Beiträge von Gontscharow

    Ach ja, und was mir auch noch erwähnenswert erscheint, ist, dass Viktor im 31.Hpt mal eben in der späten Dämmerung einen Alpengipfel ersteigt und wieder hinabwandert - ein Vorbild für jeden Alpinisten :breitgrins:.


    Einen Alpengipfel? Dein Ernst? Meinst du jene Passage im 31.Hpt (etwa in der Mitte), die so beginnt: Um sieben Uhr nachts ging er wie das Meer von Osten nach Westen und Viktors Wanderung vom 29. April in den Mai vom thüringischen Fürstentum nach Maienthal beschreibt, wo er sich um Mitternacht auf eine Bergkuppe zum Sterne- Betrachten und Schlafen niederlegt, um im Morgengrauen dann Maienthal vor sich zu sehen? Also ich hielt das für eine Wanderung durch den Thüringer Wald und sah Viktor auf einer Mittelgebirgskuppe liegen……. :zwinker:


    In den 31. Hpt bin ich erst vorgedrungen und quäle mich durch die empfindsamen Briefe. Hoffentlich kommt bald das Saufgelage beim Vikar, auf das du, sandhofer, mich hoffen lässt.


    Auf das hoffe ich auch schon die ganze Zeit. Bislang vergeblich. Dabei bin schon im 35.Hpt! Ja wo saufen sie denn, sandhofer?



    ...natürlich habe ich den "Doppelspat" nun auch gefunden [...] und finde die Metapher nun sehr treffend und nicht unbedingt schwierig.
    Wir erleben immer mindestens zweimal, das eigentliche Erlebnis und seine Brechung in der Erinnerung ...


    Ja, wunderschöne Metapher, aber eben nicht unmittelbar verständlich, man muss erstmal nachschlagen, so man kein Geologe ist, das meinte ich mit schwierig.
    Überhaupt ist es erstaunlich, aus welch verschiedenen Wissensgebieten (Imkerei, Philosophie, Jagdwesen, Physik, ja selbst Mathematik, um nur einige zu nennen) JP Begriffe zitiert und daraus seine Metaphern und Vergleiche drechselt. Er scheint mit entlegensten Werken und Wissenschaften vertraut zu sein. Im zweiten Abschnitt des 32. HPT schreibt er über seine Befürchtungen in bezug auf mögliche Übersetzungen seines Romans:
    ....Ich kann jene Leser[..] in Rücksicht ihrer Seelenkost, die durch soviele Zwischenglieder vorher geht […] , mit nichts vergleichen als mit den armen Leuten in Lappland. Wenn da die Reichen sich in dem Trinkzimmer mit einem Likör , der aus dem teuren Fliegenschwamm gesotten wird, berauschen: so lauert an der Haustüre das arme Volk und...
    Als ich bei wikipedia unter dem Stichwort Fliegenpilz nachschaute, ob eventuell etwas über Schnaps aus besagtem Pilz drinsteht, stieß ich auf folgendes:


    Zitat von wikipedia

    Im 18. Jahrhundert wurde der Fliegenpilzgebrauch der sibirischen Völker in Europa bekannt. Die früheste derartige Mitteilung stammt vom schwedischen Oberst Philip Johan von Strahlenberg, der in einem 1730 erschienenen und damals sehr populären Buch über seine Kriegsgefangenschaft in Kamtschatka über die dort beheimateten Völker berichtete:[12]:121
    „Die Russen, so mit ihnen handeln und verkehren, bringen ihnen unter anderen Waren auch eine Art Schwämme, die in Rußland wachsen, hin welche auf Rußisch Muchumor (Fliegenpilz) genannt werden, die sie vor Eichhörner, Füchse, Hermelinen, Zobeln etc. an sich tauschen, da denn die Reichen unter ihnen eine ziemliche Provision von diesen Schwämmen sich zum Winter machen können. Wenn sie nun ihre Festtage und Collationens halten wollen, giessen sie Wasser auf diese Schwämme, kochen selbige, und trinken sich davon voll, alsdenn lagern sich um der Reichen Hütten die Armen, die sich dergleichen Schwämme-Provision nicht machen können, und warten biß einer von den Gästen herunter kömmt, sein Wasser abzuschlagen, halten ihm eine hölzerne Schaale unter, und sauffen den Urin in sich, worinn noch einige Krafft von den Schwämmen stecket, davon sie auch voll werden, wollen also solche kräftige Wasser nicht so vergeblich auf die Erde fallen lassen.“


