Beiträge von Anita

    Zitat von “Lauterbach“

    Ich weiß nicht, ob man Hesse mißverstehen kann, weil so vielschichtig habe ich seine Texte nicht in Erinnerung.


    Mir ging es im Grunde gar nicht um das Vielschichtig, einfach oder komplex, Lauterbach, sondern um die Schublade. Persönliche Sichtweisen oder rein subjektive Kritik interessieren mich größtenteils nicht, die Verallgemeinerung auf Kosten derer, die Hesse gut finden, finde ich einfach nicht angebracht. Die Schublade, dass Hesse ein Jugendautor ist, ist ja mittlerweile so fest verankert (MRR hat das in den Medien ganz groß geprägt), dass Leser, die mit Hesse etwas anfangen können, mittlerweile klein und geduckt hervorbringen müssen, oh, ich finde ihn aber auch noch mit 40 + lesenswert …


    Ich persönlich erlebe oft, dass man gerade im mittleren Alter sehr eingeengt in gesellschaftliche Konventionen steckt, die man kaum abwerfen kann, alleine schon aus beruflichen Gründen (Beispiel Handy in die Tonne werfen, wer kann das?), dass man kaum noch einen Baum als Baum erkennt. Das ist das Kleine was mir Hesse dann vermittelt, oder schau mal in einen Fluss und lass es einfach treiben. Und sprachlich eine Köstlichkeit, wie Musik (okay) in meinen/den Ohren.


    LG
    Anita


    Aus dieser Erzählhaltung heraus, denke ich schon, dass Doderers Figuren mitunter einem bestimmten Prinzip folgen, ganz so, wie man auch lebende Personen gerne in eine Schublade steckt oder sie nur unter einem einzigen Gesichtspunkt sieht.


    Ja, das stimmt schon, nur das sind hier irgendwelche Gespinste, völlig leere Hüllen ... Nur ein paar Situationen ergibt noch keine Kette, so dass man sich ein wirkliches Urteil zutrauen könnte. Aber ich finde deine Gedanken sehr nachvollziehend niedergeschrieben. :smile:


    LG
    Anita

    Zitat von “scheichsbeutel^ “

    dieses Argument bezüglich der vergessenen "Ideale der Jugend" ist doch ein wenig kindisch.


    Das kindisch fasse ich als Kompliment auf, denn in meiner infantilen Naivität ist mir völlig bewusst, dass das Komplexe immer seine Wurzeln im Einfachen gründet, und kompliziert macht es der Mensch, die Dinge an sich sind einfach. Ansonsten entnehme ich der Aussage ein völliges Missverstehen von Hesse, von mir, und etwas verwundert bin ich, da Doderer den Nick Transzendental-Dandy in der Fachwelt trägt … Beide waren wohl sehr von indischen Traditionen angetan, wenn nicht gar gefesselt. Eine Bewertungsskala von drunter und drüber, und einige noch drüber, sagt mir nicht zu, weil hier geht es um mehr als das.


    Ferner kann ich mit den literarischen Vergleichen nie etwas anfangen, das sind doch Äpfel und Birnen.


    LG
    Anita

    Hallo Dostoevskij.


    Dann kann ich dich gleich mal fragen, ob du eine wirkliche gute Biographie über Hesse empfehlen kannst? Ich mag die ganz Dicken eigentlich am liebsten, aber da gibt es keine, oder habe ich da was übersehen?


    LG
    Anita

    Nein, ich müsste vielleicht ergänzend dazu sagen, dass ich es immer für etwas bedenklich erachte, wenn man in der Mitte des Lebens angekommen ist, sich mit den Flausen der Jugend so gar nicht mehr identifizieren kann. So dass man Hesse fast überheblich weit wegräumt, das war nicht meins :zwinker: Sicher war man unreif, dachte anders, aber es kann auch nicht sein (und das ist jetzt ganz subjektiv gedacht), dass man sich total entfremdet hat, nicht mehr nachvollziehen kann was man in der Jugend empfand. Theoretisch waren wir in diesem Alter näher bei uns als im mittleren Alter :zwinker: ganz freundlich formuliert. Hesses Leitmotive sind doch: finde dich selber, steh zu dir, werde glücklich; und das kann man ruhig in der Mitte mal kontrollieren, ob man diesen Weg wirklich gegangen ist :smile:


