Beiträge von Anita


    durch dieses obige Zitat fiel mir auf, dass wir in der Strudlhofstiege sehr oft aus dem Fenster blicken, oder auch auf andere Weise etwas "gerahmt" betrachten. Doderer benutzt auch gerne das Wort "Rahmen".


    (Außerdem auch "Spiegel" und spiegelverwandte Wörter) . Jetzt kurz vor dem Ende des 1. Teils wird sehr viel mit Licht (gerade um Etelka) reflektiert.


    Hallo Maria.


    Der ganze Roman scheint in verschiedenen Ebenen zu spielen, in innen und außen, Wahrnehmungen und Wirklichkeit. Am Ende des zweiten Teil löst sich m. M. n. auch dieses ganze Bruchstückhafte auf, dieser ganze Scherbenhaufen verteilt sich mehr in zwei Säulen :smile: (Oder aber zum Ende eines Teils lässt Doderer den Leser bewusst aufatmen :zwinker: )


    Habe mir soeben auch den Schopenhauer bestellt, vielleicht können wir hier und da etwas gemeinsam erarbeiten.


    LG
    Anita


    Bisher erscheint mir der Roman ja schon sehr stark im Realismus verhaftet zu sein, eine Abbildung dieser österreichischen Bourgoisie eben.


    Ja, so empfinde ich das auch, mit zwei Ausnahmen:. Er driftet ins Romantische, und zwar scheint unser Melzer ein richtiger Naturbursche zu sein, und dann fehlt dem Realismus die Kriegsereignisse, vom Krieg wird nur am Rande etwas erwähnt. Vielleicht weil er das Ende der K.u.K. symbolisiert, und man lebt einfach weiter?


    LG
    Anita


    noch was lustiges nebenbei. Als ich in der Strudlhofstiege las, dass René Stangeler die Gewohnheit annahm, keine Hosenträger mehr zu tragen, fiel mir ein Zeitungsbericht ein, den ich im Netz las. Ich glaube, das amüsiert euch bestimmt auch: Frischgebackener Cervantes-Preisträger Jose Emilio Pacheco hatte zu seinem Pech auf Hosenträger verzichtet


    :breitgrins:


    Genau! Das ist so eine Banalität, die diese Gesellschaftsschicht ganz plastisch darstellt. Das Tragen von Hosenträger :breitgrins:


    Hier und das ist Melzer Seite 234 bis 35


    >>... er hatte in dem allgemeinen Stimmengewirr Muße für einen solchen Blick<< er starrte aus dem Fenster >>Melzer, wiewohl durch ein bis zwei Minuten fast völlig abwesend, beobachtete jetzt - ... - war ausnahmehaft und vielleicht sogar erstmalig<< denn er bekam eine Frage des Herrn von Stangeler nicht mit, böse Falle :zwinker:


    LG
    Anita :winken:


    Doderers Figuren sind Angehörige des wohlhabenden und oberflächlich gebildeten Bürgertums, einer Schicht, die das Habsburgerreich (und nicht nur dieses) administriert und dadurch geprägt hat. Sie sind passiv, schicksalsergeben und verhalten sich noch nicht einmal ansatzweise religiös oder gar moralisch - sind also das, was ich als personifizierte Durchschnittlichkeit bezeichne.


    Das war jetzt typisch aneinander vorbei geredet :zwinker:


    Der Mensch stellt für mich ein komplexes Ganzes dar, nicht nur ein Bruchstück, ein Puzzleteil. Ähnlich wie Anna meine Charakterisierung als verkehrt empfand, womit sie natürlich Recht hat, da es nur eine Seelenlage ist. Wenn man vielleicht von einer Charakterisierung sprechen darf, dann werden das am Ende sehr wenige "Menschen" sein.


    Die personifizierte Durchschnittlichkeit trifft mein "Lotterleben" eigentlich sehr gut, mit jenem Lotterleben meinte ich genau diese Schicht. Die ganzen Dialoge kennzeichnen zudem absolut dieses oberflächliche Leben.


    Hallo Maria.


    Bisher gehört Mary K. zu Toms oberflächlichen gebildeten Bürgertum, also mein Lotterleben. Die Tiefe finde ich bisher nur bei Melzer. Aber ich befinde mich erst im ersten Drittel :zwinker: Jetzt lese ich erst einmal weiter!


    LG
    Anita


    Empfindest Du den Roman tatsächlich als so langatmig?


    Die Frage ist wohl eher, was Du von dem armen Autor willst :breitgrins:, mit welchen Erwartungen Du an seinen Roman herangegangen bist.


