Beiträge von Gontscharow


    Meine ganz persönliche Meinung ist die, dass Kafka in diesem Prozess seine Krankheit verarbeitet, das Gericht und die Advokaten sind die Ärzte, die Medizin. Das Ende konnte er gar nicht selber schreiben, oder :rollen: (wobei ich nicht weiß, welche "Kapitel" er nicht mehr selbst geschrieben hat - weiß das jemand?
    Meint Ihr, das sei so seehr abwegig?


    Ehrlich gesagt, ja:
    Niederschrift von Der Process :1914/15
    Ausbruch der Lungentuberkulose :1917


    Sorry, genauso abwegig wie:



    Satire auf die Jüdisch-Christliche Religionstradition.


    Ich glaube, Kafka hatte Vordringlicheres, worunter er litt und was er schreibend zu ergründen und zu verarbeiten suchte. Wie wär's einfach mit der conditio humana?


    Kafka hat auch eine Schalksnatur.


    Da stimme ich zu! Manche seiner Texte haben ja nachgerade die Struktur eines Witzes. Die Kleine Fabel z.B.:


    Zitat

    "Ach", sagte die Maus, " ... und da vorne steht die Falle." "Du musst nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.

    Nein, es war zu einfach! :redface:
    Russe , 20er Jahre - Wer, wenn nicht Nabokov?
    1. April - Was, wenn nicht Die Gabe?
    Außerdem habe ich fast alles von Nabokov. Er ist einer meiner Lieblingsschriftsteller!


    Vielen Dank und viele Grüße :winken:
    G.


    Es ist ein Text, der ähnlich wie die grossen Balladen eines Fontane oder Meyer über die Klippen der Unlogik trägt und einen mythische Abgründe sehen lässt oder einem zumindest vorgaukelt, dass man sie sieht.


    Schön gesagt! An welche Balladen dachtest du?


    Haben sich dir jetzt durch die Lektüre die Gründe für die enorme Verehrung Thelens für Pascoaes irgendwie erschlossen?( Das gehört jetzt eigentlich wieder in die Thelen-LR )

    Zitat

    Das Buch hat mich überrascht und trotz meines bessserwisserischen Vorurteils ihm gegenüber - "nur noch eine Deportationsgeschichte mehr" - überzeugt und berührt.


    (aus einer Rezension zu Herta Müllers Atemschaukel von bonaventura vom 15. Januar 2010)


    Eine gute Erklärung!


    Einspruch! Die "große"Revolution kommt in den Geheimnissen ja nun denkbar schlecht weg! Erinnert euch bitte an das 9.Kapitel des zweiten Bandes Der Finger Gottes - eine bitterböse Persiflage der Revolution: Der betrunkene Pöbel probt den Aufstand gegen den Adel in Gestalt von Rudolf von Gerolstein mit Parolen der Revolution:

    Zitat

    "Deine königliche Hoheit?" fragte höhnisch der Knochenmann...
    "Es gibt keine Hoheiten mehr ... es lebe die Charte!" rief Hinkebein und sang den Vers aus der Parisienne: "Volk voran..."


    Hier "fällt "auch der Tschourimann in Treue zu seiner "königlichen Hoheit".


    Und dann die durchgängig positive Darstellung der Religion und des Klerus und eben des Adels! Das müsste nach revolutionärerTradition laizistischen und antifeudalistischen Franzosen erheblich gegen den Strich gegangen sein bzw. gehen.
    :winken:


    "Niederungen", "Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt" und "Herztier" sind gute Bücher, die ich als Leseempfehlung weitergebe.


    Der Mensch ist ein... und Herztier kenne ich auch. Ich mag Müllers lakonischen, lapidaren Stil und ihre Schonungslosigkeit. Sie erinnert mich an Maguerite Duras, eine meiner absoluten Favoritinnen. Du hast sie ja auch mal lobend erwähnt.