    LG
    Anita

    Hallo Zusammen,


    wenn ich es mir recht überlege, dann kann man die Stiege eigentlich nicht mit dem "Zauberberg" oder Proust direkt vergleichen. Vielleicht in dem Punkt der Selbstfindung. Denn mir mangelt die Stiege an natürlichen Figuren. Vielleicht sind es alles nur Trópois? Alles Kunstfiguren oder Prinzipien? Gerade auch diese Editha spiegelt mir das Prinzip der Verführung, in doppelter Ausführung, weil da auch zwei "Kerle" sind? Das ist zwar ähnlich der Clawdia, oder auch "Hippe", aber bei Thomas Mann waren alle Figuren irgendwie lebendig. Bei Doderer sind sie alle leer? (Übrigens beide, Melzer wie René, erleben dieses Erwachen.)


    Auch auf den Weg in den Vierten Teil, den ich morgen betreten werde, habe ich immer noch so ein dumpfes Gefühl, ob da nicht der Leser selbst gemeint ist, gar nicht so sehr Melzer oder René, die da eine Selbstfindung durchlaufen. Ist der Leser auf dem Pfad der Erleuchtung? Wenigstens beschäftige ich mich ziemlich mit diesem Thema :zwinker: Gewollt?


    LG
    Anita


    Eva Rechel-Mertens ist die Übersetzerin meiner Ausgabe, allerdings revidiert durch L. Keller, was immer das heißt.


    Das ist gut, meiner Meinung nach, da sie sich flüssiger und deutscher liest. Keller hat nur am Satzbau gearbeitet, und aus dem französischen Deutsch ein Deutsch gemacht :smile: Übrigens Danke!


    LG
    Anita


    Nach etwa 200 Seiten kann ich sagen: Seit Monaten habe ich nicht einen annähernd so lebendig erzählten und fesselnden Roman gelesen :smile:


    Das freut mich für dich :smile: Ich fand den Proust auch wunderbar zu lesen, habe ihn nach 200 Seiten beiseite gelegt, weil wir umziehen werden, unsere Mauern verkaufen werden, und "irgendwo" ganz neu anfangen werden :klatschen: Deshalb hatte ich keine Ruhe zu dieser Seitenzahl.
    Welche Übersetzung liest du? Ich habe mir die neue Überarbeitung von Luzius Keller zugelegt.


    LG
    Anita

    Off Topic


    Der Tor, der Narr ... Ich interessiere mich ja auch für so alte Überlieferungen wie Tarot oder die Kabbala, und beim Tarot ist die Null, der Narr, er ist Anfang und Ende, ihm stehen alle Wege offen, er muss sie nur gehen.


    Zitat

    In dem Beutel, den der wandernde Narr trägt steckt der gesamte Zodiak, er trägt quasi den Weg, den er zu gehen hat, bereits mit sich. ... Die Rebe zeigt wieder seine Verbundenheit zu Dionysos und Bacchus, die Hörner verdeutlichen die Nähe zu PAN, dem Gott der Fruchtbarkeit und der Lust. Die Karte bildet das genießerische Gemüt des Narren ab.

    (http://www.my-event-horizon.de…iewChapter&chapterID=1046)


    Ups was ist das denn :breitgrins: :winken:


    LG
    Anita

    Hallo Lost,


    ich wollt gestern abend ja nichts sagen, aber der "Einspruch Euer Ehren" von sandhofer kam mir auch direkt :breitgrins:
    Sicher hast du Recht, wenn du Bücher als eine Gesamtzahl gedanklich vor dir aufgereiht hast. Doch mir ist diese Zahl/Pool unvorstellbar. "Ich weiß, dass ich nichts weiß" und somit wird die Zahl der Bücher, die ich im Leben noch lesen möchte stetig größer :redface: und der Tod wird es schon richten :grmpf:


    LG
    Anita :zwinker:


    Ich habe nun die Szene auf der Strudelhofstiege hinter mir. Es ist sehr schön, mitzuverfolgen, wie Doderer alle Beteiligten auflaufen lässt und jedem seinen speziellen Standort zuweist. Die Personen werden wie auf einer Bühne drapiert und natürlich trägt z.B. das wehende Lüftchen dazu bei, dass alle parallelen Handlungsstränge ihre Bezüge zueinander nicht verlieren. Das ist alles viel spannender und plastischer als die Szene selbst, die mir doch sehr kurz und undramatisch erschien.