    Ja, nein, ich weiß nicht, ich weiß nur, dass eine Art von Paranoia aufgrund dieser Puzzleteile entwickle, und ich mich frage, ob ich dem gerecht werden kann. :breitgrins:


    Die Menschwerdung können wir Melzer zuschreiben, weil er wird der einzige rote Faden im Buch bleiben sowie wohl diese Stiege. An Ende des ersten Teil haben wir dessen Familiengeschichte erfahren, sowie seinen anfänglichen Werdegang. Meine Banalitäten, könnte es sein, dass sie einfach das Lotterleben jener Zeit symbolisieren, durch welche unser Held sich hindurch kämpfen muss. :idea: Denn wenn ich mir das Wort so auf der Zunge zergehen lasse "Menschwerdung", finde ich wenige Menschen :zwinker:
    LG
    Anita


    Du meinst also, man geht nicht kritisch genug mit Doderer um? Zuviel Ehrfurcht?


    Ja klar, ich lese kaum eine Äußerung zur Stiege (außerhalb), die nicht zumindest die Langatmigkeit erwähnt :zwinker:


    Aber nein, das ist es nicht. Ich denke, der Zeitpunkt der Lektüre ist für mich denkbar schlecht, weil einfach meine Lebenssituation momentan alles andere als ruhig ist. Und vom Typ her muss ich dann auch stöhnen dürfen, doch dieses Stöhnen bleibt mir ja hier fast in der Tastatur stecken, bei so viel Begeisterung :zwinker:)


    Für mich stellt sich wirklich die Frage, was will dieser Autor eigentlich von mir? Soll ich mir jetzt auch mein Arbeitszimmer zu pflastern mit Bruchstücken und Puzzleteilen? Gibt es einen Grund dafür, dass Doderer mein Gedächtnis so strapaziert? Wo führt das hin? Ich bin derzeit nicht in der Stimmung mich auf ein solches Versteckspiel einzulassen.


    LG
    Anita


    Dein Vergleich mit dem Puzzle gefällt mir, mir geht es damit ähnlich. Allerdings befürchte ich ein bißchen, dass ich deshalb nicht alles mitkriege, aber vielleicht sollte ich da Doderer einfach vertrauen.


    Mir gefällt er auch sehr, ist mir direkt aufgefallen :smile: ABER, ich habe hier das Gefühl, wir haben alle ein wenig zu viel Ehrfurcht vor den großen Doderer, der ja auch im MRR Kanon steht (was man eben alles so gelesen haben soll und muss). Mir persönlich fehlt an dieser LR die Leichtigkeit.


    Ich werde dieses Buch lesen ohne Sekundärliteratur, ohne Recherche im Netz, werde mir meine Gedanken dazu machen, auch teilweise kritische, denn es ist unendlich langatmig und es steckt voller Banalitäten. Falls ich im weiteren Verlauf, die ein oder andere Nuance nicht verstanden habe sollte, gibt es zwei Möglichkeiten für mich: A. Doderer hat mich zum Schluss so von seinem Buch überzeugt, dass ich das Buch gerne wieder lesen werde oder eben, B. er hat mich nicht restlos überzeugt ... :zwinker: Aber ich mache bei der ersten Lektüre nie einen Staatsakt daraus :winken:


    LG
    Anita

    Hallo Zusammen.


    Ja klar, frönt ihr nur eure Begeisterung und ich muss mal Dampf ablassen :breitgrins: Mir ist schon klar, dass auch Doderer mir die verlorene Zeit in aller Deutlichkeit zeigen möchte :zwinker:, aber muss es denn in einer Aneinanderreihung von Banalitäten ausarten :grmpf: Klatsch und Tratsch habe ich soeben gelesen, nichts anderes war das als diese illustere Gesellschaft im Pyjama :breitgrins: Was sie von sich gegeben haben diese Herren im Abenddress war Geschwätz und Mutmaßungen.
    Kurz davor habe ich von der "Fluder" gelesen, eine tolle Naturbeschreibung ...


    Nein, was ich sagen möchte, ich komme nicht voran, da ich wirklich nur scheibchenweise im Buch lesen kann und es für mich bisher ohne Zusammenhang sind. Ich weiß nicht, worauf Doderer hinaus möchte, und deshalb lese ich langsam um nichts zu verpassen. Nach einer guten Woche bin ich auf Seite 204 und ihr?


