Beiträge von xenophanes

    Hallo!


    Zitat von "Elinor"


    Ich habe mit Interesse deinen Bericht gelesen. Wie lange warst du denn in Israel? Und nur in Jerusalem und Umgebung?


    Nazareth habe ich nicht besucht, dafuer aber Bethlehem (zumindest die Geburtskirche, die ich aber schrecklich fand).


    Ich war knapp 2 Wochen und eigentlich überall mit Ausnahme der besetzten Gebiete (also vom Golan bis zum Roten Meer unterwegs, auch ein paar Tage im Negev.)


    In Bethlehem war ich nicht, da es da kurz vorher einige Schießereien gegeben hat.


    CK

    Zitat von "klassikfreund"

    Ich wage einen Versuch: Gute Literatur muss "wahrhaftig" sein.


    Habe folgendes Buch noch nicht gelesen, aber angeblich gibt Gelfert augenzwinkernd einen ganz guten Überblick zum Thema:


    http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406510981/notizen-21


    Generell ist es einfacher mit Kriterien festzustellen, was ein schlechtes Buch ist, als umgekehrt. Es gibt aber schon eine Reihe von qualifizierten Indizien, etwa die strukturelle Dichte, das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen (vom Wortklang bis zu narrativen Strukturen). Vielleicht schreibe ich mal mehr dazu, wenn ich mehr Zeit habe :zwinker:


    CK

    Hallo!


    Eine erstes, für meine "Notizen" geschriebenes Fazit:


    Gute drei Monate beschäftigten mich nun die "Essais" des Montaigne. Jedes Buch verlangt nach einer eigenen Lesegeschwindigkeit und diese Texte entfalten sich am besten bei einer geduldigen Herangehensweise. Die vielfältigen Bezüge, die zahlreichen Anspielungen und die raffinierte Komposition bedürfen einer ruhigen Betrachtungsweise.
    Mit guten Gründen zählt man die "Essais" zu den zentralen Werken der Weltliteratur. Die intellektuelle Komplexität ist faszinierend und kann durch eine erste Lektüre nicht annährend ausgeschöpft werden. Aus analytischen Gründen kann man zwei zentrale Themenbereiche unterscheiden: Die "Essais" als geistige Biographie eines faszinierenden Menschen der frühen Neuzeit und das Mosaik höchst unterschiedlicher Inhalte. Inwieweit "Mosaik" eine passende Metapher darstellt, darüber scheiden sich die Geister. Während Vertreter der Postmoderne ihre seltsame Denkschablone dahin gehend über den armen Montaigne stülpen, dass er angeblich ein inkomprehensibles Textsammelsurium hinterlassen hat, weisen Vertreter der traditionelleren Gelehrsamkeit auf die rekonstruierbare subtile Komposition der "Essais" hin.
    Ich tendiere zur letzten Position, allerdings müßte man dieser These ausführlich literaturwissenschaftlich zu Leibe rücken. Die thematischen Stränge der Essais zu verfolgen und in eine Zusammenschau zu bringen, bedürfte mindestens einer soliden Magisterarbeit.
    Angesichts der verschmitzten Klugheit des Autors sollte man seine zahlreichen Aussagen, er schreibe gedächtnis- und planlos ins Blaue hinein, keinesfalls ernst nehmen. Zumindest verfolgt er ein "pädadagogisches" Anliegen und will seine Leser zum kritischen Denken erziehen. Es ist kein Zufall, dass Sokrates einer von Montaignes Geisteshelden ist, auf den er immer wieder referenziert.
    Die "Essais" sind nach dieser "autobiographischen" Sichtweise also das Zeugnis einer bemerkenswerten Persönlichkeit. Das gilt nicht zuletzt für deren Widersprüchlichkeit. So könnte man seitenweise Zitate von einer erstaunlichen Modernität über Erziehung, Strafrecht, Folter, amerikanische Ureinwohner, Prügelstrafe, Hexen, Aberglauben etc. zusammen stellen, die Montaigne weit über den intellektuellen "common sense" seiner Zeit hinaushebt. Das gilt auch für seinen erkenntnistheoretischen Skeptizismus und Empirismus.
    Auf der anderen Seite ist er nicht nur ein offensiver Verfechter des Katholizismus und Konservativer. Er begründet diese Haltung vor allem mit seiner erkenntnistheoretischen Position: Da keine menschliche Erkenntnis möglich sei, brauche man Gott schon aus epistemologischen Gründen.
    Neben dieser "biographischen" Leseweise, ist das Buch zusätzlich angefüllt mit einer unglaublichen Themenfülle. Philosophische Fragen aller Art stehen neben Politik, Erziehung, Geschichte, Reisen, Alltag etc. Sie alle stehen in Bezug zu zeitgenössischen und antiken Autoren, die Montaigne las. Jahrelang benötigte man, um dieses Knäuel an Fäden aufzudröseln. Die Montaigneforschung scheint mir ein höchst spannendes und diversifiziertes Feld zu sein.
    Sich diesem Buch zu nähern ist eine intellektueller Herausforderung im besten Sinn. Man braucht neben viel Zeit ein offenes Auge für die zahlreichen Feinheiten. Man wird es - wie alle großen Bücher - oft zur Hand nehmen müssen und sich ein solides Verständnis erarbeiten. Dazu ist die erste Lektüre nur ein kleiner Schritt.

    "Manchmal neige ich zu der Überzeugung, dass die guten Leser noch geheimnisvollere und seltenere Vögel sind als gute Autoren."
    (Jorge Luis Borges)

    Hallo!


