Beiträge von finsbury

    Hallo Maria,


    komme nur wenig zum Lesen, weil ich viele Termine habe und dann spätabends so müde bin, dass ich immer eine Seite lese, einnicke, wíeder eine Seite und so weiter.
    So habe ich es bis jetzt erst in die Mitte des X. Kapitels geschafft und genieße jetzt aber doch sehr diese unglaublichen Naturbeschreibungen, z.B. die Morgendämmerung im Boot.


    Im Original:
    while the sea, calmed, slept at last; while the clouds passed above his head; while the sky from an immensity lustreless and black, diminished to a sombre and lustrous vault, scintillated with a greater brilliance, faded to the east, paled at the zenith; while the dark shapes blotting the low stars astern got outlines, relief became shoulders, heads, faces, features,—


    Verwirrt hingegen haben mich Jims Sprung und die Begleitumstände: Die drei rufen vom Boot aus nach George, dem Heizer. Denn das kann nicht der Maschinist, der dritte "Offizier" sein, denn der ist ja kurz zuvor einem Schlag oder Infarkt erlegen. Der Heizer hingegen stolpert, rafft sich scheinbar auf und dann springt - Jim! Ich kann es mir nur so erklären, dass die Rufe auf Jim suggestiv gewirkt haben, wie man einen Sog verspürt, wenn man am Bahngleis steht und ein Zug einfährt.


    Was auch wunderbar geschildert ist, ist die Atmosphäre auf der Veranda, während Jim seine Geschichte erzählt: Zunächst die Begleitgeräusche und Lichter von den anderen Gästen und Bediensteten, dann immer leiser, immer weniger künstliches Licht und um so abstruser wird die Geschichte, werden Jims Handlungsweisen ... .


    finsbury

    Danke Leibgeber,


    das sind interessante Links und über die Teutonophobie von Conrad hatte ich auch gerade etwas in der "Lord Jim"-Leserunde bemerkt. Aber da drohte der 1. Weltkrieg erst von Fernem, 1900 ... . Vielleicht hat es auch gerade unter Seefahrern zu der Zeit, als das Deutsche Reich ja auch immer mehr Interessen in den Kolonien hatte, vermehrt internationale Spannungen gegeben.


    finsbury

    Hallo thopas,


    schön, dass du dich meldest. Weil sich in diesem Thread wieder so lange nichts getan hat, habe ich den März anderweitig für die Dämonenleserunde verplant. Da es sich dabei um zwei unfangreiche Romane handelt und ich vorher jetzt auch ein anderes Leseprogramm habe, wäre ich leider erst wieder ab ca. Ende Mai, Anfang Juni 2012 frei für die Wanderjahre, würde sie dann aber nach wie vor gerne hier in einer Leserunde lesen. Könntest du mit diesem späten Termin etwas anfangen?


    finsbury

    Hallo Maria,


    "Ragtime" ist einer der Romane, den ich mal (1995) gelesen und sofort wieder vergessen habe. Ich habe weder etwas vom Inhalt noch von der Stimmung behalten. Könnte auch nicht sagen, warum das so ist.
    Komisch ... .


    finsbury

    Was ist denn ein VuB? Vereinigung ungelesener Bücher?
    Oder Vorrat derselben?
    Den armen Mann im Tockenburg las ich in grauer Vorzeit, ich erinnere mich aber an gute Lesbarkeit und eine sehr eindringliche Darstellung damaliger Lebensumstände. Viel Spaß dabei!


    finsbury

    Hallo Maria,


    konnte erst in der Nacht zu heute weiterlesen und stecke nun im VIII. Kapitel, bin also weniger weit als du.


    Brierly als Kontrast zu Jim.


    Ich glaube, dass Brierly eher eine Parallele zu Jim darstellen soll. Anscheinend hat er ja auch irgendwie Schuld auf sich geladen, an die er durch Jims Prozess erinnert wird und begeht dann Selbstmord ohne jede Erklärung, also auch ohne ein Schuldeingeständnis, genau so, wie auch Jim nicht fähig ist, sich seine Schuld einzugestehen, sondern immer noch davon träumt, ein heldenhaftes Leben zu führen.
    Die Situation auf dem Dampfer ist tatsächlich schwierig. Wie würde ein mutiger und heldenhafter Mensch damit umgehen? In aller Schnelle, Frauen, Kinder, junge Leute zuerst in die Boote und mit den anderen versuchen, das Schott zu verstärken?
    Dem Leser wird einerseits durch Jims Erzählung vermittelt, dass das Sinken eine Frage von Sekunden gewesen sei, andererseits wird die Zeit durch die moralischen Exkurse so gedehnt, dass ich mich unwillkürlich fragte, ob man nicht doch locker Zeit zum Abfieren der Rettungsboote gehabt hätte. So können einen Erzählzeit und erzählte Zeit in die Irre führen.



