilweise gewollt oder ungewollt (?) chaotische Mischung! Einerseits dieses einseitige Rumhacken auf den Vertretern der Kulturszene, andererseits die Verknüpfungen zu Jesus und Satan.
    Aber man muss nicht unbedingt alles verstehen, was zu lesen Spaß macht.
    Brauche noch acht Seiten, dann bin ich fertig.


    finsbury

    Hallo,


    war die letzten Tage und bin immer noch etwas vergrippt. Das hielt mich meist vom Posten ab, aber nicht vom Lesen. Wenn man ein bisschen fiebrig ist, kommt der "Meister und Margarita" echt gut! Bin also inzwischen in Kapitel 29 und werde wohl heute oder morgen fertig werden.
    Ich will aber eurer Lektüre nicht so sehr vorgreifen.
    Nur zu dem, was du über die merkwürdigen Anspielungen schriebst, Maria: Ich habe auch große Verständnisschwierigkeiten, obwohl mir der Roman doch gut gefällt, gerade weil er so scheinbar chaotisch ist. Ich habe jedenfalls das Nachwort in der Luchterhand-Taschenausgabe gelesen und das gibt einigen Aufschluss. Diese eingeschobene Pilatusgeschichte fand ich auch merkwürdig und es fiel mir schwer, Parallelen zu dem Hauptgeschehen zu finden.
    Nach den Ausführungen im Nachwort ging es Bulgakow nicht um eine religiöse Überhöhung, sondern Christus steht hier für den Menschen, der unverbrüchlich an das Gute in jedem Menschen glaubt, und dass jeder den rechten Weg beschreiten kann. Egoismus, Korruption und Unterdrückung müssen nicht sein.
    In diesem Zusammenhang lässt sich auch Kant für mich ein wenig besser verstehen. Vielleicht ist es sein kategorischer Imperativ und die praktische Vernunft, auf die Bulgakow hier anspielt. Wobei ich natürlich nur sehr laienhaft vermuten kann ... .
    Allerdings entwickelt sich die Pilatusgeschichte zum Ende hin für mich etwas unverständlich, aber darüber können wir schreiben, sobald ihr soweit seid. Bald kommt noch der Frühlingsball des Satans. Das ist ein echter Höhepunkt des Romans und hier, wie bei den Vorbereitungen dazu steht dann auch endlich Margarita im Mittelpunkt. Interessant ist, dass Bulgakow bei allem Glauben an das Gute im Menschen auch seine "guten" Helden nicht vor Gewalt zurückschrecken lässt.


    finsbury

    Hallo,


    sehr viel weiter bin ich heute nicht gekommen - bis zu Kapitel 16, in dem die Passionsgeschichte weitergeht.
    Man lernt endlich den Meister und wohl auch Margarita kennen, wenn auch noch kein Name fiel. Es ist mir bisher nicht ganz klar, worin die Anziehungskraft des Meisters auf Margarita besteht. Aber vielleicht erhalten wir darüber noch Aufklärung. Vielleicht ist sie von seinem literarischen Talent, seiner Ernsthaftigkeit und Zurückgezogenheit fasziniert.
    Der seltsame Traum des Nikanor Iwanowitsch erschließt sich mir auch nur als Satire auf die Devisen"geil"heit des stalinistischen Regimes, das seine dringende Bedürftigkeit hinter einer moralisierenden Fassade verbirgt. Diese Veranstaltung im Theater erinnert mich an gewisse Verfahren in der chinesischen Kulturrevolution. Darüber weiß ich ehrlich gesagt mehr als über das Alltagsleben in der stalinistischen Sowjetunion. Wäre vielleicht mal ein Grund, sich mit den historischen Hintergründen zu befassen. Wenn es nur nicht so viele Leseprojekte gäbe ...


    finsbury

    Wir lesen Laxness' großen Roman, der zwischen 1937 und 1940 entstand und dessen Hauptperson, Olafur Karason, nur eines kann, dichten. Deshalb gilt er seiner Umgebung als Schmarotzer. Erst spät findet er seine Erfüllung.

    Au weia,
    hallo Maria und sandhofer . Anscheinend bin ich unterbewusst für Massenkonsumläden anfällig und lebe das dann in der Verballhornung literarischer Werke aus. Bitte sandhofer, ändere ganz schnell den Titel dieses Vorschlagthreads in Laxness: Weltlicht.


    Dann sind wir schon zu fünft. Sehr schön: Ich trage den Termin im Kalender ein.


    PS:
    Was ist mit der Forensoftware los? Ich musste mich über eine mir unbekannte Startseite neu anmelden und hier in der Eingabemaske fehlen alle möglichen Textgestaltungsbuttons.

    Hallo,


    schön Maria, dass du auch mitliest! Inzwischen bist du schon an mir vorbeigezogen: Ich befinde mich noch im 13. Kapitel.


    Was für ein Buch!Dieser Höllenritt ist etwas ganz Anderes, als ich mir unter dem Titel vorgestellt hatte. Früher hatte ich mich aber auch gerade wegen dieses Titels nie für den Roman interessiert, weil ich dachte, es sei eine Liebesgeschichte.


    Zitat von "Theresa"

    Ist das eigentlich ein Teufel in drei Personen, also sozusagen das Gegenstück zum dreieinigen Gott, ein "Hauptteufel", das wäre wohl Voland mit zwei Gehilfen oder sind alle gleichberechtigt?
    Ich würde auf gleichberechtigt tippen, also drei Einzelteufel.