    LG
    Anita


    @ wanderer, die Antwort liegt schon in der Frage „gehört es wirklich zu uns?“ Doderer will ganz klar von uns ein „nein“ hören. :breitgrins: Das Handeln seiner Personen ist kein bewusster, kontrollierter, freier Willensakt, sondern wird von ihrer besonderen Seelenlage und der Wechselwirkung zwischen Innen- und Außenwelt bestimmt.


    So einfach ist diese Frage für mich nicht Anna, für mich bezieht sich diese Frage nicht auf das bloße Handeln und den Wechselwirkungen derer. Ich habe darin noch eine höhere Ebene verstanden, da sich die Frage an den Leser richtet, der Leser der liest und nicht "(mit)handelt", und dadurch für mich in eine noch höhere Ebene rutscht, ähnlich dem "Glasperlenspiel". :zwinker:


    Zitat

    Charakterisiert werden sie durch die Darstellung ihrer jeweiligen Psychologie.


    Für mich einerlei, oder die Umkehrung, aber nichts Gegenteiliges. Die Sprache passt sich dem Charakter der Figuren an, charakterisiert also die Figuren, mal ist sie sehr poetisch, oder sehr mit Fremdwörtern gespickt, ausführlich beschreibend, belehrend (Einmischungen des Erzählers), aber teilweise auch sehr locker, dann finden wir auch Wörter wie "nix" u.a..


    LG
    Anita

    Hallo ...


    Ich muss bei aller Begeisterung von euch gestehen, dass mir der Roman zu Beginn nicht so zusagte, mir fehlte ganz eindeutig die Bezugsperson. Mittlerweile bin ich auf Seite 100 vorgedrungen und bin fort von Mary K. und Grete, hin zu Melzer, und dessen Geschichte. Ich hoffe, da er den Untertitel innehat, dass er auch weiterhin den roten Faden spinnt.


    Die Ironie Doderer, wenn er eine Person beschreibt, die mir feine Früchtchen sind, gefällt mir gut. Aber vor allem wenn er wirklich tiefe psychologische Thesen vom Stapel lässt, so ganz nebenbei, finde ich großartig. Beispielsweise von Seite 96 bis 97 so zwischen den Zeilen, dass Melzer sich gefangen fühlt, weil er zwei Gegensätze in sich trägt.


    So, ich denke, nun habe ich mich eingelesen :smile:


    LG
    Anita


    zu A. "Der Zauberberg" von Th. Mann
    B. Th. Mann, H. Hesse und Brontegeschwister
    C. Entwicklungsroman :


    D. Im unteren Bereich der Hitliste gibt es Änderungen.


    E. Bücher für die Insel:


    Der Zauberberg - Th. Mann
    Das Glasperlenspiel - H. Hesse
    Jane Eyre - Ch. Bronte
    Oblomow - I. Gontscharow
    Anna Karenina - L. Tolstoi
    Das Märchen vom letzten Gedanken - E. Hilsenrath
    Die Mutter - M. Gorki
    Schlafes Bruder - R. Schneider
    Die Krebsstation - A. Solschenizyn
    Das goldene Notizbuch - D. Lessing

    Liebe = Primzahl des Lebens



    Kannst du das näher erklären?


    Das ist ein Zitat bei mir auf Seite 27 "... Liebe nennt - Primzahl des Lebens, keiner Analyse bedürftig oder zugänglich"



    Die wechselnde Sprache, die hat mit den Figuren zu tun, oder? Für mich charakterisiert die Sprache die Figuren, also wie sie sich geben oder evtl. innerlich denken. Und bei der Fülle von Charakteren hat Doderer einiges zu tun :breitgrins:


    LG
    Anita

    Hallo ...


    Ich besitze die Ausgabe aus dem Biederstein Verlag von 1985.


    Zitat von "Steffi"

    An den etwas ausschweifenden Stil werde ich mich noch gewöhnen müssen, aufgefallen ist mir, dass Doderer in einem Satz ein Thema beendet und schon gleichzeitig ein neues aufwirft. Mit gefällt, wie er Begriffe umschreibt und z.B. durch die wartenden Taxis eine trügerische Sicherheit aufbaut.


    So ergeht es mir auch, man muss sich schon richtig fallen lassen können, also den Schalter auf Genießen umlegen :zwinker: , um so richtig Freude am Werk zu finden.
    Von einem lieben Bekannten habe ich den Tipp erhalten mir die Namen nieder zu schreiben, die in der Handlung vorkommen, was ich auch schon fleißig mache. Ich denke, da kann man später wirklich schnell durcheinander kommen.