    Zitat von "ThomasBernhard"

    Die "Mutter des "historischen" Romans" ist wohl Robert von Ranke-Graves´


    Wer die Mutter ist, ich weiß es nicht. Der Vater jedenfalls ist Walter Scott :breitgrins:



    CK

    Hallo!


    Zitat von "Stoerte"

    Lange rumüberlegt - Weltgericht heißt doch jüngster Tag, oder? Will das Zitat nun also sagen: Es rettet uns kein höhres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun?


    Ein Philosoph sollte klar und deutlich sagen, was er denkt. Wenn er das nicht macht, ist er entweder inkompetent oder ein bewusster Scharlatan. Diese dunkle Herumgeschreibe ist lächerlich (nebenbei: bei Montaigne gäbe es auch ein paar nette Zitate dazu) bis ärgerlich.


    Solltest du mit deiner Interpretation recht haben, wäre die Aussage hochgradig banal und schon bei den Vorsokratikern zu finden.


    CK

    Zitat von "Stoerte"

    ein interviewter, etwas über sein nächstes Buch erzählender Sloterdijk: http://www.taz.de/pt/2006/06/13/a0226.1/text (damit hab ich nun wenigstens einen Beitrag zum Thema in diesem "Gesprächsfaden" geschrieben)


    Wo sind die Zeitenhin als die Philosophen erst mal 10 Jahre nachgedacht haben, bevor sie dicke Bücher schrieben? Aber Herr Stotterdick leidet offenbar an einer Textruhr.


    Im neuen Buch stehen so umwerfende Sätze wie:


    "Wer an der Forderung festhält, die Weltgeschichte müsse sich als das Weltgericht vollziehen, hat enttäuschende Zeiten vor sich."


    Wer das für Philosophie hält, hat ebenfalls enttäuschende Zeiten vor sich :breitgrins:


    CK

    Hallo Giesbert!


    Zitat von "giesbert"

    Heute kam die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Volltext". Dort findet sich ein Interview mit der Übersetzerin Elisabeth Edl, deren Neuübersetzung von "Rot und Schwarz" für Furore gesorgt hat.


    Interessant. Verlag der neuen Ausgabe?


    CK

    Zitat von "klassikfreund"

    Dostojevskij, du hast mir gerade eine neue Erkenntnis verschafft. Und siehe da: In meiner Buchhandlung stehen die Artemis&Winkler-Bände unerreichbar weit oben, tatsächlich nur mit Leiter oder Fußhocker zu erreichen.


    :breitgrins:


    Das ist wirklich in vielen Buchhandlungen so. Kauft halt niemand.


    CK

    Hallo!


    Zitat von "Stoerte"

    Zu den Zitaten: war es damals überhaupt üblich Quellen anzugeben?


    Meines Wissens war es schon üblich. Dafür spricht auch, dass sich Montaigne für das Weglassen dieser Belegen mehrmals rechtfertigt. Wäre das üblich gewesen, hätte er das sicher nicht getan.


    CK

    Hallo!


    FERTIG! :smile:


    Das Dritte Buch ist eindeutig das Persönlichste. Weniger Exkurse. Montaigne vertraut also mehr auf seinen eigentlichen Gegenstand: sich selbst.


    Ein nettes Zitat (man könnte das ganze Buch abschreiben):


    Zitat

    Seht doch nur, wie die Leute darauf abgerichtet sind, sich vereinnahmen und mitreißen zu lassen! Das geschieht überall, in kleinen Dingen wie in großen; ob es sie selbst betrifft oder nicht, unterschiedslos springen sie ein, wo immer eine Arbeit oder Aufgabe zu erledigen ist - fehlt ihnen diese hektische Betriebsamkeit, sind sie ohne Leben. Sie beschäftigen sich um der Beschäftigung willen, dies aber weniger, weil sie unentwegt rennen wollen, sondern mehr, weil sie nicht stehenbleiben können: wie ein im Fallen befindlicher Stein etwa, der auch nicht vorm Aufschlagen einhält.
    Für bestimmte Leute ist Geschäftigkeit das Kennzeichen von Kompetenz und Geltung. Ihr Geist sucht seine Ruhe im ständigen Hin und Her - wie Säuglinge die ihre im Schaukeln der Wiege. Sie können von sich sagen, ihre Freunden gleichermaßen dienlich wie sich selber undienlich zu sein. Sein Geld verschleudert niemand an andre, jeder aber seine Zeit und sein Leben. Mit nichts geht man so freigebig um wie mit diesen - den einzigen Dingen, mit denen zu geizen lobenswert und uns nützlich wäre.


    [Montaigne III,10]

    Hallo!


    Zitat von "rezk"

    wikipedia Artikel ist auch nicht sehr ausführlich. Wird Tisma allgemein schon zur Hochliteratur gezählt?


    Würde sagen Tisma gehört zu den wichtigsten europäischen Autoren der letzten Jahrzehnte.


    CK

    Hallo!


    Zitat von "Leibgeber"

    Falls du nichts gegen lange Romane hast, bspw. "Tom Jones" von Fielding.


    Das ist aber kein historischer Roman, sondern war damals ein zeitgenössischer Roman :smile:


    Zumindest in der gängigen Wortbedeutung heißt "historischer Roman" nicht "altes Buch", sondern meint einen Roman dessen Handlung (weit) vor dem Entstehungszeitpunkt des Romans spielt. :belehr:


    CK