    Man muss H. M. und ihre sogenannte poetische Prosa nicht mögen, und ich kann auch gut verstehen, dass man sich durch den Nobelpreis-Rummel nicht nötigen lässt und sie ignoriert. Aber wieso zitiert man kommentarlos eine vernichtende Kritik, ohne die Autorin gelesen zu haben?
    Also, meine Herren, was ist es? Die Frisur ... ?


    Ich würde da zu viel härteren Ausdrücken greifen!


    Dann mal los!


    Laszlo Foeldenyi schreibt Kitsch, Rezensenten-Kitsch!


    Ich habe die Atemschaukel gelesen und kann das, was Foeldenyi hier von sich gibt, nicht bestätigen.
    Ja, der viel geschmähte Hungerengel! Es gibt noch eine Reihe anderer Wortschöpfungen in dem Buch wie Herzschaufel, Hautundknochenzeit, Eigenbrot , Atemschaukel usw. Sie stammen von dem Lyriker Oskar Pastior, mit dem zusammen Müller das Erinnerungsbuch über Pastiors Lagererfahrung schreiben wollte und von dem sie mit den historischen Details auch Sprache übernahm.


    Müllers metaphorische Sprache erfüllt in keiner Weise die Kriterien für Kitsch, die F. aufstellt : Kluft zwischen Thema und Stil, poetische Kraft nicht aus dem Thema - das trifft nicht zu. Im Gegenteil: Hungerengel etwa, wohlgemerkt von Pastior, dem Betroffenen übernommen, personifiziert den Hunger, der sich verselbständigt, zum Begleiter wird, den Menschen im Griff hat.

    Müllers Sprache beschreibt in knapper verdichteter Form mit unglaublicher Empathie ihren Gegenstand.


    Zitat

    Ich wollte langsam essen, weil ich länger etwas von der Suppe haben wollte. Aber mein Hunger saß wie ein Hund vor dem Teller und fraß.



    Genauso abwegig ist die Unterstellung, Müller habe mit dem Thema nichts zu schaffen, sie wolle nur gehobene Literatur produzieren und zeigen, wie edelklingend sie über jedes beliebige Thema schreiben könne. Müller schreibt im Nachwort:


    Zitat

    Alle Frauen und Männer im Alter zwischen 17 und 45 Jahren wurden zur Zwangsarbeit in sowjetische Arbeitslager deportiert. Auch meine Mutter war 5 Jahre im Arbeitslager. Weil es an die faschistische Vergangenheit Rumäniens erinnerte, war das Thema Deportation tabu. Nur in der Familie und mit engen Vertrauten, die selbst deportiert waren, wurde über die Lagerjahre gesprochen. Und dann auch nur in Andeutungen. Die verstohlenen Gespräche haben meine Kindheit begleitet. Ihre Inhalte habe ich nicht verstanden, die Angst aber gespürt.


    Ja, was bedeutet es für das Kind, die Jugendliche, mit dieser beschädigten Erwachsenengeneration aufzuwachsen! Ich finde es, mutig, verantwortungsvoll, notwendig, dass sie sich selbst, dem verstorbenen Pastior, durch ihn auch ihrer Mutter und der Generation der deportierten Landsleute ihre Stimme leiht .



    Hat eigentlich sonst noch jemand die Atemschaukel gelesen? Es gibt viele positive bis enthusiastische Rezensionen zu dem Buch. Warum lese ich hier fast nur Negatives? Kann mir jemand erklären , woher diese - pardon - Voreingenommenheit gegenüber Herta Müller kommt?


    bei Amazon gibt es einen informativen Klappentext:
    Auszug: ....


    Moralische Unordnung ist der Roman von Margaret Atwoods Leben. All ihren Scharfsinn, ihren erbarmungslosen Humor richtet sie wie Scheinwerfer auf das eigene Leben, und das Ergebnis zählt zum Besten, was wir von dieser großen Erzählerin kennen.


