Beiträge von xenophanes

    Hallo!



    Mir persönlich haben die Briefe zwischen Goethe und Schiller vieles erhellt; sie sind in einer zweibändigen Taschenbuchausgabe bei Goldmann erschienen - ISBN 3 442 07708 7


    Das ist eines meiner Lieblingsbücher, lese es gerade wieder einmal, glaube aber nicht, das es eine geeignete Einstiegslektüre ist. Besonders spannend ist ja, wenn sich die beiden über ihre Werke austauschen, die sie gerade in Arbeit haben und die sollte man wohl ganz gut kennen, damit man daran Vergnügen hat.


    CK

    Hallo!


    Lese gerade die zweite Hälfte eines meiner Lieblingsbücher zum zweiten Mal: Den Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller. Außerdem werde ich demnächst den vierten Teil der "Jahrestage" angehen, damit ich diese Leserunde auch formal mal abschließen kann :breitgrins:


    Im November assimiliert:


    Thomas Anz; Rainer Baasner: Literaturkritik. Geschichte - Theorie - Praxis (Beck'sche Reihe)
    Frank Rainer Scheck: Jordanien (Dumont Kunstreiseführer)
    Jordanien (Polyglott on tour)
    David Christian: Big History: The Big Bang, Life on Earth, and the Rise of Humanity (TTC Audio Lectures; 24h)
    Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend (dtv)


    Reisebedingt war hier nicht mehr möglich ...


    CK

    Hallo!


    Habe nun auch das fünfte Buch gelesen und damit als letzter die Leserunde beendet. Ich werde aber noch meine Eindrücke wie gehabt zusammenfassen. Ich las inzwischen auch noch etwas rund um Livius herum und bin mehrmals darauf gestoßen, dass die Bücher 1-5 immer wieder als Einheit betrachtet wurden (und auch immer wieder zusammen gedruckt), einerseits weil Livius sie zusammen als Buch veröffentlich hat, andererseits weil sie offenbar besondere Qualitäten haben. Letzteres kann ich aber nicht beurteilen, da ich noch keine weiteren gelesen habe.


    sandhofer: Sind Buch 6 und 7 in irgendeiner Form "anders" / weniger interessant?


    Meine persönlichen Livius-Pläne sind, dass ich die Bücher über den Zweiten Punischen Krieg noch lesen will, frühestens im nächsten Herbst. Da böte sich dann ja vielleicht eine Fortsetzung dieser Leserunde an.


    Habe durch Livius auch Lust bekommen, in Sallust und Tacitus hineinzulesen, die ja gemeinhin mit Livius als die besten römischen Historiker gelten.


    CK

    Hallo!


    Nun also das vierte Buch:


    Es beginnt mit zwei ausführlichen Reden. Die erste fasst die Position der Patrizier zusammen und wird von Livius in indirekter Rede gestaltet. Beklagt wird die Frechheit und die Machtgier der Volkstribunen. Je mehr Zugeständnisse man ihnen mache, desto mehr forderten sie. Die Konfrontation spitzt sich in der Frage der Mischehen zu. Offenbar waren Heiraten zwischen Plebejern und Patriziern verboten und die Volkstribunen fordern dieses Verbot aufzuheben:


    Zitat

    Kann es eine größere und unerhörtere Beschimpfung geben, als daß ein Teil der Bürgerschaft, als wäre er mit einem Makel behaftet, einer ehelichen Verbindung nicht für würdig erachtet wird? Was ist das anders, als ein Verbannung innerhalb ein und derselben Mauern, als eine Ausweisung hinnehmen zu müssen? Sie sind auf der Hut, dass es zu keiner Verschwägerung und Verwandschaft mit uns kommt, damit das Blut nicht verunreinigt wird? Was? Wenn dies euren Adel befleckt, den ihr, die ihr zum größten Teil von Albanern und Sabinern abstammt, nicht durch Herkunft und Blut habt, sondern durch Zuwahl zu den Patriziern, entweder von den Königen erwählt oder nach der Vertreibung der Könige auf Geheiß des Volkes [...]
    [S. 302]


    Faszinierend finde ich einerseits, dass sich diese Besessenheit mit Standesdünkel und Reinheit des Blutes ja bis heute in vielen Teilen der Welt nicht geändert hat, andererseits wie früh hier bereits auf die ideologische Konstruktion dieser Machtansprüche hingewiesen wird, die keinerlei objektive Basis haben. Das erinnert mich an die Wiener, welche Kovacs heißen und auf die "Tschuschen" aus Osteuropa schimpfen.
    Der Rest des Buches ist dem wechselnden Kriegsgeschick der Römer gewidmet, speziell gegen den alten Rivalen Veji.