    Pardon,wenn ich hier offene Türen einrenne und das schon in euren Kommentaren steht (meine Ausgabe ist ohne), aber mir schien doch recht interessant zu sein, woher J.P.offensichtlich seine Anregung hat. Nur dass er aus den kamtschatkischen Sibiriaken Lappen macht, noch die Bibel und die Vulgata in den Vergleich mit hinein- verwebt, um dann diese aufwendige Textpassage quasi für „ungültig“ zu erklären, er werde sie einer Übersetzung des Hesperus voranstellen… :smile:


    Auch wieder ein absichtlicher Bruch der Formalismen: Am Ende des 28.Hpt kommt nun endlich die Vorrede zum dritten Heftlein, das bereits seit 80 Seiten andauert.


    Wie der im eilften Hundposttag versteckte zweite Schalttag, die mit dem vierten Schalttag "verschweißte" Vorrede zum zweiten Heftlein, (auch die Vorrede zum dritten wird dann mit dem anfallenden Schalttag gleichgesetzt), überhaupt die nachgetragenen Vorreden, die alphabetische Ordnung der „Extraschösslinge“, die schon beim Buchstaben H über den Haufen geworfen wird, die diversen Extrablätter etc - all diese System- und Ordnungseinteilungen scheinen nur eine Funktion zu haben, nämlich sich selbst ad absurdum zu führen und Verwirrung zu stiften.


    Leser kann man nicht genug betrügen, und ein gescheiter Autor wird sie gern an seinem Arm in Mardereisen, Wolfgruben und Prellgarne geleiten


    heißt es im 12. Hundposttag. Kein Wunder, dass Jean-Paul meint, seine Leser foppen, täuschen und dadurch quasi wachrütteln zu müssen, stellt er doch über sie später, im 26.Hundposttag, fest:


    Wenn man überhaupt selber zusieht, wie sie einen lesen - nämlich noch fünfmal elender, gedankenloser, abgrissener als man schreibt[ …]


    Natürlich gehört diese Klage mit zu dem Spiel mit dem Leser und ist ein literarischer Topos…



    Mein anfängliches Urteil, Jean Pauls Äußerungen über Frauen seien misogyn, muss ich revidieren. Ich kann jetzt auch verstehen, dass zeitgenössische Frauen den Hesperus liebten. Im Laufe der Lektüre, besonders um den 6.Schalttag herum, wird immer deutlicher, dass Jean Paul das “verkochte, verwaschene und verputzte Leben“ der Frauen dauert, dass er sehr realistisch und gerecht den sozialen Druck sieht, unter dem Frauen stehen, und ihn anprangert, wobei er eine gewisse Mitverantwortung der Frauen mit einschließt, ähnlich wie viel später sein Namensvetter Jean-Paul Sartre die Frau als Opfer und als Komplizin des Systems (A moitié victime, à moitié complice, comme tout le monde) ansehen wird.
    Beispiel aus dem 21. Hundposttag:


    die Eltern ärgern mich, die Seelenverkäufer sind; dieTöchter dauern mich, die Negersklavinnen werden - ach ists dann ein Wunder, wenn die Töchter, die auf dem westindischen Markt tanzen, lachen, reden, singen mussten, um vom Herrn einer Pflanzung heimgeführt zu werden, wenn diese, sag ich, ebenso sklavisch behandelt werden, als sie verkauft und eingekauft wurden? Ihr armen Lämmer!- Und doch, ihr seid ebenso arg wie eure Schaf-Mütter und Väter - was soll man mit seinem Enthusiasmus für euer Geschlecht machen, wenn man durch deutsche Städte reiset, wo jeder Reichste und Vornehmste, und wenn er ein weitläufiger Anverwandter vom Teufel selbst wäre, auf dreißig Häuser mit dem Fingerzeigen und sagen kann: Ich weiß nicht, soll ich mir aus dem[…] oder aus dem[…] oder etwan aus dem[…]Hause eine holen und heiraten: offen stehen die Kaufläden alle? - Wie ihr Mädchen, ist denn euer Herz so wenig wert[,…]!