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    Ich habe das Buch vor kurzem gelesen. Leider hält es nicht annähernd, was der Klappentext verspricht. Das ist kein autobiographischer Roman, sondern die etwas willkürliche Zusammenstellung recht unterschiedlicher, in letzter Zeit bereits erschienener Prosastücke zu Themen ihres Lebens, melancholisch, witzig, sympathisch, wie ich sie seit langem kenne, etwas gedämpft durch das Alter. Schade, eigentlich hatte ich gehofft, etwas Neues über ihr Leben und Schreiben zu erfahren.


    Nun bin ich nicht sicher, ob ich ihr neuestes Buch Jahr der Flut noch lesen möchte.


    Mag es heißen was es heißt, ich habe es verdient.


    Die lateinische Sentenz war nicht für dich, sondern für den Altphilologen Xenophanes bestimmt. Bedeutung etwa: Was einer schon eingesehen hat, darauf sollte man nicht weiter belehrend herumreiten ...


    Ich finde Wagner z.T. auch unerträglich, aber anders und auf anderem Niveau als Sue. Insofern finde ich auch, dass das nicht zusammenpasst, es wäre wie ... Kaldaunen mit Schlagsahne oder umgekehrt.



    Der Erfolg von Sue wundert mich allerdings wenig. Heute liegen entsprechende Bücher in den Buchwarenhäuser ebenfalls auf den höchsten Stapeln


    Ja, aber die sind vermutlich ohne literarische Bedeutung und morgen vergessen. Ich möchte noch dahinter kommen, warum und inwiefern Sue noch immer Pfeiler unserer aktuellen literarischen Situation ist. (Zitat sandhofer, 2.Dez.)


    Dass Du Wagner kaum kennst, war klar ...


    :belehr: Quod non est negatum, demonstrare non est necesse.




    Ich habe mich übrigens dazu entschlossen, nach der Beendigung des ersten Bandes der Insel-Ausgabe, erstmal eine Sue-Pause einzulegen.


    Wenn du mit ungelösten Rätseln, offenen Spannungsbögen und im Sande verlaufenden Handlungssträngen leben kannst ... Um 1840 schob man bekanntlich das Sterben auf, um zu erfahren, wie es weiterging. :breitgrins:



    Glückwunsch an die, die es geschafft haben! Eure Fazits (korrekter Plural?) habe ich mit Interesse gelesen. Auch ich bin nach längerer Pause und anderer Lektüre jetzt fertig.


    @ Lost: Ja, das Kapitel Vorbereitung ( XIV, 7) , im Original treffender und sarkastischer La Toilette betitelt - man wird fein gemacht für die Hinrichtung - , ist auch für mich eines der besten Kapitel, wenn nicht das beste des ganzen Romans: Eine wirklich beklemmende Schilderung, mit der Sue die Ungeheuerlichkeit der Todesstrafe veranschaulicht. Interessant, dass er in dieser Szene erstmalig(?) einer handelnden Person in den Mund legt, was er sonst in langatmigen theoretischen Abhandlungen auswalzt: Die Witwe Martial lehnt geistlichen Beistand und Reue ab mit den Worten: Seit dreißig Jahren lebe ich im Verbrechen und um diese dreißig Jahre zu bereuen, gibt man mir drei Tage - und dann den Tod. Habe ich denn die Zeit dazu...?




    Das Ende ist wirklich schrecklich! So ein Courts-Mahler- Geschreibsel muss ich wirklich nicht haben! Und dann Rudolf, der gnädigste Herr, der über allem schwebt. Und als Sahnehäubchen obendrauf wird nun Marienblume doch noch zur Märtyrerin ihres Lebens. Oh Mann ...!