    CK

    Las eben den sehr schönen Britannica-Artikel über "Livy":


    Zitat

    The sheer scope of the undertaking was formidable. It presupposed the composition of three books a year on average. Two stories reflect the magnitude of the task. In his letters the statesman Pliny the Younger records that Livy was tempted to abandon the enterprise but found that the task had become to fascinating to give it up; he also mentions a citizen of Cadiz who came all the way to Rome for the sole satisfaction of gazing at the great historian.


    CK

    Eben bestellt:


    Titius Livius:
    Römische Geschichte. Vollständig in 8 Bänden [in 8, cplt.]. Übersetzung von Oertel. Mit 9 Stahlstichen [cplt.].
    [nach diesem Titel suchen]
    Stuttgart: Rieger & Comp. 1840 - 1841.
    Kl.-8°. Pappbände der Zeit mit Rückentitel. Band 1 im Rückenbereich mit Bezugspapierfehlstellen und Kanten bestossen, die anderen Bände teils im Kopfkapitalbereich bestossen, insgesamt komplette und ordentliche Ausgabe.


    58 Euro


    CK

    Die Parallelen sind immer wieder faszinierend ... Das alte Rom inspirierte wohl so manchen ... ;) :winken:


    Ich lese Livius ja nicht zuletzt, weil ich danach Machiavellis "Discourses on Livy" lesen will, sein zweites Hauptwerk. Ich kann mir beim Lesen schon immer sehr gut vorstellen, was ihn so sehr an den Livius interessiert hat :smile:


    CK

    Hallo!


    Das dritte Buch also.


    Rom wird von einer Seuche heimgesucht:


    Zitat

    Und die Krankheiten nahmen noch an Heftigkeit zu, nachdem wegen des Schreckens der Plünderung das Vieh und die Landbevölkerung in die Stadt aufgenommen worden war. Dieses Gemenge von Lebewesen aller Art nebeneinander setzte durch den ungewohnten Gestank den Städtern zu und dem Mann vom Land, der in engen Behausungen zusammengepfercht war, durch Hitze und Schlaflosigkeit, und die gegenseitigen Dienstleistungen und auch der bloße Kontakt verbreiteten die Krankheiten.
    [S. 209]


    Eine naturalistische Erklärung für die Krankheit also und bereits eine ziemlich genaue Vorstellung, wie/warum man sich ansteckt. Begleitet wird diese Katastrophe durch Angriffe von außen. Die Feinde Roms wollen diese Phase der Schwäche natürlich ausnutzen.
    Sobald die Krise überwunden ist, setzen die im zweiten Buch beschriebenen sozialen Spannungen neu ein. Volkstribun C. Terentilius Harsa schlug ein Gesetz vor, das die Macht der beiden Konsule deutlich beschränken sollte, und goss damit Öl ins Feuer.
    Sehr ausführlich beschreibt Livius die Probleme, die nach einer Verfassungsänderung auftreten. Das Konsulat wird durch die Wahl von 10 "Decemvirn" abgelöst, die jedoch schnell durch Willkür und Korruption beim Volk verhasst werden. Höhepunkt ist wieder die Geschichte um ein unschuldiges Mädchen, das unter fadenscheinigen Vorwänden und einem Scheinprozess einem lüsternen Patrizier zugeführt werden sollte. Sie wird der Tugend halber ermordet. Die Empörung ist groß. Literarisch eine Variation zum Lucretia-Stoff.
    Der Hauptbösewicht Appius wird schließlich vor Gericht gestellt und schöpft alle Rechtsmittel aus, Rechtsmittel, die er während seiner Herrschaft nicht anerkannte. Erinnert das nicht an die heutige Diskussion um die Rechte von Kriegsverbrechern und Terroristen vor Gericht? Appius legt also "Berufung" ein:


    Zitat

    Als man das Wort, das den einzigen Schutz der Freiheit bildete, aus diesem Mund hörte, aus dem vor kurzem erst eine einstweilige Verfügung gegen die Freiheit gekommen war, trat Stille ein. Und jeder sagte beifällig vor sich hin, es gebe doch noch Götter und sie kümmern sich um die menschlichen Dinge; und für den Hochmut und die Grausamkeit komme die Strafe zwar spät, aber sie sei doch nicht leicht: der die Berufung abgeschafft habe, lege Berufung ein; der alle Rechte des Volkes mit Füßen getreten habe, rufe den Schutz des Volkes an; und der einen freien Menschen zum Sklaven erklärt habe, werde in den Kerker geschleppt und stehe im Begriff, seine eigene Freiheit zu verlieren.
    [S. 273f.]


    Ob George W. Bush in absehbarer Zeit auch einmal in diese Situation kommen wird?


    Meine Meinung
    Das ist ein kurzes aber überaus interessantes Buch. Wenn es nicht um Goethe gänge, hätte die Lektüre wohl bei mir bewirkt, daß ich Werke des Protagonisten nie wieder zur Hand genommen hätte. Goethe wird als Ekel und A…loch dargestellt (sorry für diese sehr direkte Wortwahl). Und Tilman Jens greift das nicht nur so aus der Luft, sondern untermauert jede seiner Thesen anhand von gut nachvollziehbarer Literatur. Freunde, Geliebte, sein Sohn, seine Diener, niemand ist vor ihm sicher, jeder bekommt auf die eine oder andere Weise Goethes Gewalt zu spüren.
    Ich kann jedem dieses Buch wärmstens empfehlen (besonders auch den Goethe-Liebhabern).


    Also ich hoffe doch, dass es so viele blinde Goethe-Verehrer nicht mehr gibt. Zumindest ich finde ja Goethes Ambivalenzen sehr interessant und dass Künstler oft keine "nette" Menschen sind, sollte sich inzwischen ja auch herumgesprochen haben. Wer an kritischer Goethe-Literatur interessiert ist, kann es auch mit


    [kaufen='978-3423307109'][/kaufen]


    versuchen.


    CK


    P.S. Danke.

    Mit dem Phänomen der Leselust beschäftigt sich die Sendung “scobel” am 4.12. bei 3sat.


    Offizielle Beschreibung:


    “Lesen ist uns nach wie vor ein Bedürfnis. Alle Prognosen, dass im medialen Zeitalter Bücher zur veralteten Kulturtechnik verkommen könnten, haben sich nicht bewahrheitet. Warum lesen nach wie vor noch immer so viele Menschen gerne? Suchen sie Entspannung, Unterhaltung, Anregung, Erkenntnis im Buch? Wann und wo lesen wir? Darüber spricht Gert Scobel mit Regina Ziegler, Filmproduzentin und bekennende Leserin, Julia Franck, 2007 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Schriftstellerin, und Hanns-Josef Ortheil, Träger des Thomas-Mann-Preises und Professor für Kreatives Schreiben.”


    Sendetermine: Donnerstag, 4.12., 21.00 - 22.00 Uhr, Wiederholung 9.12. 4.30 Uhr.


    http://www.3sat.de/scobel/128220/index.html


    Quelle: 3sat-Newsletter


    Wenn das so ist, kommt der Roman für mich nicht in Frage :grmpf:
    :zwinker:


    Ist für einen Roman eigentlich auch zu kurz, schließe mich der Empfehlung an. Habe auch sein jüngstes Werk gelesen, Indignation, das ist jetzt nicht so herausragend, aber auch nicht schlecht.


    CK


    Ich versuche mich gerade auf den Nobelpreisträger 2009 einzustellen und lese zum ersten Mal Philip Roth und zwar "Portnois Beschwerden". Für einen Roman, der 1968 erschienen ist er bestimmt mutig, mir selbst fällt es aber schwer mir ein Lamento und Schuldzuweisungen über 270 Seiten "anzuhören". Andererseits hat der Stil drive, sonst wäre es noch zäher.
    Wer kannn mir denn mit P.R. weite helfen und mir die richtig bedeutenden Werke empfehlen?


    "Der menschliche Makel" (Human Stain)


    CK