    Mir ins Auge gesprungen sind folgende Passagen/Zitate:


    Zitat von "Doderer"

    Aber daß solche Zurückhaltung einfach einem erstaunlichen Mangel an Feuer entspringen könne, nimmt zunächst niemand an. Daß stille Wasser tief sind, ist eine Grundüberzeugung, die jeder hat; und mindestens sind diese Wasser unheimlich. Aber man hat sich auch schon aufmerksam über welche gebeugt, die in kaum Handtiefe nur gewöhnliche Kiesel am grunde sehen ließen.

    Seite 17


    Liebe = Primzahl des Lebens


    LG
    Anita

    Aber selbstverständlich liest man mit 20 zig anders als mit 40 + :zwinker: Sagt hier ganz locker meinereiner!
    Mit zwanzig habe ich Bücher gelesen um in andere Welten abzutauchen, es war eine Realitätsflucht, okay zwischendurch habe ich auch ernste Dinge gelesen, aber Michael Ende, Mark Helprin und auch Stephen King u. a. waren meine Favoriten.
    Heute liegt mein großes Interesse vorwiegend in der tiefenpsychologische Ebene im Buch, gespiegelt oder nur das Du, wenn das ein Autor kann, finde ich das großartig. Viele Zeitgenossen zeigen das scheinbar Realistische stark unrealistisch, oder total übertrieben, da bevorzuge ich dann lieber ein tolles Konstrukt, welches realistisch erscheint.
    Ferner schaue ich auch gerne dem Autor auf die Finger, und tauche dabei in die Theorie ein. Dies scheint manchen anderen Lesern als suspekt, ein Lesen, das keinen Spaß machen kann, aber ich denke, hier im Klassiker-Forum brauche ich derweil keine Ausreden :smile: Mir macht es einfach Spaß auch meinen Kopf zu gebrauchen bei der Lektüre :winken:


    LG
    Anita

    So, ich habe den Freytag beendet. Zum Antisemitismus kann ich nun hinzufügen, dass er verebbt mit den Seiten. Es versöhnt zudem aus heutiger Sicht, dass der Sohn des jüdischen Kaufmanns auch aus moralischen Bedenken stirbt. Qualitativ ist das Werk sicherlich nicht im oberen Level zu finden, salopp gesagt, ich würde es mit Austen vergleichen im Gegensatz zu den Bronte-Geschwistern, sprich mehr auf Unterhaltung angelegt. Aber insgesamt bin ich nicht enttäuscht worden, die Lektüre hat Spaß gemacht, auch wenn ich jetzt keinen Freytag mehr lesen muss (genauso wie ich keine Austen Bücher mehr lesen möchte).


    LG
    Anita


    Nebenbei: Grimmelshausen ist nicht Mittelhochdeutsch - dafür ist er ein paar Jahrhunderte zu jung ... :zwinker:


    Und Mittelhochdeutsch ist so schwer nicht: Man muss sich nur einen Schweizer vorstellen, der Hochdeutsch zu sprechen versucht ... :breitgrins:


    Gut, dass ich da nicht explizit Mittelhochdeutsch geschrieben habe :smile:


    Da ich dann beide Texte zum Vergleich vorliegen habe, sogar eine vollständige Ausgabe nach dem ersten Druck von 1669, könnte ich bei Interesse einige Textpassagen hier zitieren. Solche kleinen Leseprojekte finde ich immer sehr spannend, und deine Theorie vom Schweizer werde ich dann kontrollieren :breitgrins:


    Warum nur denkt jeder bei Gral und Artus sofort an Fantasy?


    Auf keinem Fall wollte ich dir auf die Füße treten :zwinker: Es war eine freie Assoziation: Gral, Drachen und Artus, gekoppelt "alte Schinken". Vor ca. 25 Jahren habe ich das mit Wonne gelesen, heute (habe vor ein paar Jahren noch einen Versuch mit "Die Nebel von Avalon" gestartet) kann ich das einfach nicht mehr lesen.


    Übrigens steht nun der Spreckelsen auf meiner Wunschliste, denn das könnte ich sehrwohl lesen.


    LG
    Anita


    Anita: Ich beherrsche zwar (leider) kein Mittelhochdeutsch, habe aber eine illustre Sammlung von guten Übersetzungen (u.a. vom DKV). Da wird wohl nach dem Cervantes ein Hartmann von Aue oder ein Wolfram von Eschenbach auf der Leseliste landen.


    Ich meinte zwar den Knopf: Fantasy (Gral, Drachen und Artus), aber den Grimmelshausen werde ich demnächst in der neuen Überarbeitung lesen, das liegt mir wirklich nicht :breitgrins: :winken:


    LG
    Anita