    So empfinde ich das auch. Der mit Epilog betitelte letzte Teil ist eine unsägliche Schnulze! Plötzlich und ohne Not verfällt Sue auf die Idee, das ganze in Briefroman-Form fortzusetzen. Dabei bleibt er seiner Unsitte der endlosen Wiedergabe in wörtlicher Rede treu. Im (fingierten) Brief mutet das noch absurder an. Sue scheint seine Leser in diesem letzten Teil nach den Streifzügen durch die düstere Großstadtwelt mit einer feudalen und klerikalen Heile-Welt- Schmonzette belohnen zu wollen.
    Kurios, was da als deutsch transportiert wird: Abgesehen von den seltsamen, vielleicht für französische Ohren deutsch klingenden Namen (Sainte Hermengilde, den Namen des Klosters, konnte ich nur als Vorort von Montreal ergoogeln) - gibt es literarische Anspielungen auf Schiller, seinen Don Carlos, bei Hofe spielt Franz Liszt auf und lässt Herzen schmelzen ... Der Abstecher in den Brief-Roman für die Episode in Deutschland kommt mir wie eine Anlehnung oder Hommage an Goethes Werther vor. Auch der für Sue untypisch lakonische Schlusssatz scheint darauf hinzudeuten.



    Eine Frage, die sich mir bei der Lektüre immer wieder aufdrängte, war: Warum scheitert Sue hier auf der ganzen Linie ...


    Scheitert? :confused: Scheitern setzt ein Ziel voraus, das man sich steckt und dann eben nicht erreicht. Sues Ziele waren: Missstände anzuprangern, seine Botschaft an den Mann zu bringen , den Leser zu unterhalten, zu fesseln und bei der Stange zu halten, den Bedürfnissen seiner Leser nach Illusion, Sensation, Kompensation, gekrönten Häuptern, Gerechtigkeit now usw. zu entsprechen ... Und er hat diese Ziele erreicht - mit fulminanten Erfolg!



    Was Sue sympathisch macht: Er sieht dieses künsterlische Scheitern nicht nur, er spricht es sogar aus:
    Wenn dieses Werk, das wir gern und ohne Bedenken in künstlerischer Hinsicht als ein schlechtes Buch gelten lassen können, das wir aber in moralischer Hinsicht durchaus für ein gutes Buch betrachten, wenn dieses Werk in seiner kurzlebigen Laufbahn den von uns beschriebenen und gewünschten Anklang findet, so würden wir uns geehrt fühlen. [VIII, 12]


    Diese selbstreferentielle Äußerung, die jetzt übrigens zum fünften Mal in diesem thread zitiert wird, nehme ich - anders als du - nicht für bare Münze. Genau wie die Geheimnisse kein kurzlebiges Werk sind, handelt es sich hier imho nicht - wie es den Anschein hat - um einen künstlerischen Offenbarungseid, sondern um einen mehr oder weniger raffinierten Bescheidenheitstopos, der Widerspruch im Leser hervorrufen soll. Ja, es ist fishing for compliments. Denn ich glaube Sue nicht, dass es ihm nur um die Moral geht. Ebenso wenig, dass ihm der künstlerische Ehrgeiz abgeht. Sue, der vom Abenteuerroman herkommt, will auch als Erzähler reüssieren und das gelingt ihm ja auch. Er weiß, wegen der sozialpädagogischen Sermone reißen ihm die Leser die Fortsetzungen nicht aus der Hand!


    Das einzige Geheimnis, das nach Beendigung des Romans nicht gelüftet ist, ist das seines Erfolgs - bis heute.

    Ohne "Kunstsachverständiger" zu sein: Vielleicht hat Sue bei seinem Cabrion an Honoré Daumier gedacht? Von Daumier erschienen zur Zeit der "Geheimnisse" Karikaturen in verschiedenen satirischen Zeitschriften.
    Während der Lektüre musste ich des öfteren an Daumier denken, z.B. an seine "Juristen" ( man vergl.den Notar Ferrand) und an seine Darstellungen des "einfachen Volkes".
    Allerdings steckt im kleinen Finger von Daumiers Wäscherinnen und Bettlern mehr Sozialkritik als in 3000 Seiten Sue.


    Die Spannungsdramaturgie finde ich nach wie vor beachtlich. Das Buch liest sich für mich wie ein Pageturner.


    Mir geht es genauso. Die Lektüre flutscht. Es ist wie bei Nahrungsmitteln mit Geschmacksverstärkern. Man kann nicht aufhören. Und fühlt sich nachher schlecht.



    Ausnahmen!?:


    Du nennst keine Frauen. Ich glaube, einige der Sue'schen Frauengestalten sind, worauf auch du an anderer Stelle hingewiesen hast, durchaus der näheren Betrachtung wert. Meine Favoritinnen: Mme de Lucenay und la Louve (die Wölfin).


    Ich bin jetzt bis S.1504 (Insel) / 934 (Gallimard) vorgedrungen, bin dann die nächsten fünf Tage mal weg ohne Geheimnisse und hoffe, dass der eine oder andere vielleicht aufgeschlossen hat. :winken:


    Wollte ich heute früh eigentlich noch in die Runde werfen. Wieso hat Sue einen Deutschen als den großen Superhelden verwendet? Hatte er Probleme mit seinen Landsleuten?


    Rudolf ist die künstlichste und unwirklichste Figur des ganzen Romans. Er hat zwar auch eine Geschichte und ist durch Marie in die Romanhandlung involviert, das ist aber ein Feigenblatt. Seine eigentliche Funktion, hinter der er als Mensch verschwindet, ist die, die Türen zu den "Geheimnissen von Paris" zu öffnen und diese zur Genugtuung seiner Leser zu lösen.
    Eigentlich ist er eine Märchenfigur mit märchenhaften Fähigkeiten und märchenhaftem Reichtum.
    Er darf daher keine für den französischen Leser nachvollziehbare , lokalisierbare Herkunft haben.
    Es bieten sich die östlichen unübersichtlichen Kleinstaaten an. Das Bild Deutschlands ist damals zudem durch Mme de Staels De l'Allemagne geprägt: idyllisch, romantisch, philantropisch...


    Rudolf aus dem nebulösen fiktiven Gerolstein ( der Ortsname Oldenzaal klingt eher afrikaans als deutsch) lässt mich auch an Voltaires Candide denken. Ein Held, der dem Autor dazu dient den Lauf der Welt zu demonstrieren. Auch er kommt aus einem nebulösen Deutschland , einem Ort in "Westphalie" namens Thunder- ten tronckh!
    Schtonk! :breitgrins:


    Ja. Sue ist 19. Jahrhundert. Auf uns wirkt vieles von damals zynisch und/oder riecht nach Doppelmoral. Ich möchte nicht wissen, was das 23. Jahrhundert über uns sagen wird ...


    Auf diese Antwort hatte ich schon gewartet. :schnarch:
    Damit kann man jede Kritik aushebeln!
    Natürlich gibt es etliche Zeitgenossen Sues, die die Monstruosität des Kolonialismus schon erkannt und angeprangert haben. Von Sue verlange ich das gar nicht! Aber dass er ihn als moralischen Gesundbrunnen propagiert (und es werden noch weitere Romanfiguren nach Algerien abgehen , lieber Lost), finde ich , wie eingangs gesagt, UNSÄGLICH!


    Fin de la discussion, s.v.p.! :winken:


    Lieber Gontscharow, das müsstest du schon erläutert.


    Es ist, wie gesagt, das Fazit meiner Beobachtungen und Überlegungen zu I19/20 (Insel), die ich in mehreren Postings auf Seite 6 dieses Threads hinreichend meine dargelegt zu haben.
    Hast du vielleicht nur das Fazit gelesen?


    Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen:


    Zynismus:
    Der Chourimann wird hier ständig in Versuchung geführt, in Verlegenheit gebracht, auf die Probe gestellt , wie ein Tanzbär am Nasenring vorgeführt.
    Zitat sandhofer: Wie der alttestamentarische Jahwe führt er seinen Hiob Chourineur an der Nase herum... bescheißert ihn am Laufmeter...
    Ihn dann schließlich auf den Vorposten zum Araber-Bekämpfen nach Algerien zu schicken (vgl. mein Zitat), ihn ,den ehemaligen Mörder, den jetzt schon beim Schlachten eines Schafes das Grauen packt(vgl.Zitat). Was ist das, wenn nicht zynisch? Und überhaupt: die unsägliche Alternative zwischen Abschlachten von Vieh und von Arabern!


    Doppelmoral und Rassismus:
    Kolonialismus ist gesellschaftlich erlaubter und geförderter Raub und Mord, 5. und 7. Gebot sind außer Kraft mit Zustimmung des Staates, oft auch der Kirche zum Ruhm und Profit des Vaterlandes. Was ist das anderes als Messen mit zweierlei Maß, als Doppelmoral?
    Und Rassismus ist ja wohl die notwendige Bedingung des Kolonialismus, ohne Abwertung der Einheimischen ließe er sich gar nicht durchführen.


    Und Sue redet in seinem Unterhaltungsroman dem Kolonialismus das Wort!


    Heute ist mein französischer Gallimard -Text angekommen. Endlich!
    Ich gucke mir die Kolonialismus -Stelle an und was finde ich? Folgende Fußnote genau zu der von mir zitierten Stelle:
    Zitat Gontscharow: Dort muss man Soldat und Landmannn sein...
    Fußnote:
    Eugène Sue semble volontairement transposer la dévise utilisée par le général Bugeaud "Ense et aratro" ,"Par l'épée et la charrue", pour etayer son plaidoyer en faveur da la colonisation...
    Kurz: Sue trommelt hier freiwillig für den Kolonialismus. Dazu muss noch gesagt werden, dass der erwähnte General Bugeaud ein Hartliner ("mit Schwert und Pflug") war und die Eroberung Algeriens in diesen Jahren (1830 bis 1847) entscheidend und blutig vorangetrieben hat! Sue mit seinem Rieseneinfluss macht für seine Parolen Propaganda und das, wie in der Fußnote so schön gesagt wird, aus freien Stücken!


    « Tout homme a deux pays, le sien et puis la France. » Henri de Bornier (1825-1901), La Fille de Roland, Acte II, scène 3. (1875)


    :breitgrins: Ganz schön chauvinistisch und borniert der Herr Bornier!



    Tout homme a deux pays ... » Henri de Bornier (1825-1901), La Fille de Roland, Acte II, scène 3. (1875)


    Wirklich jeder? Und der Franzose? Oder gehört er nicht zur Spezies Mensch?


    Jetzt weiß ich endlich auch ,woher General de Gaulle möglicherweise den nicht unwitzigen Spruch hatte: Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich froh bin, dass es zwei davon gibt. (Kleine Anmerkung zum 9.November) :breitgrins:


    Ja, die Idee ist gut und rund.


    Ja, so gut und rund wie der Entschluss Kongo-Müllers seine verkrachte Existenz in Europa aufzugeben und im Kongo "Neger" abzumurksen.



    Der Chourineur wird( ... )als definitiv geläuterter Mensch zurückkommen...


    Er ist doch schon geläutert( siehe meine Zitate). Nu hat er doch gerade bewiesen , dass er nicht mal mehr ein Schaf töten kann. Warum sollte er jetzt wieder mit dem Abmurksen anfangen?



    Insofern kann es allenfalls in gute (= dem Vaterland nützliche) Bahnen gelenkt werden.


    Was Vaterland? Rudolf von Gerolstein ist der Souverän eines deutschen Operettenstaates, was geht ihn die Patriiie oder Algérie francaise an?



    wollen wir wetten?


    Nein. Den Chourineur werden wir beim Ehemaligentreffen auf Schloss Gerolstein wiedersehen, so wir solange durchhalten.


    Fazit: Das ganze ist eigentlich unsäglicher Mist! Sue entlarvt sich hier als Zyniker, Doppelmoralist, Rassist.