Hallo Maria, Leibgeber und alle,
hatte letzte Woche weder Zeit zum Lesen noch zum Posten, entschuldigt!
Ich bin auch noch nicht durch, denn durch das letzte Drittel quäle ich mich zunehmend. Conrad ist überwältigend in der Schilderung von Atmosphäre, aber dieses eingehende und sich oft wiederholende Nachspüren moralischer Gewissensbisse und seelischer Befindlichkeiten bei Jim und auch seiner Gefährtin
nervt mich.
Nun bin ich im 37. Kapitel angekommen, Marlow ist bei Stein zu Besuch und trifft Jims Angestellte und auch das "Mädchen". Heißt es in der englischen Ausgabe auch immer "Mädchen"? Ich finde das etwas verniedlichend und unpassend zu ihrer schwermütigen Persönlichkeit.
Auf eine Metapher im Patusan-Teil möchte ich jedoch noch eingehen, jedenfalls glaube ich, dass es eine Metapher ist:
Das Gebirgsmassiv mit den zwei Gipfeln, getrennt durch eine tiefe Schlucht, durch die der Mondschein zwischen Geäst fällt, wirkt in Kapitel 34 auf mich wie ein Bild für das Trennende zwischen Jim und seiner Partnerin, die Schuld, in die er sich verstrickt hat und für die er anscheinend immer noch nicht genug gebüßt hat, trennt ihn von ihr und sie ist sich sicher, dass er sie eines Tages verlassen wird: Dieses Gestrüpp trennt sie, trotz des Mondscheins, der vielleicht ihre Liebe symbolisiert. Klingt kitschig, aber diese Deutung drängt sich mir auf, da die Naturbeschreibung unmittelbar hinter dem seitenlangen Memorieren der beiderseitigen Gefühle kommt und bevor das Gespräch mit Cornelius beginnt, einem weiteren Störenfried im Paradies, wie du, Maria, oben bemerktest.
Nun hoffe ich, in den nächsten Tagen trotz der anstehenden Arbeit Zeit für den Rest zu finden.
In einem Buch habe ich übrigens gelesen, dass es für Jim ein reales Vorbild gab:
Von Singapur war tatsächlich am 17. Juli 1880 ein Dampfer unter britischer Flagge mit tausend Pilgern nach Mekka aufgebrochen und im Sturm leck geschlagen. Dabei retteten sich die europäischen Offiziere und ließen die Passagiere auf dem havarierten Schiff zurück. Der Kapitän und seine Kumpane gaben sich im nächsten Hafen als einzige Überlebende aus und meldeten Versicherungsanspruch an; Währenddessen wurde die "Jeddah" von einem anderen Schiff aufgebracht und in Sicherheit gebracht. Die Schuldigen verloren ihre Offizierspatente. Unter ihnen war der 1.Offizier Augustine Podmore Williams, den Conrad drei Jahre später kennen lernte.
finsbury