Hallo Anna. Hallo Zusammen.
Nur kurz zu deiner Frage „Ist unsere Gesellschaft heute wirklich so viel tiefgründiger, so viel vitaler, so viel moralischer?“ Natürlich nicht, das hatte ich auch schon geschrieben, dass dieses Dekadente zu manchen Zeiten nur extrem auffällt, nämlich dann, wenn es einer Gesellschaft nicht allzu gut geht.
Zitat von “Anna“
Da Anita uns ermahnt hat, ein wenig kritischer zu sein, will ich ein leises Unbehagen eingestehen bei einer Stelle, die wohl eine zentrale Passage des Romans bildet. Es geht um den Abschnitt S. 295 bis 333.
Ich habe mir dieses Kapitel gleich nochmal angesehen, da stehen in meiner Ausgabe lauter Fragezeichen am Rand. Allerdings mag ich diesen „Denkschlaf“.
Womit ich meine Schwierigkeiten bei Doderer habe, ist, dass ich nicht genau weiß wie weit Doderer (oder vielleicht auch Schopenhauer) in Metaebenen eintaucht. Ich persönlich tauche da noch über die Ebene des Seins ein, zur wirklichen Transzendenz. So wie ich jetzt recherchiert habe, bleibt Schopenhauer im Sein stecken … Deshalb weiß ich nie wie weit ich wirklich denken darf …
Zitat von “Anna“
Was ich sehr bewundere, ist die scharfsinnige Beschreibung psychologischer Vorgänge. Die Szene mit Ingrid Schmeller und Semski auf der Strudlhoftreppe zum Beispiel. Wie Asta Stangeler da plötzlich dämmert, dass das ihr Verhalten und das ihrer Geschwister, dieses Aufbäumen gegen den Vater, die Lügen und Heimlichkeiten eigentlich eine Schwäche sind, während Ingrid Schmeller, die wie eine „geknickte Pflanze“ ihrem Vater folgt, die Stärkere ist. In herkömmliche Romanen würde das genau umgekehrt gewertet werden.
Gutes Beispiel. Hier wird uns ein Dualismus präsentiert, wir denken immer das eine oder das andere. Also man kann hinnehmen oder sich dagegen wehren, dass es darüber hinaus auch die Möglichkeit gibt, dass beide Entscheidungen gleichzeitig existieren könnten, wird weites gehend unterschlagen. Diese Ebene ist die Findung im „Sein. Aber dann gibt es noch eine andere Ebene, in der man nur als neutraler Zuschauer betrachtet, über dem Sein hinaus, jenseits vom Hinnehmen oder Wehren. Und das sind wir hier als Leser, diese Möglichkeit liefert uns Doderer.
So das reicht jetzt erst einmal, auf deine Gedanken komme ich aber zurück.
LG
Anita
Edit 1: Was alles so viel heißt wie, soll ich das Werk nun analysieren oder lediglich betrachten :winken:
Edit 2: Nein, Edit 1 stimmt nicht, meine Antwort war schon goldrichtig, ich war nur sehr unsicher. Schopenhauer hat sehr wohl Meister Eckhart (Pfarres Wäldchen) mit Buddha vereinbart, und den Schlüssel findet man auf den Seiten 428 bis 29, das Vehikel hat sich verraten, "im Buddhismus betrachtet man die Sexualität als Vehikel des >Erwachens<" und das war mir geläufig. Nur mit den Begriffen von Transzendenz (mir geläufig) und Tranzendental muss ich mich noch anfreunden :smile: