Beiträge von Bluebell

    Nochmal ich! :smile:


    Zitat von "nimue"

    Was mich allerdings wundert: Warum sind beispielsweise nur Erwachsene in der Hölle zu finden? Nur große Namen - keine Spur von ungetauften Kindern, kleinen Dieben etc. Ließ Dante diese tragischen Figuren mit Absicht weg, um das große Manko in Gottes Urteil nicht in Frage stellen zu müssen? Denn auch Kinder müssten unter den Ungetauften sein. Nicht nur Totgeborene, sondern auch 10 jährige usw. Wo stecken die?


    Das ist eine sehr gute Frage! Der Gedanke ist mir beim Lesen überhaupt nicht gekommen, und mir fällt ehrlich gesagt auch keine plausible Antwort ein ... Sandhofer, Georg?


    Zitat von "nimue"

    Die ihr gesunden Sinnes euch erfreut,
    beachtet, Leser, die verborgne Lehre
    unter dem Wunderschleier dieser Verse.


    Was für eine Lehre meint er? Ich komme und komme nicht dahiner!


    Dass weiß wohl Dante allein ... ich finde diese Szene mehr als kryptisch, und anscheinend war Dante sich auch bewusst, dass dem Leser ohne ausdrücklichen Hinweis diese "verborgene Lehre" wohl auch weiter verborgen bliebe! (Was sie ja auch so tut, nur wissen wir jetzt wenigstens, dass eine drinsteckt! :breitgrins: )
    Sogar mein Kommentar meint dazu nur ganz vage:
    Medusa verkörpert vielleicht die tödliche Verzweiflung des Sünders oder, als Wächterin des sechsten Kreises afugefasst, den versteinernden Glaubenszweifel.


    Schönen Abend noch!


    Bluebell

    Hallo! :winken:


    Zitat von "sandhofer"


    Nun ja, wer von uns nicht ...


    Ich weiß, deswegen hab ich euch die Details erspart. :zwinker:


    Zitat von "sandhofer"

    Dass die Liebe quasi alles übertrumpft und Liebende also auch nicht sündigen, ist auch ein modernes (romantisches) Konzept.


    Taucht dieses Konzept tatsächlich erst in der Romantik auf? So spät?
    Das überrascht mich jetzt aber wirklich.


    Zitat von "sandhofer"

    Wobei Dantes Liebespaar doch schon ungeheuer sympathisch beschrieben wird. Wie überhaupt einige der Sünder Dante offenbar im Grunde genommen sympathisch waren.


    *brauche einen nickenden Smiley*


    Zitat von "sandhofer"

    Man war im Mittelalter eigentlich generell der Ansicht, dass die alten Heiden, wenn sie Götter anbeteten, eben nicht Nichts, sondern untergeordnete, ev. abgefallene Wesen anbeteten wie die Engel.


    Das höre ich zum ersten Mal - ist ja hochinteressant!
    Das wirft allerdings die Frage auf, ob diese Ansicht wirklich einer "inneren Überzeugung" entsprang oder nicht vielleicht eine taktische Notlösung war ...


    Zitat von "sandhofer"

    Es ist vielleicht letztlich ein Streit um des Kaisers Bart, den ihr da führt. Die Kommentare, die uns Heutigen solche Anspielungen erklären, gehen wohl in ihrem Ursprung in vielen Fällen auf Ovid zurück.


    Da hast du wohl recht. Ich mag jetzt auch gar nicht weiter Haare spalten und schon gar nicht streiten (ich hoffe, du hast mein Posting nicht als Streiterklärung aufgefasst, Georg?? :entsetzt: ), deswegen lasse ich es nun einfach hierbei bewenden.


    Zum 8. Gesang:


    Zitat von "sandhofer"

    Der Kampf um den Eintritt in die unteren Kreise der Hölle beginnt. Die Vernunft (=Vergil) genügt hier nicht mehr; wie soll ein vernünftiger Mensch verstehen, dass es Menschen gibt, die willentlich das Böse tun? (Bisher hatten wir es ja mit Sündern zu tun, auf die eher das alte Sprichwort zutrifft vom Geist und Fleisch, die da willig bzw. schwach sind.)


    Ah, danke für diese prägnante Zusammenfassung. Hilft mir sehr bei der Interpretation, warum Vergil hier plötzlich an seine Grenzen stößt.


    Was mich beim Lesen des 8. Gesangs verwundert hat, war Dantes Herzlosigkeit, ja Hasserfülltheit gegenüber Argenti. Vergil jedoch lobt ihn sogar dafür: Mitleid wäre fehl am Platz, weil Gottes Strafen verdient und gerecht sind. Unter diesem Aspekt frage ich mich aber, warum Dante dann bei den Liebespaaren vor Mitleid zusammengebrochen ist!? Die sind doch auch von Gott (und somit "verdient" und "gerecht") bestraft worden!? Also muss im Falle Argenti wohl doch persönliche Antipathie im Spiel sein ... um es etwas euphemistisch auszudrücken, denn wenn ich mir dann die Stelle durchlese, wo Argenti von den anderen Seelen zerfleischt wird ... *brrr*


    Zum 9. Gesang:


    Sehr eindrucksvoll fand ich die Schilderung der drei Rachegöttinen auf der Turmspitze:


    Dort sind auf einmal hurtig aufgefahren
    Drei Furien der Hölle, blutbefleckt,
    Die Weibern gleich an Gliedern und Gebaren;


    Mit grünsten Hydern sah ich sie umsteckt,
    Sah Nattern statt des Haars vom Haupte rinnen,
    Damit die wilde Schläfe sich bedeckt.


    Also wenn das nicht bildhaft ist. *grusel*


    Zitat von "sandhofer"

    Interessant, wie der Engel sich eigentlich einen Deut um Dante und seinen Führer kümmert. Unpersönlich, fast kalt, wie Gott dem Menschen zu Hilfe kommt ...


    Ja, der Engel scheint regelrecht genervt und als ob er Besseres zu tun hätte ... :rollen:


    Zitat von "sandhofer"

    Wunderschön und theologisch korrekt, wie Dante erklärt, warum die Toten zwar wissen, was geschehen wird, aber nicht, was gerade geschieht. (Und offenbar haben sie kein Gedächtnis für das, was sie als Tote in der Zukunft sehen ...)


    Genau, sonst hätte sich Calvante nicht nach seinem Sohn Guido erkundigen müssen.


    Interessant finde ich auch, auf welchen "Kardinal" sich Dante im 10. Gesang bezieht: nämlich auf Ottaviano degli Ubaldini (+ 1273), der den ältesten Dante-Kommentaren zufolge nicht an die Unsterblichkeit der Seele geglaubt haben soll. Aus heutiger Sicht geradezu unvorstellbar, wie jemand mit dieser Ansicht so einen hohen Rang in der katholischen Hierarchie erreichen konnte ... aber ich vermute, dass der Prozentsatz an Geistlichen aus "wahrer Berufung" heutzutage sowieso viel höher ist als im Mittelalter. Oder bin ich zu blauäugig?


    Zum 11. Gesang:


    Während sich die beiden hinter einem Grabdeckel an den Gestank gewöhnen, erklärt Vergil Dante den Aufbau der unteren Hölle folgendermaßen:
    Im ersten Kreis der unteren Hölle (also im siebenten von oben an gerechnet) büßen die Gewalttäter, und zwar in seiner ersten Unterabteilung (Ring) die Gewalttäter gegen den Nächsten, in der zweiten die gegen sich selbst, in der dritten die gegen Gott, die Natur und gegen das Menschenwerk. Erst der achte und neunte Höllenkreis (der zweite und dritte der unteren Hölle) enthalten die Betrüger und Verräter (wieder entsprechend unterteilt, je nachdem ob ihre Opfer Fremde oder Freunde/Verwandte waren).
    Mir war nicht ganz klar, warum Mord von Gott weniger schlimm bestraft wird als Betrug und Verrat. Vergil erklärt diese Tatsache so:


    Doch da Betrug des Menschen sondrer Fleck,
    Haßt Gott ihn meist; drum müssen unten ringen
    Betrüger und erleiden schlimmsten Schreck


    Also ist Betrug laut Dante etwas typisch Menschliches (Gewalt können auch Tiere ausüben) und deswegen am verwerflichsten (speziell, wenn er auch noch das besondere Band der Freundschaft oder Verwandtschaft beschmutzt).
    Na schön ... leuchtet mir zwar noch immer nicht hundertprozentig ein (ich persönlich würde lieber betrogen als ermordet werden, um es ganz krass auszudrücken), aber bitte.


    Zum 12. Gesang:


    Zitat von "sandhofer"

    Auch da sehe ich noch nicht ganz durch - inwiefern Dante die alten mythischen Gestalten der Antike als Realität nahm und wieweit sie Sinnbilder für anderes sein sollen.


    Ich habe den Eindruck, dass Dante diese Zentauren & Co. doch als ehemals real existierende Wesen sah - oder dass sie ihm zumindest nicht fiktiver vorkamen als die antiken menschlichen Sagengestalten.
    Dass er ihnen darüber hinaus auch noch symbolischen Charakter verlieh, würde mich nicht überraschen - die ihnen zugedachte Bedeutung ist aber nicht gerade einfach zu durchschauen (erinnert mich an Rahel).


    Bis bald,
    Bluebell

    Zitat von "sandhofer"

    frage mich jetzt aber, wo eigentlich Bluebell steckt ...


    Kurz gesagt: im Stress! :sauer:
    Inzwischen habe ich aber aufgeholt und bin bis zum zwölften Gesang vorgedrungen.


    Zum 5. Gesang:


    Zitat von "sandhofer"

    Sehr interessant, wie Dante sowohl die aus Liebe Sündigenden wie auch die aus Geilheit Sündigenden an - Frauen exemplifiziert.


    Wobei es für mich eine ganz neue Erfahrung war, Liebespaare wie beispielsweise Helena und Paris oder Lanzelot und Ginevra in der Hölle schmorend anzutreffen - also Figuren, mit denen ich bisher zwar immer "tragische Romantik", aber sicher nicht den Begriff "Sünde" assoziiert habe (den Ehebruch hab ich wohl verdrängt :breitgrins: ).
    Und dass solche Sympathieträger dieselben Qualen erleiden müssen wie die assyrische Königin Semiramis, die wegen der sexuellen Beziehung zu ihrem eigenen Sohn die Blutschande gesetzlich erlaubt haben soll ... also in meinen Augen sind das doch zwei sehr unterschiedliche Kaliber! :entsetzt:
    Wenn Dante schon Romeo und Julia gekannt hätte und die beiden nicht so eindeutig literarische Fiktion wären, hätte er die vielleicht auch noch in den zweiten Höllenkreis geschickt ... *grummel*


    Zitat von "sandhofer"

    Sehr romantisch wirkt auf mich, wie Dante bei jeder grösseren Emotion in Ohnmacht fällt.


    :breitgrins: *zustimm*


    Zum 6. Gesang:


    Zitat von "sandhofer"

    Und der Cerberus - wieder eine antike Gestalt, die Dante zum Monster verformt hat. (Übrigens auch hier eine Spur von Dante bis ins 21. Jahrhundert: Ich weiss nicht mehr, wie das Viech geheissen hat, aber da war doch so ein dreiköpfiges Monster im ersten Harry Potter-Film, oder?)


    Stimmt, war das nicht Fluffy? *g*
    Aber ob das wirklich auf Dante zurückzuführen ist? Ich dachte eigentlich, der Cerberus wäre schon vorher als dreiköpfiges Ungetüm bekannt gewesen ... allerdings kenne ich mich mit der Primärliteratur nicht aus. Was verkörpert er den in den griechischen Originalschriften?
    EDIT: Habe gerade nimues Antwort gelesen.


    Und hier vielleicht wieder einmal ein Vergleich der Übersetzungen:

    Zitat von "nimue"

    Ihr Bürger nanntet mich den schweinischen Ciacco,
    und durch die schlimme Schuld der Schlemmerei
    muß ich dem Regen, wie du siehst, erliegen.


    Die Stelle lautet bei mir:


    Ihr Bürger pflegtet Ciacco mich zu taufen;
    Jetzt muss ich für die schlimme Schuld der Kehle
    Hier, wie du siehst, von diesem Regen saufen.


    Zum 7. Gesang:


    Zitat von "sandhofer"

    Pluto, in dem offenbar zwei antike Gestalten verschmolzen sind: Plutos, der Gott des Reichtums und Pluto, der Gott der Unterwelt.


    Mit diesem Kerl tue ich mich etwas schwer. Mein Kommentar sagt: Pluto: der antike Gott des Reichtums. In der Antike schon wurde er vom Herrn über die irdischen Schätze auch zum Herrn über die Toten. Bei Dante Symbol des Geizes.
    Waren also Pluto (Reichtum) und Plutos (Unterwelt) ursprünglich tatsächlich zwei verschiedene Gestalten (warum dann die fast identischen Namen?), oder wurde das Aufgabengebiet des Gottes des Reichtums quasi um das Totenreich erweitert? :?:


    Zitat von "sandhofer"

    Die zweite antike Gestalt: Fortuna.


    Ich finde die Begründung für die Existenzberechtigung dieser ursprünglich heidnischen Göttin interessant: nämlich dass sie von Gott sozusagen als Verwalterin der weltlichen Güter eingesetzt wurde.
    Speziell die Zeilen:
    "Sie sagt, beurteilt, tut in ihrem Reiche
    wie jeder Gott in seinem, ihre Pflicht."

    Kratzt dass nicht schon hart am Gebot "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben"? :zwinker:


    Zitat von "Sandhofer"

    Wieviele Geistliche, Kardinäle, ja Päpste sind nicht unter den Geizigen!


    Darüber war ich auch baff! Ganz schön mutig von Dante - in einer Zeit, wo öffentlich geäußerte Kirchenkritik unter Umständen fatale Folgen haben konnte ... hier hätten wir also ein Beispiel für den Aufklärer Dante (siehe meine Zweifel während der ersten Gesänge).


    Zitat von "sandhofer"

    Dann die Zornigen und die Verdrossenen.


    Hier kam mir vor allem der Teil mit den Verdrossenen hochaktuell vor. Erinnerte mich stark an die heutige Zivilisationskrankheit Depression.
    Anmerkung: Die Gefühlsträgen, die keiner Aufwallung des Gemüts fähig waren, büßen gemeinsam mit ihrem Gegenbild, den Zornigen. Dante stellt gern Laster zusammen (Geiz - Verschwendung), die von einer gemeinsamen Mitte abweichen.
    Kann man das als Stilmittel bezeichnen? Jedenfalls gefällt es mir.


    Zitat von "nimue"

    Was mir beim Lesen immer wieder auffällt, ist dass Dante die Hölle sehr anschaulich beschreibt. Brrrr....ich muss mich oft richtig überwinden, noch weiter über das Jammern, Klagen, Wehgeschrei zu lesen.


    Das geht mir ganz ähnlich! "Mitten drin statt nur dabei" ... ich kann mir alles bildlich, akustisch und auch geruchlich sehr lebhaft vorstellen.
    Kühl und distanziert kommen mir die Beschreibungen gar nicht vor. Aber wahrscheinlich ändert sich der persönliche Eindruck wirklich, je nachdem, worauf man beim Lesen ganz besonders achtet.


    So, für heute war es das von meiner Seite. Tut mir ehrlich leid, wenn ich in den letzten Tagen nachlässig war ...


    Bis bald,
    Bluebell


    EDIT:

    Zitat von "Georg"

    also ich bleibe dabei, ohne gute Kenntnisse von Vergils und Ovids Schriften, kommt man beim Lesen der commedia nicht weit.


    Na sicher ist es sehr vorteilhaft, wenn man die Originale kennt, auf die sich Dante bezieht. Aber du tust ja so, als ob man ohne diese Kenntnisse nur Bahnhof verstehen würde, und so ist es auch wieder nicht! Immerhin gibt es ja sowas wie einen Kommentar, der einem in wenigen Sätzen die vorkommenden Figuren und eventuell deren Geschichte erläutert - und dann weiß man zumindest, wovon Dante redet!
    Und dass der Spiegel von Narziß das Wasser war, weiß ich auch ohne mich jemals näher mit Ovid beschäftigt zu haben und sogar ohne Kommentar (bin nämlich noch gar nicht so weit).
    Nix für ungut :zwinker:

    Hallo ihr Lieben,


    ich weiß nicht mehr, ob es hier war oder im Literaturschockforum, geschweige denn in welchem Thread - aber vor einiger Zeit hat irgendwo irgendjemand auf diese CD hingewiesen:


    Faust vs. Mephisto

    Faust gesprochen von Thomas D. (Fanta4)
    Mephisto gesprochen von Bela B. (Die Ärzte)


    Ich habe sie mir nun etwas genauer angesehen und bin sehr, sehr neugierig geworden. Einmal ganz davon abgesehen, dass Bela wohl die perfekte Mephisto-Stimme verkörpert, reizt mich schon das Grundkonzept: dass ein Musiker aus der Punk- und einer aus der HipHop-Szene zusammen ein klassisches Drama aufnehmen - und dann noch den Faust!


    Jetzt würde mich eure Einstellung zu der Sache interessieren. Kennt ihr die beiden Herren?
    Wenn nein, interessiert euch das Projekt trotzdem?
    Wenn ja, was erwartet ihr euch von der doch ziemlich krassen Konstellation Bela B. - Thomas D. - Johann G.? :breitgrins:
    Und schließlich: wer ist eurer Meinung nach die Zielgruppe, und wen erreicht diese CD tatsächlich?


    Die Resonanzen bei Amazon liegen übrigens alle im 5-Sterne-Bereich ...


    Liebe Grüße,
    Bluebell

    Ich führe ja meinen persönlichen Leserundenkalender ganz altmodisch mit Kugelschreiber und Notizbuch :breitgrins:, aber ich finde einen forenintegrierten durchaus sinnvoll und wenn er dir die Organisation erleichtert, tu dir keinen Zwang an!


    Liebe Grüße
    Bluebell :sonne:

    Zitat von "sandhofer"

    Die Illuminaten waren ja nicht einfach Verbrecher / Hochstapler; es gab da auch Ehrliche und ehrlich um die Besserung der Menschheit Bemühte darunter, z. B. Knigge. Ihre Vorbilder waren die grossen Aufklärer und deren Vorläufer


    Ja, das sind eigentlich genau die Gründe, warum ich sie eher als Dante-Gegner eingeschätzt hätte. Denn mit ihrer Philosophie für den Fortschritt, die Aufklärung der Menschheit und die Wissenschaft mussten sie natürlich vehement gegen die Kirche eingestellt sein, und da kommt mir der Verfasser der Göttlichen Komödie auf der Liste ihrer Vorbilder etwas spanisch vor ... aber das ist nur meine spontane Einschätzung, und ich bin auf diesem Gebiet alles andere als sattelfest.


    Zitat von "Sandhofer"

    zu denen Dante durchaus gezählt werden kann.


    Hm ... ich weiß zwar, dass er als "Einläuter" der Renaissance gehandelt wird, aber mir persönlich kommt er doch noch sehr, sehr mittelalterlich vor - soweit ich das nach den wenigen Kapiteln, die ich bisher gelesen habe, bereits sagen kann. Vielleicht ändert sich mein Eindruck später noch, oder ich habe das Aufklärerische in den ersten Gesängen nicht richtig durchschaut!?


    Liebe Grüße,
    Bluebell


    PS: Ich habe dir drüben im anderen Forum bei der Austen-Leserunde noch eine Frage zu ihren anderen Romanen gestellt, aber anscheinend lurkst du nicht mehr. :zwinker: Wärst du trotzdem so lieb, sie mir zu beantworten?

    Hi ihr Lieben,


    ich habe gerade so einen langen Text geschrieben und dann das Fenster versehentlich geschlossen, bevor ich ihn abgeschickt hatte. :grmpf:
    Tja, was man nicht im Kopf hat, muss man eben in den Fingern haben ... oder so ähnlich ... :breitgrins: Also auf ein Neues.


    Georg: Wenn du es so aufgefasst hast, dass ich eine Expertin auf dem Gebiet "Motive der Göttlichen Komödie in der Literatur" bin, muss ich mich entschuldigen. :elch: Um solche Motive zu entdecken, muss man die Komödie wohl schon kennen, und ich lese sie doch gerade zum ersten Mal.
    Vielleicht hätte ich statt "wenn man sich mit Literatur beschäftigt" besser schreiben sollen "wenn man sich für Literatur interessiert und einen guten Deutschlehrer hatte". Dieser Deutschlehrer war nämlich ein Dante-Fan und hat uns öfters darauf hingewiesen, dass man dieses und jenes besser verstehen oder einordnen kann, wenn man die Commedia kennt. Hm, jetzt will ich es auch wieder ganz genau wissen ... ich werde schauen, ob ich die entsprechenden Querverweise in meinen alten Notizen noch finde.
    Dann fällt mir zum Beispiel der Titel "Der erste Kreis der Hölle" (Alexander Solschenizyn) ein. Und ein weiterer Grund, warum ich so neugierig bin, ist mein Bruder: er ist momentan total auf dem Geheimbund- und Weltverschwörungstrip und liest alles, was er über die Illuminaten in die Finger bekommt - zum Beispiel auch, welche Gelehrten sie sich als Vorbilder erkoren haben und welche auf der Liste der Todfeinde standen. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name "Dante" - ich nehme stark an, er fällt in die zweite Kategorie, aber auch das werde ich eruieren. :zwinker:


    Zitat von "nimue"

    Natürlich sind die historischen Zusammenhänge sehr interessant, aber ich war im letzten Jahr in Florenz und dort ist Dante irgendwie immer noch gegenwärtig. Dem möchte ich einfach etwas nachspüren.


    ... und ich fahre (ganz was Neues :breitgrins:) Ende November für ein paar Tage nach Florenz!


    Zitat von "Georg"

    Was mich etwas überrascht, dass ihr das Buch als überraschend leicht bezeichnet? Mir persönlich kommt es sehr schwer zu lesen vor und ich muss auch laufend Namen usw. im Lexikon oder Internet nachsehen.


    Mit lesbar (nicht leicht) meinte ich die Sprache. Immerhin ist der Text ja vor rund 700 Jahren entstanden, und auch wenn die Übersetzung aus neuerer Zeit stammt, hatte ich bezüglich des Sprachverständnisses Schwierigeres befürchtet.
    Wenn du soviele Namen nachschlägst, erhöht sich der Aufwand natürlich beträchtlich. Aber ich persönlich bin in den meisten Fällen mit dem zufrieden, was mein Kommentar hergibt. Das sind in der Regel zwischen ein und fünf Sätze pro Person, manchmal sogar weniger (z.B. werden Elektra & Co. schlicht zusammengefasst als Gestalten aus der griechischen und trojanischen Sage). Bei manchen Figuren recherchiere ich vielleicht genauer nach, aber bei allen wäre mir das fürs erste Lesen ehrlich gesagt zu ausufernd.


    sandhofer: Der IV. Gesang hat bei mir ebenfalls einen eher schwachen Eindruck hinterlassen und ich weiß auch gar nicht so recht, was ich dazu schreiben soll.
    Über die Bedeutung, die Dante den einzelnen Personen beimisst, habe ich mich allerdings auch gewundert - und dazu gleich eine Frage: hat es diese Aufstellung der "großen vier" schon vor der Divina Commedia gegeben?
    Was Dante für einen Narren an Rahel gefressen hat, ist mir auch ein Rätsel. Aber wenn wir davon ausgehen, dass sie nicht zu diesen Figuren gehört, denen im Mittelalter einfach mehr Bedeutung beigemessen wurde, muss er sich doch etwas dabei gedacht haben, dass er sie so hervorhebt und im gleichen Atemzug mit der Muttergottes und seiner verklärten Beatrice nennt. :?:


    Der V. Gesang gibt meiner Meinung nach wieder allerhand Gesprächsstoff her ... wie weit seid ihr?


    Suse: Also, diese Übersetzung würde mich auch krankmachen! :entsetzt:
    Das hat wohl kaum was mit "unintelligent" zu tun - sowas sickert vermutlich bei jedem, der im 20. Jh. geboren und an unsere moderne Sprache gewöhnt ist, um einiges langsamer durch.


    Bis bald,
    Bluebell

    So, ich bin schon wieder zwei Gesänge weiter.


    IV. Gesang


    Ein Donnerschlag weckt Dante aus der Betäubung. Er befindet sich im ersten Höllenkreis, dem sogenannten Limbus, in dem sich die tugendhaften Ungetauften aufhalten: sie sind nicht verdammt, können aber auch nicht erlöst werden. Unter ihnen trifft Dante die berühmtesten heidnischen Dichter, Gelehrten und Helden.


    V. Gesang


    Beim Eintritt in den zweiten Höllenkreis treffen Vergil und Dante auf den Höllenrichter Minos, der jedem Sünder den Ort der Strafe zuweist. Im zweiten Kreis derden die Sünder der Fleischeslust von einem Wirbelwind rastlos durch die Lüfte getrieben. Dante unterhält sich mit Francesca da Rimini über ihre unselige Liebe zu Paolo Malatesta und bricht aus Mitleid ohnmächtig zusammen.


    Nähere Gedankengänge dazu morgen. Gute Nacht!

    Grüß euch,


    ich habe gerade den II. und III. Gesang gelesen.


    Zitat von "Sandhofer"

    Interessiert es die Mitleser, darüber zu spekulieren, warum in diesem oder jenem Zusammenhang gerade diese oder jene Figur erwähnt wird (hier also z.B. Rahel)? Oder sollen wir grosszügig darüber hinwegsehen?


    Zu den Namen, die Dante dem Leser quasi "hinschmeißt", meint mein Nachwort:


    Der mittelalterliche Mensch war mehr vertraut mit der Welt der Bibel und mit den Fragen des Jenseits, auch mehr mit Theologie und Philosophie als der heutige Leser. Historische Gestalten aus der jüngsten Vergangenheit oder aus der europäischen Zeitgeschichte, vor allem aus der Geschichte von Florenz, waren für den Leser oder Hörer der Dantezeit lebendige Begriffe, während wir Heutigen uns solche Personen erst mühsam aus den Berichten jener Zeit ins Leben zurückrufen müssen. Nicht selten ist uns über eine Seele aus Dantes Dichtung nichts weiter überliefert, als was wir aus Dantes eigenen Versen erschließen können.


    EDIT: Konkret zu Rahel gibt es auch eine (wenn auch recht dürftige) Anmerkung:


    Im Paradies sitzt Beatrice neben Rahel, der Gestalt aus dem AT, die für Dante das Abbild der vita contemplativa, des betrachtenden Lebens ist (vg. L. XXXII 104ff.)


    Da steh ich nun, ich armer Tor ... :elch:


    Ich hätte übrigens noch eine weitere Übersetzung der Rahel-Stelle anzubieten - mir kommt sie ein bisschen wie ein Mittelding zwischen euren beiden vor:


    Lucia, allen Grausamkeiten feind,
    Ging fort und kam zum Sitz, auf dem ich enge
    Mit der antiken Rahel saß vereint.


    Sprach: "Beatrice, Gottes Lobgepränge,
    Hilf ihm, des Herz so sehr für dich geschlagen,
    Daß er sich ausgezeichnet aus der Menge!


    Und auch die berühmte Inschrift über dem Höllentor klingt in meiner Übersetzung etwas anders als bei nimue:


    Durch mich gelangt man zu der Stadt der Schmerzen,
    Durch mich zu wandellosen Bitternissen,
    Durch mich erreicht man die verlorenen Herzen.


    Gerechtigkeit hat mich dem Nichts entrissen;
    Mich schuf die Kraft, die sich durch alles breitet,
    Die erste Liebe und das höchste Wissen.


    Vor mir ward nichts Geschaffenes bereitet,
    Nur ewges Sein, so wie ich ewig bin:
    Laßt jede Hoffnung, die ihr mich durchschreitet.


    Zitat von "nimue"

    Wenn ich die beiden Übersetzungen so vergleiche, dann bin ich ehrlich gesagt froh, dass Vossler die Terzien nicht beibehalten hat!


    Wirklich? Ich weiß nicht recht ... ich finde, dass durch Dantes Versschema ein gewisser Schwung in den Lesefluss gebracht wird. Im Original sicher noch besser, da dort auch noch jede Zeile genau elf Silben hat - aber sowas ist mit einer Übersetzung natürlich unmöglich.
    Natürlich hast du höchstwahrscheinlich den Vorteil einer wörtlicheren Übersetzung.


    Zitat von "Georg"

    Also bei mir ist das der Hauptgrund warum ich die Göttliche Komödie lese: Die historischen Zusammenhänge. Was ist eigentlich eure Motivation die Göttliche Komödie zu lesen?


    Also der Hauptgrund sind die historischen Zusammenhänge bei mir nicht, auch wenn sie mich bis zu einem gewissen Grad interessieren.
    Wenn man sich mit Literatur beschäftigt, stolpert man einfach immer wieder über Dante und seine Divina Commedia - und irgendwann wollte ich den Stolperstein dann aus dem Weg räumen :breitgrins:, sprich die Neugier war so groß, dass ich mir vorgenommen habe, sie selbst zu lesen! :zwinker:
    Ob ich mich allein drüber getraut hätte, weiß ich aber nicht. Danke ans Klassikerforum! :bussi:


    Bis bald,
    Bluebell

    Ich habe gerade erst den I. Gesang gelesen.
    Besonders hängen geblieben bin ich bei der letzten Zeile dieser Terzine:


    Dort wirst du hören der Verzweiflung Pein
    Und sehn, wie sich der Vorzeit Geister quälen,
    So daß sie nach dem zweiten Tode schrein.


    Der Satz ist für mich wirklich das Bild der ultimativen Hoffnungslosigkeit, das non plus ultra der Verzweiflung. :entsetzt:
    (... und doch nur ein Vorgeschmack auf das, was da noch kommt - siehe Inschrift am Eingang der Hölle)


    Mein Anhang sagt übrigens, dass das Reimschema der Terzine (a-b-a, b-c-b usw.) ein metrisches Abbild der göttlichen Dreieinigkeit darstellt.
    Überhaupt kommt mir vor, dass die Zahl 3 eine Hauptrolle in der Komödie spielt: die Reise führt durch 3 Jenseitsreiche zu je 33 Gesängen, gleich zu Beginn erscheinen 3 Bestien (alias Laster) ... bin gespannt, was diesbezüglich noch in dem Text auftaucht.


    Zur Symbolik des Vergil:
    Er repräsentiert die menschliche Vernunft, die der sündige Mensch in sich zum Verstummen gebracht hat. [...] Für Dante ist Vergil das dichterische Vorbild, mit dem er wetteifert.


    Und zu Dantes Stilmittel der Allegorie (der dunkle Wald, der sonnige Hügel, Vergil usw.):
    [...]Dabei können wirkliche und allegorische Bedeutung nebeneinander herlaufen: so ist Vergil in der DC nicht nur ein Symbol der menschlichen Vernunft, sondern immer auch der Dichter Vergil.


    Übrigens bin ich genau wie nimue angenehm von der "Lesbarkeit" überrascht - irgendwie hatte ich es mir viel anstrengender vorgestellt ...


    Liebe Grüße,
    Bluebell


    PS: Ist es euch überhaupt recht, wenn ich die eine oder andere Stelle aus meinen Anmerkungen hier poste, oder genügen euch die Kommentare in euren eigenen Ausgaben?

    Hallo liebe Mitleser,


    meine Ausgabe stammt vom dtv, der Übersetzer ist Wilhelm G. Hertz.
    Leider gibt es bei mir keine Fußnoten direkt beim Text, sondern man muss zum Kommentar nach hinten blättern. Also werde ich es wahrscheinlich so handhaben, dass ich immer einen Gesang komplett lese und im Anschluss die zugehörigen Anmerkungen.
    Weiters gibt mein Anhang ein Nachwort von Hans Rheinfelder her (Aus Dantes Leben, Dantes kleinere Werke, Die göttliche Komödie), eine Zeittafel (eigentlich ein kurzer, tabellarischer Lebenslauf), sowie Literaturhinweise (Bibliographien, Ausgaben, Zu Leben und Werk, Zur Göttlichen Komödie).


    Bisher hatte ich leider nur Zeit zum Durchblättern und um mich ungefähr mit dem Aufbau der ganzen Sache vertraut zu machen, aber das wird sich hoffentlich bald ändern.


    Liebe Grüße,
    Bluebell


    PS@nimue: Wäre es vielleicht möglich, hier im Klassikerforum auch dieses Feature einzubauen, wo man im Literaturschockforum die ISBN-Nummer eintragen kann und dann direkt zu Amazon verlinkt wird?

    Zitat aus dem Spiegelbericht:


    Grob lassen sich die Top 50 in fünf Kategorien einteilen: "Schullektüre, und deshalb blamiert man sich damit bestimmt nicht" ( "Homo Faber", "Effi Briest"), "Klassiker, mit denen man sicher nicht schlecht aussieht in der U-Bahn" ("Der Zauberberg", Jane Austens "Stolz und Vorurteil"), "Bestseller, die man gut finden darf" (zwei Bücher von Gabriel Garcia Marquéz, zwei von John Irving), und "Ist mir doch egal, was ihr von mir haltet, mir gefällt das" (Diana Galbadons "Feuer und Stein", Ken Follets "Säulen der Erde").


    Wer zählen kann, ist klar im Vorteil! :elch:

    Ah, Ende der Durststrecke! :klatschen:
    Aber bzgl. Literaturschockforum: ist das einfach noch nicht freigeschaltet, oder funktioniert es nur bei mir noch nicht? ("Server nicht gefunden")
    Oder hat es eine neue Adresse?


    Liebe Grüße,
    Bluebell *will schon ganz dringend was zur Austen-Runde posten*

    Zitat von "summer00"

    Welches Kapitel ist das denn?


    Tja, gute Frage ... nachdem sich unsere Ausgaben so stark unterscheiden, kann ich dir leider auch nicht mehr sagen, als dass es sich bei mir um Kapitel Nr. XIV handelt, Überschrift "Der Buchstabe tötet den Stein", und in meiner 238-seitigen Ausgabe auf Seite 67 beginnt ... kannst du damit was anfangen? :?:


    Gruß
    Bluebell