    Und es folgt ein Loblied auf auf die einsame stolze Heldin, die Unverheiratete…


    Und überhaupt, der sechste Schalttag, diese Magna Carta, aus der finsbury ja schon zitiert hat! Ich las sie im Zug von Bologna nach München. Während sich ab Verona der Zug allmählich mit eritreischen Flüchtlingen füllte, (die in Rosenheim von der Polizei in Empfang genommen wurden), las ich Sätze wie diese:

    Das gestörte Gleichgewicht der eigenen Kräfte macht den einzelnen Menschen elend, die Ungleichheit der Bürger, die Ungleichheit der Völker macht die Erde elend.


    Bei der fürchterlichen Ungleichheit der Völker in Macht, Reichtum, Kultur kann nur ein allgemeines Stürmen aus allen Kompass-Ecken sich mit einer dauerhaften Windstille beschließen. Ein ewiges Gleichgewicht von Europa setzt ein Gleichgewicht der vier übrigen Weltteile voraus[…] Ein Volk muss das andere aus seinen Tölpeljahren ziehen.


    Das in einem mehr als 200 Jahre altenText!


    Der 29. Hundposttag beginnt mit einer wunderschönen schwierigen Metapher: Der Mensch ist der Doppelspat der Zeit…Dann folgt das bisherige Geschehen in der Erinnerung Viktors im Schnelldurchlauf wie um dem Leser noch mal vorzuführen, wie vergleichsweise banal und simpel die Handlung des Romans ist. Wir steuern auf ein happy end zu und finsbury hat Viktors Zukunfsvision vom Lebensstrom mit den Schönheitslinien und den Goldfischen der glücklichen Momente darin zitiert. Ich finde ja, dass Jean Paul zu poetischer Höchstform aufläuft, wenn er schwarze Stimmungen und Momente schildert. Daher sei zuguterletzt an eine Stelle erinnert, die Viktor liebeskrank und depressiv zeigt, wo ihm wie Werther im Liebeskummer die Welt platt wie ein Abziehbild erscheint :



    Steht nicht der Mensch vor der Brust eines Menschen wie die Turteltaube vor dem Spiegel und girret wie diese sich heiser vor einem toten flachen Bilde darin, das er für die Schwester seiner klagenden Seele hält? –


    Ein Bild wie aus Bonaventuras Nachtwachen, aus Leonce und Lena , von Baudelaire oder Rilke.

    Zitat von sandhofer

    ...



    Wenn er denn je da war ... :teufel:


    Ich habe ihn gefunden, er steckt im 11. Hundposttag! Etwa zwei Seiten vor dem Ende heißt es da:



    Der Hundposttag ist aus. Ich weiß nicht, soll ich ein Extrablatt machen oder nicht. Der Schalttag ist an der Türe; ich wills also bleiben lassen und nur ein Pseudo-Extrablatt hersetzen, welches sich bekanntlich von einem kanonischen ganz dadurch unterscheidet, dass ich im apokryphischen durch keine Überschrift merken lasse, sondern nur unter der Hand von der Geschichte wegkomme zu lauter Fremdsachen.