    Mir ist die Aufstellung so plastisch gar nicht in Erinnerung gewesen, deshalb habe ich das gerade noch einmal nachgelesen (Seite 288 bis 95). Stimmt, das ist bühnenreif. Selber war mir aus diesem Kapitel die Feststellung von Asta zum Schluss, die Anna schon erwähnt hatte, im Gedächtnis geblieben. Aber wer mit wem anwesend war, das wusste ich noch spontan :smile:
    Markiert hatte ich Astas Halskrause und Schwimmplatte, so scheint sie mir auch, ziemlich steif und stets korrekt :zwinker:


    LG
    Anita

    Schön Andisonne, dass du auch mitschreibst :smile:



    ... wäre ich nicht in einer Leserunde (wenn auch eher schweigend, aber doch Eure Beiträge verfolgend), hätte ich mir die 900 Seiten in leicht bekömmlichere Häppchen unterteilt und wohl nach den einzelnen Teile eine Pause eingelegt.


    Ich genieße das Buch auch in Häppchen, bin auf Seite 504. Mir würde aber eine längere Pause nicht gut tun (habe da schon meine Bedenken, da ich vom 12. bis 18. im Urlaub bin, und nicht zum Lesen komme). Verteilt über den Tag lese ich meine kleinen Portionen, und mittlerweile ist mein Notizheft zum Buch ziemlich beschrieben. In diesem blätter ich ständig, wer war das, wann war das und wer mit wem :breitgrins:


    Bin übrigens Melzer-Fan (und Asta). Er ist so etwas der ruhende Pol in dem "Dorf" Wien, wo jeder jeden kennt und man sich ständig über den Weg läuft.


    Prima, ich bin da bisher mehr ein René-Typ, hochinteressant ist dieser Schleichsbeutel :zwinker: :breitgrins:


    LG
    Anita

    Hallo Zusammen.


    Ich sollte mich auch endlich vorstellen, aber ich habe damit gezögert, da mir bewusst war, dass ich dann die Katze aus dem Sack lassen werde. Also mein erster Internet Nick war Heidi Hof, doch den habe ich schon lange aus persönlichen Gründen abgelegt. Dann findet man mich unter Krümel und nun auch als Anita.


    Eine Leseratte, wie anscheinend die meisten in Literaturforen, bin ich nicht seit Kindesbeinen, ich wollte ursprünglich in die Math.-Nat.-Schiene treten, Bio-Chemie oder Mikrobiologie, evtl. auch Genforschung. Eine chronische Erkrankung hat mir da einen Strich unter die Rechnung gemacht, es hat lange gebraucht, bis ich dieses Leben auch annehmen konnte. Deshalb lese ich nun den Doderer mit ganz viel Herzschmerz und Vergnügen, ja das ist Erkenntnis über sich.


    Zur Literatur bin ich über Umwege gekommen. Ich habe zwar immer wieder ein Buch, auch einen Roman in die Hand genommen, aber die Sachbücher haben mich bis vor 5 Jahren mehr interessiert. Hesse sicherlich, aber damals vermehrt eigentlich S. Freud, auch Adler und Fromm, bin dann bei Jung hängen geblieben.
    Durch mein Studium zum Heilpraktikerin habe ich mich intensiv mit Homöopathie und Bachblüten beschäftigt. Erst der „Zauberberg“ hat da einen gravierenden Wendepunkt geschaffen. Okay vielleicht sollte man so diesen Berg nicht lesen, aber ich war so erstaunt wie treffsicher Thomas Mann das Mittel Tuberculinum beschrieben hat, mit all seinen Lastern und Ausschweifungen, ich fand das genial ;-) Ich habe derzeit festgestellt, dass auch Romane prima die Psyche eines Menschen festhalten können. Und das dann vorwiegend im klassischen Bereich. Die heutige Gegenwartliteratur ist (meiner Meinung) ziemlich eintönig, oder aber die Menschheit, obwohl sie nach Individualismus schreit, begrenzt sich in einer Einbahnstraße.


    Was ich gerne so lese hatte ich im Forum schon erwähnt.


    LG
    Anita

    Hallo Anna. Hallo Zusammen.


    Nur kurz zu deiner Frage „Ist unsere Gesellschaft heute wirklich so viel tiefgründiger, so viel vitaler, so viel moralischer?“ Natürlich nicht, das hatte ich auch schon geschrieben, dass dieses Dekadente zu manchen Zeiten nur extrem auffällt, nämlich dann, wenn es einer Gesellschaft nicht allzu gut geht.