    Ich wollte dich kurz noch fragen, ob du auch findest, dass Jim nur schwer zu fassen ist. Selbst Marlow sagt, dass der Bursche aussehe wie ein neuer Sovereign, aber es war ein teuflischer Zusatz in seinem Metall. Dennoch ist Marlow gerne bereit ihn zu trösten, ich glaube er ist von dessen Aussehen beeindruckt. Sein Charakter bleibt doch sehr verschwommen.


    Ja, das geht mir auch so. Vor allem dieser Charakterzug, dass er immer noch davon träumt, ein Held zu sein, obwohl er doch nun gerade so kläglich gescheitert ist, ist für mich schwierig zu verstehen. Dass er seine eigene moralische Schuld verdrängt, kann ich psychologisch nachvollziehen, aber dieses gleichzeitige Bewusstsein, eigentlich ein mit allen Wassern gewaschenener Held sein zu können, hmm.


    finsbury

    Hallo Maria,



    jetzt ergibt für mich auch eine Aussage aus dem 1. Kapitel mehr Sinn; dort wird von einem Fluchtverhalten Jims beschrieben.


    Sein Inkognito, das so löcherig war wie ein Sieb, sollte keine Persönlichkeit, sondern eine Tatsache verbergen. Wenn die Tatsache durch das Inkognito hindurchschimmerte, verließ er schleunigst den Seehafen, und ging nch einem andern - gewöhnlich weiter nach Osten.


    Ich liebe es an einem Buch, wenn so nach und nach Andeutungen aus vorherigen Kapiteln ans Licht kommen und sich erklären.


    Na, dann hast du an diesem Roman bestimmt deine Freude! Mir macht es nichts aus, wenn ich schon von Anfang an weiß, worauf alles hinausläuft. Bei Literaturlexikon-geweihter Literatur lese ich auch vor der Lektüre immer erst den einschlägigen Artikel, werde mich aber ab jetzt zurückhalten, dir etwas zu verraten.
    (Bei Krimis schlage ich übrigens auch meist vor dem 2. Drittel nach, wer der Mörder ist, danach macht mir die Lektüe mehr Spaß! :redface:)


    Dennoch, wahrscheinlich bist du ja schon darüber hinaus: Das V. Kapitel besteht - neben den moralphilosophischen Exkursen - ja fast nur aus Andeutungen. Man erfährt, dass der Kapitän, die beiden Ingenieure und der erste Offizier Jim gestrandet oder aufgefunden worden sind und dass sie in irgendwas sehr Ehrenrühriges verwickelt sind, was das aber ist, bleibt nebulös. Auch das VI. Kapitel beginnt so und führt wieder so eine herrlich ironisch gezeichnete Nebenfigur ein, Brierly, der als erster gestehen würde,


    dass es seiner Meinung nach auch nicht ein zweites Mal solch einen Kapitän gab.


    Auch ist interessant, wie abgestuft Conrad die vier Offiziere vom Schiff darstellt, in Bezug darauf, wie sie ihre Schuld verarbeiten. Der Kapitän, der schließlich wie auf jedem Schiff die Hauptverantwortung trägt, wird innerlich und äußerlich als Schwein dargestellt (übrigens interessant, dass er Deutscher ist; Ich weiß nicht, welches Verhältnis COnrad sonst zu den Deutschen hat, ist vielleicht nur Zufall). Er jedenfalls wird, nachdem er genügend in seiner Erbärmlichkeit vorgeführt wurde, einfach erzählerisch abserviert, indem er flieht und sich den Folgen des Prozesses entzieht. Fast ebenso sieht es mit dem 2. Ingenieur aus, der in einem der Vorkapitel schon sehr unsympathisch dargestellt wurde.
    Der 1. Ingenieur jedoch, ein alter Säufer, erhält mehr Aufmerksamkeit und auch Zuwendung durch Marlow, der ihn extra aufsucht und entsetzt flieht, als er erkennt, dass das Schuldgefühl den alten Offizier nun anscheinend restlos um den Verstand gebracht hat.