    Und dann legt er los mit den romanfremden Sachen.
    Verarschung des Lesers? Ein oberlehrerhaftes :Ich wollte nur mal sehen, ob ihr auch aufpasst? Oder, nachdem in der Ankündigung der Einrichtung von Schalttagen dem Leser anheim gestellt wurde, diese wegzulassen, ein: Denkt ja nicht , dass Ihr um meine allgemeinen Betrachtungen herumkommt…? Was auch immer.
    Mir geht’s ähnlich wie Dir, klaus. Du findest nicht wieder hinein… Ich habe bis jetzt nicht hineingefunden. Man wird auch immer wieder herauskatapultiert wie durch diesen Schalttag eines Schalttages. Ich lese den Roman wie Lyrik, in kleinen Dosen mit vielen Pausen. Immer mal wieder mache ich einen Versuch, ich finde eine Stelle, die mich fesselt, dann stockt’s. Zum Teil lag es wohl auch daran, dass ich wenig Zeit zum Lesen hatte und mich nicht konzentrieren konnte. Das soll jetzt anders werden. Ich bin für drei Wochen weg und nehme Jean Paul mit … Gerade die Metaphorik an diesem zweiten Schalttag hat mich wieder überzeugt:


    […]in unseren Tagen sind nämlich die Lesekabinette, die Tanzsäle, Konzertsäle … die Treibhäuser unseres Herzens und die Drahtmühlen unserer Nerven, jenes wird zu groß, diese zu fein.


    Metaphern (wie Synästhesien) schweißen disparate Dinge zusammen. Treibhäuser des Herzens, Drahtmühlen der Nerven… ist das nicht eine herrliche, (für Jean Pauls Zeit) ganz neuartige Metaphorik? Jean Paul ein verfrühter provinzieller Baudelaire oder Rilke ?
    Sehr schade, klaus! Deine überaus interessanten Beiträge werden mir fehlen. Vielleicht kriegst du ja noch die Kurve?:winken:

    ... und das ganz gewiß zu gleichen Anteilen bei beiden Geschlechtern - wenn nicht noch schlimmer :cool:


    Das ist nur eine vergleichsweise harmlose misogyne Frotzelei, von denen es in den Hundposttagen nur so wimmelt. Seltsamerweise hatte der Hesperus aber gerade bei Frauen ganz besonderen Erfolg!


    Eine weitere Kostprobe?


    [quote= JP, Hesperus, 3.Hundposttag]Ein Bonmot ist ihnen [ den jungen Frauen] ein dictum probans, ein Pasquino ein magister sententiarum, und die kritische Lästergeschichte ist ihnen Kants Kritik der reinen Vernunft, die verbesserte Auflage.[/quote]

    Von JP ist das mittlere Zitat, dazu paßt auch das folgende aus dem 7. HPT:
    »Herr Emanuel sagte einmal, man sollte den Kindern in jedem Jahre ihre vergangnen erzählen, damit sie einmal durch alle Jahre durchblicken könnten bis ins zweite neblichte hinein.« Bei den anderen kann ich nur raten: [... ]Aber die Ähnlichkeit der Bilder ist schon frappierend.


    Bingo! Das erste Zitat ist von Nabokov, das dritte von Doderer.


    Solche Abschweifungen sind herrlich zu lesen, bei anderen langweilt es mich aber auch und ich bin froh, dass der Autor, nachdem er selber schon angekündigt hat, in drei Minuten wieder bei der Geschichte zu sein, in gefühlten dreißig endlich dort anlangt.


    :breitgrins:


    Bei mir ist es (noch) umgekehrt. Die Abschweifungen finde ich kurzweilig, bin eher von der Geschichte genervt.



    Gontscharow:
    Zu der Freundschaftspassage in Kapitel 3. Ich habe einen ganz interessanten, wenn auch grausig geschriebenen Text im Materialientrhread verlinkt, der sowohl Gontscharows Auffassung, die sentimentalen Freundschaftsergüsse seien ironisch, als auch meine, sie seien zum Teil ernst gemeint, unterstützt. Im Gesamtkonzept werden danach die sentimentalen Passagen durch die Ironie der anderen Teile ebenfalls relativiert und gebrochen; Sie dienen aber auch dazu, die Überhöhung des Gefühls als Zeichen der Unsterblichkeit der Seele wahrzunehmen.
    Dazu passt auch folgende Passage:


    Danke für den Link und für Deine Antwort, finsbury. Alles sehr einleuchtend!