    Mir scheint es eher nicht so, dass hier eine Gleichberechtigung vorliegt. Außerdem sind bis einschließlich Kapitel 12 schon vier Helfershelfer zu zählen: der lange "Fagott", der Kater, der kleine dicke Rothaarige und in Kapitel 12 schließlich die Frau mit der Halsnarbe.
    Es gibt aber wohl eine Rangfolge: Fagott steht Voland am nächsten und erledigt für ihn die Drecksarbeit.


    Aber dass die ganze Personnage eine Spiegelung der neutestamentarischen Gestalten ist, glaube ich auch.
    Sonst wäre ja nicht die Passionsgeschichte eingeschoben.
    Iwan Besdomny spielt nicht nur in diesem Zusammenhang eine interessante Rolle im Gegensatz zum Beispiel zur Besatzung des Varieté-Theaters: Das sind wohl nur burlesque Figuren, die die normalen menschlichen Schwächen vorführen. Einer der versteckten Hinweise auf das stalinistische Unterdrückungsregime: Der Akustikkommissions-Vorsitzende von Moskau und vorher der Conférencier verlangen als unbedingte Auflösung der Magie-Vorführung die Entlarvung. Magie, die als solche stehen bleibt, hatte wohl im sozialistischen Realismus nichts zu suchen. Eine ironische Brechung, wenn man an das Schicksal des Buches denkt.
    O ja, und brutal ist das Ganze ja auch.Die Tötungsarten sind außerdem bisher eindeutig kopf-fixiert (wenn auch zum Teil reversibel), eine Anspielung?


    Besdomny jedoch ist eine sich durchziehende Gestalt, hat selbst ein Jesus-Werk geschrieben. Auch was Maria über seinen Aufzug schreibt, zeigt diesen Zusammenhang an.


    Ich freue mich nun auf das Kennenlernen des Meisters, der sich in Besdomnys Zimmer begeben hat.

    finsbury

    Hallo,


    möchte nun langsam doch nochmal diesen Lesevorschlag aufwärmen und Mitte November diesen Jahres als Starttermin vorschlagen. Da können wir die langen Leseabende und die Weihnachtszeit nutzen, um uns an Goethe zu erfreuen. Alternativ wäre mir auch der März 2012 recht.


    Interesse außer mir hatten bisher gezeigt:
    thopas
    meier
    Hubert


    Wie sieht's denn bei euch aus? Würde mich auch sehr über weitere Mitleser freuen.


    finsbury

    Hallo,
    Die Islandglocke habe ich erst vor ein paar Jahren im großen Forum in einer Leserunde gelesen. Salka Valka käme auch für mich infrage, aber das hat Maria glaub ich schon gelesen.
    Atomstation, Seelsorge am Gletscher, Die Litanei von den Gottesgaben und Auf der Hauswiese las ich Ende der Achtziger, aber das sind nicht die ganz umfangreichen Werke. Ich würde eben gerne Weltlicht und/oder Salka Valka in diesem Winter lesen, dann kann man immer noch die kleineren Sachen anschließen. Sein eigener Herr ist ja für Lost schon gestrichen, also könnten wir uns am einfachsten tatsächlich auf Weltlicht einigen.
    Der Januar oder Februar 12 wären für mich in Ordnung.


    sandhofer, könntest du vielleicht die letzten fünf Beiträge abkoppeln und in die Lesevorschläge überführen?
    Titel Laxness: Weltbild oder Ein Roman von Laxness: danke!



    finsbury

    Hallo,


    Ich bin im Moment bis zum einschließlich 5. Kapitel (Der Vorfall im Gribojedow) gekommen.


    Dann sind wir zumindest zum Zeitpunkt deines Postings ungefähr gleich auf. Ich stecke im 5. Kapitel, habe dann aber etwas anderes dazwischen genommen, weil hier nichts passierte. Nun kehre ich erstmal zum Bulgakow zurück. Vielleicht melden sich ja auch mal Tessi, Hubert und meier. :rollen:



    Bulgakow hat am "Meister" seit 1928 gearbeitet und ihn kurz vor seinem Tod 1940 vollendet, also voll in der Phase des Stalinismus. Da hatte sich die Gesellschaft schon ganz schön geändert gegenüber dem 19. Jahrhundert. Wobei ich dir aber Recht gebe, ist die Eigenart vieler russischer Romanschriftsteller, Gesprächsszenen in großen Gruppen ausufernd in Szene zu setzen und darüber die Romanbotschaften zu transportieren und dies möglichst in verschiedenen Gesellschaftsschichten bzw. Interessengruppen. Diese großen Gesprächsszenen sind für mich auch Höhepunkte all dieser Romane, wenn auch manche über die Vielzahl der Namen stöhnen. Im 5. Kapitel haben wir ja auch so eine Szene, als die Mitglieder des Schriftstellerverbandes auf Berlioz warten.


    Bis bald


    finsbury

    Na, dann können wir das ja demnächst in die Lesevorschläge einstellen. Ich kümmere mich nächste Woche darum. Aber zunächst gehen mir im Herbst andere Leseprojekte vor.


    finsbury


    ich fühlte mich noch nie zu einer Lektüre verpflichtet. Aber ich liebe Käptn Blaubär. Und die "13 ½ Leben …" waren eine großartige Lektüre, da bin ich halt dabei geblieben.



    So geht's mir auch: Ich kenne den Blaubär, Rumo und Ensel und Krete, in denen wird immer wieder ein in sich logisches, aber überaus schräges Universum aufgebaut, das nicht nur gute Fantasy ist, sondern auch sprachlich gut gemacht wurde.


    finsbury