    Ich komme nur sehr langsam voran und hoffe ab Samstag wieder mehr Zeit zum Lesen zu finden.


    finsbury

    Hallo Maria und alle,


    mein Problem mit Marlow hat sich nun geklärt:
    In Kap. IV, der Gerichtsverhandlung, tritt Marlow, zunächst noch ohne namentliche Bezeichnung, als Zuhörer auf und übernimmt dann ab Kap. V - zumindest zunächst - die Schilderung des Geschehens aus seiner Sicht.
    Mich stört nicht, was Conrad selbst im Vorwort rechtfertigt, dass eine Person nicht so lange am Stück sprechen würde. Diese Fiktion unterstellen viele Autoren in einer Rahmenhandlung. Dass der Roman allerdings in der personalen Erzählweise ohne Ich-Kommentator beginnt, finde ich doch etwas unlogisch.


    Ansonsten ist Conrads Verwendung von Farbsymbolik wirklich auffällig, Maria: weiß, schwarz und auch immer wieder blau werden miteinander kontrastiert, wobei schwarz für die Nemesis stehen könnte, weiß, wie du es gedeutet hast, und blau, die Farbe des Meeres, aber auch der Augen des einen - verständnisvollen - Gerichtsbeisitzers, könnte Klarheit, ja sogar Aufgehobenheit einerseits bedeuten, aber
    auch die Unendlichkeit der Natur. Blau wird häuifg nicht als Farbe benannt, aber Conrad spricht oft vom Leuchten des Himmels oder der spiegelnden Meeresfläche ( besonders in Kap.3).


    Nun muss ich leider los, hab noch einen Abendtermin.


    finsbury

    Halllo Maria,


    habe anfangen können. Sofort dieser Conrad-Salzwasser-Sog!


    Aber was ich nicht verstehe: In meiner Ausgabe (S. Fischer TB von 1998) sagt Conrad in seinem Vorwort zu einer 17 Jahre später erscheinenden Auflage, dass die Leser Probleme mit der Erzählperspektive gehabt hätten: alles aus der Sicht des hinlänglich bekannten Kapitän Marlow, der dies alles erzählt. Ich habe nun aber die ersten vier Erzählabschnitte gelesen, und die sind aus der Sicht eines anonymen Er-Erzählers geschrieben. Hmmm ....
    Ansonsten: Schon Jims erste Erlebnisse auf dem Schulschiff deuten darauf hin, dass er Schwierigkeiten haben wird, seine Träume von Ruhm und Ehre angesichts seiner Reaktionen auf Gefährdungen aufrecht erhalten zu können.


    finsbury

    Hallo,


    dieses Duo würde mich auch interessieren. Dostojevskijs Dämonen kenne ich aus jungen Jahren, würde sie durchaus nochmal lesen. Besonders aber Doderers Dämonen, die man wohl auch ohne diesen Bezug verstehen kann. Aus den gleichen Gründen wie Maria aber nicht vor Mitte bis Ende Februar 2012.


    finsbury

    Prima Maria und danke, Sandhofer,


    das Buch liegt bereit und ich freue mich darauf! Schön, dass es so kurzfristig klappt. Ich las bisher einige kurze Sachen von Conrad, Herz der Finsternis und die anderen Erzählungen um die Hauptperson sowie die Schattenlinie, alle eindrückliche Lektüren.


    finsbury

    Hallo Maria,
    im Moment habe ich wieder weniger Zeit, so dass ich wohl noch bis zum Ende der Woche an den Teufeliaden sitzen werde. Dann hat mich zwar der Job wieder voll in den Klauen, aber deswegen kann ich trotzdem "Lord Jim" lesen: geht dann nur langsamer, aber geht. Wenn du also damit einverstanden bist, ab Montag. Vielleicht kannst du -im Falle du dann kannst - gleich für uns einen Leserundenvorschlag einrichten, oder wir fragen darin nach, ob noch jemand zun einem anderen zeitnahen Datum mitliest. Die Germania müsstest du ja in ein paar Lesestunden schaffen. Ich erinnere mich, das Heftchen, allerdings auf Deutsch, recht schnell gelesen zu haben. Wenn du natürlich Altphilologin bist und im Original liest ..., aber dann freust du dich sicher über eine Unterbrechung.


    Zu Laxness: Nach dem Lord Jim fang ich dann mit der von dir empfohlenen ziegelsteingroßen Laxness-Biografie an und wollte chronologisch dazu die Werke lesen, die in der Werkausgabe enthalten sind, bis die Weltlicht-Leserunde beginnt. Viele spätere Sachen habe ich, wie a.a.O. erwähnt, schon mal gelesen, deshalb nun passend zur Biografie die frühen, beginnend mit "Der große Weber von Kaschmir".


    finsbury


    u.a. Lord Jim, das mich im Moment am meisten interessiert.


    Solltest du kurzfristig diesen lesen wollen, er liegt auch auf meinem SUB und ich könnte mit meinem Laxness-Projekt noch ein bisschen zuwarten, falls du Lust hättest, gemeinsam zu lesen. Muss nur in den nächsten Tagen noch die Bulgakow-Erzählungen zu Ende lesen.


    Leibgeber hat ja schon sehr informativ vorgelegt ... . Danke!


    finsbury

    Hallo,


    bei der Einschätzung der Judasgeschichte denke ich, dass Maria Recht hat, es wird um den Stalin-Staat und die Spitzel gehen.


    Was die Funktion des Satans und seiner Truppe angeht, finde ich das Nachwort recht aufschlussreich.
    Im Gegensatz zum Goetheschen Faust, wo der Satan das Böse will und unwillentlich das Gute erreicht, will der russische Faust das Gute und nutzt das Böse, um es zu erreichen. Damit lässt sich zum Beispiel auch Lenins Argumentation abdecken, dass man Böses tun muss, um die Idealwelt des Kommunismus zu erreichen.
    Bulgakow aber zeigt, dass sich das Böse nicht regieren lässt, sondern sich verselbstständigt, weil es Eigenschaften im Menschlichen entspricht (vgl. z.B. Szene im Variététheater).
    Dennoch: Die Schuld und Sühne-Thematik der Pilatus-Geschichte und der Hexensabbat in Moskau, so gut beide für sich sind, ganz bekomme ich sie nicht überein, was aber der Lesequalität des Romans keinen Abbruch tut.


    finsbury

    dennoch wartet eine Frau zuhause auf ihn. Was ich in diesem Zusammenhang nicht verstehe. Später beobachtet ja Besdomny/Ponyrew regelmässig zu Vollmond diesen Mann, und wie er zurück geht zu seiner Frau, Sehnsucht jedoch nach der Venus/Natascha hat und seine Feigheit verflucht.. Feigheit wird im Buch als die größte Sünde benannt.



    Da liegt ein Missverständnis bei euch vor. Wir erfahren im Kapitel "Margarita", dass ihr Mann drei Tage weg und sie somit allein in der Wohnung ist. Im Folgekapitel "Asasellos Salbe" grüßt Margarita bereits gesalbt und nackt ihren Erdgeschossnachbarn Nikolai Iwanowitsch, einen ziemlichen Spießbürger, der völlig konsterniert ist und später ihrem ebenfalls verhexten Kammermädchen Natascha verfällt. Vor diesem Hintergrund klären sich auch die oben genannten Stellen.



    Auch folgendes verstehe ich nicht:


    Asasello hat die sterbliche Hülle vom Meister und Margarita in jeweils ihren letzten Wohnstätten platziert und die Krankenschwester bestätigt dies auch Besdomny, dass der Meister verstorben ist. Später heißt es wiederum, im Untersuchungsbericht, dass der Meister, dessen Namen man nicht ermitteln konnte, verschwunden blieb ebenso die Frauen (Natascha und Margarita).


    Da stimme ich dir völlig zu: An einigen Stellen scheint Bulgakow - vielleicht aufgrund des langen Entstehungszeitraums dieses Romans - nicht alles kohärent aufeinander abgestimmt zu haben.


    Ich lese nun die "Teufeliaden", einen Erzählungsband, der anscheinend einige Verbindungen zum "Meister" hat. So kommt zum Beispiel in der ersten Erzählung "Die Arbeiterkommune im Elpit-Haus" sowohl das Hau(nämlich das des Titels) vor, in dem Voland und sein Gefolge Quartier nehmen, als auch Annuschka, das alte Mütterchen, das durch das Ölvergießen im Meister für Berloz'Ableben sorgt und in dieser Erzählung ebenso durch Unbedachtsamkeit das ganze Haus in Brand setzt.
    Die Erzählungen sind wunderbar, ein ähnliches Leseerlebnis wie der Meister.


    finsbury

    Hallo,


    habe im Anschluss an die Bulgakow-Leserunde mit den Erzählungen desselben aus den 20er Jahren begonnen, unter dem Titel "Teufeliaden" als Luchterhand- Taschenbuch erschienen. Wieder große Satire und eine noch größere Bandbreite, was Themen und dargestellte Bevölkerungsschichten angeht.


    finsbury