    Gestern konnte ich meinen Hesperus in Buchform (Tredition Classics) abholen. Das Lesen am PC ist einfach nicht mein Ding.
    Mit den ersten drei Hundposttagen bin ich durch.
    Mir geht es wie klaus: Ich finde die Lektüre amusant und witzig. Ständig möchte ich etwas unterstreichen, weil es so treffend, originell, skurril oder komisch ist: der Pralltriller eines Fluches, das Waldwasser des ersten Jubels, das so schnell versiegt, Liebe - die allmächtige und doch leise Harmonika des Herzens, der Ehe- und Säemann, der mit dem Schnarrwerk seines Hustens immer mehr in den Sphärengesang der Nacht einfällt usw.
    Ich habe im Rahmen der Horen-Leserunde nicht wenige Texte der Zeit um 1795 gelesen und finde nach all dem Schwulst, der Biederkeit, dem moralisch sittlich Wertvollen der deutschen Klassik JP einfach erfrischend ! Die verworrene, triviale Handlung stört mich nicht, sie ist nur ein Vorwand, ein Aufhäger für diverse Betrachtungen ironischer und satirischer Art - die Exkurse und Digressionen sind das eigentlich Interessante.
    Manches mutet „modern“ an. Die Beschreibung der Erinnerung an die Kindheit etwa:


    […]Wenn wir uns an unser früheres Ich erinnern, gibt es da immer jene kleine Gestalt mit langem Schatten, die wie ein ungewisser verspäteter Besucher auf der erleuchteten Schwelle am hinteren Ende eines unfehlbar sich verengenden Korridors stehenbleibt[…]


    […] -diese Knabenjahre hatten einen dunklen Spiegel in Händen, in dem die dämmernde Perspektive seiner Kinderjahre zurücklief - und[…] stand schimmernd[…]


    […] öffnete eine Tür nach rückwärts. Wie eine lange Flucht von Zimmern tat es sich auf , an deren Ende oder eigentlich Anfang ein großes Spielzimmer mit weißlackierten Möbeln lag, worin man eben noch den Umriß […]

    Zwei Texte sind von modernen Autoren, von Doderer(Dämonen) und Nabokov(Ada), einer von Jean Paul(Hesperus, 3.Hundposttag). Welcher? :zwinker:



    [...] Amüsiere mich dennoch im dritten Kapitel über die schwärmerische Jünglingsfreundschaft und die zahlreichen Tränen der Rührung. Man merkt, dass das ein früher Jean Paul ist, auch die späteren sind streckenweise sentimental, aber ich meine, dass nicht ganz so viele Tränen die sich umarmenden Freunde benetzen.


    Hm. Ich hatte das als Ironie aufgefasst, als Satire auf den Freundschaftskult jener Jahre.

    Liebe Jean- Paul-Leserunde!


    Bin kurz entschlossen mit von der Partie. :zwinker:


    Kann es sein, dass er mit dem "edlen Geist" der ersten Vorrede Goethe meint?


    Mit dem "edlen Geist" meint JP, glaube ich, keinen bestimmten Menschen, sondern einen Lesertypus - so wie er weiter oben in der Vorrede von der" müden Seele", dem "gedrückten Geist" und (ironisch) dem "höheren Menschen" spricht, von Lesern, die er durch seinen Hesperus zu trösten, aufzuheitern, zu unterhalten, denen er etwas zu geben hofft.

    Und was ist mit Gryphius, Logau, Eichendorff, G. Hauptmann, ... Janosch( Cholonek oder der liebe Gott aus Lehm) und, und und? :breitgrins:

    Dann will ich mal den RIP- Storm um G.G. eröffnen.
    Zuletzt habe ich ihn noch im März auf der Leipziger Buchmesse gesehen und seinen Beitrag zum viel gescholtenen Gedicht " Mit letzter Tinte" überraschend gut gefunden.
    Er wird mir fehlen.


    Ist das nicht ein Falke???


    Um Gottes Willen :breitgrins:, nein, das ist eine Taube! Also quasi das "Gegenteil" zum Falken! Symbol des Hlg.Geistes, des Friedens etc, der Friedfertigkeit , der Sanftmut und Harmlosigkeit und von da ist es zur Unterwerfung nicht weit. Zudem scheint sie mir mit zurückgewendetem Kopf in Deckstellung zu sein. ... Also genug Bezugspunkte zum Inhalt des Romans.


    Allerdings möchte ich für ihn gerne in die Wagschale werfen, dass er viele Themen und Entwicklungen sehr hellsichtig und klar beschreibt. Die Wartesaal-Trilogie halte ich für ein wichtiges historisches und soziales Zeugnis der Zeit.


    Ja, Exil und die Geschwister Oppermann sind hellsichtige und klare Zeitzeugnisse, das sehe ich genauso. Allerdings, auch Erfolg gehört zu der Trilogie… Vielleicht sollte ich da noch einmal reinschauen.


    Auch hier gebe ich Dir recht:



    Natürlich macht die richtige Gesinnung keinen schlechten zu einem guten Roman, aber immerhin ...


    …kann er so abgrundschlecht nicht sein, wenn die Gesinnung stimmt? :zwinker: Wie ist es im umgekehrten Fall, bei guter Literatur mit der "falschen" Gesinnung (Doderer, Jünger z. B.)? Rhetorische Fragen, die ich nicht beantworten kann und du nicht musst.


    Noch ein Wort zu Houellebecqs Unterwerfung: Du merkst kritisch an:


    Darin lag für mich auch einer der Widersprüche im Roman: Dass Houellebecq einerseits einen radikalen Wechsel beschreibt (Frauen verlieren innerhalb von wenigen Wochen ihre Stellen an Universitäten etc. - das hielt ich für grob unrealistisch), andererseits aber eine enorme Passivität und einen enormen Opportunismus in bestimmten Kreisen.


    Ein Widerspruch ja. Aber einer mit hohem historischen Wiedererkennungswert! Bzw. ein in der Geschichte leider häufig aufgetretenes Phänomen... wenn da nur Unrecht war und keine Empörung…(Brecht: An die Nachgeborenen)


    Was meinst Du mit der 'vorbeugenden' Lektüre der Romane Feuchtwangers? :zwinker:


    Oh pardon, verkürzte Kommunikation! Also: Ich wollte einem vorschnellen, eventuell ungerechten Urteil über sein Werk vorbeugen durch Lektüre immer weiterer Romane. :zwinker: Die Geschwister Oppermann fand ich noch anstandslos gut, die historischen Romane Jud Süß, Josephus -Trilogie, Jüdin von Toledo, Goya etc dann - wenn auch nicht uninteressant zu lesen - zunehmend eher kolportagehaft und nahe am Trivialroman. (Feuchtwanger ist für mich der Vater der Romane a la Der Medikus und Die Wanderhure). Ich las quasi gegen mein Unbehagen an, immer in der Hoffnung, dass dieser rennomierte, einflussreiche Schriftsteller mir in seinem nächsten Buch doch gefallen möge. Leider erfolglos. Bei der Lektüre des Schlüsselromans Erfolg habe ich dann entnervt aufgegeben und den Wälzer halbgelesen beiseite gelegt.


    Habe gerade Sebalds Ein Kadisch für Österreich - Über Joseph Roth noch einmal gelesen- als Gegenzauber sozusagen gegen den Weidermann’schen Firlefanz.


    Guten Literaten erlaube ich das. Ich denke nur an die hinreißende Novelle 'Das Treffen in Telgte' von Günter Grass, oder meinetwegen Christa Wolf mit Kein Ort.Nirgends (zu Kleist)[...]


    Stimmt, da funktioniert es!
    Sunset von Klaus Modick kenne ich nicht. Lohnt das? Ich muss dazu sagen, dass ich Feuchtwangers Romane, obwohl fast alle quasi vorbeugend gelesen, doch nicht besonders mag.


    Bei Büchern wie dem von Weidermann kann ich nur bedauernd und sehnsüchtig an W.G. Sebald denken, an seine unglaubliche Kunst, sich Literatur schreibend zu nähern und sie für den Leser aufzuschließen.