    Zitat von “Anna“

    Da Anita uns ermahnt hat, ein wenig kritischer zu sein, will ich ein leises Unbehagen eingestehen bei einer Stelle, die wohl eine zentrale Passage des Romans bildet. Es geht um den Abschnitt S. 295 bis 333.


    Ich habe mir dieses Kapitel gleich nochmal angesehen, da stehen in meiner Ausgabe lauter Fragezeichen am Rand. Allerdings mag ich diesen „Denkschlaf“.
    Womit ich meine Schwierigkeiten bei Doderer habe, ist, dass ich nicht genau weiß wie weit Doderer (oder vielleicht auch Schopenhauer) in Metaebenen eintaucht. Ich persönlich tauche da noch über die Ebene des Seins ein, zur wirklichen Transzendenz. So wie ich jetzt recherchiert habe, bleibt Schopenhauer im Sein stecken … Deshalb weiß ich nie wie weit ich wirklich denken darf …


    Zitat von “Anna“

    Was ich sehr bewundere, ist die scharfsinnige Beschreibung psychologischer Vorgänge. Die Szene mit Ingrid Schmeller und Semski auf der Strudlhoftreppe zum Beispiel. Wie Asta Stangeler da plötzlich dämmert, dass das ihr Verhalten und das ihrer Geschwister, dieses Aufbäumen gegen den Vater, die Lügen und Heimlichkeiten eigentlich eine Schwäche sind, während Ingrid Schmeller, die wie eine „geknickte Pflanze“ ihrem Vater folgt, die Stärkere ist. In herkömmliche Romanen würde das genau umgekehrt gewertet werden.


    Gutes Beispiel. Hier wird uns ein Dualismus präsentiert, wir denken immer das eine oder das andere. Also man kann hinnehmen oder sich dagegen wehren, dass es darüber hinaus auch die Möglichkeit gibt, dass beide Entscheidungen gleichzeitig existieren könnten, wird weites gehend unterschlagen. Diese Ebene ist die Findung im „Sein. Aber dann gibt es noch eine andere Ebene, in der man nur als neutraler Zuschauer betrachtet, über dem Sein hinaus, jenseits vom Hinnehmen oder Wehren. Und das sind wir hier als Leser, diese Möglichkeit liefert uns Doderer.


    So das reicht jetzt erst einmal, auf deine Gedanken komme ich aber zurück.


    LG
    Anita


    Edit 1: Was alles so viel heißt wie, soll ich das Werk nun analysieren oder lediglich betrachten :winken:


    Edit 2: Nein, Edit 1 stimmt nicht, meine Antwort war schon goldrichtig, ich war nur sehr unsicher. Schopenhauer hat sehr wohl Meister Eckhart (Pfarres Wäldchen) mit Buddha vereinbart, und den Schlüssel findet man auf den Seiten 428 bis 29, das Vehikel hat sich verraten, "im Buddhismus betrachtet man die Sexualität als Vehikel des >Erwachens<" und das war mir geläufig. Nur mit den Begriffen von Transzendenz (mir geläufig) und Tranzendental muss ich mich noch anfreunden :smile:

    Hallo Maria, Hallo Zusammen.



    wie sind denn deine weiteren Eindrücke? Hast du dich etwas versöhnt mit der Doderer'schen Gesellschaft?


    Diese sehr oberflächliche, dekadente Gesellschaftsschicht, gab es in Grunde genommen immer, extremer fiel sie auf, wenn durch Inflation, Wirtschaftskrisen und anderen politischen Lagen, die unteren Schichten arg zu knabsen hatten. Persönlich kann ich mich nie mit dieser dekadenten Haltung anfreunden :zwinker:


    Wenn dann im weiteren Verlauf der Skandal auf der Stiege oder Briefchen schreiben, hin oder her, betont im Mittelpunkt steht, dann erinnert das natürlich an Austen, doch zwischen den Zeilen versöhnt mich Doderer in der Tat. Das ist eben nicht das wirkliche Leben, da gibt es noch andere Ebenen hinter dem Spiegel, ob sie ihn nun liebt oder nicht, nicht das ist die Frage, sondern warum diese Frage überhaupt in Erwägung gezogen wird.


    Ich hoffe, ich habe durch mein typisches Kauderwelsch nichts vorweg genommen, sondern rede in Rätsel, denn bei so wenig Handlung wäre es traurig :zwinker:


    LG
    Anita